la Pointe, la Faverie, la Fontaine u. A. ganz Frankreich in Schrecken setzten; wie ihre Verbindungen weit nach Spanien, Eng- land, Holland und Deutschland reichten; wie sie so lange Zeit in der Vorstadt St.-Germain ungestört ihre Centralvereinigung haben, und von hier aus die beispiellosesten Unternehmungen leiten und ausführen konnten. So tauchen in der ersten Hälfte des 17. Jahr- hunderts eine Unzahl berüchtigter Gaunernamen auf, von denen jeder der Held eines von allen Unthaten befleckten Räuberlebens ist, wie Rochetaille, Carfour, la Fleure, de la Viegne, Grillon, Postel, Lachassine, Maillard, l'Escluse, Forestier, Garandin, Pa- lioly, Arpalin u. A. Den Wechsel jener französischen Gauner von Frankreich aus nach Spanien, England, und vor allem nach Deutschland hinein, lernt man vorzüglich aus dem reichhaltigen "Schauplatz der Betrüger", kennen, sodaß man auch in diesen Zeitperioden deutlich den dauernden Fortbestand des Gaunerthums wahrnehmen und seinen Zusammenhang mit der neuesten Zeit historisch nachweisen kann. Gerade durch die Werbungen Wal- lenstein's wurde recht offenbar gemacht, wie viel Gesindel aller Orten in Deutschland verbreitet, und wie groß die politische und sittliche Noth in Deutschland war. Kaum mag es irgendeinen treffen- dern Beweis für die Noth des Kaisers geben, als jenen Bestand des von Wallenstein zusammengebrachten kaiserlichen Heeres. Schon 1621 wurde in einer anonymen Flugschrift gerathen, "man solle die Macht der stets mit den Fürsten verbundenen Patrizier in den Städten dadurch brechen, daß man den Zünften gleichen Zutritt zum Rathe und zu den Aemtern öffne, um so den Fehler Karl's V., der die zur Uebermacht gekommenen Zünfte wieder eingeschränkt hatte, wieder gutzumachen." Jn einer andern anonymen Flug- schrift wurde dem Kaiser gerathen, "sich auf den gemeinen Pöbel zu stützen, als worin eines Monarchen wahre Stärke bestehe". Als Wallenstein 1625 aus Franken durch Hessen nach Nieder- sachsen zog, waren es Zigeunerbanden 1), die kundschaftend und
1) Nach Thomasius ("Diss. de cingaris", §. 69), hatten auch die Schwe- den ein Corps Zigeuner. Vgl. Grellmann, a. a. O., S. 130.
la Pointe, la Faverie, la Fontaine u. A. ganz Frankreich in Schrecken ſetzten; wie ihre Verbindungen weit nach Spanien, Eng- land, Holland und Deutſchland reichten; wie ſie ſo lange Zeit in der Vorſtadt St.-Germain ungeſtört ihre Centralvereinigung haben, und von hier aus die beiſpielloſeſten Unternehmungen leiten und ausführen konnten. So tauchen in der erſten Hälfte des 17. Jahr- hunderts eine Unzahl berüchtigter Gaunernamen auf, von denen jeder der Held eines von allen Unthaten befleckten Räuberlebens iſt, wie Rochetaille, Carfour, la Fleure, de la Viegne, Grillon, Poſtel, Lachaſſine, Maillard, l’Escluſe, Foreſtier, Garandin, Pa- lioly, Arpalin u. A. Den Wechſel jener franzöſiſchen Gauner von Frankreich aus nach Spanien, England, und vor allem nach Deutſchland hinein, lernt man vorzüglich aus dem reichhaltigen „Schauplatz der Betrüger“, kennen, ſodaß man auch in dieſen Zeitperioden deutlich den dauernden Fortbeſtand des Gaunerthums wahrnehmen und ſeinen Zuſammenhang mit der neueſten Zeit hiſtoriſch nachweiſen kann. Gerade durch die Werbungen Wal- lenſtein’s wurde recht offenbar gemacht, wie viel Geſindel aller Orten in