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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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R. G. A., Nr. 631, welcher das jüdischdeutsche [fremdsprachliches Material], gel, geradezu
für gelb gebraucht.

Rot und Gil scheinen danach einerlei Bedeutung zu haben
und sehr bestimmt für die Bezeichnung der widerlichen Färbung
gebraucht worden zu sein, mit welcher sich die Landstreicher und
Gauner des Mittelalters Gesicht und Gliedmaßen entstellten, um
sich den Anschein von Krankheit zu geben oder sich unkenntlich zu
machen, von welcher Operation in den genannten ältesten Gauner-
urkunden zahlreiche und verschiedene Mittel und Methoden ange-
geben werden. Diese Entstellungen machen sich seit dem ersten
Auftreten und Bemerktwerden der Gauner als eine gebotene und
eifrig cultivirte Politik bemerkbar und werden noch zur Stunde
mit der raffinirtesten Kunst, aber mit feinern Mitteln zur Ver-
deckung der Persönlichkeit angewandt als vor Jahrhunderten, wo
die Gauner sich mit "Pferd Mist, Meigewunne, Oben und Oben"
und andern ekeln Sachen behalfen.

Die Etymologie, Schreibung und Bedeutung von gel, gilen,
gilb, gilwe
ist zu bestimmt, als daß man das spätere Giel,
Mund, des Liber Vagatorum damit in Verbindung bringen könnte,
welches eine ganz andere Wurzel hat. Giel ist herzuleiten vom
ahd. gail oder geil 1), mit welchem das Vocabular St.-Galli das
elatus übersetzt, goth. gailjan, erfreuen, mhd. ergeilen, erquicken,
sich erfreuen; das ahd. geil ist üppig, fröhlich, fett, fruchtbar;
geili, Ueppigkeit, Aufwand; ndl. geil, geyl, dän. geil, nord. galsi,
wovon das heutige niederd. galserig, galsterig, fett, ranzig;

1) Schwenck, a. a. O., S. 215, nimmt den verlorenen Stamm geilan an,
welches Ueppigkeit bezeichnet haben müsse. Schmeller, a. a. O., II, 31, deutet
bei geilen auf den Stamm galn. Zu beachten ist die Geile, testiculus
(Bibergeil, testiculi castoris; castoreum); geilen, emasculare (vgl. Frisch,
S. 335, Col. 1); Gaul, Hengst; Geilstier, Zuchtstier. Schmid, "Schwä-
bisches Jdiotikon", S. 231, erklärt, mit Bezug auf des St.-Gallus elatus, keil,
elate, kaillihho,
das geil überhaupt mit "was sich in die Höhe richtet, sei es
aus Fruchtbarkeit, Stolz oder Vergnügen". Schwenck, S. 215, weist auf die
griech. Grundform khlio, khlizo hin und führt dazu das lat. heluo als ver-
wandt auf. Doch hat Festus, worin ihm auch Vossius, "Etymologia", bei-
stimmt, die Ableitung von eluo. Vgl. Scheller's Lateinisches Lexikon, S. 4402.

R. G. A., Nr. 631, welcher das jüdiſchdeutſche [fremdsprachliches Material], gêl, geradezu
für gelb gebraucht.

Rot und Gil ſcheinen danach einerlei Bedeutung zu haben
und ſehr beſtimmt für die Bezeichnung der widerlichen Färbung
gebraucht worden zu ſein, mit welcher ſich die Landſtreicher und
Gauner des Mittelalters Geſicht und Gliedmaßen entſtellten, um
ſich den Anſchein von Krankheit zu geben oder ſich unkenntlich zu
machen, von welcher Operation in den genannten älteſten Gauner-
urkunden zahlreiche und verſchiedene Mittel und Methoden ange-
geben werden. Dieſe Entſtellungen machen ſich ſeit dem erſten
Auftreten und Bemerktwerden der Gauner als eine gebotene und
eifrig cultivirte Politik bemerkbar und werden noch zur Stunde
mit der raffinirteſten Kunſt, aber mit feinern Mitteln zur Ver-
deckung der Perſönlichkeit angewandt als vor Jahrhunderten, wo
die Gauner ſich mit „Pferd Miſt, Meigewunne, Oben und Oben“
und andern ekeln Sachen behalfen.

