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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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Wüstlinge, die mit der Ehre und dem Leben längst abgerechnet
hatten, wie Jäcklin Rohrbach aus Böckingen bei Heilbronn, dessen
Schreiber Wendel Hippler und Georg Metzler aus dem Oden-
wald und Andere, Schwaben, Franken, die Länder am Ober- und
Mittelrhein, Thüringen, Hessen und das Meißnische auf das
grauenhafteste durch Mord, Brand, Raub und Verwüstung von
den zügellosesten Banden des niedern Pöbels heimgesucht wurden,
von dessen Verworfenheit und Brutalität eine Unzahl schauder-
erregender Beispiele aufgezeichnet sind. 1) Durch diese erste Auf-
lösung aller Ordnung und Zucht und durch die Zusammenrot-
tirung der untersten Volksschichten, die dabei sich zum ersten mal
in Deutschland ihrer Macht als Masse im Gegensatz gegen die
sittliche obrigkeitliche Gewalt und Ordnung bewußt wurden, ward
auch der erste Grund zur Existenz und Fortdauer jener großartigen
Räuberbanden gelegt, deren freche Gewalt in dem Dreißigjährigen
Kriege ihren Höhepunkt erreichte, da sowol in der Werbung als
auch in der Behandlung der kaiserlichen Heere durch Wallenstein
in den untern Volksschichten das Bewußtsein jener ihrer Gewalt
als Masse leider nur allzu sehr angeregt und erhalten wurde.
Eine Geschichte der Räuberbanden nach den Bauernkriegen bis
zum Dreißigjährigen Krieg und nach demselben läßt sich nur
schwer im Zusammenhange geben, da die einzelnen Banden immer
nur nachlässig verfolgt wurden und die Justiz sich damit begnügte,
die einzelnen eingefangenen Räuber rasch hinzurichten, anstatt ihre
Gefangenschaft zur Erforschung und Verfolgung ihrer Genossen
zu benutzen. Auch ist es unzweifelhaft, daß in jener Zeit des
erassesten Aberglaubens und der wüthendsten Hexenverfolgungen

1) Vgl. D. H. Dittmar, "Geschichte der Welt vor und nach Christus",
Bd. 4, Thl. 1, S. 158--177. Mit Recht behauptet Dittmar (S. 160), daß
die idealistischen Träume wiedertäuferischer Weltumgestaltung sich mit den Zwecken
des Bauernaufstandes vermischt und eine Hauptschuld getragen hätten, daß die
aufrührerische Bewegung einen so bösartigen Charakter annahm. Jn Thomas
Müntzer's ganzem Auftreten, Reden und letzten Bekenntnissen vor seiner Hin-
richtung ist das communistische Denken und Streben dieses so herrschsüchtigen
wie unehrlichen Mannes unverkennbar.

Wüſtlinge, die mit der Ehre und dem Leben längſt abgerechnet
hatten, wie Jäcklin Rohrbach aus Böckingen bei Heilbronn, deſſen
Schreiber Wendel Hippler und Georg Metzler aus dem Oden-
wald und Andere, Schwaben, Franken, die Länder am Ober- und
Mittelrhein, Thüringen, Heſſen und das Meißniſche auf das
grauenhafteſte durch Mord, Brand, Raub und Verwüſtung von
den zügelloſeſten Banden des niedern Pöbels heimgeſucht wurden,
von deſſen Verworfenheit und Brutalität eine Unzahl ſchauder-
erregender Beiſpiele aufgezeichnet ſind. 1) Durch dieſe erſte Auf-
löſung aller Ordnung und Zucht und durch die Zuſammenrot-
tirung der unterſten Volksſchichten, die dabei ſich zum erſten mal
in Deutſchland ihrer Macht als Maſſe im Gegenſatz gegen die
ſittliche obrigkeitliche Gewalt und Ordnung bewußt wurden, ward
auch der erſte Grund zur Exiſtenz und Fortdauer jener großartigen
Räuberbanden gelegt, deren freche Gewalt in dem Dreißigjährigen
Kriege ihren Höhepunkt erreichte, da ſowol in der Werbung als
auch in der Behandlung der kaiſerlichen Heere durch Wallenſtein
in den untern Volksſchichten das Bewußtſein jener ihrer Gewalt
als Maſſe leider nur allzu ſehr angeregt und erhalten wurde.
Eine Geſchichte der Räuberbanden nach den Bauernkriegen bis
zum Dreißigjährigen Krieg und nach demſelben läßt ſich nur
ſchwer im Zuſammenhange geben, da die einzelnen Banden immer
nur nachläſſig verfolgt wurden und die Juſtiz ſich damit begnügte,
die einzelnen eingefangenen Räuber raſch hinzurichten, anſtatt ihre
Gefangenſchaft zur Erforſchung und Verfolgung ihrer Genoſſen
zu benutzen. Auch iſt es unzweifelhaft, daß in jener Zeit des
eraſſeſten Aberglaubens und der wüthendſten Hexenverfolgungen

