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Allgemeine Zeitung. Nr. 182. Augsburg, 30. Juni 1840.

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es denn eine Pentarchie anders als de lucu a non lucendo genannt werden kann, ganz abgesehen davon, daß ja dann jeder der fünf Polizeicommissäre von Europa die Ordnung am füglichsten doch vor seiner Thüre handhaben und man zu diesem Behufe nicht bemüßigt seyn würde, die Engländer nach Italien, die Oesterreicher nach Spanien, die Preußen nach Norwegen, die Franzosen, die mit den Arabern genug zu thun haben, zu den Türken zu schicken, um das liebe Deutschland für die Russen übrig zu behalten. So einfältig, wie der Pentarchist hier von seinem Schildträger gemacht wird, ist er, als ein Mann von Geist und Kenntniß, ganz und gar nicht, und es bleibt wohl das Urtheil, wie es sich allgemein festgesetzt hat - trotz der bitterbösen und dem guten Rector Gervinus abgeborgten grimmigen Gebärden, die ihm unser an seinem edeln Selbst und an seiner Heimath irre gewordener Landsmann mit Hohn auf den Lippen und Ingrimm im Herzen entgegen hält - daß nämlich der Pentarchist das Phantom einer wirklichen Pentarchie oder Fünfherrschaft mit Tribunal und Vollzugsordnung gedichtet hat, um hinter dieser kolossalen Täuschung das Gebäude der russischen Herrschaft über Deutschland d. i. den stärksten Grundbau der verheißenen und ersehnten slavischen Weltmonarchie aufzurichten.

Es ist nicht besser mit einem andern Gesichtspunkte bestellt, unter den der Schutzredner des Pentarchisten ihn und sein Werk zu stellen sucht. Es sey das Buch gerade die Waffe, welche gegen die Deutschen am besten diene: "Gegen die unabhängigen Chanate am Oxus schicke man Perowskij mit Kamelen und Kirgisen. Gegen die unabhängigen Chanate am Rhein aber die Pentarchie mit Syllogismen, Dilemmen und Kettenschluß." "Ueberall weiß der Russe die passenden Waffen zu brauchen." Denn war es die Absicht, mit Dilemmen und Kettenschlüssen die Chanate am Rhein zu erobern, so ist es mit ihnen nicht besser gelungen, als mit den Kamelen und Kirgisen gegen die Chanate am Oxus, ja wie der vereitelte Angriff oder Marsch gegen Chiwa die Tartaren des Oxus und Jaxartes aufgestiftet und die Engländer nach Bochara und an die Ufer des Aral auf die Beine gebracht hat, so sind die syllogistischen Kirgisen und die publicistischen Kamele, welche der Pentarchist durch das Nadelöhr seines Scharfsinnes gehen läßt, wenn auch nicht durch die deutschen Publicisten, doch durch das gesunde lebenskräftige und entschiedene öffentliche Urtheil von Deutschland noch schmählicher zerstäubt und abgetrieben worden, als Perowskij durch die Schneestürme der kirgisischen Steppen. Doch diese Geister, wenn auch abgetrieben, kommen immer auf denselben Punkt zurück. Sie haben, um dem Schutzredner auf das Feld Homerischer Gleichnisse zu folgen, den Muth und die Kühnheit der Mücke (Il. 17. 570),

Welche, so oft sie auch von der Haut des Menschen verscheucht wird,Dennoch zu beißen beharrt, da nach Menschenblut sie gelüstet,
und so wollen wir denn dem Doppelgänger des Pentarchen, der, wenn auch nicht für eigene Rechnung, doch für eines Geistesverwandten Haus und Hof kämpft, auf seinen neuen krummen und verschlungenen Wegen nachgehen, um ihn aus dem Labyrinthe seiner barocken Gänge voll Spott, Ironie, Leidenschaft und Wolfsgruben herum und auf das Freie zu bringen.

(Fortsetzung folgt.)

Frankreich.