Die Etymologie, Schreibung und Bedeutung von gel, gilen,
gilb, gilwe
iſt zu beſtimmt, als daß man das ſpätere Giel,
Mund, des Liber Vagatorum damit in Verbindung bringen könnte,
welches eine ganz andere Wurzel hat. Giel iſt herzuleiten vom
ahd. gail oder geil 1), mit welchem das Vocabular St.-Galli das
elatus überſetzt, goth. gáiljan, erfreuen, mhd. ergeilen, erquicken,
ſich erfreuen; das ahd. geil iſt üppig, fröhlich, fett, fruchtbar;
geili, Ueppigkeit, Aufwand; ndl. geil, geyl, dän. geil, nord. galsi,
wovon das heutige niederd. galſerig, galſterig, fett, ranzig;

1) Schwenck, a. a. O., S. 215, nimmt den verlorenen Stamm geilan an,
welches Ueppigkeit bezeichnet haben müſſe. Schmeller, a. a. O., II, 31, deutet
bei geilen auf den Stamm gáln. Zu beachten iſt die Geile, testiculus
(Bibergeil, testiculi castoris; castoreum); geilen, emasculare (vgl. Friſch,
S. 335, Col. 1); Gaul, Hengſt; Geilſtier, Zuchtſtier. Schmid, „Schwä-
biſches Jdiotikon“, S. 231, erklärt, mit Bezug auf des St.-Gallus elatus, keil,
elate, kaillihho,
das geil überhaupt mit „was ſich in die Höhe richtet, ſei es
aus Fruchtbarkeit, Stolz oder Vergnügen“. Schwenck, S. 215, weiſt auf die
griech. Grundform χλίω, χλίζω hin und führt dazu das lat. heluo als ver-
wandt auf. Doch hat Feſtus, worin ihm auch Voſſius, „Etymologia“, bei-
ſtimmt, die Ableitung von eluo. Vgl. Scheller’s Lateiniſches Lexikon, S. 4402.
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[20/0054] R. G. A., Nr. 631, welcher das jüdiſchdeutſche _ , gêl, geradezu für gelb gebraucht. Rot und Gil ſcheinen danach einerlei Bedeutung zu haben und ſehr beſtimmt für die Bezeichnung der widerlichen Färbung gebraucht worden zu ſein, mit welcher ſich die Landſtreicher und Gauner des Mittelalters Geſicht und Gliedmaßen entſtellten, um ſich den Anſchein von Krankheit zu geben oder ſich unkenntlich zu machen, von welcher Operation in den genannten älteſten Gauner- urkunden zahlreiche und verſchiedene Mittel und Methoden ange- geben werden. Dieſe Entſtellungen machen ſich ſeit dem erſten Auftreten und Bemerktwerden der Gauner als eine gebotene und eifrig cultivirte Politik bemerkbar und werden noch zur Stunde mit der raffinirteſten Kunſt, aber mit feinern Mitteln zur Ver- deckung der Perſönlichkeit angewandt als vor Jahrhunderten, wo die Gauner ſich mit „Pferd Miſt, Meigewunne, Oben und Oben“ und andern ekeln Sachen behalfen. Die Etymologie, Schreibung und Bedeutung von gel, gilen, gilb, gilwe iſt zu beſtimmt, als daß man das ſpätere Giel, Mund, des Liber Vagatorum damit in Verbindung bringen könnte, welches eine ganz andere Wurzel hat. Giel iſt herzuleiten vom ahd. gail oder geil 1), mit welchem das Vocabular St.-Galli das elatus überſetzt, goth. gáiljan, erfreuen, mhd. ergeilen, erquicken, ſich erfreuen; das ahd. geil iſt üppig, fröhlich, fett, fruchtbar; geili, Ueppigkeit, Aufwand; ndl. geil, geyl, dän. geil, nord. galsi, wovon das heutige niederd. galſerig, galſterig, fett, ranzig; 1) Schwenck, a. a. O., S. 215, nimmt den verlorenen Stamm geilan an, welches Ueppigkeit bezeichnet haben müſſe. Schmeller, a. a. O., II, 31, deutet bei geilen auf den Stamm gáln. Zu beachten iſt die Geile, testiculus (Bibergeil, testiculi castoris; castoreum); geilen, emasculare (vgl. Friſch, S. 335, Col. 1); Gaul, Hengſt; Geilſtier, Zuchtſtier. Schmid, „Schwä- biſches Jdiotikon“, S. 231, erklärt, mit Bezug auf des St.-Gallus elatus, keil, elate, kaillihho, das geil überhaupt mit „was ſich in die Höhe richtet, ſei es aus Fruchtbarkeit, Stolz oder Vergnügen“. Schwenck, S. 215, weiſt auf die griech. Grundform χλίω, χλίζω hin und führt dazu das lat. heluo als ver- wandt auf. Doch hat Feſtus, worin ihm auch Voſſius, „Etymologia“, bei- ſtimmt, die Ableitung von eluo. Vgl. Scheller’s Lateiniſches Lexikon, S. 4402.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/54>, abgerufen am 23.11.2024.