Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

Ezechiel im ersten Kapitel. Dieser Theil handelt ab: die Lehre
von Gott, seinen verschiedenen Namen, ihren mannichfaltigen Aus-
flüssen und Einwirkungen, sowie von der Seele und den verschie-
denen guten und bösen Geistern, ihrer Rangordnung, ihren Ver-
richtungen u. dgl. m. Die prakrische Kabbala hingegen beschäf-
tigt sich mit den aus dem theoretischen Theile bekannt gewordenen
Namen Gottes und der Geister. Sie lehrt, wie mittels Ausspre-
chung oder auch nur durch das bloße Denken hierüber verschiedene
Wirkungen in den himmlischen Regionen hervorgebracht und auf
die sublunarische Welt einflußbar gemacht werden können. Jn die-
sem Theile liegt der Grund zur kabbalistischen Theurgie oder Be-
schwörung der guten Geister, wie auch zur Goetie oder Be-
schwörung der bösen Geister. 1) Dieses geschieht entweder durch
das Aussprechen gewisser Verse oder nur einzelner Wörter aus der
Heiligen Schrift, welche die mannichfaltigen Gottes- und Engel-
namen bedeuten, die durch die verschiedenen Versetzungen des
hebräischen Alphabets herausgebracht werden, oder durch Amulete,
[fremdsprachliches Material], das sind Zettel aus Pergament, worauf Verse oder ein-
zelne Worte in Zusammensetzungen der angeblichen Gottes- oder
Geisternamen geschrieben und mit verschiedenen Figuren bezeich-
net sind. 2)

Die ungeheuern zerstörenden Verirrungen, zu welchen die
Ausbeutung dieser von der christlichen Zaubermystik niemals klar
aufgefaßten, sondern stets nur stückweise aus der ganzen religiösen,
sittlichen, philosophischen und sprachlichen jüdischen Eigenthümlich-
keit herausgerissenen realen Kabbala führte, lassen sich mit den zwei
Worten Teufelsbündnisse und Hexenprocesse und damit zu-
gleich als das schwerste sittliche und politische Elend bezeichnen,
welches je über die Menschheit hereingebrochen ist. Geht man aber
auf das Sprachliche der Kabbala ein, so wird man oft durch die
scharfsinnigsten Berechnungen und Zusammenstellungen überrascht,
und der Reiz geistiger Anstrengung mag eben durch die Möglich-

1) Vgl. in den Proben jüdischdeutscher Literatur Nr. 7: Rabbi Eliesar und
die Schlange.
2) Vgl. ebendas. Nr. 5: die Maurer zu Regensburg; sowie das Wörterbuch.

Ezechiel im erſten Kapitel. Dieſer Theil handelt ab: die Lehre
von Gott, ſeinen verſchiedenen Namen, ihren mannichfaltigen Aus-
flüſſen und Einwirkungen, ſowie von der Seele und den verſchie-
denen guten und böſen Geiſtern, ihrer Rangordnung, ihren Ver-
richtungen u. dgl. m. Die prakriſche Kabbala hingegen beſchäf-
tigt ſich mit den aus dem theoretiſchen Theile bekannt gewordenen
Namen Gottes und der Geiſter. Sie lehrt, wie mittels Ausſpre-
chung oder auch nur durch das bloße Denken hierüber verſchiedene
Wirkungen in den himmliſchen Regionen hervorgebracht und auf
die ſublunariſche Welt einflußbar gemacht werden können. Jn die-
ſem Theile liegt der Grund zur kabbaliſtiſchen Theurgie oder Be-
ſchwörung der guten Geiſter, wie auch zur Goetie oder Be-
ſchwörung der böſen Geiſter. 1) Dieſes geſchieht entweder durch
das Ausſprechen gewiſſer Verſe oder nur einzelner Wörter aus der
Heiligen Schrift, welche die mannichfaltigen Gottes- und Engel-
namen bedeuten, die durch die verſchiedenen Verſetzungen des
hebräiſchen Alphabets herausgebracht werden, oder durch Amulete,
[fremdsprachliches Material], das ſind Zettel aus Pergament, worauf Verſe oder ein-
zelne Worte in Zuſammenſetzungen der angeblichen Gottes- oder
Geiſternamen geſchrieben und mit verſchiedenen Figuren bezeich-
net ſind. 2)

