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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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jetzt in dem letzten Exemplare verloren gegangen ist. Jedenfalls
ist der Umstand von Wichtigkeit, daß das Material zum Liber
Vagatorum
zunächst in Basel und einzig und allein in der Raths-
bekanntmachung vorhanden war, und daß diese, wie schon ein
flüchtiger Vergleich zeigt, vollständig dem Liber Vagatorum zu
Grunde gelegt worden ist. Auch darf nicht übersehen werden,
daß alle topischen Bezeichnungen und Anführungen im Liber Va-
gatorum
sich auf süddeutsche von Basel nicht weit entfernte Ort-
schaften beziehen.

Die verschiedenen mir bekannt gewordenen Ausgaben des
Liber Vagatorum sind folgende:

1. "Liber Uagatorum/ der Betlerorden./ (Mit einem
zwiegetheilten fünf Zoll breiten Holzschnitt. Auf der rechten Seite
ein Bettler mit seinem Weibe bei einem Bette stehend und mit
dieser ein nacktes Kind haltend. 1) Auf der linken Seite ein Esel
mit einem Tragkorbe, aus dem ein Bettler ein nacktes Kind
hebt.) Darunter: "Hie nach volgt ein hubsch buchlin genant Li-
ber Vagatorum
dictirt/ von einem Hochwirdigen meister nomine
expertus in trufis dem Adone/ zu lob und ere, sibi in refrige-
rium et solatium allen menschen zu einer/ vnderweisung vnd
lere, vnd den jhenen die diese stuck brauchen, zu einer/ besserung
vnd bekerung: Vnd wirt dis buchlin geteilt jn drei teil. Das/
erst teil sag von allen narungen die, die Betler oder Landtfarer
brauchen, vnd wird geteilt jn etc. Capitel et paulo plus, denn es
sind etc./ narungen et vltra do durch der mensch betrogen vnd
vberfurt wirt,/ das ander teil sagt etlich notabilia die zu den
vorgenannten narungen/ gehoren das drit sagt von eim vocabu-
larj rotwelsch zu teutsch genannt." Quart. 9 Fol. Auf der herzog-
lichen Bibliothek zu Wolffenbüttel.

Diese Ausgabe, bei Hain a. a. O. unter Nr. 3018, ist, wie
ich aus eigener genauer Vergleichung gefunden habe, das Ori-
ginal, welches der ersten niederdeutschen Uebersetzung zur Grund-

1) Dem Anschein nach im Begriff, das Kind zu lähmen. Vgl. Gödeke,
"Pamphilus Gengenbach", S. 516.

jetzt in dem letzten Exemplare verloren gegangen iſt. Jedenfalls
iſt der Umſtand von Wichtigkeit, daß das Material zum Liber
Vagatorum
zunächſt in Baſel und einzig und allein in der Raths-
bekanntmachung vorhanden war, und daß dieſe, wie ſchon ein
flüchtiger Vergleich zeigt, vollſtändig dem Liber Vagatorum zu
Grunde gelegt worden iſt. Auch darf nicht überſehen werden,
daß alle topiſchen Bezeichnungen und Anführungen im Liber Va-
gatorum
ſich auf ſüddeutſche von Baſel nicht weit entfernte Ort-
ſchaften beziehen.

Die verſchiedenen mir bekannt gewordenen Ausgaben des
Liber Vagatorum ſind folgende:

