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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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Tortur überführte, die Heerstraßen mit Galgen und Rad besetzte 1),
statt Achtung Angst und statt Vertrauen Haß 2) um sich ver-
verbreitete. Nicht einmal so sehr die Unschuld des von dieser
Justiz stromweise vergossenen Blutes, als die Vergeblichkeit
dieses Blutvergießens macht die Justiz des 17. und theilweise
noch des 18. Jahrhunderts so entsetzlich und in den Annalen der
Rechtspflege unvergeßlich. Weil das Schwert so häufig den
Schuldigen verfehlte und den Unschuldigen traf, wußte das Ver-

und Rechtspflege Sachsens begründet ist. Vgl. Hölscher, "Geschichte des
Brandenb. Preußischen Strafrechts" (Bonn 1855), S. 121 fg.
1) Sehr beachtenswerth ist: "Meister Frantzens Nachrichters allhier in
Nürnberg, all sein Richten, am Leben, so wol seine Leibs Straffen, so Er
ver Richt, alles hierin Ordentlich beschrieben, aus seinem selbst eigenen Buch
abgeschrieben worden." Genau nach dem Manuscript abgedruckt und heraus-
gegeben von J. M. F. v. Endter, Dr. und Consulent (Nürnberg 1801). Der
alte Frantz Schmidt gibt in chronologischer Ordnung und mit kurzer inter-
essanter Anführung der Personalverhältnisse und Verbrechen von 361 Jndi-
viduen, die er von 1573--1615 in verschiedener Weise hingerichtet und von
345 Personen, die er in derselben Zeit "am Leib gestrafft und mit Ruden auß
gestrichen", oder denen er "Ohren abgeschnitten und Finger abgeschlagen" hat;
ein ausführliches Tagebuch, das nicht allein für Nürnberg, sondern für die
Geschichte des deutschen Criminalrechts überhaupt von großem Werthe ist. Die
kurzen Notizen und Reflexionen, die der alte Meister gern hier und da ein-
schaltet, sind so treffend wie sein unfehlbarer Schwerthieb und zeigen -- wie
der Herausgeber Endter richtig in der Vorerinnerung sagt -- "wie der Mensch
ohne inzwischen böse zu sein, sich an Martern und Qualen gewöhnen, ja sogar
aus Beruf seine Mitmenschen mit eigener Hand kaltblütig martern kann".
Uebrigens scheint der alte Frantz kein Tagebuch über seine Torturalpraxis ge-
führt zu haben, das gewiß noch mehr Jndividuen aufzeigen würde als das
vorhandene Tagebuch. Sehr interessant ist die (S. 51--54) unter Nr. 148
bei dem Jahre 1593 angefügte Liste über die "Gesellen", des von Meister
Frantz hingerichteten Georg Müllner und Heinrich Haußmann; in welcher 42
Personen aufgeführt werden, bei deren wirklichen Namen auch noch mehrfach
ihre Gaunernamen bemerkt werden, und welche somit als die älteste Gauner-
liste erscheint.
2) So klagt Jodocus Damhouder von Brügge (1507--81) in seiner
"Practica criminalis" (c. 15--31) die Leute auf dem Lande seien so wider
die Justiz, daß sie auf einen Hülferuf davonlaufen oder alle Hülfe verweigern,
und auf ihre Stecken gestützt den Ausgang der Kämpfe abwarten, auch den
Sicherheitsbeamten allen Schutz und Beistand versagen, und den Räubern und

Tortur überführte, die Heerſtraßen mit Galgen und Rad beſetzte 1),
ſtatt Achtung Angſt und ſtatt Vertrauen Haß 2) um ſich ver-
verbreitete. Nicht einmal ſo ſehr die Unſchuld des von dieſer
Juſtiz ſtromweiſe vergoſſenen Blutes, als die Vergeblichkeit
dieſes Blutvergießens macht die Juſtiz des 17. und theilweiſe
noch des 18. Jahrhunderts ſo entſetzlich und in den Annalen der
Rechtspflege unvergeßlich. Weil das Schwert ſo häufig den
Schuldigen verfehlte und den Unſchuldigen traf, wußte das Ver-

