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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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die Line (Karoline) am Haus ist immer um sechs Uhr bei dem
Mann, um ihn zu küssen. 1)

Bei der fast durchgehends gleichen Wurzelhaftigkeit der roma-
nischen Sprachen mit der lateinischen finden sich diese Wortlaut-
gleichungen in den romanischen Sprachen weit häufiger und be-
hender. Namentlich sind sie im Französischen mit ebenso viel
Leichtigkeit wie auch schmuziger Leichtfertigkeit und Frivolität seit
Jahrhunderten ausgebeutet worden, wie denn Tabourot in seinen
"Bigarrures" 2), I, F. 35b fg., wie überhaupt an allen Ecken
und Enden seines so merkwürdigen wie frivolen Werkes, eine
Unzahl schon damals (1584) zum Theil sehr alter Equivoques
francais
und latin-francais anführt, z. B.:

Natura diverso gaudet.
Nature a dit verse au godet.

Oder:

Requiescant in pace.
Re, qui est-ce? Quentin, passez.

Oder:

Iliades curae qui mala corde serunt.
Il y a des curez qui mal accordez seront.

Oder:

Quia mala pisa quina.
Qui a, mal a, pis a, qui n'a.

Wenn zwar die Beziehung, in welche hier zwei verschiedene
Sprachen zueinander gebracht sind, als eine ziemlich gewaltsame
erscheint, so darf man weder dem sichtlich hervortretenden Scharf-
sinn des Erfinders Anerkennung versagen, noch die ganze Bezie-

1) Diese mirabilia dictu aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
sind mir von lieber befreundeter und -- kaum ist es ja wol nöthig hinzuzufügen --
theologischer Hand mit vielen andern zugestellt worden, zum Zeugniß, daß die
behagliche philologische Lust des 17. Jahrhunderts auch im 19. auf den Land-
pfarren noch nicht ganz ausgestorben ist.
2) Der vollständige Titel ist: "Bigarrures et touches du Seigneur des
Accords avec les apophthegmes du Sieur Gaulard et les escraignes Di-
jonnaises, derniere edition Paris
1614." Der verschiedenen Ausgaben, auch
der ältesten von 1585, ist schon im vorigen Kapitel gedacht worden.

die Line (Karoline) am Haus iſt immer um ſechs Uhr bei dem
Mann, um ihn zu küſſen. 1)

Bei der faſt durchgehends gleichen Wurzelhaftigkeit der roma-
niſchen Sprachen mit der lateiniſchen finden ſich dieſe Wortlaut-
gleichungen in den romaniſchen Sprachen weit häufiger und be-
hender. Namentlich ſind ſie im Franzöſiſchen mit ebenſo viel
Leichtigkeit wie auch ſchmuziger Leichtfertigkeit und Frivolität ſeit
Jahrhunderten ausgebeutet worden, wie denn Tabourot in ſeinen
Bigarrures2), I, F. 35b fg., wie überhaupt an allen Ecken
und Enden ſeines ſo merkwürdigen wie frivolen Werkes, eine
Unzahl ſchon damals (1584) zum Theil ſehr alter Equivoques
français
und latin-français anführt, z. B.:

Natura diverso gaudet.
Nature a dit verse au godet.

Oder:

Requiescant in pace.
Ré, qui est-ce? Quentin, passez.

Oder:

Iliades curae qui mala corde serunt.
Il y a des curez qui mal accordez seront.

Oder:

Quia mala pisa quina.
Qui a, mal a, pis a, qui n’a.

Wenn zwar die Beziehung, in welche hier zwei verſchiedene
Sprachen zueinander gebracht ſind, als eine ziemlich gewaltſame
erſcheint, ſo darf man weder dem ſichtlich hervortretenden Scharf-
ſinn des Erfinders Anerkennung verſagen, noch die ganze Bezie-

1) Dieſe mirabilia dictu aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
ſind mir von lieber befreundeter und — kaum iſt es ja wol nöthig hinzuzufügen —
theologiſcher Hand mit vielen andern zugeſtellt worden, zum Zeugniß, daß die
behagliche philologiſche Luſt des 17. Jahrhunderts auch im 19. auf den Land-
pfarren noch nicht ganz ausgeſtorben iſt.
2) Der vollſtändige Titel iſt: „Bigarrures et touches du Seigneur des
Accords avec les apophthegmes du Sieur Gaulard et les escraignes Di-
jonnaises, dernière édition Paris
1614.“ Der verſchiedenen Ausgaben, auch
der älteſten von 1585, iſt ſchon im vorigen Kapitel gedacht worden.
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[88/0122] die Line (Karoline) am Haus iſt immer um ſechs Uhr bei dem Mann, um ihn zu küſſen. 1) Bei der faſt durchgehends gleichen Wurzelhaftigkeit der roma- niſchen Sprachen mit der lateiniſchen finden ſich dieſe Wortlaut- gleichungen in den romaniſchen Sprachen weit häufiger und be- hender. Namentlich ſind ſie im Franzöſiſchen mit ebenſo viel Leichtigkeit wie auch ſchmuziger Leichtfertigkeit und Frivolität ſeit Jahrhunderten ausgebeutet worden, wie denn Tabourot in ſeinen „Bigarrures“ 2), I, F. 35b fg., wie überhaupt an allen Ecken und Enden ſeines ſo merkwürdigen wie frivolen Werkes, eine Unzahl ſchon damals (1584) zum Theil ſehr alter Equivoques français und latin-français anführt, z. B.: Natura diverso gaudet. Nature a dit verse au godet. Oder: Requiescant in pace. Ré, qui est-ce? Quentin, passez. Oder: Iliades curae qui mala corde serunt. Il y a des curez qui mal accordez seront. Oder: Quia mala pisa quina. Qui a, mal a, pis a, qui n’a. Wenn zwar die Beziehung, in welche hier zwei verſchiedene Sprachen zueinander gebracht ſind, als eine ziemlich gewaltſame erſcheint, ſo darf man weder dem ſichtlich hervortretenden Scharf- ſinn des Erfinders Anerkennung verſagen, noch die ganze Bezie- 1) Dieſe mirabilia dictu aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ſind mir von lieber befreundeter und — kaum iſt es ja wol nöthig hinzuzufügen — theologiſcher Hand mit vielen andern zugeſtellt worden, zum Zeugniß, daß die behagliche philologiſche Luſt des 17. Jahrhunderts auch im 19. auf den Land- pfarren noch nicht ganz ausgeſtorben iſt. 2) Der vollſtändige Titel iſt: „Bigarrures et touches du Seigneur des Accords avec les apophthegmes du Sieur Gaulard et les escraignes Di- jonnaises, dernière édition Paris 1614.“ Der verſchiedenen Ausgaben, auch der älteſten von 1585, iſt ſchon im vorigen Kapitel gedacht worden.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/122>, abgerufen am 24.11.2024.