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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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sichern, welche in neuerer Zeit ihr Wesen in höchst verwegener
Weise zu treiben angefangen haben. 1)

Aehnliche freche Diebstähle an Postgut sind in neuerer Zeit
auch auf den Strecken zwischen den Posthäusern und Bahnhöfen
und zwischen den einzelnen Poststationen vorgekommen. Ge-
wandte Gauner haben den Moment wahrgenommen, in welchem
die Postwagenverschlüsse noch offen standen und von nachlässigen
Beamten ohne Aufsicht gelassen waren, wie das besonders auch
noch auf den Zwischenstationen der Fall ist, auf welchen die Ver-
schlüsse geöffnet werden. Jedesmal sind jedoch in solchem Falle
Nachlässigkeiten der Beamten, seltener Mängel in den postalischen
Einrichtungen selbst, nachgewiesen worden, welche bei der jetzigen
Vortrefflichkeit des deutschen Postwesens kaum noch hier und da
zu finden sind, und schwerlich noch irgendwie jene gewerbsmäßige
Beraubung durch die Trararumgänger der frühern Zeit mög-
lich machen dürften, von denen Falkenberg, a. a. O., I, 88--94,
eine ausführliche Darstellung gibt, und unter welchen der 1814
zur Untersuchung gezogene Karl Grandisson oder Grosjean einer
der größten Koryphäen war. 2) Doch dürfte der Postexpedient a. D.

1) Jm Dampfschiffshafen und auf dem Eisenbahnhofe in Lübeck führen
eigene Polizeibeamte die Aufsicht auch über die Reihenfolge der Droschken,
welche stets notirt wird. Außer den Gepäckträgern wird nur bestelltes Privat-
dienstpersonal zum Tragen von Reiseeffecten zugelassen, und durchaus nicht das
Aufsitzen eines Unbekannten oder Unbestellten zum Kutscher auf den Bock ge-
duldet. Noch niemals ist bei dieser Einrichtung irgendein Verlust oder Dieb-
stahl auf der ziemlich langen Strecke zur Stadt ruchtbar geworden, wie doch
solche anderer Orten nicht selten vorkommen, wo auch durch öffentliche Pla-
kate "vor Taschendieben gewarnt" wird.
2) Die Trararumgänger (bloße Wortimitation des Posthornklanges)
reisten gewöhnlich als Kaufleute oder Handlungsreisende unter falschen Namen
mit der Post, um in den Posthäusern, auf den Stationen, durch Makkenen,
Ennevotennemachen oder Schränken u. dgl. werthvolle Poststücke zu erbeuten.
Grosjean war lange Zeit als Trararumgänger in Frankreich und Deutsch-
land gereist, und hatte sehr bedeutende Summen gestohlen, bis in Heidelberg
eine Untersuchung gegen ihn eröffnet und er selbst in Berlin zur Haft gebracht
wurde, wo er in der Stadtvogtei in der Nacht vom 20.--21. Mai 1814 sich
an seinem Schnupftuche erhenkte, ehe er noch eigentlich selbst verhört war.

ſichern, welche in neuerer Zeit ihr Weſen in höchſt verwegener
Weiſe zu treiben angefangen haben. 1)

Aehnliche freche Diebſtähle an Poſtgut ſind in neuerer Zeit
auch auf den Strecken zwiſchen den Poſthäuſern und Bahnhöfen
und zwiſchen den einzelnen Poſtſtationen vorgekommen. Ge-
wandte Gauner haben den Moment wahrgenommen, in welchem
die Poſtwagenverſchlüſſe noch offen ſtanden und von nachläſſigen
Beamten ohne Aufſicht gelaſſen waren, wie das beſonders auch
noch auf den Zwiſchenſtationen der Fall iſt, auf welchen die Ver-
ſchlüſſe geöffnet werden. Jedesmal ſind jedoch in ſolchem Falle
Nachläſſigkeiten der Beamten, ſeltener Mängel in den poſtaliſchen
Einrichtungen ſelbſt, nachgewieſen worden, welche bei der jetzigen
Vortrefflichkeit des deutſchen Poſtweſens kaum noch hier und da
zu finden ſind, und ſchwerlich noch irgendwie jene gewerbsmäßige
Beraubung durch die Trararumgänger der frühern Zeit mög-
lich machen dürften, von denen Falkenberg, a. a. O., I, 88—94,
eine ausführliche Darſtellung gibt, und unter welchen der 1814
zur Unterſuchung gezogene Karl Grandiſſon oder Grosjean einer
der größten Koryphäen war. 2) Doch dürfte der Poſtexpedient a. D.