und Rechtspflege Sachſens begründet iſt. Vgl. Hölſcher, „Geſchichte des
Brandenb. Preußiſchen Strafrechts“ (Bonn 1855), S. 121 fg.
1) Sehr beachtenswerth iſt: „Meiſter Frantzens Nachrichters allhier in
Nürnberg, all ſein Richten, am Leben, ſo wol ſeine Leibs Straffen, ſo Er
ver Richt, alles hierin Ordentlich beſchrieben, aus ſeinem ſelbſt eigenen Buch
abgeſchrieben worden.“ Genau nach dem Manuſcript abgedruckt und heraus-
gegeben von J. M. F. v. Endter, Dr. und Conſulent (Nürnberg 1801). Der
alte Frantz Schmidt gibt in chronologiſcher Ordnung und mit kurzer inter-
eſſanter Anführung der Perſonalverhältniſſe und Verbrechen von 361 Jndi-
viduen, die er von 1573—1615 in verſchiedener Weiſe hingerichtet und von
345 Perſonen, die er in derſelben Zeit „am Leib geſtrafft und mit Ruden auß
geſtrichen“, oder denen er „Ohren abgeſchnitten und Finger abgeſchlagen“ hat;
ein ausführliches Tagebuch, das nicht allein für Nürnberg, ſondern für die
Geſchichte des deutſchen Criminalrechts überhaupt von großem Werthe iſt. Die
kurzen Notizen und Reflexionen, die der alte Meiſter gern hier und da ein-
ſchaltet, ſind ſo treffend wie ſein unfehlbarer Schwerthieb und zeigen — wie
der Herausgeber Endter richtig in der Vorerinnerung ſagt — „wie der Menſch
ohne inzwiſchen böſe zu ſein, ſich an Martern und Qualen gewöhnen, ja ſogar
aus Beruf ſeine Mitmenſchen mit eigener Hand kaltblütig martern kann“.
Uebrigens ſcheint der alte Frantz kein Tagebuch über ſeine Torturalpraxis ge-
führt zu haben, das gewiß noch mehr Jndividuen aufzeigen würde als das
vorhandene Tagebuch. Sehr intereſſant iſt die (S. 51—54) unter Nr. 148
bei dem Jahre 1593 angefügte Liſte über die „Geſellen“, des von Meiſter
Frantz hingerichteten Georg Müllner und Heinrich Haußmann; in welcher 42
Perſonen aufgeführt werden, bei deren wirklichen Namen auch noch mehrfach
ihre Gaunernamen bemerkt werden, und welche ſomit als die älteſte Gauner-
liſte erſcheint.
2) So klagt Jodocus Damhouder von Brügge (1507—81) in ſeiner
„Practica criminalis“ (c. 15—31) die Leute auf dem Lande ſeien ſo wider
die Juſtiz, daß ſie auf einen Hülferuf davonlaufen oder alle Hülfe verweigern,
und auf ihre Stecken geſtützt den Ausgang der Kämpfe abwarten, auch den
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[55/0071] Tortur überführte, die Heerſtraßen mit Galgen und Rad beſetzte 1), ſtatt Achtung Angſt und ſtatt Vertrauen Haß 2) um ſich ver- verbreitete. Nicht einmal ſo ſehr die Unſchuld des von dieſer Juſtiz ſtromweiſe vergoſſenen Blutes, als die Vergeblichkeit dieſes Blutvergießens macht die Juſtiz des 17. und theilweiſe noch des 18. Jahrhunderts ſo entſetzlich und in den Annalen der Rechtspflege unvergeßlich. Weil das Schwert ſo häufig den Schuldigen verfehlte und den Unſchuldigen traf, wußte das Ver- 1) 1) Sehr beachtenswerth iſt: „Meiſter Frantzens Nachrichters allhier in Nürnberg, all ſein Richten, am Leben, ſo wol ſeine Leibs Straffen, ſo Er ver Richt, alles hierin Ordentlich beſchrieben, aus ſeinem ſelbſt eigenen Buch abgeſchrieben worden.“ Genau nach dem Manuſcript abgedruckt und heraus- gegeben von J. M. F. v. Endter, Dr. und Conſulent (Nürnberg 1801). Der alte Frantz Schmidt gibt in chronologiſcher Ordnung und mit kurzer inter- eſſanter Anführung der Perſonalverhältniſſe und Verbrechen von 361 Jndi- viduen, die er von 1573—1615 in verſchiedener Weiſe hingerichtet und von 345 Perſonen, die er in derſelben Zeit „am Leib geſtrafft und mit Ruden auß geſtrichen“, oder denen er „Ohren abgeſchnitten und Finger abgeſchlagen“ hat; ein ausführliches Tagebuch, das nicht allein für Nürnberg, ſondern für die Geſchichte des deutſchen Criminalrechts überhaupt von großem Werthe iſt. Die kurzen Notizen und Reflexionen, die der alte Meiſter gern hier und da ein- ſchaltet, ſind ſo treffend wie ſein unfehlbarer Schwerthieb und zeigen — wie der Herausgeber Endter richtig in der Vorerinnerung ſagt — „wie der Menſch ohne inzwiſchen böſe zu ſein, ſich an Martern und Qualen gewöhnen, ja ſogar aus Beruf ſeine Mitmenſchen mit eigener Hand kaltblütig martern kann“. Uebrigens ſcheint der alte Frantz kein Tagebuch über ſeine Torturalpraxis ge- führt zu haben, das gewiß noch mehr Jndividuen aufzeigen würde als das vorhandene Tagebuch. Sehr intereſſant iſt die (S. 51—54) unter Nr. 148 bei dem Jahre 1593 angefügte Liſte über die „Geſellen“, des von Meiſter Frantz hingerichteten Georg Müllner und Heinrich Haußmann; in welcher 42 Perſonen aufgeführt werden, bei deren wirklichen Namen auch noch mehrfach ihre Gaunernamen bemerkt werden, und welche ſomit als die älteſte Gauner- liſte erſcheint. 2) So klagt Jodocus Damhouder von Brügge (1507—81) in ſeiner „Practica criminalis“ (c. 15—31) die Leute auf dem Lande ſeien ſo wider die Juſtiz, daß ſie auf einen Hülferuf davonlaufen oder alle Hülfe verweigern, und auf ihre Stecken geſtützt den Ausgang der Kämpfe abwarten, auch den Sicherheitsbeamten allen Schutz und Beiſtand verſagen, und den Räubern und 1) und Rechtspflege Sachſens begründet iſt. Vgl. Hölſcher, „Geſchichte des Brandenb. Preußiſchen Strafrechts“ (Bonn 1855), S. 121 fg.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/71>, abgerufen am 28.11.2024.