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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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pard, der bewunderte Held der Damenwelt, an dessen Hinrichtungs-
tage der Pöbel das Haus des Wechslers, den er zuletzt bestohlen
hatte, stürmte, John Stanley, und der großartige Cartouche, der
gegen vierzig seiner Genossen beiderlei Geschlechts in die Um-
gebung und Dienste der Prinzessin von Montpensier und der
Herzogin von Ventadour zu bringen wußte, mit seinen Genossen
a la Charite, Abbe de la Mothe, Pelissier und Durand, einzig
in ihrer Art dastehen. 1)

Die Gewalt, welche das Gannerthum in allen social-politi-
schen Kreisen erlangt hatte, wurde aber noch im höchsten Grade
verstärkt durch den Triumph, den es über das sittliche Gefühl
davontrug. Bei aller Roheit des Räubers und Mörders wußte
eine Unzahl verkappter Gauner sich mit großer Unbefangenheit
und Feinheit im bürgerlichen Leben zu bewegen und sogar in die
höchsten Kreise sich zu drängen. Jhr Fall und ihre Entlarvung
galt darum nicht allein als der gewünschte Sieg der Justiz über
das Verbrechen, dem Gauner und Mörder wurden überall auch im
Gefängniß und auf dem Schaffot die unverhohlensten Kundgebun-
gen des lebhaftesten Jnteresses zu Theil. Zwar gab die deutsche
Sitte noch nicht zu, daß, wie in Frankreich und England, Damen
aus den höchsten Kreisen, wenn auch zum Theil verlarvt, den

Gauner, und das war der Jongleur (Posture-master) Clark, der in Pall-Mall
wohnte und eines Abends im Zwielicht auf dem Wege von Primrose-Hill von
O'Brien angehalten ward. Clark verlor die Geistesgegenwart nicht und "machte
alsbald eine seltsame Metamorphosin seines Leibes, indem er sich in allerhand ent-
setzliche Gestalten und Posituren verwandelte und den Kopff bald zwischen den
Beinen hatte, bald die Füße in die Höhe reckte, bald zwei Köpfe und drei
Beine, und bald gar keinen Kopff zu haben schiene", sodaß O'Brien den Teufel
vor sich zu haben wähnte und schreiend davonlief. Vgl. Smith, "Englische
Straßenräuber", S. 363 fg.
1) Ueber die große Menge Gaunernamen, Gaunerstreiche und Gauner-
biographien vgl. in der Literatur des zwölften Kapitels: "Der Beutelschneider",
(3 Thle.); "Der große Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichten"; "Der bösen
Geister und Gespenster wunderseltzame Historien", (3 Thle.); "Der Schau-
platz der Betrieger"; "Der neueröffnete Schauplatz der Betrieger"; Smith,
"Leben und Thaten der berühmtesten Straßenräuber, Mörder und Spitzbuben
in England", u. s. w.

pard, der bewunderte Held der Damenwelt, an deſſen Hinrichtungs-
tage der Pöbel das Haus des Wechslers, den er zuletzt beſtohlen
hatte, ſtürmte, John Stanley, und der großartige Cartouche, der
gegen vierzig ſeiner Genoſſen beiderlei Geſchlechts in die Um-
gebung und Dienſte der Prinzeſſin von Montpenſier und der
Herzogin von Ventadour zu bringen wußte, mit ſeinen Genoſſen
à la Charité, Abbé de la Mothe, Peliſſier und Durand, einzig
in ihrer Art daſtehen. 1)

Die Gewalt, welche das Gannerthum in allen ſocial-politi-
ſchen Kreiſen erlangt hatte, wurde aber noch im höchſten Grade
verſtärkt durch den Triumph, den es über das ſittliche Gefühl
davontrug. Bei aller Roheit des Räubers und Mörders wußte
eine Unzahl verkappter Gauner ſich mit großer Unbefangenheit
und Feinheit im bürgerlichen Leben zu bewegen und ſogar in die
höchſten Kreiſe ſich zu drängen. Jhr Fall und ihre Entlarvung
galt darum nicht allein als der gewünſchte Sieg der Juſtiz über
das Verbrechen, dem Gauner und Mörder wurden überall auch im
Gefängniß und auf dem Schaffot die unverhohlenſten Kundgebun-
gen des lebhafteſten Jntereſſes zu Theil. Zwar gab die deutſche
Sitte noch nicht zu, daß, wie in Frankreich und England, Damen
aus den höchſten Kreiſen, wenn auch zum Theil verlarvt, den

