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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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Lat, Laan, mit dem charakteristischen punktirten weichen an, und Laanka
(vgl. das niederdeutsche Latt, das dänische Lägte und das schwe-
dische Läckt), bedeutet die Stange, Latte, den schlank und gerade
aufgeschossenen jungen Baum, mag also nach der originellen Erklä-
rung des hildburghausener Wörterbuchs für Lattger: "gewaltsamer
Dieb bei Nacht", der spätere Drohn der Rotwelschen Grammatik
und das noch spätere Drong der holländischen Banden, also der
Rennbaum, Hebebaum, Wiesenbaum zum gewaltsamen Aufrennen
von Thüren oder zum Wegbrechen eiserner Vergitterungen gewesen
sein, dessen sich die thüringer Bande bediente. Lattgener, Latt-
chener
ist daher nach der correcten Erklärung des hildburghau-
sener Wörterbuchs eigentlich nur der gewaltthätige Räuber, Ein-
brecher, Schränker (vgl. Th. II, S. 122). Doch wird Lattchener
im neuern Sprachgebrauch allgemein für den berufsthätigen Gau-
ner genommen und nach Ort, Zeit und Object dieser Thätigkeit
componirt, z. B.: Jeridlattchener, Dieb auf Märkten und
Messen; Scheinlattchener (Scheinspringer, Jomlekicher), der
Dieb, welcher am Tage stiehlt; Susimlatchener, Pferdedieb
u. s. w.

Melochner, jüdischdeutscher, sehr stark gebrauchter und wich-
tiger Ausdruck (von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], laach, [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], melocho, Arbeit, Hand-
arbeit, Handwerker- und Künstlerarbeit, [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], baal melocho,
Künstler, Handwerksmann), Arbeiter, besonders Handarbeiter,
Handwerksmann, Künstler, der mit den Händen etwas verrichtet.
Barselmelochner, der Schmied, Schlosser; Bedilmelochner,
Zinngießer; Taltelmelochner, Nachschlüsselarbeiter; Sackin-
melochner,
Messerschmied u. s. w. Ueber andere Zusammen-
stellungen und Redensarten, wo das Verbum melochnen das
Sichbefinden, Leiden, Tragen u. s. w. ausdrückt, wie man analog
im Englischen do, im Französischen se porter und selbst im Deut-
schen machen gebraucht, z. B.: chole melochnen, krank, ge-
fangen sein; pleto melochnen, bankrott, flüchtig sein u. s. w.
vgl. man das Wörterbuch. Niemals, weder im Jüdischdeutschen
noch in der Gaunersprache, wird jedoch diese specifische Verbal-
composition als substantivische Composition gebraucht, und Sub-

Lat, Laã, mit dem charakteriſtiſchen punktirten weichen ã, und Laãka
(vgl. das niederdeutſche Latt, das däniſche Lägte und das ſchwe-
diſche Läckt), bedeutet die Stange, Latte, den ſchlank und gerade
aufgeſchoſſenen jungen Baum, mag alſo nach der originellen Erklä-
rung des hildburghauſener Wörterbuchs für Lattger: „gewaltſamer
Dieb bei Nacht“, der ſpätere Drohn der Rotwelſchen Grammatik
und das noch ſpätere Drong der holländiſchen Banden, alſo der
Rennbaum, Hebebaum, Wieſenbaum zum gewaltſamen Aufrennen
von Thüren oder zum Wegbrechen eiſerner Vergitterungen geweſen
ſein, deſſen ſich die thüringer Bande bediente. Lattgener, Latt-
chener
iſt daher nach der correcten Erklärung des hildburghau-
ſener Wörterbuchs eigentlich nur der gewaltthätige Räuber, Ein-
brecher, Schränker (vgl. Th. II, S. 122). Doch wird Lattchener
im neuern Sprachgebrauch allgemein für den berufsthätigen Gau-
ner genommen und nach Ort, Zeit und Object dieſer Thätigkeit
componirt, z. B.: Jeridlattchener, Dieb auf Märkten und
Meſſen; Scheinlattchener (Scheinſpringer, Jomlekicher), der
Dieb, welcher am Tage ſtiehlt; Suſimlatchener, Pferdedieb
u. ſ. w.

