Das "edle Weidwerk" war von jeher ein ausnehmendes Recht der Fürsten und Edeln, dessen Besitz sie gegen jeden, wel- cher das Wild von seinem zerstampften und zerwühlten Acker auch nur zu verscheuchen unternahm, mittels einer drakonischen Jagd- gesetzgebung behaupteten und schützten. Das Jagdrecht mit der Geschichte seiner Gesetzgebung ist eine bedeutsame culturhistorische Merkwürdigkeit. Es blieb, allen Landfrieden zum Hohne, bis auf die neuere Zeit ein sanctionirtes großes Stück Faust- und Fehde- recht gegen die Wehrlosigkeit, mittels dessen dem Wilde ein Nieß- brauch an dem gesammten Grund und Boden des wehrlosen Land- manns eingeräumt wurde, bis, ungeachtet bei jeder Auflehnung des Bauernstandes seit den Bauernkriegen das leidige Jagdrecht rügend zur Sprache gebracht wurde, es erst der neuesten Zeit vorbehalten blieb, das Jagdrecht zu einer vernünftigen milden Gesetzgebung überzuführen.
Mit dem Jagdrecht hatte auch die eigenthümliche Jagdsprache eine culturhistorische Bedeutsamkeit gewonnen. Solange die Sprache des Ritterthums frei von fremdartigen Ausdrücken blieb, war auch die deutsche Jagdsprache einfach und natürlich. Sowie aber das Ritterthum aus den verschiedenen europäischen Ländern die ver- schiedensprachlichen Ausdrücke in seine Sprache vereinigte, so griff auch das romantisch-poetische Jägerleben mit besonderer Vorliebe nach solchen Ausdrücken, um der Sprache des edeln Weidwerks Poesie und Adel zu verleihen. So wunderlich die Jagdsprache des Mittelalters und der unmittelbar folgenden Zeit sich gestaltete, so hat sie doch immer etwas zierlich Edles, wenn auch dabei meistens sogar bis zur Komik und Caricatur Steifes. Sie wurde aber unerträglich, seitdem das Ritterthum zu erblei- chen und das eigentliche Jägerhandwerk aufzukommen anfing. So sehr auch die Herren und Edeln strebten, ihren eigenen Jag- den den alten Glanz und Adel zu bewahren, so sehr wucherte in dem Jägerhandwerk die platte, geschmacklose und niedrige
Achtundzwanzigſtes Kapitel. γ. Die Jägerſprache.
Das „edle Weidwerk“ war von jeher ein ausnehmendes Recht der Fürſten und Edeln, deſſen Beſitz ſie gegen jeden, wel- cher das Wild von ſeinem zerſtampften und zerwühlten Acker auch nur zu verſcheuchen unternahm, mittels einer drakoniſchen Jagd- geſetzgebung behaupteten und ſchützten. Das Jagdrecht mit der Geſchichte ſeiner Geſetzgebung iſt eine bedeutſame culturhiſtoriſche Merkwürdigkeit. Es blieb, allen Landfrieden zum Hohne, bis auf die neuere Zeit ein ſanctionirtes großes Stück Fauſt- und Fehde- recht gegen die Wehrloſigkeit, mittels deſſen dem Wilde ein Nieß- brauch an dem geſammten Grund und Boden des wehrloſen Land- manns eingeräumt wurde, bis, ungeachtet bei jeder Auflehnung des Bauernſtandes ſeit den Bauernkriegen das leidige Jagdrecht rügend zur Sprache gebracht wurde, es erſt der neueſten Zeit vorbehalten blieb, das Jagdrecht zu einer vernünftigen milden Geſetzgebung überzuführen.
Mit dem Jagdrecht hatte auch die eigenthümliche Jagdſprache eine culturhiſtoriſche Bedeutſamkeit gewonnen. Solange die Sprache des Ritterthums frei von fremdartigen Ausdrücken blieb, war auch die deutſche Jagdſprache einfach und natürlich. Sowie aber das Ritterthum aus den verſchiedenen europäiſchen Ländern die ver- ſchiedenſprachlichen Ausdrücke in ſeine Sprache vereinigte, ſo griff auch das romantiſch-poetiſche Jägerleben mit beſonderer Vorliebe nach ſolchen Ausdrücken, um der Sprache des edeln Weidwerks Poeſie und Adel zu verleihen. So wunderlich die Jagdſprache des Mittelalters und der unmittelbar folgenden Zeit ſich geſtaltete, ſo hat ſie doch immer etwas zierlich Edles, wenn auch dabei meiſtens ſogar bis zur Komik und Caricatur Steifes. Sie wurde aber unerträglich, ſeitdem das Ritterthum zu erblei- chen und das eigentliche Jägerhandwerk aufzukommen anfing. So ſehr auch die Herren und Edeln ſtrebten, ihren eigenen Jag- den den alten Glanz und Adel zu bewahren, ſo ſehr wucherte in dem Jägerhandwerk die platte, geſchmackloſe und niedrige
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Achtundzwanzigſtes Kapitel.
γ. Die Jägerſprache.
Das „edle Weidwerk“ war von jeher ein ausnehmendes
Recht der Fürſten und Edeln, deſſen Beſitz ſie gegen jeden, wel-
cher das Wild von ſeinem zerſtampften und zerwühlten Acker auch
nur zu verſcheuchen unternahm, mittels einer drakoniſchen Jagd-
geſetzgebung behaupteten und ſchützten. Das Jagdrecht mit der
Geſchichte ſeiner Geſetzgebung iſt eine bedeutſame culturhiſtoriſche
Merkwürdigkeit. Es blieb, allen Landfrieden zum Hohne, bis auf
die neuere Zeit ein ſanctionirtes großes Stück Fauſt- und Fehde-
recht gegen die Wehrloſigkeit, mittels deſſen dem Wilde ein Nieß-
brauch an dem geſammten Grund und Boden des wehrloſen Land-
manns eingeräumt wurde, bis, ungeachtet bei jeder Auflehnung des
Bauernſtandes ſeit den Bauernkriegen das leidige Jagdrecht rügend
zur Sprache gebracht wurde, es erſt der neueſten Zeit vorbehalten
blieb, das Jagdrecht zu einer vernünftigen milden Geſetzgebung
überzuführen.
Mit dem Jagdrecht hatte auch die eigenthümliche Jagdſprache
eine culturhiſtoriſche Bedeutſamkeit gewonnen. Solange die Sprache
des Ritterthums frei von fremdartigen Ausdrücken blieb, war auch
die deutſche Jagdſprache einfach und natürlich. Sowie aber das
Ritterthum aus den verſchiedenen europäiſchen Ländern die ver-
ſchiedenſprachlichen Ausdrücke in ſeine Sprache vereinigte, ſo
griff auch das romantiſch-poetiſche Jägerleben mit beſonderer
Vorliebe nach ſolchen Ausdrücken, um der Sprache des edeln
Weidwerks Poeſie und Adel zu verleihen. So wunderlich die
Jagdſprache des Mittelalters und der unmittelbar folgenden Zeit
ſich geſtaltete, ſo hat ſie doch immer etwas zierlich Edles, wenn
auch dabei meiſtens ſogar bis zur Komik und Caricatur Steifes.
Sie wurde aber unerträglich, ſeitdem das Ritterthum zu erblei-
chen und das eigentliche Jägerhandwerk aufzukommen anfing.
So ſehr auch die Herren und Edeln ſtrebten, ihren eigenen Jag-
den den alten Glanz und Adel zu bewahren, ſo ſehr wucherte
in dem Jägerhandwerk die platte, geſchmackloſe und niedrige
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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