Gauner, und das war der Jongleur (Posture-master) Clark, der in Pall-Mall
wohnte und eines Abends im Zwielicht auf dem Wege von Primroſe-Hill von
O’Brien angehalten ward. Clark verlor die Geiſtesgegenwart nicht und „machte
alsbald eine ſeltſame Metamorphoſin ſeines Leibes, indem er ſich in allerhand ent-
ſetzliche Geſtalten und Poſituren verwandelte und den Kopff bald zwiſchen den
Beinen hatte, bald die Füße in die Höhe reckte, bald zwei Köpfe und drei
Beine, und bald gar keinen Kopff zu haben ſchiene“, ſodaß O’Brien den Teufel
vor ſich zu haben wähnte und ſchreiend davonlief. Vgl. Smith, „Engliſche
Straßenräuber“, S. 363 fg.
1) Ueber die große Menge Gaunernamen, Gaunerſtreiche und Gauner-
biographien vgl. in der Literatur des zwölften Kapitels: „Der Beutelſchneider“,
(3 Thle.); „Der große Schauplatz jämmerlicher Mordgeſchichten“; „Der böſen
Geiſter und Geſpenſter wunderſeltzame Hiſtorien“, (3 Thle.); „Der Schau-
platz der Betrieger“; „Der neueröffnete Schauplatz der Betrieger“; Smith,
„Leben und Thaten der berühmteſten Straßenräuber, Mörder und Spitzbuben
in England“, u. ſ. w.
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[78/0094] pard, der bewunderte Held der Damenwelt, an deſſen Hinrichtungs- tage der Pöbel das Haus des Wechslers, den er zuletzt beſtohlen hatte, ſtürmte, John Stanley, und der großartige Cartouche, der gegen vierzig ſeiner Genoſſen beiderlei Geſchlechts in die Um- gebung und Dienſte der Prinzeſſin von Montpenſier und der Herzogin von Ventadour zu bringen wußte, mit ſeinen Genoſſen à la Charité, Abbé de la Mothe, Peliſſier und Durand, einzig in ihrer Art daſtehen. 1) Die Gewalt, welche das Gannerthum in allen ſocial-politi- ſchen Kreiſen erlangt hatte, wurde aber noch im höchſten Grade verſtärkt durch den Triumph, den es über das ſittliche Gefühl davontrug. Bei aller Roheit des Räubers und Mörders wußte eine Unzahl verkappter Gauner ſich mit großer Unbefangenheit und Feinheit im bürgerlichen Leben zu bewegen und ſogar in die höchſten Kreiſe ſich zu drängen. Jhr Fall und ihre Entlarvung galt darum nicht allein als der gewünſchte Sieg der Juſtiz über das Verbrechen, dem Gauner und Mörder wurden überall auch im Gefängniß und auf dem Schaffot die unverhohlenſten Kundgebun- gen des lebhafteſten Jntereſſes zu Theil. Zwar gab die deutſche Sitte noch nicht zu, daß, wie in Frankreich und England, Damen aus den höchſten Kreiſen, wenn auch zum Theil verlarvt, den 2) 1) Ueber die große Menge Gaunernamen, Gaunerſtreiche und Gauner- biographien vgl. in der Literatur des zwölften Kapitels: „Der Beutelſchneider“, (3 Thle.); „Der große Schauplatz jämmerlicher Mordgeſchichten“; „Der böſen Geiſter und Geſpenſter wunderſeltzame Hiſtorien“, (3 Thle.); „Der Schau- platz der Betrieger“; „Der neueröffnete Schauplatz der Betrieger“; Smith, „Leben und Thaten der berühmteſten Straßenräuber, Mörder und Spitzbuben in England“, u. ſ. w. 2) Gauner, und das war der Jongleur (Posture-master) Clark, der in Pall-Mall wohnte und eines Abends im Zwielicht auf dem Wege von Primroſe-Hill von O’Brien angehalten ward. Clark verlor die Geiſtesgegenwart nicht und „machte alsbald eine ſeltſame Metamorphoſin ſeines Leibes, indem er ſich in allerhand ent- ſetzliche Geſtalten und Poſituren verwandelte und den Kopff bald zwiſchen den Beinen hatte, bald die Füße in die Höhe reckte, bald zwei Köpfe und drei Beine, und bald gar keinen Kopff zu haben ſchiene“, ſodaß O’Brien den Teufel vor ſich zu haben wähnte und ſchreiend davonlief. Vgl. Smith, „Engliſche Straßenräuber“, S. 363 fg.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/94>, abgerufen am 22.11.2024.