Mit der Ausgabe der "Rotwellschen Grammatik von 1755" schließt die Reihe der Ausgaben des Liber Vagatorum. So wenig auch derselbe in der beträchtlichen Reihe seiner Ausgaben seit An- fang des 16. Jahrhunderts der Form und dem Jnhalte nach aus seiner Ursprünglichkeit herausgegangen ist, wenn man die Be- reicherung des Vocabulars bis zur Ausgabe der "Rotwellschen Grammatik von 1755" abrechnet, so sieht man doch in seiner durch Jahrhunderte hindurch immer wieder auftauchenden Erschei- nung, daß sein Werth doch in gewisser Beziehung Anerkennung gefunden hat, und daß mindestens seine ethische Bedeutsamkeit, besonders seit Luther, den Theologen durchaus nicht entgangen ist. Selbst bei der Rotwelschen Grammatik, welche, völlig unab- hängig von der Luther'schen Ausgabe, sich durchaus an die ältesten Ausgaben des Liber Vagatorum hielt, verräth keine Spur, daß irgendein Jurist, oder auch ein Linguist sich mit der Redaction einer Ausgabe bis 1755 befaßt hätte. Nur in der sorgfältigen Be- arbeitung bei Moscherosch (1642), der im "sechsten Gesichte", Thl. 2, seiner "Wunderlichen und Wahrhafftigen Gesichte" das Rot- welsche Wörterbuch (Feldsprach) zuerst als Doppellexikon herausgab, und in dem freilich sehr nachlässigen und fehlerhaften Abdruck des "Rotwelschen Vocabular" bei Schottelius (1665) trifft man auf die erste juristische und linguistische Berücksichtigung überhaupt, die man in der waldheimer Beschreibung 1726, in der koburger Unter- suchung 1734, und in den hildburghausischen Untersuchungsacten 1753, in bei weitem schätzbarerer Weise findet, woran sich denn die Rotwellsche Grammatik von 1755 anschließt.
Es folgt jetzt der wortgetreue Abdruck der pforzheimer Aus- gabe des Liber Vagatorum nach dem wolfenbütteler Exemplar, woran sich ihre niederdeutsche Uebersetzung nach dem Exemplar der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen anschließt.
Die große Wichtigkeit der niederdeutschen Uebersetzung in linguistischer Hinsicht wird erst völlig klar werden, wenn man den großen Einfluß des Niederdeutschen auf die deutsche Gauner- sprache überhaupt im Abschnitte von der Linguistik dargestellt findet.
Mit der Ausgabe der „Rotwellſchen Grammatik von 1755“ ſchließt die Reihe der Ausgaben des Liber Vagatorum. So wenig auch derſelbe in der beträchtlichen Reihe ſeiner Ausgaben ſeit An- fang des 16. Jahrhunderts der Form und dem Jnhalte nach aus ſeiner Urſprünglichkeit herausgegangen iſt, wenn man die Be- reicherung des Vocabulars bis zur Ausgabe der „Rotwellſchen Grammatik von 1755“ abrechnet, ſo ſieht man doch in ſeiner durch Jahrhunderte hindurch immer wieder auftauchenden Erſchei- nung, daß ſein Werth doch in gewiſſer Beziehung Anerkennung gefunden hat, und daß mindeſtens ſeine ethiſche Bedeutſamkeit, beſonders ſeit Luther, den Theologen durchaus nicht entgangen iſt. Selbſt bei der Rotwelſchen Grammatik, welche, völlig unab- hängig von der Luther’ſchen Ausgabe, ſich durchaus an die älteſten Ausgaben des Liber Vagatorum hielt, verräth keine Spur, daß irgendein Juriſt, oder auch ein Linguiſt ſich mit der Redaction einer Ausgabe bis 1755 befaßt hätte. Nur in der ſorgfältigen Be- arbeitung bei Moſcheroſch (1642), der im „ſechsten Geſichte“, Thl. 2, ſeiner „Wunderlichen und Wahrhafftigen Geſichte“ das Rot- welſche Wörterbuch (Feldſprach) zuerſt als Doppellexikon herausgab, und in dem freilich ſehr nachläſſigen und fehlerhaften Abdruck des „Rotwelſchen Vocabular“ bei Schottelius (1665) trifft man auf die erſte juriſtiſche und linguiſtiſche Berückſichtigung überhaupt, die man in der waldheimer Beſchreibung 1726, in der koburger Unter- ſuchung 1734, und in den hildburghauſiſchen Unterſuchungsacten 1753, in bei weitem ſchätzbarerer Weiſe findet, woran ſich denn die Rotwellſche Grammatik von 1755 anſchließt.
