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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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nur wenig gegen das Räubergesindel. Das Kostnitzer Concil
beweist namentlich, wie ungeheuer der Andrang von Gesindel aller
Art sogar in der Stadt selbst war, wo, wie Reichenthal, a. a. O.,
erzählt, am lichten Tage Raub- und Mordanfälle vorkamen. Noch
zur Zeit des Concils überschwemmten die Zigeuner ganz Deutsch-
land und brachten durch ihr Umherziehen das freche Gesindel,
welches sich allenthalben zu ihnen gesellte, erst recht in Bewegung 1)
und unterwies es in ihren diebischen Künsten. Das baseler Raths-
mandat wider die Gilen und Lahmen gegen das Ende des 14.
oder Anfang des 15. Jahrhunderts beurkundet einen vollständigen
Organismus des deutschen Gaunerwesens, und aus Felix Hemmer-
lein's merkwürdiger Darstellung des um Lätare 1448 in einem
schweizerischen Benedictinerkloster verübten Kirchenraubes 2) ist zu

torum verständlich macht. Eine analoge Bezeichnung findet man später im
Anfang des 17. Jahrhunderts, wo eine verwegene Räuberbande, die Rougets
und Grisons, in Frankreich, besonders in Paris, namentlich von 1621--23
unter ihrem Chef de la Chesnay ihr Wesen trieb. Jn England nannte sich
die Bande des William Hollyday (1693) die schwarze Garde. Die Be-
zeichnung dieser wie jener Räuberbanden rührt höchst wahrscheinlich nur von
der Kleidung her.
1) Brückner, a. a. O., S. 853, erzählt hiervon: "Jn dem Jahre 1422
kam der sich nennende Hertzog Michael von Egypten, ein Oberster einer Zy-
geuner-Truppe, mit funfzig Pferden und einem zahlreichen Diebsgefolge in
Basel an, nachdem er das Wiesental und auch Beticken nicht wenig beraubet
hatte; Ohngeacht er bald fortgewiesen wurde, hinderliesse er dennoch einige
seiner Gesellen und dise sammt den andern Bettlern überschwemmten das Land:
man getraute sich nicht, solche mit Gewalt alsobalden abzutreiben, sondern ent-
deckte nur alle Arten des Betrugs, wormit dise das Allmosen zu erwerben
trachteten." Uebrigens scheinen die Zigeuner schon vor 1422 in Basel auf-
getreten zu sein; denn schon in dem Ausgabenverzeichniß des baseler Raths
von 1414 kommt die Position vor: "Den Heiden (?) durch Gots willen
10 [Pf]." Dergleichen Geschenke an Heiden wiederholen sich von da an fast
jedes Jahr. Vgl. "Basel im 14. Jahrhundert", S. 112, Nr. 3.
2) Fol. 89 b u. 90 der ältesten Ausgabe "Clarissimi viri Juriumque
Doctoris Felicis Hemmerlin cantoris quondam Thuricensis varie oblecta-
tionis opuscula et tractatus
(ohne Druckort und Jahreszahl). Der Tractat ist
der zwanzigste und führt die Ueberschrift: "De furto reliquiarum et aliis
rebus nuper in Monasterio beate virginis loci heremitarum per tres per-
4*

nur wenig gegen das Räubergeſindel. Das Koſtnitzer Concil
beweiſt namentlich, wie ungeheuer der Andrang von Geſindel aller
Art ſogar in der Stadt ſelbſt war, wo, wie Reichenthal, a. a. O.,
erzählt, am lichten Tage Raub- und Mordanfälle vorkamen. Noch
zur Zeit des Concils überſchwemmten die Zigeuner ganz Deutſch-
land und brachten durch ihr Umherziehen das freche Geſindel,
welches ſich allenthalben zu ihnen geſellte, erſt recht in Bewegung 1)
und unterwies es in ihren diebiſchen Künſten. Das baſeler Raths-
mandat wider die Gilen und Lahmen gegen das Ende des 14.
oder Anfang des 15. Jahrhunderts beurkundet einen vollſtändigen
Organismus des deutſchen Gaunerweſens, und aus Felix Hemmer-
lein’s merkwürdiger Darſtellung des um Lätare 1448 in einem
ſchweizeriſchen Benedictinerkloſter verübten Kirchenraubes 2) iſt zu

