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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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sonstigen poetischen Weise: der zur schwunghaften Empfindung sich
erhebende Gedanke lahmt immer an der trostlosen Form, welche
ihn stets an den Boden fesselt. Das sieht man besonders recht
deutlich in den poetischen prologisirenden Einleitungen zu Ueber-
tragungen aus dem Hebräischen, wo der Uebersetzer mit seiner sub-
jectiven Bildung und Sprache oft im grellsten Gegensatz gegen
das in reiner begeisterter Erhebung und poetischer Sprache conci-
pirte Original steht, wie das z. B. der Fall ist in der Vorrede
zum Keter Malchut des Salamo Ben Gabirol, einer trotz ihres
wissenschaftlichen Jnhalts dennoch schwunghaften poetischen Para-
phrase des aristotelischen "Peri kosmou". Der Uebersetzer beginnt
die Einleitung folgendermaßen:

Jch schofel armer Mann[fremdsprachliches Material]
Der nit viel lernen 1) kann[fremdsprachliches Material]
Ein mal in Liegen auf mein Bett bei Nacht[fremdsprachliches Material]
Sein aufgegangen mein Gedanken und hab getracht[fremdsprachliches Material]
Was soll ich antkegen meine Sünd stellen bewilligt zu weren[fremdsprachliches Material]
Wenn ich wer kommen vor den hochen Herren[fremdsprachliches Material]
Derenthalben hab' ich mir fürgenommen[fremdsprachliches Material]
Jch will was lassen in der Druck kommen[fremdsprachliches Material]
Ein choschuwo Tephillo die da hat gemacht ein chochom godol[fremdsprachliches Material]
Rav Schlomo Ben Gawirol thut man ihn nennen[fremdsprachliches Material] u. s. w.

Gleich unglücklich fallen auch die Freuden- und Jubellieder
aus, so sehr auch die Dichter Freude, Dank und Ergebenheit mit
der devotesten Bereitwilligkeit an den Tag zu legen sich bestreben.
Es ist oft geradezu peinlich, auf solche Poesien zu blicken, in denen
sich mit rechter Wehmuth der seit Jahrhunderten auf dem Volke
Jsrael schwer lastende Druck allseitigen Elends erkennen läßt, wie
z. B. auf das Lied: "Danckfest, zugleich auch Friede- und Freude-
fest des grossen Adlers", welches bei Gelegenheit der Geburt des
Erzherzogs Leopold von Oesterreich 1716 zum Vorschein kam.
Abgesehen von der höchst seltsamen äußern Druckweise des mit
einigen sehr schlechten Holzschnitten von der Größe eines Thalers
sehr sonderbar gezierten Gedichts wird man mitten in der hell

1) d. h. lehren.

ſonſtigen poetiſchen Weiſe: der zur ſchwunghaften Empfindung ſich
erhebende Gedanke lahmt immer an der troſtloſen Form, welche
ihn ſtets an den Boden feſſelt. Das ſieht man beſonders recht
deutlich in den poetiſchen prologiſirenden Einleitungen zu Ueber-
tragungen aus dem Hebräiſchen, wo der Ueberſetzer mit ſeiner ſub-
jectiven Bildung und Sprache oft im grellſten Gegenſatz gegen
das in reiner begeiſterter Erhebung und poetiſcher Sprache conci-
pirte Original ſteht, wie das z. B. der Fall iſt in der Vorrede
zum Keter Malchut des Salamo Ben Gabirol, einer trotz ihres
wiſſenſchaftlichen Jnhalts dennoch ſchwunghaften poetiſchen Para-
phraſe des ariſtoteliſchen „Περὶ κόσμου“. Der Ueberſetzer beginnt
die Einleitung folgendermaßen:

Jch ſchofel armer Mann[fremdsprachliches Material]
Der nit viel lernen 1) kann[fremdsprachliches Material]
Ein mal in Liegen auf mein Bett bei Nacht[fremdsprachliches Material]
Sein aufgegangen mein Gedanken und hab getracht[fremdsprachliches Material]
Was ſoll ich antkegen meine Sünd ſtellen bewilligt zu weren[fremdsprachliches Material]
Wenn ich wer kommen vor den hochen Herren[fremdsprachliches Material]
Derenthalben hab’ ich mir fürgenommen[fremdsprachliches Material]
Jch will was laſſen in der Druck kommen[fremdsprachliches Material]
Ein choſchuwo Tephillo die da hat gemacht ein chochom godol[fremdsprachliches Material]
Rav Schlomo Ben Gawirol thut man ihn nennen[fremdsprachliches Material] u. ſ. w.