Melochner, jüdiſchdeutſcher, ſehr ſtark gebrauchter und wich-
tiger Ausdruck (von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], laach, [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], melocho, Arbeit, Hand-
arbeit, Handwerker- und Künſtlerarbeit, [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], baal melocho,
Künſtler, Handwerksmann), Arbeiter, beſonders Handarbeiter,
Handwerksmann, Künſtler, der mit den Händen etwas verrichtet.
Barſelmelochner, der Schmied, Schloſſer; Bedilmelochner,
Zinngießer; Taltelmelochner, Nachſchlüſſelarbeiter; Sackin-
melochner,
Meſſerſchmied u. ſ. w. Ueber andere Zuſammen-
ſtellungen und Redensarten, wo das Verbum melochnen das
Sichbefinden, Leiden, Tragen u. ſ. w. ausdrückt, wie man analog
im Engliſchen do, im Franzöſiſchen se porter und ſelbſt im Deut-
ſchen machen gebraucht, z. B.: chole melochnen, krank, ge-
fangen ſein; pleto melochnen, bankrott, flüchtig ſein u. ſ. w.
vgl. man das Wörterbuch. Niemals, weder im Jüdiſchdeutſchen
noch in der Gaunerſprache, wird jedoch dieſe ſpecifiſche Verbal-
compoſition als ſubſtantiviſche Compoſition gebraucht, und Sub-

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[296/0308] Lat, Laã, mit dem charakteriſtiſchen punktirten weichen ã, und Laãka (vgl. das niederdeutſche Latt, das däniſche Lägte und das ſchwe- diſche Läckt), bedeutet die Stange, Latte, den ſchlank und gerade aufgeſchoſſenen jungen Baum, mag alſo nach der originellen Erklä- rung des hildburghauſener Wörterbuchs für Lattger: „gewaltſamer Dieb bei Nacht“, der ſpätere Drohn der Rotwelſchen Grammatik und das noch ſpätere Drong der holländiſchen Banden, alſo der Rennbaum, Hebebaum, Wieſenbaum zum gewaltſamen Aufrennen von Thüren oder zum Wegbrechen eiſerner Vergitterungen geweſen ſein, deſſen ſich die thüringer Bande bediente. Lattgener, Latt- chener iſt daher nach der correcten Erklärung des hildburghau- ſener Wörterbuchs eigentlich nur der gewaltthätige Räuber, Ein- brecher, Schränker (vgl. Th. II, S. 122). Doch wird Lattchener im neuern Sprachgebrauch allgemein für den berufsthätigen Gau- ner genommen und nach Ort, Zeit und Object dieſer Thätigkeit componirt, z. B.: Jeridlattchener, Dieb auf Märkten und Meſſen; Scheinlattchener (Scheinſpringer, Jomlekicher), der Dieb, welcher am Tage ſtiehlt; Suſimlatchener, Pferdedieb u. ſ. w. Melochner, jüdiſchdeutſcher, ſehr ſtark gebrauchter und wich- tiger Ausdruck (von _ , laach, _ , melocho, Arbeit, Hand- arbeit, Handwerker- und Künſtlerarbeit, _ , baal melocho, Künſtler, Handwerksmann), Arbeiter, beſonders Handarbeiter, Handwerksmann, Künſtler, der mit den Händen etwas verrichtet. Barſelmelochner, der Schmied, Schloſſer; Bedilmelochner, Zinngießer; Taltelmelochner, Nachſchlüſſelarbeiter; Sackin- melochner, Meſſerſchmied u. ſ. w. Ueber andere Zuſammen- ſtellungen und Redensarten, wo das Verbum melochnen das Sichbefinden, Leiden, Tragen u. ſ. w. ausdrückt, wie man analog im Engliſchen do, im Franzöſiſchen se porter und ſelbſt im Deut- ſchen machen gebraucht, z. B.: chole melochnen, krank, ge- fangen ſein; pleto melochnen, bankrott, flüchtig ſein u. ſ. w. vgl. man das Wörterbuch. Niemals, weder im Jüdiſchdeutſchen noch in der Gaunerſprache, wird jedoch dieſe ſpecifiſche Verbal- compoſition als ſubſtantiviſche Compoſition gebraucht, und Sub-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/308>, abgerufen am 24.11.2024.