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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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wegen seines Alters schon beschränkte räuberische Thätigkeit, als
durch intellectuelle Urheberschaft fast der gesammten Räuberthätig-
keit der niederländischen Banden, als Patriarch derselben ange-
sehen werden muß. Er war der Vater des berüchtigten Abraham
Jakob, durch seine Tochter Dina der Schwiegervater des furcht-
baren Picard, der wechselnd an der Spitze aller niederländischen
Banden stand, und ferner durch seine Tochter Helena oder viel-
mehr Rebekka, die mit dem verrufenen Daniel Jakob verheirathet
war, später aber die Concubine des entsetzlichen Franz Bosbeck
wurde, mit den Koryphäen jener Banden auf das innigste ver-
bunden. Durch diesen Vorschub und durch diese Verwandtschaft
erklärt es sich, daß die von Abraham Jakob (auch Jakob Levi
und Signetsnyder genannt), Picard Kotzo (Abraham Picard),
Moses Ocker (Maschoker, Karl Granus), Jan Bosbeck (Adrian,
Jan der Brabanter, auch Het Shippertje, auch Bosmann und
Bonnie genannt) und Franz Bosbeck (auch Jehu, ebenfalls
Het Shippertje genannt) abwechselnd und besonders geführte
Brabantische Räuberbande zum größten Theil aus Juden bestand,
und auch unter den übrigen niederländischen Banden viele, wenn
auch nicht so zahlreiche Juden sich befanden. 1)

Die Berücksichtigung aller dieser Umstände macht es erklär-
lich, daß das Räuberthum mit solcher intensiven Gewalt und einer
so rapiden Propaganda auftreten konnte, als Picard im Jahre
1790 an der Spitze der Brabantischen Bande 2) hervorbrach und

1) Vgl. Becker, a. a. O., II, 36 fg., wo in dem Verzeichniß der bra-
banter Räuber unter 50 Räubern 32 Juden aufgeführt find; ferner S. 48
das Verzeichniß der Holländischen Bande und S. 115 fg. das der Mersener
Bande. Nicht zu leugnen ist, daß aber auch durch die Einverleibung eines
großen Theils vom Königreich Polen zu Preußen einer wüsten Masse jüdi-
schen Gesindels der Weg nach Deutschland und durch dasselbe nach Holland
und Frankreich geöffnet wurde.
2) Außer Abraham Jakob, Picard Kotzo, Moses Ocker und den beiden
Bosbeck traten besonders noch Aron Levi aus Hamburg, Jakob Kessel, die drei
Singer, der Pariser Wolff, der Pariser Joniken, Jan der Brüsseler, Abraham
Langnase, Moses Mainzer, Leon Levi, Süskind, Simon Gas u. A. in dieser
Bande hervor.
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wegen ſeines Alters ſchon beſchränkte räuberiſche Thätigkeit, als
durch intellectuelle Urheberſchaft faſt der geſammten Räuberthätig-
keit der niederländiſchen Banden, als Patriarch derſelben ange-
ſehen werden muß. Er war der Vater des berüchtigten Abraham
Jakob, durch ſeine Tochter Dina der Schwiegervater des furcht-
baren Picard, der wechſelnd an der Spitze aller niederländiſchen
Banden ſtand, und ferner durch ſeine Tochter Helena oder viel-
mehr Rebekka, die mit dem verrufenen Daniel Jakob verheirathet
war, ſpäter aber die Concubine des entſetzlichen Franz Bosbeck
wurde, mit den Koryphäen jener Banden auf das innigſte ver-
bunden. Durch dieſen Vorſchub und durch dieſe Verwandtſchaft
erklärt es ſich, daß die von Abraham Jakob (auch Jakob Levi
und Signetſnyder genannt), Picard Kotzo (Abraham Picard),
Moſes Ocker (Maſchoker, Karl Granus), Jan Bosbeck (Adrian,
Jan der Brabanter, auch Het Shippertje, auch Bosmann und
Bonnie genannt) und Franz Bosbeck (auch Jehu, ebenfalls
Het Shippertje genannt) abwechſelnd und beſonders geführte
Brabantiſche Räuberbande zum größten Theil aus Juden beſtand,
und auch unter den übrigen niederländiſchen Banden viele, wenn
auch nicht ſo zahlreiche Juden ſich befanden. 1)

