Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.großer Wichtigkeit ist. Von den vereinzelten Versuchen Pfeif- Durchmustert man die orientalischen Alphabete, deren manche, 1) Bei den jetzigen syrischen Drucken kommt man nicht so rasch zu dieser Ansicht, da die vorherrschenden horizontalen Grundzüge bei den neuern Lettern vorzugsweise voll und kräftig ausgedrückt sind und die Totalansicht über die ganze Figur des einzelnen Buchstaben etwas befangen machen. Dies findet bei den ältern syrischen, namentlich pariser Drucken nicht statt, welche vermöge der mehr gleichmäßigen Zeichnung der Buchstabenfiguren diese selbst sogleich in ihrer vollen Form als ganzes Bild hervortreten lassen. So hat mich erst lediglich der syrische Druck in dem nachstehenden sehr seltenen, in meinem Besitz befind- lichen Werke des Hofbuchdruckers Vitray zu Paris vom Jahre 1636, S. 12--17, auf die Entdeckung des überaus nahen Zusammenhangs beider Schriftarten ge- führt. Der Titel dieses sehr schön in Quart gedruckten Prachtwerkes ist: "Lin- guarum Orientalium, Hebraicae, Rabinicae, Samaritanae, Syriacae, Graecae, Arabicae, Turcicae, Armenicae, Alphabeta" (Paris 1636). 2) Daher scheint auch die syrische Schrift die älteste graphische Ausdrucks- form für das Judendeutsch gewesen zu sein. Manche noch unbeachtet im Staube der Bibliotheken liegende Handschrift mag das bestätigen. Die lombardischen Noten bei Vulcanius, von denen noch später die Rede sein wird, documentiren ein ganz merkwürdiges frühes Hinstreben der syrischen Schrift zur gothischen und römischen, und fast mit Bestimmtheit kann man behaupten, daß die heutigen stenographischen Charaktere sich vielfach auf eine solche früh versuchte, wenn auch nicht populär gewordene Schriftvermischung beziehen. Ave-Lallemant, Gaunerthum. III. 17
großer Wichtigkeit iſt. Von den vereinzelten Verſuchen Pfeif- Durchmuſtert man die orientaliſchen Alphabete, deren manche, 1) Bei den jetzigen ſyriſchen Drucken kommt man nicht ſo raſch zu dieſer Anſicht, da die vorherrſchenden horizontalen Grundzüge bei den neuern Lettern vorzugsweiſe voll und kräftig ausgedrückt ſind und die Totalanſicht über die ganze Figur des einzelnen Buchſtaben etwas befangen machen. Dies findet bei den ältern ſyriſchen, namentlich pariſer Drucken nicht ſtatt, welche vermöge der mehr gleichmäßigen Zeichnung der Buchſtabenfiguren dieſe ſelbſt ſogleich in ihrer vollen Form als ganzes Bild hervortreten laſſen. So hat mich erſt lediglich der ſyriſche Druck in dem nachſtehenden ſehr ſeltenen, in meinem Beſitz befind- lichen Werke des Hofbuchdruckers Vitray zu Paris vom Jahre 1636, S. 12—17, auf die Entdeckung des überaus nahen Zuſammenhangs beider Schriftarten ge- führt. Der Titel dieſes ſehr ſchön in Quart gedruckten Prachtwerkes iſt: „Lin- guarum Orientalium, Hebraicae, Rabinicae, Samaritanae, Syriacae, Graecae, Arabicae, Turcicae, Armenicae, Alphabeta“ (Paris 1636). 2) Daher ſcheint auch die ſyriſche Schrift die älteſte graphiſche Ausdrucks- form für das Judendeutſch geweſen zu ſein. Manche noch unbeachtet im Staube der Bibliotheken liegende Handſchrift mag das beſtätigen. Die lombardiſchen Noten bei Vulcanius, von denen noch ſpäter die Rede ſein wird, documentiren ein ganz merkwürdiges frühes Hinſtreben der ſyriſchen Schrift zur gothiſchen und römiſchen, und faſt mit Beſtimmtheit kann man behaupten, daß die heutigen ſtenographiſchen Charaktere ſich vielfach auf eine ſolche früh verſuchte, wenn auch nicht populär gewordene Schriftvermiſchung beziehen. Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 17
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großer Wichtigkeit iſt. Von den vereinzelten Verſuchen Pfeif-
fer’s, Selig’s und Friedrich’s, welche nur höchſt unzureichend ſind,
iſt ſchon oben die Rede geweſen und bedarf es daher hier keiner
weitern Kritik.
