prononciren (?), sprechen die Juden des Continents (?), nament- lich die in Polen, Ungarn und dem größten Theile von Deutsch- land heimischen (?), das Woof wie au aus, bedienen sich statt des Aijin meistentheils des Jud und sagen so z. B. Lau, Loschaun, Keifel, Heichel et cet., während es bei Jenen Lo, Loschon, Kefel, Hechel heißt. Diese Divergenz, die sich überhaupt auch in Deutsch- land nur wenig vorfindet, da der (sic) polnische Jdiom hier der vorherrschende ist -- und er ist es auch in meinem Wörterbuche --, ist indessen nicht so groß, daß in Ansehung der jüdischen Kochemer- Sprache die Verständigung dadurch gehindert und somit der Nutzen meiner Arbeit beeinträchtigt werden könnte."
Solche Dinge substituirt Thiele für alles das, was er mit so unerhörter Kritik und mit seinem eiteln "Mole schibbuschim" an Grolman und dessen Vorgängern getadelt und zu Boden ge- rissen hat! Selbst bei der Kritik des über alles Maß von ihm getadelten von Train gibt er noch größere Blößen als dieser selbst. S. 212, Note **, verbessert er den bei von Train richtig mit Erz- bösewicht" aufgefaßten Jodel rosche ([irrelevantes Material - Zeichen fehlt]) mit "großer Herr" ([irrelevantes Material - Zeichen fehlt]), negirt also das sehr stark gebrauchte godel Rosche. Ebenso einseitig corrigirt er bei von Train Fiesel, Knabe, mit "Auf- seher, Schließer", ohne die prägnante Bedeutung des Fiesel zu kennen.
Sieht man nun auf die Masse der Vocabeln selbst, deren Thiele nicht weniger als 2718 aufführt, so muß man auch hier die Feigen von den Disteln lesen. Man muß jedenfalls Thiele darin Gerechtigkeit und Anerkennung widerfahren lassen, daß er aus der Löwenthal'schen Untersuchung selbst eine nicht unbeträcht- liche Menge bis dahin noch nicht gesammelter origineller Vocabeln zusammenbrachte und sogar meistens mit glücklichem logischen Ver- ständniß erläuterte. Darin hat Thiele wirkliches Verdienst. Frei- lich ist er aber auch bei seinem Mangel an linguistischem Geschick und Wissen, wie schon oben gezeigt ist, oft recht unglücklich, und gerade da am meisten, wo er ganz unpassend mit Ausdrücken her- vortritt, welche das religiöse, gelehrte und ethische Leben des Juden- thums angehen und gar nicht in ein Wörterbuch der Gaunersprache
prononciren (?), ſprechen die Juden des Continents (?), nament- lich die in Polen, Ungarn und dem größten Theile von Deutſch- land heimiſchen (?), das Woof wie au aus, bedienen ſich ſtatt des Aijin meiſtentheils des Jud und ſagen ſo z. B. Lau, Loſchaun, Keifel, Heichel et cet., während es bei Jenen Lo, Loſchon, Kefel, Hechel heißt. Dieſe Divergenz, die ſich überhaupt auch in Deutſch- land nur wenig vorfindet, da der (sic) polniſche Jdiom hier der vorherrſchende iſt — und er iſt es auch in meinem Wörterbuche —, iſt indeſſen nicht ſo groß, daß in Anſehung der jüdiſchen Kochemer- Sprache die Verſtändigung dadurch gehindert und ſomit der Nutzen meiner Arbeit beeinträchtigt werden könnte.“
Solche Dinge ſubſtituirt Thiele für alles das, was er mit ſo unerhörter Kritik und mit ſeinem eiteln „Mole ſchibbuſchim“ an Grolman und deſſen Vorgängern getadelt und zu Boden ge- riſſen hat! Selbſt bei der Kritik des über alles Maß von ihm getadelten von Train gibt er noch größere Blößen als dieſer ſelbſt. S. 212, Note **, verbeſſert er den bei von Train richtig mit Erz- böſewicht“ aufgefaßten Jodel roſche ([irrelevantes Material – Zeichen fehlt]) mit „großer Herr“ ([irrelevantes Material – Zeichen fehlt]), negirt alſo das ſehr ſtark gebrauchte godel Roſche. Ebenſo einſeitig corrigirt er bei von Train Fieſel, Knabe, mit „Auf- ſeher, Schließer“, ohne die prägnante Bedeutung des Fieſel zu kennen.