Die Berückſichtigung aller dieſer Umſtände macht es erklär-
lich, daß das Räuberthum mit ſolcher intenſiven Gewalt und einer
ſo rapiden Propaganda auftreten konnte, als Picard im Jahre
1790 an der Spitze der Brabantiſchen Bande 2) hervorbrach und

1) Vgl. Becker, a. a. O., II, 36 fg., wo in dem Verzeichniß der bra-
banter Räuber unter 50 Räubern 32 Juden aufgeführt find; ferner S. 48
das Verzeichniß der Holländiſchen Bande und S. 115 fg. das der Merſener
Bande. Nicht zu leugnen iſt, daß aber auch durch die Einverleibung eines
großen Theils vom Königreich Polen zu Preußen einer wüſten Maſſe jüdi-
ſchen Geſindels der Weg nach Deutſchland und durch daſſelbe nach Holland
und Frankreich geöffnet wurde.
2) Außer Abraham Jakob, Picard Kotzo, Moſes Ocker und den beiden
Bosbeck traten beſonders noch Aron Levi aus Hamburg, Jakob Keſſel, die drei
Singer, der Pariſer Wolff, der Pariſer Joniken, Jan der Brüſſeler, Abraham
Langnaſe, Moſes Mainzer, Leon Levi, Süskind, Simon Gas u. A. in dieſer
Bande hervor.
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[99/0115] wegen ſeines Alters ſchon beſchränkte räuberiſche Thätigkeit, als durch intellectuelle Urheberſchaft faſt der geſammten Räuberthätig- keit der niederländiſchen Banden, als Patriarch derſelben ange- ſehen werden muß. Er war der Vater des berüchtigten Abraham Jakob, durch ſeine Tochter Dina der Schwiegervater des furcht- baren Picard, der wechſelnd an der Spitze aller niederländiſchen Banden ſtand, und ferner durch ſeine Tochter Helena oder viel- mehr Rebekka, die mit dem verrufenen Daniel Jakob verheirathet war, ſpäter aber die Concubine des entſetzlichen Franz Bosbeck wurde, mit den Koryphäen jener Banden auf das innigſte ver- bunden. Durch dieſen Vorſchub und durch dieſe Verwandtſchaft erklärt es ſich, daß die von Abraham Jakob (auch Jakob Levi und Signetſnyder genannt), Picard Kotzo (Abraham Picard), Moſes Ocker (Maſchoker, Karl Granus), Jan Bosbeck (Adrian, Jan der Brabanter, auch Het Shippertje, auch Bosmann und Bonnie genannt) und Franz Bosbeck (auch Jehu, ebenfalls Het Shippertje genannt) abwechſelnd und beſonders geführte Brabantiſche Räuberbande zum größten Theil aus Juden beſtand, und auch unter den übrigen niederländiſchen Banden viele, wenn auch nicht ſo zahlreiche Juden ſich befanden. 1) Die Berückſichtigung aller dieſer Umſtände macht es erklär- lich, daß das Räuberthum mit ſolcher intenſiven Gewalt und einer ſo rapiden Propaganda auftreten konnte, als Picard im Jahre 1790 an der Spitze der Brabantiſchen Bande 2) hervorbrach und 1) Vgl. Becker, a. a. O., II, 36 fg., wo in dem Verzeichniß der bra- banter Räuber unter 50 Räubern 32 Juden aufgeführt find; ferner S. 48 das Verzeichniß der Holländiſchen Bande und S. 115 fg. das der Merſener Bande. Nicht zu leugnen iſt, daß aber auch durch die Einverleibung eines großen Theils vom Königreich Polen zu Preußen einer wüſten Maſſe jüdi- ſchen Geſindels der Weg nach Deutſchland und durch daſſelbe nach Holland und Frankreich geöffnet wurde. 2) Außer Abraham Jakob, Picard Kotzo, Moſes Ocker und den beiden Bosbeck traten beſonders noch Aron Levi aus Hamburg, Jakob Keſſel, die drei Singer, der Pariſer Wolff, der Pariſer Joniken, Jan der Brüſſeler, Abraham Langnaſe, Moſes Mainzer, Leon Levi, Süskind, Simon Gas u. A. in dieſer Bande hervor. 7 *

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/115>, abgerufen am 08.05.2024.