Kein Jnquirent kann der Unvermeidlichkeit entgehen, daß er vom Gauner studirt und erforscht wird. Alles kommt daher dar- auf an, wie der Jnquirent sich gibt und finden läßt. Hier ist es, wo auch deutlich hervortritt, was der Vorgesetzte seinen Unter- gebenen ist, wie weit seine geistige Gewalt und Zucht sich über diese erstreckt und sie zu ihrem Berufe befähigt hat. Der Gauner beginnt sein Studium des Jnquirenten schon in den Subal- ternen. Er beobachtet letztere, ob, wann und wie sie die von ihm verübte That entdecken und auffassen, wie sie die Spuren verfolgen, die Recherchen vornehmen, die Kawure entdecken oder unentdeckt lassen, wann und wie sie sich seiner Person als ver- dächtig nähern und ihm bei der Kaptur die Möglichkeit oder Un- möglichkeit lassen, etwas zu bekabern, wegzuplanten oder zu ver- sarkenen und Zinken zu geben. Aus der sofort sorgfältig studirten Einrichtung des Untersuchungsgefängnisses, aus seiner Umgebung und Behandlung im Gefängniß erforscht er, welcher Geist das Ganze hält und bindet. So erkennt der Gauner den Jnquirenten schon in allen seinen Organen und Jnstituten, noch ehe er ihn selbst gesehen hat, und stellt sich dem Jnquirenten auf dessen ei- genem Terrain gegenüber, auf welchem er ihm schon häufig vor dem ersten Verhör Sonne und Wind für den Zweikampf abge- wonnen hat.
Einem so wohlgerüsteten gewandten Gegner -- und dafür muß der Jnquirent jeden ihm vorgeführten Gauner halten -- kann aber dennoch der erfahrene und geschulte Jnquirent ruhig und sicher gegenübertreten. Auch er hat schon im voraus einen Vortheil, der, so seltsam er erscheinen mag, doch sehr wich- tig ist: er hat einen Ruf im Gaunerthum, das keineswegs mit Feindlichkeit und Haß, sondern mit einer Art von Bewunderung seiner Kenntnisse, Erfahrung und Gewandtheit auf ihn blickt, ihm aber auch scheu aus dem Wege geht, sodaß sein bloßer Ruf und seine Gegenwart viele Unternehmungen verhindert, während andererseits das Gaunerthum einen übermüthigen Triumph daran hat, gerade den unfähigen, leidenschaftlichen und harten Beamten nach allen Regeln der Kunst zu bestehlen, wie das schon nicht
Kein Jnquirent kann der Unvermeidlichkeit entgehen, daß er vom Gauner ſtudirt und erforſcht wird. Alles kommt daher dar- auf an, wie der Jnquirent ſich gibt und finden läßt. Hier iſt es, wo auch deutlich hervortritt, was der Vorgeſetzte ſeinen Unter- gebenen iſt, wie weit ſeine geiſtige Gewalt und Zucht ſich über dieſe erſtreckt und ſie zu ihrem Berufe befähigt hat. Der Gauner beginnt ſein Studium des Jnquirenten ſchon in den Subal- ternen. Er beobachtet letztere, ob, wann und wie ſie die von ihm verübte That entdecken und auffaſſen, wie ſie die Spuren verfolgen, die Recherchen vornehmen, die Kawure entdecken oder unentdeckt laſſen, wann und wie ſie ſich ſeiner Perſon als ver- dächtig nähern und ihm bei der Kaptur die Möglichkeit oder Un- möglichkeit laſſen, etwas zu bekabern, wegzuplanten oder zu ver- ſarkenen und Zinken zu geben. Aus der ſofort ſorgfältig ſtudirten Einrichtung des Unterſuchungsgefängniſſes, aus ſeiner Umgebung und Behandlung im Gefängniß erforſcht er, welcher Geiſt das Ganze hält und bindet. So erkennt der Gauner den Jnquirenten ſchon in allen ſeinen Organen und Jnſtituten, noch ehe er ihn ſelbſt geſehen hat, und ſtellt ſich dem Jnquirenten auf deſſen ei- genem Terrain gegenüber, auf welchem er ihm ſchon häufig vor dem erſten Verhör Sonne und Wind für den Zweikampf abge- wonnen hat.