Gleich unglücklich fallen auch die Freuden- und Jubellieder
aus, ſo ſehr auch die Dichter Freude, Dank und Ergebenheit mit
der devoteſten Bereitwilligkeit an den Tag zu legen ſich beſtreben.
Es iſt oft geradezu peinlich, auf ſolche Poeſien zu blicken, in denen
ſich mit rechter Wehmuth der ſeit Jahrhunderten auf dem Volke
Jſrael ſchwer laſtende Druck allſeitigen Elends erkennen läßt, wie
z. B. auf das Lied: „Danckfeſt, zugleich auch Friede- und Freude-
feſt des groſſen Adlers“, welches bei Gelegenheit der Geburt des
Erzherzogs Leopold von Oeſterreich 1716 zum Vorſchein kam.
Abgeſehen von der höchſt ſeltſamen äußern Druckweiſe des mit
einigen ſehr ſchlechten Holzſchnitten von der Größe eines Thalers
ſehr ſonderbar gezierten Gedichts wird man mitten in der hell

1) d. h. lehren.
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[415/0449] ſonſtigen poetiſchen Weiſe: der zur ſchwunghaften Empfindung ſich erhebende Gedanke lahmt immer an der troſtloſen Form, welche ihn ſtets an den Boden feſſelt. Das ſieht man beſonders recht deutlich in den poetiſchen prologiſirenden Einleitungen zu Ueber- tragungen aus dem Hebräiſchen, wo der Ueberſetzer mit ſeiner ſub- jectiven Bildung und Sprache oft im grellſten Gegenſatz gegen das in reiner begeiſterter Erhebung und poetiſcher Sprache conci- pirte Original ſteht, wie das z. B. der Fall iſt in der Vorrede zum Keter Malchut des Salamo Ben Gabirol, einer trotz ihres wiſſenſchaftlichen Jnhalts dennoch ſchwunghaften poetiſchen Para- phraſe des ariſtoteliſchen „Περὶ κόσμου“. Der Ueberſetzer beginnt die Einleitung folgendermaßen: Jch ſchofel armer Mann_ Der nit viel lernen 1) kann_ Ein mal in Liegen auf mein Bett bei Nacht_ Sein aufgegangen mein Gedanken und hab getracht_ Was ſoll ich antkegen meine Sünd ſtellen bewilligt zu weren_ Wenn ich wer kommen vor den hochen Herren_ Derenthalben hab’ ich mir fürgenommen_ Jch will was laſſen in der Druck kommen_ Ein choſchuwo Tephillo die da hat gemacht ein chochom godol_ Rav Schlomo Ben Gawirol thut man ihn nennen_ u. ſ. w. Gleich unglücklich fallen auch die Freuden- und Jubellieder aus, ſo ſehr auch die Dichter Freude, Dank und Ergebenheit mit der devoteſten Bereitwilligkeit an den Tag zu legen ſich beſtreben. Es iſt oft geradezu peinlich, auf ſolche Poeſien zu blicken, in denen ſich mit rechter Wehmuth der ſeit Jahrhunderten auf dem Volke Jſrael ſchwer laſtende Druck allſeitigen Elends erkennen läßt, wie z. B. auf das Lied: „Danckfeſt, zugleich auch Friede- und Freude- feſt des groſſen Adlers“, welches bei Gelegenheit der Geburt des Erzherzogs Leopold von Oeſterreich 1716 zum Vorſchein kam. Abgeſehen von der höchſt ſeltſamen äußern Druckweiſe des mit einigen ſehr ſchlechten Holzſchnitten von der Größe eines Thalers ſehr ſonderbar gezierten Gedichts wird man mitten in der hell 1) d. h. lehren.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/449>, abgerufen am 22.11.2024.