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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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röhr!" des hamburger Volkes, als es unter der Schreckensherr-
schaft des Marschalls Davoust am Geburtstage Napoleon's ge-
zwungen wurde, das zehnmal vorcommandirte Vive l'empereur!
nachzurufen, sowie das ungemein bezeichnende, überall geltende und
durchschlagende Sprichwort: "Wat de Buhr nich kennt, dat fritt
he nich."

Aber das Gaunerthum, neben dessen Naturgeschichte der Liber
Vagatorum
noch eine Naturgeschichte des Bauernthums deut-
lich genug skizzirte, ließ auch jene gemachte Bauernsprache in ihren
damals nur noch kümmerlichen Typen nicht außer Acht. Denn
der vom Gutsherrn bis aufs Blut gepreßte, arme, verschüchterte
Hutz 1) war ja auch noch dem Gaunerthum mit dem letzten Bluts-
tropfen verfallen. Nichts schildert das Elend der Bauern und die
scheußliche Gaunergewaltherrschaft treffender als Philander's von
Sittewald Darstellung aus dem Dreißigjährigen Kriege:

Jst das nicht wunderbarlich Gsind
Daß der Hautz sein Schuch mit Weiden bind
Vnd doch die Zech muß zahlen u. s. w.

deren bereits Th. I, S. 212 Erwähnung gethan ist. Jn dieser

1) Hutz, Hautz, Bauer, doch wol von Haut, Hut abzuleiten, da Huzzel
zunächst eine zusammengedörrte Birne, ein altes runzeliges Weib, und dann
überhaupt einen guten, aber schwachen Menschen, "eine gute Haut" bedeutet.
Das Weitere s. bei Schmeller, II, 260; Schmid, S. 292. Vgl. auch daselbst
hutzen, hetzen, sowie bei Schwenck, S. 286. Das niederdeutsche hissen, hetzen,
steht damit im Zusammenhang. Jm südwestlichen Deutschland ist huß, hus-
sel, huzel
das Schwein (gr. us?), wahrscheinlich doch aus der alten Jagd-
sprache vom Anlaufen des wilden Schweins (bei der "Sauhatz") auf den Jagd-
spieß, wobei dem Thiere, um es noch mehr zu hetzen und zu reizen, das Huß-
sau, Hußsaw (wovon das heutige Hussa) zugerufen wurde. Wenn übrigens
Schmid S. 266 Hautzinger als "eine Art Kriegsleute" und, durch Frisch ver-
leitet, Hautz und Hautzin für böhmisch erklärt, in welcher Sprache es Fremdling
bedeute, so ist das wol ein Jrrthum. Der Fremdling, Ausländer ist im Böhm. cyzy,
cyzokragny. Hus, husa
ist aber Gans, im Diminutiv husy[fremdsprachliches Material]ka und hause.
Jn der von Schmid angeführten Urkunde der schwäbischen Bundesstädte von
1450 sind doch wol die Ufsitzer und Hautzinger als Rebellen und Bauern, nicht
aber als "Reiter und Fußvolk" anzusehen. Dasselbe gilt wol auch von den
1462 durch Herzog Ludwig von Baiern in Langenau bedrohten Dienstmannen
dieses Städtchens, welche gleichfalls Hautzinger genannt wurden.

röhr!“ des hamburger Volkes, als es unter der Schreckensherr-
ſchaft des Marſchalls Davouſt am Geburtstage Napoleon’s ge-
zwungen wurde, das zehnmal vorcommandirte Vive l’empereur!
nachzurufen, ſowie das ungemein bezeichnende, überall geltende und
durchſchlagende Sprichwort: „Wat de Buhr nich kennt, dat fritt
he nich.“

Aber das Gaunerthum, neben deſſen Naturgeſchichte der Liber
Vagatorum
noch eine Naturgeſchichte des Bauernthums deut-
lich genug ſkizzirte, ließ auch jene gemachte Bauernſprache in ihren
damals nur noch kümmerlichen Typen nicht außer Acht. Denn
der vom Gutsherrn bis aufs Blut gepreßte, arme, verſchüchterte
Hutz 1) war ja auch noch dem Gaunerthum mit dem letzten Bluts-
tropfen verfallen. Nichts ſchildert das Elend der Bauern und die
ſcheußliche Gaunergewaltherrſchaft treffender als Philander’s von
Sittewald Darſtellung aus dem Dreißigjährigen Kriege:

Jſt das nicht wunderbarlich Gſind
Daß der Hautz ſein Schuch mit Weiden bind
Vnd doch die Zech muß zahlen u. ſ. w.

