in wittschen Wirthshäusern, wo der Gauner seine Umgebung nicht kennt, und besonders beim Haddern (Kartenspiel) und sonstigen Spielen, Wetten und Kunststücken angewandt wird. Will der Gauner einen Genossen ausfindig machen, so schließt er die Hand zur Faust, sodaß die Daumenseite nach oben kommt, streckt den Daumen gerade aus gegen den gekrümmten Mittelfinger und hält den Zeigefinger in leichter Krümmung über dem Daumen, ohne jedoch diesen damit zu berühren. Damit wird nach nebenstehender Tafel der Buchstabe C gebildet, und aus der in dieser Haltung wie absichtslos auf den Tisch gelegten Hand weiß jeder anwesende Gauner, daß er einen Genossen, Chessen, vor sich hat. Undeut- licher (wahrscheinlich aus dem F, G oder K verstümmelt) ist das andere allgemeine Erkennungszeichen, welches darin besteht, daß der spähende Gauner mit dem gekrümmten Zeige- und Mittel- finger die Spitze des gestreckten Daumens berührt, und den Ring- finger und kleinen Finger gerade und frei ausstreckt.
Noch ein wichtiger Kenzinken, namentlich auf der Straße, ist der Scheinlingszwack oder das Scheinlingszwickeln1) der eigenthümliche Blick mit einem Auge. Beim Begegnen eines aus- zuforschenden Unbekannten schließt der Gauner das Auge auf der Seite, an welcher der Begegnende geht, und blickt mit dem andern Auge über die Nasenwurzel hinüber 2), worauf der kundige Gau- ner diese Fratze erwidert, sich mit Sicherheit nähert, und die per- sönliche Bekanntschaft unter den Auspicien der Kunst abschließt. Auf Landstraßen, besonders aber auf Jahrmärkten und Messen hat man häufig Gelegenheit, diese komische Fratze zu sehen, die von Vielen als bloßes Product des Muthwillens oder der Trun- kenheit gewürdigt und mit verwundertem Lächeln aufgenommen wird. Andere Kenzinken, wie das Tragen des Stocks unter dem linken Arm, oder das Einstecken des Stocks quer durch oder über den Reisesack, sind weniger verlässig und üblich, und führen, da
1) Vom deutschen zwicken, zwacken. Vgl. Pott, a. a. O., II, 37.
2) Oft wird dazu auch noch der Mundwinkel unter dem geschlossenen Auge aufgezogen.
in wittſchen Wirthshäuſern, wo der Gauner ſeine Umgebung nicht kennt, und beſonders beim Haddern (Kartenſpiel) und ſonſtigen Spielen, Wetten und Kunſtſtücken angewandt wird. Will der Gauner einen Genoſſen ausfindig machen, ſo ſchließt er die Hand zur Fauſt, ſodaß die Daumenſeite nach oben kommt, ſtreckt den Daumen gerade aus gegen den gekrümmten Mittelfinger und hält den Zeigefinger in leichter Krümmung über dem Daumen, ohne jedoch dieſen damit zu berühren. Damit wird nach nebenſtehender Tafel der Buchſtabe C gebildet, und aus der in dieſer Haltung wie abſichtslos auf den Tiſch gelegten Hand weiß jeder anweſende Gauner, daß er einen Genoſſen, Cheſſen, vor ſich hat. Undeut- licher (wahrſcheinlich aus dem F, G oder K verſtümmelt) iſt das andere allgemeine Erkennungszeichen, welches darin beſteht, daß der ſpähende Gauner mit dem gekrümmten Zeige- und Mittel- finger die Spitze des geſtreckten Daumens berührt, und den Ring- finger und kleinen Finger gerade und frei ausſtreckt.
