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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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sie andern volksthümlichen, besonders zünftischen Bräuchen ähneln,
häufig zu Jrrungen, welche für den Gauner bedenklich sind. 1)
Somit sind denn auch jene alten Bonmots, die ohnehin in ihrer
Bedeutsamkeit allgemein bekannt geworden sind, mehr und mehr
abgekommen, wie z. B. beim Zutrinken oder beim Anbieten einer
Prise die leicht hingeworfene Frage: "Kunde?" oder "Ken
Cay?"
worauf die Antwort ist: "Ken Matthies" oder "Ken
Cay",
obschon diese und ähnliche Bonmots nach Gelegenheit
immer noch hier und da wieder auftauchen.



Sechszehntes Kapitel.
g) Die graphischen Zinken.

Außer diesen systematischen Zinken, welche unmittelbar von
Person zu Person gebraucht werden, gibt es noch eine Menge
anderer Zinken, die einen mehr allgemeinen monumentalen Cha-

1) So z. B. pflegen die Zimmergesellen nur mit dem quer durch den
Reisesack gesteckten Stock und mit einem gelösten Riemen des Reisesacks in
eine Stadt einzuwandern. Die Drechslergesellen legen in der Herberge oder
Werkstätte die Hand auf den Tisch oder auf die Drehbank, stecken den Hut
auf den Stock, legen die Hand flach an den Kopf und sprechen: "Hui Ge-
selle!" u. s. w. Fast jede Zunft hat ähnliche Gebräuche und geheime Kenn-
zeichen. Besonders geheime Zeichen habe ich bei Untersuchungen wegen ver-
botener Verbindungen unter den Maurergesellen gefunden. Bei einem zur Un-
tersuchung gezogenen "Vehmgericht" mehrerer Schneidergesellen erfuhr ich,
daß die Vehmgenossen sich an finster zusammengezogenen Augenbrauen erkann-
ten, trotzdem die ganze moderne lustige Vehme wesentlich die Herbeischaffung
von Getränken zu gemeinschaftlichem heitern Zechen, durch muthwillige Ver-
urtheilungen in die Vehmkosten, abzweckte. Untersuchungen der Art führen
meistens auf wahre Lappalien, dienen aber zum Beweise, wie die Polizei
sehr häufig ihre wahre Aufgabe so wenig, wie den rechten Feind kennt und,
darum in Angst gesetzt, überall Gespenster sieht und Angriffe ins Blaue hinein
unternimmt, welche die Polizei in ihrer Schwäche bloßstellen und immer wi-
derwärtiger in den Augen des Bürgerthums machen. Vgl. Adr. Beier, "Der
Meister bei den Handwerken, der Handwerksgesell, der Lehrjung" (3 Thle.,
Jena 1719).

ſie andern volksthümlichen, beſonders zünftiſchen Bräuchen ähneln,
häufig zu Jrrungen, welche für den Gauner bedenklich ſind. 1)
Somit ſind denn auch jene alten Bonmots, die ohnehin in ihrer
Bedeutſamkeit allgemein bekannt geworden ſind, mehr und mehr
abgekommen, wie z. B. beim Zutrinken oder beim Anbieten einer
Priſe die leicht hingeworfene Frage: „Kunde?“ oder „Ken
Cay?“
worauf die Antwort iſt: „Ken Matthies“ oder „Ken
Cay“,
obſchon dieſe und ähnliche Bonmots nach Gelegenheit
immer noch hier und da wieder auftauchen.



Sechszehntes Kapitel.
γ) Die graphiſchen Zinken.

Außer dieſen ſyſtematiſchen Zinken, welche unmittelbar von
Perſon zu Perſon gebraucht werden, gibt es noch eine Menge
anderer Zinken, die einen mehr allgemeinen monumentalen Cha-