deren bereits Th. I, S. 212 Erwähnung gethan iſt. Jn dieſer

1) Hutz, Hautz, Bauer, doch wol von Haut, Hut abzuleiten, da Huzzel
zunächſt eine zuſammengedörrte Birne, ein altes runzeliges Weib, und dann
überhaupt einen guten, aber ſchwachen Menſchen, „eine gute Haut“ bedeutet.
Das Weitere ſ. bei Schmeller, II, 260; Schmid, S. 292. Vgl. auch daſelbſt
hutzen, hetzen, ſowie bei Schwenck, S. 286. Das niederdeutſche hiſſen, hetzen,
ſteht damit im Zuſammenhang. Jm ſüdweſtlichen Deutſchland iſt huß, huſ-
ſel, huzel
das Schwein (gr. ὕς?), wahrſcheinlich doch aus der alten Jagd-
ſprache vom Anlaufen des wilden Schweins (bei der „Sauhatz“) auf den Jagd-
ſpieß, wobei dem Thiere, um es noch mehr zu hetzen und zu reizen, das Huß-
ſau, Hußſaw (wovon das heutige Huſſa) zugerufen wurde. Wenn übrigens
Schmid S. 266 Hautzinger als „eine Art Kriegsleute“ und, durch Friſch ver-
leitet, Hautz und Hautzin für böhmiſch erklärt, in welcher Sprache es Fremdling
bedeute, ſo iſt das wol ein Jrrthum. Der Fremdling, Ausländer iſt im Böhm. cyzý,
cyzokragný. Hus, husa
iſt aber Gans, im Diminutiv husy[fremdsprachliches Material]ka und hause.
Jn der von Schmid angeführten Urkunde der ſchwäbiſchen Bundesſtädte von
1450 ſind doch wol die Ufſitzer und Hautzinger als Rebellen und Bauern, nicht
aber als „Reiter und Fußvolk“ anzuſehen. Daſſelbe gilt wol auch von den
1462 durch Herzog Ludwig von Baiern in Langenau bedrohten Dienſtmannen
dieſes Städtchens, welche gleichfalls Hautzinger genannt wurden.
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[103/0137] röhr!“ des hamburger Volkes, als es unter der Schreckensherr- ſchaft des Marſchalls Davouſt am Geburtstage Napoleon’s ge- zwungen wurde, das zehnmal vorcommandirte Vive l’empereur! nachzurufen, ſowie das ungemein bezeichnende, überall geltende und durchſchlagende Sprichwort: „Wat de Buhr nich kennt, dat fritt he nich.“ Aber das Gaunerthum, neben deſſen Naturgeſchichte der Liber Vagatorum noch eine Naturgeſchichte des Bauernthums deut- lich genug ſkizzirte, ließ auch jene gemachte Bauernſprache in ihren damals nur noch kümmerlichen Typen nicht außer Acht. Denn der vom Gutsherrn bis aufs Blut gepreßte, arme, verſchüchterte Hutz 1) war ja auch noch dem Gaunerthum mit dem letzten Bluts- tropfen verfallen. Nichts ſchildert das Elend der Bauern und die ſcheußliche Gaunergewaltherrſchaft treffender als Philander’s von Sittewald Darſtellung aus dem Dreißigjährigen Kriege: Jſt das nicht wunderbarlich Gſind Daß der Hautz ſein Schuch mit Weiden bind Vnd doch die Zech muß zahlen u. ſ. w. deren bereits Th. I, S. 212 Erwähnung gethan iſt. Jn dieſer 1) Hutz, Hautz, Bauer, doch wol von Haut, Hut abzuleiten, da Huzzel zunächſt eine zuſammengedörrte Birne, ein altes runzeliges Weib, und dann überhaupt einen guten, aber ſchwachen Menſchen, „eine gute Haut“ bedeutet. Das Weitere ſ. bei Schmeller, II, 260; Schmid, S. 292. Vgl. auch daſelbſt hutzen, hetzen, ſowie bei Schwenck, S. 286. Das niederdeutſche hiſſen, hetzen, ſteht damit im Zuſammenhang. Jm ſüdweſtlichen Deutſchland iſt huß, huſ- ſel, huzel das Schwein (gr. ὕς?), wahrſcheinlich doch aus der alten Jagd- ſprache vom Anlaufen des wilden Schweins (bei der „Sauhatz“) auf den Jagd- ſpieß, wobei dem Thiere, um es noch mehr zu hetzen und zu reizen, das Huß- ſau, Hußſaw (wovon das heutige Huſſa) zugerufen wurde. Wenn übrigens Schmid S. 266 Hautzinger als „eine Art Kriegsleute“ und, durch Friſch ver- leitet, Hautz und Hautzin für böhmiſch erklärt, in welcher Sprache es Fremdling bedeute, ſo iſt das wol ein Jrrthum. Der Fremdling, Ausländer iſt im Böhm. cyzý, cyzokragný. Hus, husa iſt aber Gans, im Diminutiv husy_ ka und hause. Jn der von Schmid angeführten Urkunde der ſchwäbiſchen Bundesſtädte von 1450 ſind doch wol die Ufſitzer und Hautzinger als Rebellen und Bauern, nicht aber als „Reiter und Fußvolk“ anzuſehen. Daſſelbe gilt wol auch von den 1462 durch Herzog Ludwig von Baiern in Langenau bedrohten Dienſtmannen dieſes Städtchens, welche gleichfalls Hautzinger genannt wurden.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/137>, abgerufen am 24.11.2024.