Unser Correspondent von Toulon meldet uns unter dem 1 Jun., daß er mit dem Dampfboot Vautour die Proclamation erhalten, in welcher der Commandant des Gebiets von Algier, General Corbin, der Bevölkerung officiell die Einnahme von Miliana durch den Marschall Valee am 8 Jun. anzeigt. Die Nachrichten selbst sind bekannt, wir führen daraus nur an, daß die Stadt noch brannte, als die französische Armee eindrang, daß der Marschall sie sogleich in Vertheidigungsstand setzen, auf sechzig Tage für die daselbst zurückzulassende Garnison verproviantiren ließ, und darauf im Thal des Schelif von den französischen Truppen die Ernte verbrennen und die Wohnungen auf eine Strecke von mehr als 10 Lieues verheeren ließ. Bei den Engpässen von Muzaia, welche die Araber besetzen wollten, entspann sich am 16 von neuem ein erbitterter Kampf. Die Armee wird sich in dieser Gegend noch einige Tage aufhalten, um die beiden Städte Medeah und Miliana bis zum November mit Lebensmitteln zu versorgen. In dieser Absicht ist eine Division nach Muzaia und Blidah gegangen, um dorthin die Verwundeten zu bringen, und von Blidah die Lebensmittel zu holen; die hier von jeder Art aufgehäuft worden sind. - Die Umgebungen von Algier sind noch immer von arabischen Streifzügen beunruhigt, die den beweglichen Colonnen, den Patrouillen, der Gendarmerie entgehen. Seit einigen Tagen sieht man viele Feuer in der Ebene und am Massif, da die Araber das Heu der Colonisten verbrennen, so wie es eingebracht ist; sogar den Soldaten verbrennt man das Futter für ihre Pferde.

Niederlande.

Am 17 und 18 Jun. wurde vor der Arrondissementsrechtbank zu Amsterdam der große Proceß des Amortisationssyndicats gegen die allgemeine Industriegesellschaft (algemeene Maatschappy van Volksvlyt) zu Brüssel und indirect gegen die belgische Regierung verhandelt. Da die Verhandlungen noch nicht vollständig sind, auch noch kein Spruch gefällt ist, so gebe ich Ihnen vorerst nur die Veranlassung des Processes, und verspare mir eine Zusammenstellung der Verhandlungen auf spätere Zeit. Durch Beschluß vom 1 Jun. 1830 war das Amortisationssyndicat zur Unterhandlung einer Anleihe von 30 Millionen ermächtigt worden, und die Einschreibungen konnten zu Amsterdam und zu Brüssel bei der allgemeinen Industriegesellschaft vorgenommen werden. Die letztern beliefen sich auf 9248 Antheile, welche zu 900 fl. gerechnet eine Summe von 8,323,200 fl. betrugen, wovon bei Anfang der belgischen Unruhen 2,114,000 bezahlt, und 6,209,200 fl. noch im Rest waren. Es bestand also zwischen dem Amortisationssyndicat und der Gesellschaft eine laufende Rechnung. Nach Ausbruch der Unruhen bezahlte letztere nicht, und so lange keine rechtlich begründete Trennung zwischen Belgien und Holland bestand, konnte auch nicht geklagt werden. Nach dem Vertrage vom 19 April 1839 aber that das Amortisationssyndicat am 2 Jul. eine Anfrage wegen gegenseitiger Liquidation und Bezahlung, und die Industriegesellschaft erkannte auch in einem Schreiben vom 8 Jul. ihre Verbindlichkeit dazu an, und erklärte die Sache näher untersuchen zu wollen; am 2 Aug. aber erhielt das Amortisationssyndicat ein Schreiben von der Industriegesellschaft, mit der Anzeige, daß die belgische Regierung ihr verboten habe, die Liquidation vorzunehmen. Man kann sich denken, wie sehr dieser Proceß die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, und wie sehr man auf den Ausgang gespannt ist.

Dänemark.