Die ungeheuern zerſtörenden Verirrungen, zu welchen die
Ausbeutung dieſer von der chriſtlichen Zaubermyſtik niemals klar
aufgefaßten, ſondern ſtets nur ſtückweiſe aus der ganzen religiöſen,
ſittlichen, philoſophiſchen und ſprachlichen jüdiſchen Eigenthümlich-
keit herausgeriſſenen realen Kabbala führte, laſſen ſich mit den zwei
Worten Teufelsbündniſſe und Hexenproceſſe und damit zu-
gleich als das ſchwerſte ſittliche und politiſche Elend bezeichnen,
welches je über die Menſchheit hereingebrochen iſt. Geht man aber
auf das Sprachliche der Kabbala ein, ſo wird man oft durch die
ſcharfſinnigſten Berechnungen und Zuſammenſtellungen überraſcht,
und der Reiz geiſtiger Anſtrengung mag eben durch die Möglich-

1) Vgl. in den Proben jüdiſchdeutſcher Literatur Nr. 7: Rabbi Elieſar und
die Schlange.
2) Vgl. ebendaſ. Nr. 5: die Maurer zu Regensburg; ſowie das Wörterbuch.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0430" n="396"/>
Ezechiel im er&#x017F;ten Kapitel. Die&#x017F;er Theil handelt ab: die Lehre<lb/>
von Gott, &#x017F;einen ver&#x017F;chiedenen Namen, ihren mannichfaltigen Aus-<lb/>
flü&#x017F;&#x017F;en und Einwirkungen, &#x017F;owie von der Seele und den ver&#x017F;chie-<lb/>
denen guten und bö&#x017F;en Gei&#x017F;tern, ihrer Rangordnung, ihren Ver-<lb/>
richtungen u. dgl. m. Die prakri&#x017F;che Kabbala hingegen be&#x017F;chäf-<lb/>
tigt &#x017F;ich mit den aus dem theoreti&#x017F;chen Theile bekannt gewordenen<lb/>
Namen Gottes und der Gei&#x017F;ter. Sie lehrt, wie mittels Aus&#x017F;pre-<lb/>
chung oder auch nur durch das bloße Denken hierüber ver&#x017F;chiedene<lb/>
Wirkungen in den himmli&#x017F;chen Regionen hervorgebracht und auf<lb/>
die &#x017F;ublunari&#x017F;che Welt einflußbar gemacht werden können. Jn die-<lb/>
&#x017F;em Theile liegt der Grund zur kabbali&#x017F;ti&#x017F;chen Theurgie oder Be-<lb/>
&#x017F;chwörung der guten Gei&#x017F;ter, wie auch zur Goetie oder Be-<lb/>
&#x017F;chwörung der bö&#x017F;en Gei&#x017F;ter. <note place="foot" n="1)">Vgl. in den Proben jüdi&#x017F;chdeut&#x017F;cher Literatur Nr. 7: Rabbi Elie&#x017F;ar und<lb/>
die Schlange.</note> Die&#x017F;es ge&#x017F;chieht entweder durch<lb/>
das Aus&#x017F;prechen gewi&#x017F;&#x017F;er Ver&#x017F;e oder nur einzelner Wörter aus der<lb/>
Heiligen Schrift, welche die mannichfaltigen Gottes- und Engel-<lb/>
namen bedeuten, die durch die ver&#x017F;chiedenen Ver&#x017F;etzungen des<lb/>
hebräi&#x017F;chen Alphabets herausgebracht werden, oder durch Amulete,<lb/><gap reason="fm"/>, das &#x017F;ind Zettel aus Pergament, worauf Ver&#x017F;e oder ein-<lb/>
zelne Worte in Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzungen der angeblichen Gottes- oder<lb/>
Gei&#x017F;ternamen ge&#x017F;chrieben und mit ver&#x017F;chiedenen Figuren bezeich-<lb/>
net &#x017F;ind. <note place="foot" n="2)">Vgl. ebenda&#x017F;. Nr. 5: die Maurer zu Regensburg; &#x017F;owie das Wörterbuch.</note></p><lb/>
            <p>Die ungeheuern zer&#x017F;törenden Verirrungen, zu welchen die<lb/>
Ausbeutung die&#x017F;er von der chri&#x017F;tlichen Zaubermy&#x017F;tik niemals klar<lb/>