1. „Liber Uagatorum/ der Betlerorden./ (Mit einem
zwiegetheilten fünf Zoll breiten Holzſchnitt. Auf der rechten Seite
ein Bettler mit ſeinem Weibe bei einem Bette ſtehend und mit
dieſer ein nacktes Kind haltend. 1) Auf der linken Seite ein Eſel
mit einem Tragkorbe, aus dem ein Bettler ein nacktes Kind
hebt.) Darunter: „Hie nach volgt ein hubſch buchlin genant Li-
ber Vagatorum
dictirt/ von einem Hochwirdigen meiſter nomine
expertus in trufis dem Adone/ zu lob und ere, ſibi in refrige-
rium et ſolatium allen menſchen zu einer/ vnderweiſung vnd
lere, vnd den jhenen die dieſe ſtuck brauchen, zu einer/ beſſerung
vnd bekerung: Vnd wirt dis buchlin geteilt jn drei teil. Das/
erſt teil ſag von allen narungen die, die Betler oder Landtfarer
brauchen, vnd wird geteilt jn ꝛc. Capitel et paulo plus, denn es
ſind ꝛc./ narungen et vltra do durch der menſch betrogen vnd
vberfurt wirt,/ das ander teil ſagt etlich notabilia die zu den
vorgenannten narungen/ gehoren das drit ſagt von eim vocabu-
larj rotwelſch zu teutſch genannt.“ Quart. 9 Fol. Auf der herzog-
lichen Bibliothek zu Wolffenbüttel.

Dieſe Ausgabe, bei Hain a. a. O. unter Nr. 3018, iſt, wie
ich aus eigener genauer Vergleichung gefunden habe, das Ori-
ginal, welches der erſten niederdeutſchen Ueberſetzung zur Grund-

1) Dem Anſchein nach im Begriff, das Kind zu lähmen. Vgl. Gödeke,
„Pamphilus Gengenbach“, S. 516.
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[142/0158] jetzt in dem letzten Exemplare verloren gegangen iſt. Jedenfalls iſt der Umſtand von Wichtigkeit, daß das Material zum Liber Vagatorum zunächſt in Baſel und einzig und allein in der Raths- bekanntmachung vorhanden war, und daß dieſe, wie ſchon ein flüchtiger Vergleich zeigt, vollſtändig dem Liber Vagatorum zu Grunde gelegt worden iſt. Auch darf nicht überſehen werden, daß alle topiſchen Bezeichnungen und Anführungen im Liber Va- gatorum ſich auf ſüddeutſche von Baſel nicht weit entfernte Ort- ſchaften beziehen. Die verſchiedenen mir bekannt gewordenen Ausgaben des Liber Vagatorum ſind folgende: 1. „Liber Uagatorum/ der Betlerorden./ (Mit einem zwiegetheilten fünf Zoll breiten Holzſchnitt. Auf der rechten Seite ein Bettler mit ſeinem Weibe bei einem Bette ſtehend und mit dieſer ein nacktes Kind haltend. 1) Auf der linken Seite ein Eſel mit einem Tragkorbe, aus dem ein Bettler ein nacktes Kind hebt.) Darunter: „Hie nach volgt ein hubſch buchlin genant Li- ber Vagatorum dictirt/ von einem Hochwirdigen meiſter nomine expertus in trufis dem Adone/ zu lob und ere, ſibi in refrige- rium et ſolatium allen menſchen zu einer/ vnderweiſung vnd lere, vnd den jhenen die dieſe ſtuck brauchen, zu einer/ beſſerung vnd bekerung: Vnd wirt dis buchlin geteilt jn drei teil. Das/ erſt teil ſag von allen narungen die, die Betler oder Landtfarer brauchen, vnd wird geteilt jn ꝛc. Capitel et paulo plus, denn es ſind ꝛc./ narungen et vltra do durch der menſch betrogen vnd vberfurt wirt,/ das ander teil ſagt etlich notabilia die zu den vorgenannten narungen/ gehoren das drit ſagt von eim vocabu- larj rotwelſch zu teutſch genannt.“ Quart. 9 Fol. Auf der herzog- lichen Bibliothek zu Wolffenbüttel. Dieſe Ausgabe, bei Hain a. a. O. unter Nr. 3018, iſt, wie ich aus eigener genauer Vergleichung gefunden habe, das Ori- ginal, welches der erſten niederdeutſchen Ueberſetzung zur Grund- 1) Dem Anſchein nach im Begriff, das Kind zu lähmen. Vgl. Gödeke, „Pamphilus Gengenbach“, S. 516.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/158>, abgerufen am 28.04.2024.