Es wird Ihnen aus meinen frühern Briefen erinnerlich seyn, daß die öffentlichen Blätter

es denn eine Pentarchie anders als de lucu a non lucendo genannt werden kann, ganz abgesehen davon, daß ja dann jeder der fünf Polizeicommissäre von Europa die Ordnung am füglichsten doch vor seiner Thüre handhaben und man zu diesem Behufe nicht bemüßigt seyn würde, die Engländer nach Italien, die Oesterreicher nach Spanien, die Preußen nach Norwegen, die Franzosen, die mit den Arabern genug zu thun haben, zu den Türken zu schicken, um das liebe Deutschland für die Russen übrig zu behalten. So einfältig, wie der Pentarchist hier von seinem Schildträger gemacht wird, ist er, als ein Mann von Geist und Kenntniß, ganz und gar nicht, und es bleibt wohl das Urtheil, wie es sich allgemein festgesetzt hat – trotz der bitterbösen und dem guten Rector Gervinus abgeborgten grimmigen Gebärden, die ihm unser an seinem edeln Selbst und an seiner Heimath irre gewordener Landsmann mit Hohn auf den Lippen und Ingrimm im Herzen entgegen hält – daß nämlich der Pentarchist das Phantom einer wirklichen Pentarchie oder Fünfherrschaft mit Tribunal und Vollzugsordnung gedichtet hat, um hinter dieser kolossalen Täuschung das Gebäude der russischen Herrschaft über Deutschland d. i. den stärksten Grundbau der verheißenen und ersehnten slavischen Weltmonarchie aufzurichten.

Es ist nicht besser mit einem andern Gesichtspunkte bestellt, unter den der Schutzredner des Pentarchisten ihn und sein Werk zu stellen sucht. Es sey das Buch gerade die Waffe, welche gegen die Deutschen am besten diene: „Gegen die unabhängigen Chanate am Oxus schicke man Perowskij mit Kamelen und Kirgisen. Gegen die unabhängigen Chanate am Rhein aber die Pentarchie mit Syllogismen, Dilemmen und Kettenschluß.“ „Ueberall weiß der Russe die passenden Waffen zu brauchen.“ Denn war es die Absicht, mit Dilemmen und Kettenschlüssen die Chanate am Rhein zu erobern, so ist es mit ihnen nicht besser gelungen, als mit den Kamelen und Kirgisen gegen die Chanate am Oxus, ja wie der vereitelte Angriff oder Marsch gegen Chiwa die Tartaren des Oxus und Jaxartes aufgestiftet und die Engländer nach Bochara und an die Ufer des Aral auf die Beine gebracht hat, so sind die syllogistischen Kirgisen und die publicistischen Kamele, welche der Pentarchist durch das Nadelöhr seines Scharfsinnes gehen läßt, wenn auch nicht durch die deutschen Publicisten, doch durch das gesunde lebenskräftige und entschiedene öffentliche Urtheil von Deutschland noch schmählicher zerstäubt und abgetrieben worden, als Perowskij durch die Schneestürme der kirgisischen Steppen. Doch diese Geister, wenn auch abgetrieben, kommen immer auf denselben Punkt zurück. Sie haben, um dem Schutzredner auf das Feld Homerischer Gleichnisse zu folgen, den Muth und die Kühnheit der Mücke (Il. 17. 570),

Welche, so oft sie auch von der Haut des Menschen verscheucht wird,Dennoch zu beißen beharrt, da nach Menschenblut sie gelüstet,
und so wollen wir denn dem Doppelgänger des Pentarchen, der, wenn auch nicht für eigene Rechnung, doch für eines Geistesverwandten Haus und Hof kämpft, auf seinen neuen krummen und verschlungenen Wegen nachgehen, um ihn aus dem Labyrinthe seiner barocken Gänge voll Spott, Ironie, Leidenschaft und Wolfsgruben herum und auf das Freie zu bringen.

(Fortsetzung folgt.)

Frankreich.