Deutſchland verbreitet, und wie groß die politiſche und ſittliche Noth in Deutſchland war. Kaum mag es irgendeinen treffen- dern Beweis für die Noth des Kaiſers geben, als jenen Beſtand des von Wallenſtein zuſammengebrachten kaiſerlichen Heeres. Schon 1621 wurde in einer anonymen Flugſchrift gerathen, „man ſolle die Macht der ſtets mit den Fürſten verbundenen Patrizier in den Städten dadurch brechen, daß man den Zünften gleichen Zutritt zum Rathe und zu den Aemtern öffne, um ſo den Fehler Karl’s V., der die zur Uebermacht gekommenen Zünfte wieder eingeſchränkt hatte, wieder gutzumachen.“ Jn einer andern anonymen Flug- ſchrift wurde dem Kaiſer gerathen, „ſich auf den gemeinen Pöbel zu ſtützen, als worin eines Monarchen wahre Stärke beſtehe“. Als Wallenſtein 1625 aus Franken durch Heſſen nach Nieder- ſachſen zog, waren es Zigeunerbanden 1), die kundſchaftend und
1) Nach Thomaſius („Diss. de cingaris“, §. 69), hatten auch die Schwe- den ein Corps Zigeuner. Vgl. Grellmann, a. a. O., S. 130.
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la Pointe, la Faverie, la Fontaine u. A. ganz Frankreich in
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der Vorſtadt St.-Germain ungeſtört ihre Centralvereinigung haben,
und von hier aus die beiſpielloſeſten Unternehmungen leiten und
ausführen konnten. So tauchen in der erſten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts eine Unzahl berüchtigter Gaunernamen auf, von denen
jeder der Held eines von allen Unthaten befleckten Räuberlebens
iſt, wie Rochetaille, Carfour, la Fleure, de la Viegne, Grillon,
Poſtel, Lachaſſine, Maillard, l’Escluſe, Foreſtier, Garandin, Pa-
lioly, Arpalin u. A. Den Wechſel jener franzöſiſchen Gauner
von Frankreich aus nach Spanien, England, und vor allem nach
Deutſchland hinein, lernt man vorzüglich aus dem reichhaltigen
„Schauplatz der Betrüger“, kennen, ſodaß man auch in dieſen
Zeitperioden deutlich den dauernden Fortbeſtand des Gaunerthums
wahrnehmen und ſeinen Zuſammenhang mit der neueſten Zeit
hiſtoriſch nachweiſen kann. Gerade durch die Werbungen Wal-
lenſtein’s wurde recht offenbar gemacht, wie viel Geſindel aller Orten
in Deutſchland verbreitet, und wie groß die politiſche und ſittliche
Noth in Deutſchland war. Kaum mag es irgendeinen treffen-
dern Beweis für die Noth des Kaiſers geben, als jenen Beſtand
des von Wallenſtein zuſammengebrachten kaiſerlichen Heeres. Schon
1621 wurde in einer anonymen Flugſchrift gerathen, „man ſolle
die Macht der ſtets mit den Fürſten verbundenen Patrizier in den
Städten dadurch brechen, daß man den Zünften gleichen Zutritt
zum Rathe und zu den Aemtern öffne, um ſo den Fehler Karl’s V.,
der die zur Uebermacht gekommenen Zünfte wieder eingeſchränkt
hatte, wieder gutzumachen.“ Jn einer andern anonymen Flug-
ſchrift wurde dem Kaiſer gerathen, „ſich auf den gemeinen Pöbel
zu ſtützen, als worin eines Monarchen wahre Stärke beſtehe“.
Als Wallenſtein 1625 aus Franken durch Heſſen nach Nieder-
ſachſen zog, waren es Zigeunerbanden 1), die kundſchaftend und
1) Nach Thomaſius („Diss. de cingaris“, §. 69), hatten auch die Schwe-
den ein Corps Zigeuner. Vgl. Grellmann, a. a. O., S. 130.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/89>, abgerufen am 01.08.2024.
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