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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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ohn vocalen, entweder gantz oder guten theils. 4) Die vocales,
auch diphthongi, welche sie haben, sind zwey oder gar drey oder
gar vierdeutig. 5) Unterscheiden sie die numeros und tempora gar
selten. 6) Schreiben sie unterschiedene dinge, die mit einander gar
keine gemeinschaft haben, mit einerley worten und buchstaben.
7) Schreiben sie die Worte mehrentheils falsch oder wenigstens
unteutsch, setzen theils ganz andere buchstaben, als es die wahren
teutschen worte erfordern, theils nehmen sie buchstaben heraus, die
doch zum worte gehören, bald aber setzen sie buchstaben hinein,
die nicht dahin gehören, und machen also ein gantz falsches, cor-
ruptes, unleserliches, unverständliches teutsch. Zum obigen allen
hilft 8) sehr viel, daß die juden auf die teutsche, als eine Goim
und heydensprache, wenig achten, und demnach kein gewiß teutsch
dikduk oder grammaticam haben, auch schwerlich haben können,
weilen sie, als ein fremd orientalisch volck, die teutsche sprache nicht
recht verstehen. Diesen verwirrungen und schwierigkeiten abzuhel-
fen, bin ich mit fleiß zu zeiten von der gewöhnlichen schreibart der
juden abgewichen, zuforderst wann die schreibart vieldeutig, oder
sonst die sache obscur und unverständlich machet. Habe mich also
bemühet, auch auf diese maasse dem jüdischen volck die schwere
sothaner ihnen unbekanten glaubenssachen leicht und angenehm zu
machen."

Dadurch kann man allerdings keinen Begriff von der jüdisch-
deutschen Formenlehre und Syntax bekommen. Und dennoch ist
in der That diese Stelle die allereinzige Aufklärung über Formen-
lehre und Syntax, mit welcher sich die jüdischdeutsche Grammatik
trotz ihrer außerordentlich reichen Literatur bis zur Stunde hat be-
helfen müssen. Denn der ganze Vorbericht zum "Prager Hand-
lexikon der jüdischdeutschen Sprache" von 1773 gibt nichts ande-
res und nichts mehr, als Calvör und Callenberg gegeben haben,
obwol es durchaus selbständig und bei weitem verständlicher in
Erklärung der Wörter und Beispiele ist. Die von dem in der
jüdischdeutschen Literatur genau bewanderten Chrysander §. 5 seiner
"Jüdisch-Teutschen Grammatik" als specifisch jüdischdeutsch in ver-
einzelten Beispielen aufgeführte prosthesis, ephenthesis, aphae-

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ohn vocalen, entweder gantz oder guten theils. 4) Die vocales,
auch diphthongi, welche ſie haben, ſind zwey oder gar drey oder
gar vierdeutig. 5) Unterſcheiden ſie die numeros und tempora gar
ſelten. 6) Schreiben ſie unterſchiedene dinge, die mit einander gar
keine gemeinſchaft haben, mit einerley worten und buchſtaben.
7) Schreiben ſie die Worte mehrentheils falſch oder wenigſtens
unteutſch, ſetzen theils ganz andere buchſtaben, als es die wahren
teutſchen worte erfordern, theils nehmen ſie buchſtaben heraus, die
doch zum worte gehören, bald aber ſetzen ſie buchſtaben hinein,
die nicht dahin gehören, und machen alſo ein gantz falſches, cor-
ruptes, unleſerliches, unverſtändliches teutſch. Zum obigen allen
hilft 8) ſehr viel, daß die juden auf die teutſche, als eine Goim
und heydenſprache, wenig achten, und demnach kein gewiß teutſch
dikduk oder grammaticam haben, auch ſchwerlich haben können,
weilen ſie, als ein fremd orientaliſch volck, die teutſche ſprache nicht
recht verſtehen. Dieſen verwirrungen und ſchwierigkeiten abzuhel-
fen, bin ich mit fleiß zu zeiten von der gewöhnlichen ſchreibart der
juden abgewichen, zuforderſt wann die ſchreibart vieldeutig, oder
ſonſt die ſache obſcur und unverſtändlich machet. Habe mich alſo
bemühet, auch auf dieſe maaſſe dem jüdiſchen volck die ſchwere
ſothaner ihnen unbekanten glaubensſachen leicht und angenehm zu
machen.“