Unser Correspondent von Toulon meldet uns unter dem 1 Jun., daß er mit dem Dampfboot Vautour die Proclamation erhalten, in welcher der Commandant des Gebiets von Algier, General Corbin, der Bevölkerung officiell die Einnahme von Miliana durch den Marschall Valée am 8 Jun. anzeigt. Die Nachrichten selbst sind bekannt, wir führen daraus nur an, daß die Stadt noch brannte, als die französische Armee eindrang, daß der Marschall sie sogleich in Vertheidigungsstand setzen, auf sechzig Tage für die daselbst zurückzulassende Garnison verproviantiren ließ, und darauf im Thal des Schelif von den französischen Truppen die Ernte verbrennen und die Wohnungen auf eine Strecke von mehr als 10 Lieues verheeren ließ. Bei den Engpässen von Muzaia, welche die Araber besetzen wollten, entspann sich am 16 von neuem ein erbitterter Kampf. Die Armee wird sich in dieser Gegend noch einige Tage aufhalten, um die beiden Städte Medeah und Miliana bis zum November mit Lebensmitteln zu versorgen. In dieser Absicht ist eine Division nach Muzaia und Blidah gegangen, um dorthin die Verwundeten zu bringen, und von Blidah die Lebensmittel zu holen; die hier von jeder Art aufgehäuft worden sind. – Die Umgebungen von Algier sind noch immer von arabischen Streifzügen beunruhigt, die den beweglichen Colonnen, den Patrouillen, der Gendarmerie entgehen. Seit einigen Tagen sieht man viele Feuer in der Ebene und am Massif, da die Araber das Heu der Colonisten verbrennen, so wie es eingebracht ist; sogar den Soldaten verbrennt man das Futter für ihre Pferde.

Niederlande.

Am 17 und 18 Jun. wurde vor der Arrondissementsrechtbank zu Amsterdam der große Proceß des Amortisationssyndicats gegen die allgemeine Industriegesellschaft (algemeene Maatschappy van Volksvlyt) zu Brüssel und indirect gegen die belgische Regierung verhandelt. Da die Verhandlungen noch nicht vollständig sind, auch noch kein Spruch gefällt ist, so gebe ich Ihnen vorerst nur die Veranlassung des Processes, und verspare mir eine Zusammenstellung der Verhandlungen auf spätere Zeit. Durch Beschluß vom 1 Jun. 1830 war das Amortisationssyndicat zur Unterhandlung einer Anleihe von 30 Millionen ermächtigt worden, und die Einschreibungen konnten zu Amsterdam und zu Brüssel bei der allgemeinen Industriegesellschaft vorgenommen werden. Die letztern beliefen sich auf 9248 Antheile, welche zu 900 fl. gerechnet eine Summe von 8,323,200 fl. betrugen, wovon bei Anfang der belgischen Unruhen 2,114,000 bezahlt, und 6,209,200 fl. noch im Rest waren. Es bestand also zwischen dem Amortisationssyndicat und der Gesellschaft eine laufende Rechnung. Nach Ausbruch der Unruhen bezahlte letztere nicht, und so lange keine rechtlich begründete Trennung zwischen Belgien und Holland bestand, konnte auch nicht geklagt werden. Nach dem Vertrage vom 19 April 1839 aber that das Amortisationssyndicat am 2 Jul. eine Anfrage wegen gegenseitiger Liquidation und Bezahlung, und die Industriegesellschaft erkannte auch in einem Schreiben vom 8 Jul. ihre Verbindlichkeit dazu an, und erklärte die Sache näher untersuchen zu wollen; am 2 Aug. aber erhielt das Amortisationssyndicat ein Schreiben von der Industriegesellschaft, mit der Anzeige, daß die belgische Regierung ihr verboten habe, die Liquidation vorzunehmen. Man kann sich denken, wie sehr dieser Proceß die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, und wie sehr man auf den Ausgang gespannt ist.

Dänemark.

