Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.so fein ausgebildet, daß es dieselbe in ihrer bürgerlichen Praxis Alle praktische gaunerische Thätigkeit wurde ursprünglich mit 1) Auch in der portugiesischen Gaunersprache, Calaon genannt, hat das
Wort Faxar ganz die Bedeutung des facere und fetzen. Von Fetzen bil- dete sich im 16. u. 17. Jahrhunderte der volksthümliche Ausdruck pfetzen, pfitzen, mit der Bedeutung zupfen, kneifen, abkneifen, klemmen, stehlen, welche noch später auf das specifisch-gaunerische Fetzen übergegangen zu sein scheint. Vgl. Kap. 66, Note 1, Stipitzen beim Stippen. Vgl. von Stieler, "Sprachschatz", S. 1442, u. Schottelius, S. 1373. ſo fein ausgebildet, daß es dieſelbe in ihrer bürgerlichen Praxis Alle praktiſche gauneriſche Thätigkeit wurde urſprünglich mit 1) Auch in der portugieſiſchen Gaunerſprache, Calaõ genannt, hat das
Wort Faxar ganz die Bedeutung des facere und fetzen. Von Fetzen bil- dete ſich im 16. u. 17. Jahrhunderte der volksthümliche Ausdruck pfetzen, pfitzen, mit der Bedeutung zupfen, kneifen, abkneifen, klemmen, ſtehlen, welche noch ſpäter auf das ſpecifiſch-gauneriſche Fetzen übergegangen zu ſein ſcheint. Vgl. Kap. 66, Note 1, Stipitzen beim Stippen. Vgl. von Stieler, „Sprachſchatz“, S. 1442, u. Schottelius, S. 1373. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0131" n="119"/> ſo fein ausgebildet, daß es dieſelbe in ihrer bürgerlichen Praxis<lb/> weit hinter ſich gelaſſen hat, und daß man gerade nur in dieſer<lb/> Verfein<supplied>erung</supplied> die gauneriſche Thätigkeit erkennt. <hi rendition="#g">Jnſofern</hi> kann<lb/> aber alle<supplied>rd</supplied>ings von einer eigenen Gaunertechnik die Rede ſein.<lb/> Eine geſonderte Darſtellung dieſer Gaunertechnik würde aber auch<lb/> eine Darſtellung der ganzen Gewerbstechnik erforderlich machen,<lb/> und ſomit die dem vorliegenden Werke geſetzte Grenze weit über-<lb/> ſchreiten. Die Technik erklärt ſich am kürzeſten und deutlichſten<lb/> in ihrer Anwendung bei den einzelnen gauneriſchen Unternehmun-<lb/> gen, deren Darſtellung nunmehr erfolgen ſoll.</p><lb/> <p>Alle praktiſche gauneriſche Thätigkeit wurde urſprünglich mit<lb/> dem Ausdruck <hi rendition="#g">Fetzen</hi> bezeichnet. Jm <hi rendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> finden<lb/> ſich die verſchiedenartigſten Zuſammenſetzungen, als <hi rendition="#g">Claffotfetzer,</hi><lb/> Schneider; <hi rendition="#g">Fladerfetzer</hi> (Pflaſtermacher), Bader, Barbier; <hi rendition="#g">Schö-<lb/> cherfetzer,</hi> Wirth; <hi rendition="#g">Klingfetzer,</hi> Leiermann; <hi rendition="#g">Boſſerfetzer,</hi><lb/> Schlachter u. ſ. w. Die ſchon von Pott, a. a. O., <hi rendition="#aq">II,</hi> 32, an-<lb/> geführte Ableitung vom lateiniſchen <hi rendition="#aq">facere</hi> iſt ohne Zweifel rich-<lb/> tig. <note place="foot" n="1)">Auch in der portugieſiſchen Gaunerſprache, <hi rendition="#aq">Calaõ</hi> genannt, hat das<lb/> Wort <hi rendition="#aq">Faxar</hi> ganz die Bedeutung des <hi rendition="#aq">facere</hi> und <hi rendition="#g">fetzen.</hi> Von <hi rendition="#g">Fetzen</hi> bil-<lb/> dete ſich im 16. u. 17. Jahrhunderte der volksthümliche Ausdruck <hi rendition="#g">pfetzen,<lb/> pfitzen,</hi> mit der Bedeutung <hi rendition="#g">zupfen, kneifen, abkneifen, klemmen,<lb/> ſtehlen,</hi> welche noch ſpäter auf das ſpecifiſch-gauneriſche Fetzen übergegangen<lb/> zu ſein ſcheint. Vgl. Kap. 66, Note 1, Stipitzen beim Stippen. Vgl. von<lb/> Stieler, „Sprachſchatz“, S. 1442, u. Schottelius, S. 1373.