ausgedrückt werden, bis man endlich im Neujudendeutsch die Um- laute ä, ö und ü, zur Ermöglichung einer klaren Unterscheidung der einzelnen Laute, freilich ganz gegen die Eigenthümlichkeit des jüdischdeutschen Vocalismus, mit Lesezeichen versehen hat, nämlich ä -- [fremdsprachliches Material] -- [fremdsprachliches Material] ö -- [fremdsprachliches Material] -- [fremdsprachliches Material] ü -- [fremdsprachliches Material] -- [fremdsprachliches Material] wobei auch der Diphthong ai unbedenklich in dürrer Buchstaben- übertragung mit [fremdsprachliches Material], besonders in der Currentschrift mit [fremdsprachliches Material], zum Unterschied von [fremdsprachliches Material](ei), geschrieben wird.
Nur in seiner unnatürlichen Geltung als deutscher Diphthong au blieb das [fremdsprachliches Material] unverändert bestehen, und in dieser Geltung ist es auch im heutigen Judendeutsch unverkümmert beibehalten worden, ohne daß dadurch die diphthongische Aussprache des [fremdsprachliches Material] oder [fremdsprachliches Material] als au oder ou unter den Juden im geringsten alterirt worden ist.
Auch hier ist der Widerstand charakteristisch, welchen in Ueber- einstimmung mit dem ältern Judendeutsch das Niederdeutsche der Abflachung des Hochdeutschen entgegengesetzt und bis zur Stunde behauptet hat. Das hochdeutsche diphthongische eu ist im Nieder- deutschen der Umlaut ü geblieben, z. B.: Düvel, Teufel; Lüde, Leute; dütsch, deutsch; Küle, Keule, wogegen der hochdeutsche Umlaut ü im Niederdeutschen sich in ö verwandelt 1), z. B.: plögen, pflügen; höden, hüten; Röve, Rübe; Dör, Thür; Töge, Züge, wobei aber auch wieder die Bauernsprache das diphthongische oi wie eu durchklingen läßt, z. B.: ploigen, hoi- den, Roiv, Doir, Toig, sowie der jüdische Volksmund das [fremdsprachliches Material] oder [fremdsprachliches Material] durchhören läßt, z. B.: heite, hait, heute; schän, schein, schain, schön; keisch, kaisch, kasch, keusch u. s. w. Hierbei ist im Niederdeutschen, auch noch nach der heutigen Aus- sprache, ein für das Kennerohr deutlich wahrnehmbarer Unterschied zwischen einem zweifachen ö zu bemerken. Es ist wahrscheinlich, daß gerade für diesen Unterschied im Jüdischdeutschen der Umlaut
1) Wol nur die drei einzigen Ausnahmen sind: Buhle, Beule; Uhle, Eule; hulen, heulen.
Ave-Lallemant, Gaunerthum. III. 20
ausgedrückt werden, bis man endlich im Neujudendeutſch die Um- laute ä, ö und ü, zur Ermöglichung einer klaren Unterſcheidung der einzelnen Laute, freilich ganz gegen die Eigenthümlichkeit des jüdiſchdeutſchen Vocalismus, mit Leſezeichen verſehen hat, nämlich ä — [fremdsprachliches Material] — [fremdsprachliches Material] ö — [fremdsprachliches Material] — [fremdsprachliches Material] ü — [fremdsprachliches Material] — [fremdsprachliches Material] wobei auch der Diphthong ai unbedenklich in dürrer Buchſtaben- übertragung mit [fremdsprachliches Material], beſonders in der Currentſchrift mit [fremdsprachliches Material], zum Unterſchied von [fremdsprachliches Material](ei), geſchrieben wird.
Nur in ſeiner unnatürlichen Geltung als deutſcher Diphthong au blieb das [fremdsprachliches Material] unverändert beſtehen, und in dieſer Geltung iſt es auch im heutigen Judendeutſch unverkümmert beibehalten worden, ohne daß dadurch die diphthongiſche Ausſprache des [fremdsprachliches Material] oder [fremdsprachliches Material] als au oder ou unter den Juden im geringſten alterirt worden iſt.
Auch hier iſt der Widerſtand charakteriſtiſch, welchen in Ueber- einſtimmung mit dem ältern Judendeutſch das Niederdeutſche der Abflachung des Hochdeutſchen entgegengeſetzt und bis zur Stunde behauptet hat. Das hochdeutſche diphthongiſche eu iſt im Nieder- deutſchen der Umlaut ü geblieben, z. B.: Düvel, Teufel; Lüde, Leute; dütſch, deutſch; Küle, Keule, wogegen der hochdeutſche Umlaut ü im Niederdeutſchen ſich in ö verwandelt 1), z. B.: plögen, pflügen; höden, hüten; Röve, Rübe; Dör, Thür; Töge, Züge, wobei aber auch wieder die Bauernſprache das diphthongiſche oi wie eu durchklingen läßt, z. B.: ploigen, hoi- den, Roiv, Doir, Toig, ſowie der jüdiſche Volksmund das [fremdsprachliches Material] oder [fremdsprachliches Material] durchhören läßt, z. B.: heite, hait, heute; ſchän, ſchein, ſchain, ſchön; keiſch, kaiſch, kâſch, keuſch u. ſ. w. Hierbei iſt im Niederdeutſchen, auch noch nach der heutigen Aus- ſprache, ein für das Kennerohr deutlich wahrnehmbarer Unterſchied zwiſchen einem zweifachen ö zu bemerken. Es iſt wahrſcheinlich, daß gerade für dieſen Unterſchied im Jüdiſchdeutſchen der Umlaut
1) Wol nur die drei einzigen Ausnahmen ſind: Buhle, Beule; Uhle, Eule; hulen, heulen.
Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 20
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Auch hier iſt der Widerſtand charakteriſtiſch, welchen in Ueber-
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behauptet hat. Das hochdeutſche diphthongiſche eu iſt im Nieder-
deutſchen der Umlaut ü geblieben, z. B.: Düvel, Teufel; Lüde,
Leute; dütſch, deutſch; Küle, Keule, wogegen der hochdeutſche
Umlaut ü im Niederdeutſchen ſich in ö verwandelt 1), z. B.:
plögen, pflügen; höden, hüten; Röve, Rübe; Dör, Thür;
Töge, Züge, wobei aber auch wieder die Bauernſprache das
diphthongiſche oi wie eu durchklingen läßt, z. B.: ploigen, hoi-
den, Roiv, Doir, Toig, ſowie der jüdiſche Volksmund das
_ oder _ durchhören läßt, z. B.: heite, hait, heute; ſchän,
ſchein, ſchain, ſchön; keiſch, kaiſch, kâſch, keuſch u. ſ. w.
Hierbei iſt im Niederdeutſchen, auch noch nach der heutigen Aus-
ſprache, ein für das Kennerohr deutlich wahrnehmbarer Unterſchied
zwiſchen einem zweifachen ö zu bemerken. Es iſt wahrſcheinlich,
daß gerade für dieſen Unterſchied im Jüdiſchdeutſchen der Umlaut
1) Wol nur die drei einzigen Ausnahmen ſind: Buhle, Beule; Uhle,
Eule; hulen, heulen.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/339>, abgerufen am 24.11.2024.
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