Es wird Ihnen aus meinen frühern Briefen erinnerlich seyn, daß die öffentlichen Blätter

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[1444/0012] es denn eine Pentarchie anders als de lucu a non lucendo genannt werden kann, ganz abgesehen davon, daß ja dann jeder der fünf Polizeicommissäre von Europa die Ordnung am füglichsten doch vor seiner Thüre handhaben und man zu diesem Behufe nicht bemüßigt seyn würde, die Engländer nach Italien, die Oesterreicher nach Spanien, die Preußen nach Norwegen, die Franzosen, die mit den Arabern genug zu thun haben, zu den Türken zu schicken, um das liebe Deutschland für die Russen übrig zu behalten. So einfältig, wie der Pentarchist hier von seinem Schildträger gemacht wird, ist er, als ein Mann von Geist und Kenntniß, ganz und gar nicht, und es bleibt wohl das Urtheil, wie es sich allgemein festgesetzt hat – trotz der bitterbösen und dem guten Rector Gervinus abgeborgten grimmigen Gebärden, die ihm unser an seinem edeln Selbst und an seiner Heimath irre gewordener Landsmann mit Hohn auf den Lippen und Ingrimm im Herzen entgegen hält – daß nämlich der Pentarchist das Phantom einer wirklichen Pentarchie oder Fünfherrschaft mit Tribunal und Vollzugsordnung gedichtet hat, um hinter dieser kolossalen Täuschung das Gebäude der russischen Herrschaft über Deutschland d. i. den stärksten Grundbau der verheißenen und ersehnten slavischen Weltmonarchie aufzurichten. Es ist nicht besser mit einem andern Gesichtspunkte bestellt, unter den der Schutzredner des Pentarchisten ihn und sein Werk zu stellen sucht. Es sey das Buch gerade die Waffe, welche gegen die Deutschen am besten diene: „Gegen die unabhängigen Chanate am Oxus schicke man Perowskij mit Kamelen und Kirgisen. Gegen die unabhängigen Chanate am Rhein aber die Pentarchie mit Syllogismen, Dilemmen und Kettenschluß.“ „Ueberall weiß der Russe die passenden Waffen zu brauchen.“ Denn war es die Absicht, mit Dilemmen und Kettenschlüssen die Chanate am Rhein zu erobern, so ist es mit ihnen nicht besser gelungen, als mit den Kamelen und Kirgisen gegen die Chanate am Oxus, ja wie der vereitelte Angriff oder Marsch gegen Chiwa die Tartaren des Oxus und Jaxartes aufgestiftet und die Engländer nach Bochara und an die Ufer des Aral auf die Beine gebracht hat, so sind die syllogistischen Kirgisen und die publicistischen Kamele, welche der Pentarchist durch das Nadelöhr seines Scharfsinnes gehen läßt, wenn auch nicht durch die deutschen Publicisten, doch durch das gesunde lebenskräftige und entschiedene öffentliche Urtheil von Deutschland noch schmählicher zerstäubt und abgetrieben worden, als Perowskij durch die Schneestürme der kirgisischen Steppen. Doch diese Geister, wenn auch abgetrieben, kommen immer auf denselben Punkt zurück. Sie haben, um dem Schutzredner auf das Feld Homerischer Gleichnisse zu folgen, den Muth und die Kühnheit der Mücke (Il. 17. 570), Welche, so oft sie auch von der Haut des Menschen verscheucht wird,Dennoch zu beißen beharrt, da nach Menschenblut sie gelüstet, und so wollen wir denn dem Doppelgänger des Pentarchen, der, wenn auch nicht für eigene Rechnung, doch für eines Geistesverwandten Haus und Hof kämpft, auf seinen neuen krummen und verschlungenen Wegen nachgehen, um ihn aus dem Labyrinthe seiner barocken Gänge voll Spott, Ironie, Leidenschaft und Wolfsgruben herum und auf das Freie zu bringen. (Fortsetzung folgt.) Frankreich. Unser Correspondent von Toulon meldet uns unter dem 1 Jun., daß er mit dem Dampfboot Vautour die Proclamation erhalten, in welcher der Commandant des Gebiets von Algier, General