Es folgt jetzt der wortgetreue Abdruck der pforzheimer Aus- gabe des Liber Vagatorum nach dem wolfenbütteler Exemplar, woran ſich ihre niederdeutſche Ueberſetzung nach dem Exemplar der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen anſchließt.
Die große Wichtigkeit der niederdeutſchen Ueberſetzung in linguiſtiſcher Hinſicht wird erſt völlig klar werden, wenn man den großen Einfluß des Niederdeutſchen auf die deutſche Gauner- ſprache überhaupt im Abſchnitte von der Linguiſtik dargeſtellt findet.
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Mit der Ausgabe der „Rotwellſchen Grammatik von 1755“
ſchließt die Reihe der Ausgaben des Liber Vagatorum. So wenig
auch derſelbe in der beträchtlichen Reihe ſeiner Ausgaben ſeit An-
fang des 16. Jahrhunderts der Form und dem Jnhalte nach aus
ſeiner Urſprünglichkeit herausgegangen iſt, wenn man die Be-
reicherung des Vocabulars bis zur Ausgabe der „Rotwellſchen
Grammatik von 1755“ abrechnet, ſo ſieht man doch in ſeiner
durch Jahrhunderte hindurch immer wieder auftauchenden Erſchei-
nung, daß ſein Werth doch in gewiſſer Beziehung Anerkennung
gefunden hat, und daß mindeſtens ſeine ethiſche Bedeutſamkeit,
beſonders ſeit Luther, den Theologen durchaus nicht entgangen iſt.
Selbſt bei der Rotwelſchen Grammatik, welche, völlig unab-
hängig von der Luther’ſchen Ausgabe, ſich durchaus an die älteſten
Ausgaben des Liber Vagatorum hielt, verräth keine Spur, daß
irgendein Juriſt, oder auch ein Linguiſt ſich mit der Redaction
einer Ausgabe bis 1755 befaßt hätte. Nur in der ſorgfältigen Be-
arbeitung bei Moſcheroſch (1642), der im „ſechsten Geſichte“, Thl. 2,
ſeiner „Wunderlichen und Wahrhafftigen Geſichte“ das Rot-
welſche Wörterbuch (Feldſprach) zuerſt als Doppellexikon herausgab,
und in dem freilich ſehr nachläſſigen und fehlerhaften Abdruck des
„Rotwelſchen Vocabular“ bei Schottelius (1665) trifft man auf
die erſte juriſtiſche und linguiſtiſche Berückſichtigung überhaupt, die
man in der waldheimer Beſchreibung 1726, in der koburger Unter-
ſuchung 1734, und in den hildburghauſiſchen Unterſuchungsacten
1753, in bei weitem ſchätzbarerer Weiſe findet, woran ſich denn
die Rotwellſche Grammatik von 1755 anſchließt.
Es folgt jetzt der wortgetreue Abdruck der pforzheimer Aus-
gabe des Liber Vagatorum nach dem wolfenbütteler Exemplar,
woran ſich ihre niederdeutſche Ueberſetzung nach dem Exemplar
der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen anſchließt.
Die große Wichtigkeit der niederdeutſchen Ueberſetzung in
linguiſtiſcher Hinſicht wird erſt völlig klar werden, wenn man
den großen Einfluß des Niederdeutſchen auf die deutſche Gauner-
ſprache überhaupt im Abſchnitte von der Linguiſtik dargeſtellt
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/180>, abgerufen am 08.07.2024.
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