Noch ein wichtiger Kenzinken, namentlich auf der Straße, iſt der Scheinlingszwack oder das Scheinlingszwickeln1) der eigenthümliche Blick mit einem Auge. Beim Begegnen eines aus- zuforſchenden Unbekannten ſchließt der Gauner das Auge auf der Seite, an welcher der Begegnende geht, und blickt mit dem andern Auge über die Naſenwurzel hinüber 2), worauf der kundige Gau- ner dieſe Fratze erwidert, ſich mit Sicherheit nähert, und die per- ſönliche Bekanntſchaft unter den Auſpicien der Kunſt abſchließt. Auf Landſtraßen, beſonders aber auf Jahrmärkten und Meſſen hat man häufig Gelegenheit, dieſe komiſche Fratze zu ſehen, die von Vielen als bloßes Product des Muthwillens oder der Trun- kenheit gewürdigt und mit verwundertem Lächeln aufgenommen wird. Andere Kenzinken, wie das Tragen des Stocks unter dem linken Arm, oder das Einſtecken des Stocks quer durch oder über den Reiſeſack, ſind weniger verläſſig und üblich, und führen, da
1) Vom deutſchen zwicken, zwacken. Vgl. Pott, a. a. O., II, 37.
2) Oft wird dazu auch noch der Mundwinkel unter dem geſchloſſenen Auge aufgezogen.
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[57/0069]
in wittſchen Wirthshäuſern, wo der Gauner ſeine Umgebung
nicht kennt, und beſonders beim Haddern (Kartenſpiel) und
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Will der Gauner einen Genoſſen ausfindig machen, ſo ſchließt er die
Hand zur Fauſt, ſodaß die Daumenſeite nach oben kommt, ſtreckt
den Daumen gerade aus gegen den gekrümmten Mittelfinger und hält
den Zeigefinger in leichter Krümmung über dem Daumen, ohne
jedoch dieſen damit zu berühren. Damit wird nach nebenſtehender
Tafel der Buchſtabe C gebildet, und aus der in dieſer Haltung wie
abſichtslos auf den Tiſch gelegten Hand weiß jeder anweſende
Gauner, daß er einen Genoſſen, Cheſſen, vor ſich hat. Undeut-
licher (wahrſcheinlich aus dem F, G oder K verſtümmelt) iſt das
andere allgemeine Erkennungszeichen, welches darin beſteht, daß
der ſpähende Gauner mit dem gekrümmten Zeige- und Mittel-
finger die Spitze des geſtreckten Daumens berührt, und den Ring-
finger und kleinen Finger gerade und frei ausſtreckt.
Noch ein wichtiger Kenzinken, namentlich auf der Straße, iſt
der Scheinlingszwack oder das Scheinlingszwickeln 1) der
eigenthümliche Blick mit einem Auge. Beim Begegnen eines aus-
zuforſchenden Unbekannten ſchließt der Gauner das Auge auf der
Seite, an welcher der Begegnende geht, und blickt mit dem andern
Auge über die Naſenwurzel hinüber 2), worauf der kundige Gau-
ner dieſe Fratze erwidert, ſich mit Sicherheit nähert, und die per-
ſönliche Bekanntſchaft unter den Auſpicien der Kunſt abſchließt.
Auf Landſtraßen, beſonders aber auf Jahrmärkten und Meſſen
hat man häufig Gelegenheit, dieſe komiſche Fratze zu ſehen, die
von Vielen als bloßes Product des Muthwillens oder der Trun-
kenheit gewürdigt und mit verwundertem Lächeln aufgenommen
wird. Andere Kenzinken, wie das Tragen des Stocks unter dem
linken Arm, oder das Einſtecken des Stocks quer durch oder über
den Reiſeſack, ſind weniger verläſſig und üblich, und führen, da
1) Vom deutſchen zwicken, zwacken. Vgl. Pott, a. a. O., II, 37.
2) Oft wird dazu auch noch der Mundwinkel unter dem geſchloſſenen
Auge aufgezogen.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/69>, abgerufen am 25.11.2024.
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