Corbin, der Bevölkerung officiell die Einnahme von Miliana durch den Marschall Valée am 8 Jun. anzeigt. Die Nachrichten selbst sind bekannt, wir führen daraus nur an, daß die Stadt noch brannte, als die französische Armee eindrang, daß der Marschall sie sogleich in Vertheidigungsstand setzen, auf sechzig Tage für die daselbst zurückzulassende Garnison verproviantiren ließ, und darauf im Thal des Schelif von den französischen Truppen die Ernte verbrennen und die Wohnungen auf eine Strecke von mehr als 10 Lieues verheeren ließ. Bei den Engpässen von Muzaia, welche die Araber besetzen wollten, entspann sich am 16 von neuem ein erbitterter Kampf. Die Armee wird sich in dieser Gegend noch einige Tage aufhalten, um die beiden Städte Medeah und Miliana bis zum November mit Lebensmitteln zu versorgen. In dieser Absicht ist eine Division nach Muzaia und Blidah gegangen, um dorthin die Verwundeten zu bringen, und von Blidah die Lebensmittel zu holen; die hier von jeder Art aufgehäuft worden sind. – Die Umgebungen von Algier sind noch immer von arabischen Streifzügen beunruhigt, die den beweglichen Colonnen, den Patrouillen, der Gendarmerie entgehen. Seit einigen Tagen sieht man viele Feuer in der Ebene und am Massif, da die Araber das Heu der Colonisten verbrennen, so wie es eingebracht ist; sogar den Soldaten verbrennt man das Futter für ihre Pferde. Niederlande. _ Vom Niederrhein, 23 Jun. Am 17 und 18 Jun. wurde vor der Arrondissementsrechtbank zu Amsterdam der große Proceß des Amortisationssyndicats gegen die allgemeine Industriegesellschaft (algemeene Maatschappy van Volksvlyt) zu Brüssel und indirect gegen die belgische Regierung verhandelt. Da die Verhandlungen noch nicht vollständig sind, auch noch kein Spruch gefällt ist, so gebe ich Ihnen vorerst nur die Veranlassung des Processes, und verspare mir eine Zusammenstellung der Verhandlungen auf spätere Zeit. Durch Beschluß vom 1 Jun. 1830 war das Amortisationssyndicat zur Unterhandlung einer Anleihe von 30 Millionen ermächtigt worden, und die Einschreibungen konnten zu Amsterdam und zu Brüssel bei der allgemeinen Industriegesellschaft vorgenommen werden. Die letztern beliefen sich auf 9248 Antheile, welche zu 900 fl. gerechnet eine Summe von 8,323,200 fl. betrugen, wovon bei Anfang der belgischen Unruhen 2,114,000 bezahlt, und 6,209,200 fl. noch im Rest waren. Es bestand also zwischen dem Amortisationssyndicat und der Gesellschaft eine laufende Rechnung. Nach Ausbruch der Unruhen bezahlte letztere nicht, und so lange keine rechtlich begründete Trennung zwischen Belgien und Holland bestand, konnte auch nicht geklagt werden. Nach dem Vertrage vom 19 April 1839 aber that das Amortisationssyndicat am 2 Jul. eine Anfrage wegen gegenseitiger Liquidation und Bezahlung, und die Industriegesellschaft erkannte auch in einem Schreiben vom 8 Jul. ihre Verbindlichkeit dazu an, und erklärte die Sache näher untersuchen zu wollen; am 2 Aug. aber erhielt das Amortisationssyndicat ein Schreiben von der Industriegesellschaft, mit der Anzeige, daß die belgische Regierung ihr verboten habe, die Liquidation vorzunehmen. Man kann sich denken, wie sehr dieser Proceß die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, und wie sehr man auf den Ausgang gespannt ist. Dänemark. _ Kopenhagen, 17 Jun. Es wird Ihnen aus meinen frühern Briefen erinnerlich seyn, daß die öffentlichen Blätter

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 182. Augsburg, 30. Juni 1840, S. 1444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_182_18400630/12>, abgerufen am 05.05.2024.