Dadurch kann man allerdings keinen Begriff von der jüdiſch-
deutſchen Formenlehre und Syntax bekommen. Und dennoch iſt
in der That dieſe Stelle die allereinzige Aufklärung über Formen-
lehre und Syntax, mit welcher ſich die jüdiſchdeutſche Grammatik
trotz ihrer außerordentlich reichen Literatur bis zur Stunde hat be-
helfen müſſen. Denn der ganze Vorbericht zum „Prager Hand-
lexikon der jüdiſchdeutſchen Sprache“ von 1773 gibt nichts ande-
res und nichts mehr, als Calvör und Callenberg gegeben haben,
obwol es durchaus ſelbſtändig und bei weitem verſtändlicher in
Erklärung der Wörter und Beiſpiele iſt. Die von dem in der
jüdiſchdeutſchen Literatur genau bewanderten Chryſander §. 5 ſeiner
„Jüdiſch-Teutſchen Grammatik“ als ſpecifiſch jüdiſchdeutſch in ver-
einzelten Beiſpielen aufgeführte prosthesis, ephenthesis, aphae-

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[355/0389] ohn vocalen, entweder gantz oder guten theils. 4) Die vocales, auch diphthongi, welche ſie haben, ſind zwey oder gar drey oder gar vierdeutig. 5) Unterſcheiden ſie die numeros und tempora gar ſelten. 6) Schreiben ſie unterſchiedene dinge, die mit einander gar keine gemeinſchaft haben, mit einerley worten und buchſtaben. 7) Schreiben ſie die Worte mehrentheils falſch oder wenigſtens unteutſch, ſetzen theils ganz andere buchſtaben, als es die wahren teutſchen worte erfordern, theils nehmen ſie buchſtaben heraus, die doch zum worte gehören, bald aber ſetzen ſie buchſtaben hinein, die nicht dahin gehören, und machen alſo ein gantz falſches, cor- ruptes, unleſerliches, unverſtändliches teutſch. Zum obigen allen hilft 8) ſehr viel, daß die juden auf die teutſche, als eine Goim und heydenſprache, wenig achten, und demnach kein gewiß teutſch dikduk oder grammaticam haben, auch ſchwerlich haben können, weilen ſie, als ein fremd orientaliſch volck, die teutſche ſprache nicht recht verſtehen. Dieſen verwirrungen und ſchwierigkeiten abzuhel- fen, bin ich mit fleiß zu zeiten von der gewöhnlichen ſchreibart der juden abgewichen, zuforderſt wann die ſchreibart vieldeutig, oder ſonſt die ſache obſcur und unverſtändlich machet. Habe mich alſo bemühet, auch auf dieſe maaſſe dem jüdiſchen volck die ſchwere ſothaner ihnen unbekanten glaubensſachen leicht und angenehm zu machen.“ Dadurch kann man allerdings keinen Begriff von der jüdiſch- deutſchen Formenlehre und Syntax bekommen. Und dennoch iſt in der That dieſe Stelle die allereinzige Aufklärung über Formen- lehre und Syntax, mit welcher ſich die jüdiſchdeutſche Grammatik trotz ihrer außerordentlich reichen Literatur bis zur Stunde hat be- helfen müſſen. Denn der ganze Vorbericht zum „Prager Hand- lexikon der jüdiſchdeutſchen Sprache“ von 1773 gibt nichts ande- res und nichts mehr, als Calvör und Callenberg gegeben haben, obwol es durchaus ſelbſtändig und bei weitem verſtändlicher in Erklärung der Wörter und Beiſpiele iſt. Die von dem in der jüdiſchdeutſchen Literatur genau bewanderten Chryſander §. 5 ſeiner „Jüdiſch-Teutſchen Grammatik“ als ſpecifiſch jüdiſchdeutſch in ver- einzelten Beiſpielen aufgeführte prosthesis, ephenthesis, aphae- 23 *

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/389>, abgerufen am 22.11.2024.