Sieht man nun auf die Maſſe der Vocabeln ſelbſt, deren Thiele nicht weniger als 2718 aufführt, ſo muß man auch hier die Feigen von den Diſteln leſen. Man muß jedenfalls Thiele darin Gerechtigkeit und Anerkennung widerfahren laſſen, daß er aus der Löwenthal’ſchen Unterſuchung ſelbſt eine nicht unbeträcht- liche Menge bis dahin noch nicht geſammelter origineller Vocabeln zuſammenbrachte und ſogar meiſtens mit glücklichem logiſchen Ver- ſtändniß erläuterte. Darin hat Thiele wirkliches Verdienſt. Frei- lich iſt er aber auch bei ſeinem Mangel an linguiſtiſchem Geſchick und Wiſſen, wie ſchon oben gezeigt iſt, oft recht unglücklich, und gerade da am meiſten, wo er ganz unpaſſend mit Ausdrücken her- vortritt, welche das religiöſe, gelehrte und ethiſche Leben des Juden- thums angehen und gar nicht in ein Wörterbuch der Gaunerſprache
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prononciren (?), ſprechen die Juden des Continents (?), nament-
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des Aijin meiſtentheils des Jud und ſagen ſo z. B. Lau, Loſchaun,
Keifel, Heichel et cet., während es bei Jenen Lo, Loſchon, Kefel,
Hechel heißt. Dieſe Divergenz, die ſich überhaupt auch in Deutſch-
land nur wenig vorfindet, da der (sic) polniſche Jdiom hier der
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iſt indeſſen nicht ſo groß, daß in Anſehung der jüdiſchen Kochemer-
Sprache die Verſtändigung dadurch gehindert und ſomit der Nutzen
meiner Arbeit beeinträchtigt werden könnte.“
Solche Dinge ſubſtituirt Thiele für alles das, was er mit
ſo unerhörter Kritik und mit ſeinem eiteln „Mole ſchibbuſchim“
an Grolman und deſſen Vorgängern getadelt und zu Boden ge-
riſſen hat! Selbſt bei der Kritik des über alles Maß von ihm
getadelten von Train gibt er noch größere Blößen als dieſer ſelbſt.
S. 212, Note **, verbeſſert er den bei von Train richtig mit Erz-
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einſeitig corrigirt er bei von Train Fieſel, Knabe, mit „Auf-
ſeher, Schließer“, ohne die prägnante Bedeutung des Fieſel zu
kennen.
Sieht man nun auf die Maſſe der Vocabeln ſelbſt, deren
Thiele nicht weniger als 2718 aufführt, ſo muß man auch hier
die Feigen von den Diſteln leſen. Man muß jedenfalls Thiele
darin Gerechtigkeit und Anerkennung widerfahren laſſen, daß er
aus der Löwenthal’ſchen Unterſuchung ſelbſt eine nicht unbeträcht-
liche Menge bis dahin noch nicht geſammelter origineller Vocabeln
zuſammenbrachte und ſogar meiſtens mit glücklichem logiſchen Ver-
ſtändniß erläuterte. Darin hat Thiele wirkliches Verdienſt. Frei-
lich iſt er aber auch bei ſeinem Mangel an linguiſtiſchem Geſchick
und Wiſſen, wie ſchon oben gezeigt iſt, oft recht unglücklich, und
gerade da am meiſten, wo er ganz unpaſſend mit Ausdrücken her-
vortritt, welche das religiöſe, gelehrte und ethiſche Leben des Juden-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/273>, abgerufen am 24.11.2024.
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