</note> Jn der heutigen Gaunerſprache iſt der Begriff jedoch ſehr<lb/> beſchränkt, indem Fetzen nur noch das Lostrennen, Losſchneiden<lb/> einer Sache zu ihrer Habhaftwerdung oder Vernichtung, alſo<lb/> ſchneiden, ſtechen, ermorden, abſchneiden, zerſchneiden u. ſ. w. be-<lb/> deutet. Statt deſſen iſt aber das Wort <hi rendition="#g">Handel</hi> als deutſche<lb/> Ueberſetzung des <hi rendition="#aq">facere</hi> aufgekommen, und <hi rendition="#g">Handel</hi> heißt daher<lb/> allgemein jedes Raub- oder Diebſtahlsunternehmen, <hi rendition="#g">einen Han-<lb/> del machen</hi> oder <hi rendition="#g">handeln,</hi> ſtehlen. Dazu kommt noch in ganz<lb/> gleicher Bedeutung der ſchon angeführte jüdiſch-deutſche Ausdruck<lb/><hi rendition="#g">Maſſematten,</hi> der jedoch, neben der Bedeutung des Diebſtahls<lb/> ſelbſt, auch noch die des Diebſtahl<hi rendition="#g">sobjects</hi> hat, und in der pleo-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0131]
ſo fein ausgebildet, daß es dieſelbe in ihrer bürgerlichen Praxis
weit hinter ſich gelaſſen hat, und daß man gerade nur in dieſer
Verfeinerung die gauneriſche Thätigkeit erkennt. Jnſofern kann
aber allerdings von einer eigenen Gaunertechnik die Rede ſein.
Eine geſonderte Darſtellung dieſer Gaunertechnik würde aber auch
eine Darſtellung der ganzen Gewerbstechnik erforderlich machen,
und ſomit die dem vorliegenden Werke geſetzte Grenze weit über-
ſchreiten. Die Technik erklärt ſich am kürzeſten und deutlichſten
in ihrer Anwendung bei den einzelnen gauneriſchen Unternehmun-
gen, deren Darſtellung nunmehr erfolgen ſoll.
Alle praktiſche gauneriſche Thätigkeit wurde urſprünglich mit
dem Ausdruck Fetzen bezeichnet. Jm Liber Vagatorum finden
ſich die verſchiedenartigſten Zuſammenſetzungen, als Claffotfetzer,
Schneider; Fladerfetzer (Pflaſtermacher), Bader, Barbier; Schö-
cherfetzer, Wirth; Klingfetzer, Leiermann; Boſſerfetzer,
Schlachter u. ſ. w. Die ſchon von Pott, a. a. O., II, 32, an-
geführte Ableitung vom lateiniſchen facere iſt ohne Zweifel rich-
tig. 1) Jn der heutigen Gaunerſprache iſt der Begriff jedoch ſehr
beſchränkt, indem Fetzen nur noch das Lostrennen, Losſchneiden
einer Sache zu ihrer Habhaftwerdung oder Vernichtung, alſo
ſchneiden, ſtechen, ermorden, abſchneiden, zerſchneiden u. ſ. w. be-
deutet. Statt deſſen iſt aber das Wort Handel als deutſche
Ueberſetzung des facere aufgekommen, und Handel heißt daher
allgemein jedes Raub- oder Diebſtahlsunternehmen, einen Han-
del machen oder handeln, ſtehlen. Dazu kommt noch in ganz
gleicher Bedeutung der ſchon angeführte jüdiſch-deutſche Ausdruck
Maſſematten, der jedoch, neben der Bedeutung des Diebſtahls
ſelbſt, auch noch die des Diebſtahlsobjects hat, und in der pleo-
1) Auch in der portugieſiſchen Gaunerſprache, Calaõ genannt, hat das
Wort Faxar ganz die Bedeutung des facere und fetzen. Von Fetzen bil-
dete ſich im 16. u. 17. Jahrhunderte der volksthümliche Ausdruck pfetzen,
pfitzen, mit der Bedeutung zupfen, kneifen, abkneifen, klemmen,
ſtehlen, welche noch ſpäter auf das ſpecifiſch-gauneriſche Fetzen übergegangen
zu ſein ſcheint. Vgl. Kap. 66, Note 1, Stipitzen beim Stippen. Vgl. von
Stieler, „Sprachſchatz“, S. 1442, u. Schottelius, S. 1373.
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