Durchmuſtert man die orientaliſchen Alphabete, deren manche,
beſonders das arabiſche, vermöge der ſemitiſchen Stammverwandt-
ſchaft Aehnlichkeiten im einzelnen genug aufzuweiſen haben, ſo
bleibt in der Forſchung nach dem Urſprung der jüdiſchdeutſchen
handſchriftlichen Charaktere der Blick auf den ſyriſchen Buchſtaben
haften. Ganz unzweifelhaft iſt, wie das auch die Vergleichung
ergibt, das ſyriſche Alphabet der jüdiſchdeutſchen Schreibſchrift zu
Grunde gelegt. 1) Man befeſtigt dieſe Anſicht auch noch durch die
Rückſicht darauf, daß die Berührung und Vermiſchung der Juden
und Syrer im nationalen Zuſammenleben und in der Sprache geſchicht-
liche Thatſache iſt. Ebenſo bekannt iſt es, daß die ältern jüdiſchen
Gelehrten ſogar viele hebräiſche Schriften mit ſyriſchen Buchſtaben
geſchrieben haben. 2) Gewiß trug dazu ſehr viel die ungemeine,
1) Bei den jetzigen ſyriſchen Drucken kommt man nicht ſo raſch zu dieſer
Anſicht, da die vorherrſchenden horizontalen Grundzüge bei den neuern Lettern
vorzugsweiſe voll und kräftig ausgedrückt ſind und die Totalanſicht über die
ganze Figur des einzelnen Buchſtaben etwas befangen machen. Dies findet bei
den ältern ſyriſchen, namentlich pariſer Drucken nicht ſtatt, welche vermöge der
mehr gleichmäßigen Zeichnung der Buchſtabenfiguren dieſe ſelbſt ſogleich in ihrer
vollen Form als ganzes Bild hervortreten laſſen. So hat mich erſt lediglich
der ſyriſche Druck in dem nachſtehenden ſehr ſeltenen, in meinem Beſitz befind-
lichen Werke des Hofbuchdruckers Vitray zu Paris vom Jahre 1636, S. 12—17,
auf die Entdeckung des überaus nahen Zuſammenhangs beider Schriftarten ge-
führt. Der Titel dieſes ſehr ſchön in Quart gedruckten Prachtwerkes iſt: „Lin-
guarum Orientalium, Hebraicae, Rabinicae, Samaritanae, Syriacae,
Graecae, Arabicae, Turcicae, Armenicae, Alphabeta“ (Paris 1636).
2) Daher ſcheint auch die ſyriſche Schrift die älteſte graphiſche Ausdrucks-
form für das Judendeutſch geweſen zu ſein. Manche noch unbeachtet im Staube
der Bibliotheken liegende Handſchrift mag das beſtätigen. Die lombardiſchen
Noten bei Vulcanius, von denen noch ſpäter die Rede ſein wird, documentiren
ein ganz merkwürdiges frühes Hinſtreben der ſyriſchen Schrift zur gothiſchen und
römiſchen, und faſt mit Beſtimmtheit kann man behaupten, daß die heutigen
ſtenographiſchen Charaktere ſich vielfach auf eine ſolche früh verſuchte, wenn
auch nicht populär gewordene Schriftvermiſchung beziehen.
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