Reiseeffecten vorkommen. Diese Diebereien, welche namentlich im Jahre 1854 auf der Sächsisch-Schlesischen, auf der Main-Weser- und der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn einige Zeit als sy- stematisches Gewerbe betrieben, jedoch endlich entdeckt wurden, sind zwiefach strafbar, da sie wol nur von Beamten dieser öffentlichen Beförderungsanstalten selbst verübt werden können, deren Aufsicht und Schutz der Reisende sich mit seinem Vermögen anvertraut. Die erwähnten wahren gewerbsmäßigen Gaunereien sind denn auch besonders scharf gestraft worden.
Die Schwierigkeit, welche die strenge Bewachung der Gepäck- räume auf den Eisenbahnhöfen und die geschwinde Bewegung der Bahnzüge den Golehopsern bereitet, hat nun aber auch neuer- dings zur verwegenen Beraubung der Fahrzeuge auf den Strecken von den Bahnhöfen bis zum Gasthofe oder Privathause Anlaß gegeben. Die Bahnhöfe liegen meistens außerhalb der Vorstädte, ja oft noch weit über dieselben hinaus. Die angestellten und vereidigten Gepäckträger geben allerdings eine Garantie für die richtige Ablieferung des Gepäcks. Auch die Wirthe, welche eigene Omnibus zwischen den Bahnhöfen und ihren Gasthöfen unter Schutz eines Conducteurs und Hausknechts fahren lassen, sichern durch diese ihre Leute den Reisenden und sein Gepäck. Für den Reisenden, der jedoch eilig von einem Dampfschiff oder Bahnhof zum andern oder in ein Privathaus will, und dazu sich der näch- sten besten Droschke am fremden Orte bedient, ist allerdings schon Gefahr für sein Gepäck vorhanden, wenn er es durch einen an- dern als durch einen Gepäckträger in die Droschke selbst abliefern läßt, oder wol gar dem nächsten ihm unbekannten Bummler über- gibt, der sich hervordrängt, sich auch wol zum Kutscher, einem alten Kameraden, setzt, und gelegentlich auf dem langen oder ab- sichtlich verlängerten Wege zum Absteigequartier mit einem Packen verschwindet. Nur eine sehr genaue polizeiliche Controle der Droschkenführer und Dienstleute auf den Hafenkais, Perrons und deren Nähe, und die Zurückhaltung aller Müßiggänger und verdächtigen Bummler kann den Reisenden gegen diese Golehopser
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Reiſeeffecten vorkommen. Dieſe Diebereien, welche namentlich im Jahre 1854 auf der Sächſiſch-Schleſiſchen, auf der Main-Weſer- und der Niederſchleſiſch-Märkiſchen Eiſenbahn einige Zeit als ſy- ſtematiſches Gewerbe betrieben, jedoch endlich entdeckt wurden, ſind zwiefach ſtrafbar, da ſie wol nur von Beamten dieſer öffentlichen Beförderungsanſtalten ſelbſt verübt werden können, deren Aufſicht und Schutz der Reiſende ſich mit ſeinem Vermögen anvertraut. Die erwähnten wahren gewerbsmäßigen Gaunereien ſind denn auch beſonders ſcharf geſtraft worden.