aufgefaßten, &#x017F;ondern &#x017F;tets nur &#x017F;tückwei&#x017F;e aus der ganzen religiö&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ittlichen, philo&#x017F;ophi&#x017F;chen und &#x017F;prachlichen jüdi&#x017F;chen Eigenthümlich-<lb/>
keit herausgeri&#x017F;&#x017F;enen realen Kabbala führte, la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich mit den zwei<lb/>
Worten <hi rendition="#g">Teufelsbündni&#x017F;&#x017F;e</hi> und <hi rendition="#g">Hexenproce&#x017F;&#x017F;e</hi> und damit zu-<lb/>
gleich als das &#x017F;chwer&#x017F;te &#x017F;ittliche und politi&#x017F;che Elend bezeichnen,<lb/>
welches je über die Men&#x017F;chheit hereingebrochen i&#x017F;t. Geht man aber<lb/>
auf das Sprachliche der Kabbala ein, &#x017F;o wird man oft durch die<lb/>
&#x017F;charf&#x017F;innig&#x017F;ten Berechnungen und Zu&#x017F;ammen&#x017F;tellungen überra&#x017F;cht,<lb/>
und der Reiz gei&#x017F;tiger An&#x017F;trengung mag eben durch die Möglich-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[396/0430] Ezechiel im erſten Kapitel. Dieſer Theil handelt ab: die Lehre von Gott, ſeinen verſchiedenen Namen, ihren mannichfaltigen Aus- flüſſen und Einwirkungen, ſowie von der Seele und den verſchie- denen guten und böſen Geiſtern, ihrer Rangordnung, ihren Ver- richtungen u. dgl. m. Die prakriſche Kabbala hingegen beſchäf- tigt ſich mit den aus dem theoretiſchen Theile bekannt gewordenen Namen Gottes und der Geiſter. Sie lehrt, wie mittels Ausſpre- chung oder auch nur durch das bloße Denken hierüber verſchiedene Wirkungen in den himmliſchen Regionen hervorgebracht und auf die ſublunariſche Welt einflußbar gemacht werden können. Jn die- ſem Theile liegt der Grund zur kabbaliſtiſchen Theurgie oder Be- ſchwörung der guten Geiſter, wie auch zur Goetie oder Be- ſchwörung der böſen Geiſter. 1) Dieſes geſchieht entweder durch das Ausſprechen gewiſſer Verſe oder nur einzelner Wörter aus der Heiligen Schrift, welche die mannichfaltigen Gottes- und Engel- namen bedeuten, die durch die verſchiedenen Verſetzungen des hebräiſchen Alphabets herausgebracht werden, oder durch Amulete, _ , das ſind Zettel aus Pergament, worauf Verſe oder ein- zelne Worte in Zuſammenſetzungen der angeblichen Gottes- oder Geiſternamen geſchrieben und mit verſchiedenen Figuren bezeich- net ſind. 2) Die ungeheuern zerſtörenden Verirrungen, zu welchen die Ausbeutung dieſer von der chriſtlichen Zaubermyſtik niemals klar aufgefaßten, ſondern ſtets nur ſtückweiſe aus der ganzen religiöſen, ſittlichen, philoſophiſchen und ſprachlichen jüdiſchen Eigenthümlich- keit herausgeriſſenen realen Kabbala führte, laſſen ſich mit den zwei Worten Teufelsbündniſſe und Hexenproceſſe und damit zu- gleich als das ſchwerſte ſittliche und politiſche Elend bezeichnen, welches je über die Menſchheit hereingebrochen iſt. Geht man aber auf das Sprachliche der Kabbala ein, ſo wird man oft durch die ſcharfſinnigſten Berechnungen und Zuſammenſtellungen überraſcht, und der Reiz geiſtiger Anſtrengung mag eben durch die Möglich- 1) Vgl. in den Proben jüdiſchdeutſcher Literatur Nr. 7: Rabbi Elieſar und die Schlange. 2) Vgl. ebendaſ. Nr. 5: die Maurer zu Regensburg; ſowie das Wörterbuch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/430
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/430>, abgerufen am 22.11.2024.