1) Jm Dampfſchiffshafen und auf dem Eiſenbahnhofe in Lübeck führen
eigene Polizeibeamte die Aufſicht auch über die Reihenfolge der Droſchken,
welche ſtets notirt wird. Außer den Gepäckträgern wird nur beſtelltes Privat-
dienſtperſonal zum Tragen von Reiſeeffecten zugelaſſen, und durchaus nicht das
Aufſitzen eines Unbekannten oder Unbeſtellten zum Kutſcher auf den Bock ge-
duldet. Noch niemals iſt bei dieſer Einrichtung irgendein Verluſt oder Dieb-
ſtahl auf der ziemlich langen Strecke zur Stadt ruchtbar geworden, wie doch
ſolche anderer Orten nicht ſelten vorkommen, wo auch durch öffentliche Pla-
kate „vor Taſchendieben gewarnt“ wird.
2) Die Trararumgänger (bloße Wortimitation des Poſthornklanges)
reiſten gewöhnlich als Kaufleute oder Handlungsreiſende unter falſchen Namen
mit der Poſt, um in den Poſthäuſern, auf den Stationen, durch Makkenen,
Ennevotennemachen oder Schränken u. dgl. werthvolle Poſtſtücke zu erbeuten.
Grosjean war lange Zeit als Trararumgänger in Frankreich und Deutſch-
land gereiſt, und hatte ſehr bedeutende Summen geſtohlen, bis in Heidelberg
eine Unterſuchung gegen ihn eröffnet und er ſelbſt in Berlin zur Haft gebracht
wurde, wo er in der Stadtvogtei in der Nacht vom 20.—21. Mai 1814 ſich
an ſeinem Schnupftuche erhenkte, ehe er noch eigentlich ſelbſt verhört war.
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[244/0256] ſichern, welche in neuerer Zeit ihr Weſen in höchſt verwegener Weiſe zu treiben angefangen haben. 1) Aehnliche freche Diebſtähle an Poſtgut ſind in neuerer Zeit auch auf den Strecken zwiſchen den Poſthäuſern und Bahnhöfen und zwiſchen den einzelnen Poſtſtationen vorgekommen. Ge- wandte Gauner haben den Moment wahrgenommen, in welchem die Poſtwagenverſchlüſſe noch offen ſtanden und von nachläſſigen Beamten ohne Aufſicht gelaſſen waren, wie das beſonders auch noch auf den Zwiſchenſtationen der Fall iſt, auf welchen die Ver- ſchlüſſe geöffnet werden. Jedesmal ſind jedoch in ſolchem Falle Nachläſſigkeiten der Beamten, ſeltener Mängel in den poſtaliſchen Einrichtungen ſelbſt, nachgewieſen worden, welche bei der jetzigen Vortrefflichkeit des deutſchen Poſtweſens kaum noch hier und da zu finden ſind, und ſchwerlich noch irgendwie jene gewerbsmäßige Beraubung durch die Trararumgänger der frühern Zeit mög- lich machen dürften, von denen Falkenberg, a. a. O., I, 88—94, eine ausführliche Darſtellung gibt, und unter welchen der 1814 zur Unterſuchung gezogene Karl Grandiſſon oder Grosjean einer der größten Koryphäen war. 2) Doch dürfte der Poſtexpedient a. D. 1) Jm Dampfſchiffshafen und auf dem Eiſenbahnhofe in Lübeck führen eigene Polizeibeamte die Aufſicht auch über die Reihenfolge der Droſchken, welche ſtets notirt wird. Außer den Gepäckträgern wird nur beſtelltes Privat- dienſtperſonal zum Tragen von Reiſeeffecten zugelaſſen, und durchaus nicht das Aufſitzen eines Unbekannten oder Unbeſtellten zum Kutſcher auf den Bock ge- duldet. Noch niemals iſt bei dieſer Einrichtung irgendein Verluſt oder Dieb- ſtahl auf der ziemlich langen Strecke zur Stadt ruchtbar geworden, wie doch ſolche anderer Orten nicht ſelten vorkommen, wo auch durch öffentliche Pla- kate „vor Taſchendieben gewarnt“ wird. 2) Die Trararumgänger (bloße Wortimitation des Poſthornklanges) reiſten gewöhnlich als Kaufleute oder Handlungsreiſende unter falſchen Namen mit der Poſt, um in den Poſthäuſern, auf den Stationen, durch Makkenen, Ennevotennemachen oder Schränken u. dgl. werthvolle Poſtſtücke zu erbeuten. Grosjean war lange Zeit als Trararumgänger in Frankreich und Deutſch- land gereiſt, und hatte ſehr bedeutende Summen geſtohlen, bis in Heidelberg eine Unterſuchung gegen ihn eröffnet und er ſelbſt in Berlin zur Haft gebracht wurde, wo er in der Stadtvogtei in der Nacht vom 20.—21. Mai 1814 ſich an ſeinem Schnupftuche erhenkte, ehe er noch eigentlich ſelbſt verhört war.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/256>, abgerufen am 27.11.2024.