Einem ſo wohlgerüſteten gewandten Gegner — und dafür muß der Jnquirent jeden ihm vorgeführten Gauner halten — kann aber dennoch der erfahrene und geſchulte Jnquirent ruhig und ſicher gegenübertreten. Auch er hat ſchon im voraus einen Vortheil, der, ſo ſeltſam er erſcheinen mag, doch ſehr wich- tig iſt: er hat einen Ruf im Gaunerthum, das keineswegs mit Feindlichkeit und Haß, ſondern mit einer Art von Bewunderung ſeiner Kenntniſſe, Erfahrung und Gewandtheit auf ihn blickt, ihm aber auch ſcheu aus dem Wege geht, ſodaß ſein bloßer Ruf und ſeine Gegenwart viele Unternehmungen verhindert, während andererſeits das Gaunerthum einen übermüthigen Triumph daran hat, gerade den unfähigen, leidenſchaftlichen und harten Beamten nach allen Regeln der Kunſt zu beſtehlen, wie das ſchon nicht
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Kein Jnquirent kann der Unvermeidlichkeit entgehen, daß er
vom Gauner ſtudirt und erforſcht wird. Alles kommt daher dar-
auf an, wie der Jnquirent ſich gibt und finden läßt. Hier iſt
es, wo auch deutlich hervortritt, was der Vorgeſetzte ſeinen Unter-
gebenen iſt, wie weit ſeine geiſtige Gewalt und Zucht ſich über
dieſe erſtreckt und ſie zu ihrem Berufe befähigt hat. Der Gauner
beginnt ſein Studium des Jnquirenten ſchon in den Subal-
ternen. Er beobachtet letztere, ob, wann und wie ſie die von
ihm verübte That entdecken und auffaſſen, wie ſie die Spuren
verfolgen, die Recherchen vornehmen, die Kawure entdecken oder
unentdeckt laſſen, wann und wie ſie ſich ſeiner Perſon als ver-
dächtig nähern und ihm bei der Kaptur die Möglichkeit oder Un-
möglichkeit laſſen, etwas zu bekabern, wegzuplanten oder zu ver-
ſarkenen und Zinken zu geben. Aus der ſofort ſorgfältig ſtudirten
Einrichtung des Unterſuchungsgefängniſſes, aus ſeiner Umgebung
und Behandlung im Gefängniß erforſcht er, welcher Geiſt das
Ganze hält und bindet. So erkennt der Gauner den Jnquirenten
ſchon in allen ſeinen Organen und Jnſtituten, noch ehe er ihn
ſelbſt geſehen hat, und ſtellt ſich dem Jnquirenten auf deſſen ei-
genem Terrain gegenüber, auf welchem er ihm ſchon häufig vor
dem erſten Verhör Sonne und Wind für den Zweikampf abge-
wonnen hat.
Einem ſo wohlgerüſteten gewandten Gegner — und dafür
muß der Jnquirent jeden ihm vorgeführten Gauner halten —
kann aber dennoch der erfahrene und geſchulte Jnquirent
ruhig und ſicher gegenübertreten. Auch er hat ſchon im voraus
einen Vortheil, der, ſo ſeltſam er erſcheinen mag, doch ſehr wich-
tig iſt: er hat einen Ruf im Gaunerthum, das keineswegs mit
Feindlichkeit und Haß, ſondern mit einer Art von Bewunderung
ſeiner Kenntniſſe, Erfahrung und Gewandtheit auf ihn blickt,
ihm aber auch ſcheu aus dem Wege geht, ſodaß ſein bloßer Ruf
und ſeine Gegenwart viele Unternehmungen verhindert, während
andererſeits das Gaunerthum einen übermüthigen Triumph daran
hat, gerade den unfähigen, leidenſchaftlichen und harten Beamten
nach allen Regeln der Kunſt zu beſtehlen, wie das ſchon nicht
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/393>, abgerufen am 22.11.2024.
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