torum verſtändlich macht. Eine analoge Bezeichnung findet man ſpäter im
Anfang des 17. Jahrhunderts, wo eine verwegene Räuberbande, die Rougets
und Griſons, in Frankreich, beſonders in Paris, namentlich von 1621—23
unter ihrem Chef de la Chesnay ihr Weſen trieb. Jn England nannte ſich
die Bande des William Hollyday (1693) die ſchwarze Garde. Die Be-
zeichnung dieſer wie jener Räuberbanden rührt höchſt wahrſcheinlich nur von
der Kleidung her.
1) Brückner, a. a. O., S. 853, erzählt hiervon: „Jn dem Jahre 1422
kam der ſich nennende Hertzog Michael von Egypten, ein Oberſter einer Zy-
geuner-Truppe, mit funfzig Pferden und einem zahlreichen Diebsgefolge in
Baſel an, nachdem er das Wieſental und auch Beticken nicht wenig beraubet
hatte; Ohngeacht er bald fortgewieſen wurde, hinderlieſſe er dennoch einige
ſeiner Geſellen und diſe ſammt den andern Bettlern überſchwemmten das Land:
man getraute ſich nicht, ſolche mit Gewalt alſobalden abzutreiben, ſondern ent-
deckte nur alle Arten des Betrugs, wormit diſe das Allmoſen zu erwerben
trachteten.“ Uebrigens ſcheinen die Zigeuner ſchon vor 1422 in Baſel auf-
getreten zu ſein; denn ſchon in dem Ausgabenverzeichniß des baſeler Raths
von 1414 kommt die Poſition vor: „Den Heiden (?) durch Gots willen
10 [₰].“ Dergleichen Geſchenke an Heiden wiederholen ſich von da an faſt
jedes Jahr. Vgl. „Baſel im 14. Jahrhundert“, S. 112, Nr. 3.
2) Fol. 89 b u. 90 der älteſten Ausgabe „Clarissimi viri Juriumque
Doctoris Felicis Hemmerlin cantoris quondam Thuricensis varie oblecta-
tionis opuscula et tractatus
(ohne Druckort und Jahreszahl). Der Tractat iſt
der zwanzigſte und führt die Ueberſchrift: „De furto reliquiarum et aliis
rebus nuper in Monasterio beate virginis loci heremitarum per tres per-
4*
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[51/0067] nur wenig gegen das Räubergeſindel. Das Koſtnitzer Concil beweiſt namentlich, wie ungeheuer der Andrang von Geſindel aller Art ſogar in der Stadt ſelbſt war, wo, wie Reichenthal, a. a. O., erzählt, am lichten Tage Raub- und Mordanfälle vorkamen. Noch zur Zeit des Concils überſchwemmten die Zigeuner ganz Deutſch- land und brachten durch ihr Umherziehen das freche Geſindel, welches ſich allenthalben zu ihnen geſellte, erſt recht in Bewegung 1) und unterwies es in ihren diebiſchen Künſten. Das baſeler Raths- mandat wider die Gilen und Lahmen gegen das Ende des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts beurkundet einen vollſtändigen Organismus des deutſchen Gaunerweſens, und aus Felix Hemmer- lein’s merkwürdiger Darſtellung des um Lätare 1448 in einem ſchweizeriſchen Benedictinerkloſter verübten Kirchenraubes 2) iſt zu 1) 1) Brückner, a. a. O., S. 853, erzählt hiervon: „Jn dem Jahre 1422 kam der ſich nennende Hertzog Michael von Egypten, ein Oberſter einer Zy- geuner-Truppe, mit funfzig Pferden und einem zahlreichen Diebsgefolge in Baſel an, nachdem er das Wieſental und auch Beticken nicht wenig beraubet hatte; Ohngeacht er bald fortgewieſen wurde, hinderlieſſe er dennoch einige ſeiner Geſellen und diſe ſammt den andern Bettlern überſchwemmten das Land: man getraute ſich nicht, ſolche mit Gewalt alſobalden abzutreiben, ſondern ent- deckte nur alle Arten des Betrugs, wormit diſe das Allmoſen zu erwerben trachteten.“ Uebrigens ſcheinen die Zigeuner ſchon vor 1422 in Baſel auf- getreten zu ſein; denn ſchon in dem Ausgabenverzeichniß des baſeler Raths von 1414 kommt die Poſition vor: „Den Heiden (?) durch Gots willen 10 ₰.“ Dergleichen Geſchenke an Heiden wiederholen ſich von da an faſt jedes Jahr. Vgl. „Baſel im 14. Jahrhundert“, S. 112, Nr. 3. 2) Fol. 89 b u. 90 der älteſten Ausgabe „Clarissimi viri Juriumque Doctoris Felicis Hemmerlin cantoris quondam Thuricensis varie oblecta- tionis opuscula et tractatus (ohne Druckort und Jahreszahl). Der Tractat iſt der zwanzigſte und führt die Ueberſchrift: „De furto reliquiarum et aliis rebus nuper in Monasterio beate virginis loci heremitarum per tres per- 1) torum verſtändlich macht. Eine analoge Bezeichnung findet man ſpäter im Anfang des 17. Jahrhunderts, wo eine verwegene Räuberbande, die Rougets und Griſons, in Frankreich, beſonders in Paris, namentlich von 1621—23 unter ihrem Chef de la Chesnay ihr Weſen trieb. Jn England nannte ſich die Bande des William Hollyday (1693) die ſchwarze Garde. Die Be- zeichnung dieſer wie jener Räuberbanden rührt höchſt wahrſcheinlich nur von der Kleidung her. 4*

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/67>, abgerufen am 24.11.2024.