1) So z. B. pflegen die Zimmergeſellen nur mit dem quer durch den
Reiſeſack geſteckten Stock und mit einem gelöſten Riemen des Reiſeſacks in
eine Stadt einzuwandern. Die Drechslergeſellen legen in der Herberge oder
Werkſtätte die Hand auf den Tiſch oder auf die Drehbank, ſtecken den Hut
auf den Stock, legen die Hand flach an den Kopf und ſprechen: „Hui Ge-
ſelle!“ u. ſ. w. Faſt jede Zunft hat ähnliche Gebräuche und geheime Kenn-
zeichen. Beſonders geheime Zeichen habe ich bei Unterſuchungen wegen ver-
botener Verbindungen unter den Maurergeſellen gefunden. Bei einem zur Un-
terſuchung gezogenen „Vehmgericht“ mehrerer Schneidergeſellen erfuhr ich,
daß die Vehmgenoſſen ſich an finſter zuſammengezogenen Augenbrauen erkann-
ten, trotzdem die ganze moderne luſtige Vehme weſentlich die Herbeiſchaffung
von Getränken zu gemeinſchaftlichem heitern Zechen, durch muthwillige Ver-
urtheilungen in die Vehmkoſten, abzweckte. Unterſuchungen der Art führen
meiſtens auf wahre Lappalien, dienen aber zum Beweiſe, wie die Polizei
ſehr häufig ihre wahre Aufgabe ſo wenig, wie den rechten Feind kennt und,
darum in Angſt geſetzt, überall Geſpenſter ſieht und Angriffe ins Blaue hinein
unternimmt, welche die Polizei in ihrer Schwäche bloßſtellen und immer wi-
derwärtiger in den Augen des Bürgerthums machen. Vgl. Adr. Beier, „Der
Meiſter bei den Handwerken, der Handwerksgeſell, der Lehrjung“ (3 Thle.,
Jena 1719).
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[58/0070] ſie andern volksthümlichen, beſonders zünftiſchen Bräuchen ähneln, häufig zu Jrrungen, welche für den Gauner bedenklich ſind. 1) Somit ſind denn auch jene alten Bonmots, die ohnehin in ihrer Bedeutſamkeit allgemein bekannt geworden ſind, mehr und mehr abgekommen, wie z. B. beim Zutrinken oder beim Anbieten einer Priſe die leicht hingeworfene Frage: „Kunde?“ oder „Ken Cay?“ worauf die Antwort iſt: „Ken Matthies“ oder „Ken Cay“, obſchon dieſe und ähnliche Bonmots nach Gelegenheit immer noch hier und da wieder auftauchen. Sechszehntes Kapitel. γ) Die graphiſchen Zinken. Außer dieſen ſyſtematiſchen Zinken, welche unmittelbar von Perſon zu Perſon gebraucht werden, gibt es noch eine Menge anderer Zinken, die einen mehr allgemeinen monumentalen Cha- 1) So z. B. pflegen die Zimmergeſellen nur mit dem quer durch den Reiſeſack geſteckten Stock und mit einem gelöſten Riemen des Reiſeſacks in eine Stadt einzuwandern. Die Drechslergeſellen legen in der Herberge oder Werkſtätte die Hand auf den Tiſch oder auf die Drehbank, ſtecken den Hut auf den Stock, legen die Hand flach an den Kopf und ſprechen: „Hui Ge- ſelle!“ u. ſ. w. Faſt jede Zunft hat ähnliche Gebräuche und geheime Kenn- zeichen. Beſonders geheime Zeichen habe ich bei Unterſuchungen wegen ver- botener Verbindungen unter den Maurergeſellen gefunden. Bei einem zur Un- terſuchung gezogenen „Vehmgericht“ mehrerer Schneidergeſellen erfuhr ich, daß die Vehmgenoſſen ſich an finſter zuſammengezogenen Augenbrauen erkann- ten, trotzdem die ganze moderne luſtige Vehme weſentlich die Herbeiſchaffung von Getränken zu gemeinſchaftlichem heitern Zechen, durch muthwillige Ver- urtheilungen in die Vehmkoſten, abzweckte. Unterſuchungen der Art führen meiſtens auf wahre Lappalien, dienen aber zum Beweiſe, wie die Polizei ſehr häufig ihre wahre Aufgabe ſo wenig, wie den rechten Feind kennt und, darum in Angſt geſetzt, überall Geſpenſter ſieht und Angriffe ins Blaue hinein unternimmt, welche die Polizei in ihrer Schwäche bloßſtellen und immer wi- derwärtiger in den Augen des Bürgerthums machen. Vgl. Adr. Beier, „Der Meiſter bei den Handwerken, der Handwerksgeſell, der Lehrjung“ (3 Thle., Jena 1719).

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/70>, abgerufen am 25.11.2024.