1) Vgl. D. H. Dittmar, „Geſchichte der Welt vor und nach Chriſtus“,
Bd. 4, Thl. 1, S. 158—177. Mit Recht behauptet Dittmar (S. 160), daß
die idealiſtiſchen Träume wiedertäuferiſcher Weltumgeſtaltung ſich mit den Zwecken
des Bauernaufſtandes vermiſcht und eine Hauptſchuld getragen hätten, daß die
aufrühreriſche Bewegung einen ſo bösartigen Charakter annahm. Jn Thomas
Müntzer’s ganzem Auftreten, Reden und letzten Bekenntniſſen vor ſeiner Hin-
richtung iſt das communiſtiſche Denken und Streben dieſes ſo herrſchſüchtigen
wie unehrlichen Mannes unverkennbar.
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[71/0087] Wüſtlinge, die mit der Ehre und dem Leben längſt abgerechnet hatten, wie Jäcklin Rohrbach aus Böckingen bei Heilbronn, deſſen Schreiber Wendel Hippler und Georg Metzler aus dem Oden- wald und Andere, Schwaben, Franken, die Länder am Ober- und Mittelrhein, Thüringen, Heſſen und das Meißniſche auf das grauenhafteſte durch Mord, Brand, Raub und Verwüſtung von den zügelloſeſten Banden des niedern Pöbels heimgeſucht wurden, von deſſen Verworfenheit und Brutalität eine Unzahl ſchauder- erregender Beiſpiele aufgezeichnet ſind. 1) Durch dieſe erſte Auf- löſung aller Ordnung und Zucht und durch die Zuſammenrot- tirung der unterſten Volksſchichten, die dabei ſich zum erſten mal in Deutſchland ihrer Macht als Maſſe im Gegenſatz gegen die ſittliche obrigkeitliche Gewalt und Ordnung bewußt wurden, ward auch der erſte Grund zur Exiſtenz und Fortdauer jener großartigen Räuberbanden gelegt, deren freche Gewalt in dem Dreißigjährigen Kriege ihren Höhepunkt erreichte, da ſowol in der Werbung als auch in der Behandlung der kaiſerlichen Heere durch Wallenſtein in den untern Volksſchichten das Bewußtſein jener ihrer Gewalt als Maſſe leider nur allzu ſehr angeregt und erhalten wurde. Eine Geſchichte der Räuberbanden nach den Bauernkriegen bis zum Dreißigjährigen Krieg und nach demſelben läßt ſich nur ſchwer im Zuſammenhange geben, da die einzelnen Banden immer nur nachläſſig verfolgt wurden und die Juſtiz ſich damit begnügte, die einzelnen eingefangenen Räuber raſch hinzurichten, anſtatt ihre Gefangenſchaft zur Erforſchung und Verfolgung ihrer Genoſſen zu benutzen. Auch iſt es unzweifelhaft, daß in jener Zeit des eraſſeſten Aberglaubens und der wüthendſten Hexenverfolgungen 1) Vgl. D. H. Dittmar, „Geſchichte der Welt vor und nach Chriſtus“, Bd. 4, Thl. 1, S. 158—177. Mit Recht behauptet Dittmar (S. 160), daß die idealiſtiſchen Träume wiedertäuferiſcher Weltumgeſtaltung ſich mit den Zwecken des Bauernaufſtandes vermiſcht und eine Hauptſchuld getragen hätten, daß die aufrühreriſche Bewegung einen ſo bösartigen Charakter annahm. Jn Thomas Müntzer’s ganzem Auftreten, Reden und letzten Bekenntniſſen vor ſeiner Hin- richtung iſt das communiſtiſche Denken und Streben dieſes ſo herrſchſüchtigen wie unehrlichen Mannes unverkennbar.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/87>, abgerufen am 22.11.2024.