Die Schwierigkeit, welche die ſtrenge Bewachung der Gepäck- räume auf den Eiſenbahnhöfen und die geſchwinde Bewegung der Bahnzüge den Golehopſern bereitet, hat nun aber auch neuer- dings zur verwegenen Beraubung der Fahrzeuge auf den Strecken von den Bahnhöfen bis zum Gaſthofe oder Privathauſe Anlaß gegeben. Die Bahnhöfe liegen meiſtens außerhalb der Vorſtädte, ja oft noch weit über dieſelben hinaus. Die angeſtellten und vereidigten Gepäckträger geben allerdings eine Garantie für die richtige Ablieferung des Gepäcks. Auch die Wirthe, welche eigene Omnibus zwiſchen den Bahnhöfen und ihren Gaſthöfen unter Schutz eines Conducteurs und Hausknechts fahren laſſen, ſichern durch dieſe ihre Leute den Reiſenden und ſein Gepäck. Für den Reiſenden, der jedoch eilig von einem Dampfſchiff oder Bahnhof zum andern oder in ein Privathaus will, und dazu ſich der näch- ſten beſten Droſchke am fremden Orte bedient, iſt allerdings ſchon Gefahr für ſein Gepäck vorhanden, wenn er es durch einen an- dern als durch einen Gepäckträger in die Droſchke ſelbſt abliefern läßt, oder wol gar dem nächſten ihm unbekannten Bummler über- gibt, der ſich hervordrängt, ſich auch wol zum Kutſcher, einem alten Kameraden, ſetzt, und gelegentlich auf dem langen oder ab- ſichtlich verlängerten Wege zum Abſteigequartier mit einem Packen verſchwindet. Nur eine ſehr genaue polizeiliche Controle der Droſchkenführer und Dienſtleute auf den Hafenkais, Perrons und deren Nähe, und die Zurückhaltung aller Müßiggänger und verdächtigen Bummler kann den Reiſenden gegen dieſe Golehopſer
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Reiſeeffecten vorkommen. Dieſe Diebereien, welche namentlich im
Jahre 1854 auf der Sächſiſch-Schleſiſchen, auf der Main-Weſer-
und der Niederſchleſiſch-Märkiſchen Eiſenbahn einige Zeit als ſy-
ſtematiſches Gewerbe betrieben, jedoch endlich entdeckt wurden, ſind
zwiefach ſtrafbar, da ſie wol nur von Beamten dieſer öffentlichen
Beförderungsanſtalten ſelbſt verübt werden können, deren Aufſicht
und Schutz der Reiſende ſich mit ſeinem Vermögen anvertraut.
Die erwähnten wahren gewerbsmäßigen Gaunereien ſind denn
auch beſonders ſcharf geſtraft worden.
Die Schwierigkeit, welche die ſtrenge Bewachung der Gepäck-
räume auf den Eiſenbahnhöfen und die geſchwinde Bewegung der
Bahnzüge den Golehopſern bereitet, hat nun aber auch neuer-
dings zur verwegenen Beraubung der Fahrzeuge auf den Strecken
von den Bahnhöfen bis zum Gaſthofe oder Privathauſe Anlaß
gegeben. Die Bahnhöfe liegen meiſtens außerhalb der Vorſtädte,
ja oft noch weit über dieſelben hinaus. Die angeſtellten und
vereidigten Gepäckträger geben allerdings eine Garantie für die
richtige Ablieferung des Gepäcks. Auch die Wirthe, welche eigene
Omnibus zwiſchen den Bahnhöfen und ihren Gaſthöfen unter
Schutz eines Conducteurs und Hausknechts fahren laſſen, ſichern
durch dieſe ihre Leute den Reiſenden und ſein Gepäck. Für den
Reiſenden, der jedoch eilig von einem Dampfſchiff oder Bahnhof
zum andern oder in ein Privathaus will, und dazu ſich der näch-
ſten beſten Droſchke am fremden Orte bedient, iſt allerdings ſchon
Gefahr für ſein Gepäck vorhanden, wenn er es durch einen an-
dern als durch einen Gepäckträger in die Droſchke ſelbſt abliefern
läßt, oder wol gar dem nächſten ihm unbekannten Bummler über-
gibt, der ſich hervordrängt, ſich auch wol zum Kutſcher, einem
alten Kameraden, ſetzt, und gelegentlich auf dem langen oder ab-
ſichtlich verlängerten Wege zum Abſteigequartier mit einem Packen
verſchwindet. Nur eine ſehr genaue polizeiliche Controle der
Droſchkenführer und Dienſtleute auf den Hafenkais, Perrons
und deren Nähe, und die Zurückhaltung aller Müßiggänger und
verdächtigen Bummler kann den Reiſenden gegen dieſe Golehopſer
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/255>, abgerufen am 27.11.2024.
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