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Allgemeine Zeitung. Nr. 182. Augsburg, 30. Juni 1840.

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russischen Zerwürfnisses, wo der Boden unter den Füßen brennt, uns nach den Ansichten und Grundsätzen wenden, die, in der Pentarchie aufgestellt, sich gerade jetzt, wo Ihr Correspondent vom 13, 14 Jun. in drastischem und kaustischem Geist sie von neuem empfiehlt, der Betrachtung aufdrängen, und zu dem, was wir suchen und wollen, reichlichen Stoff geben. Haben sie Realität, so gilt es, bei Zeiten ihnen mit Wort und That entgegenzutreten; denn es handelt sich dann, unter dem Schein eines moralischen Protectorats und der Verkündigung eines neuen Evangeliums, wie man sehen wird, für Europa um Seyn und Nichtseyn. Liegt ihnen aber eine Täuschung zu Grunde, so gilt es, diese schleunigst zu enthüllen und zu vernichten, damit nicht ihr Einfluß zu einer Zeit schädlich oder verderblich wirke, wo es die Entscheidung über alle Verhältnisse, wo es die That vor den Augen des aufmerksamen Europa's an jener Stelle gilt, auf welche ein verhängnißreicher Thronwechsel in kritischer Zeit die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen gerichtet hat.

Man ist aber mit Ihrem Schutzredner des Slaventhums in einer eignen Verlegenheit. Vor nicht langer Zeit, als er die Herrlichkeit, die hohe Bestimmung der Slaven und die Stellung der Deutschen zu ihnen schilderte, trug er so vollkommen die Maske des Slaven, daß Niemand den Germanen in ihm geahnet hätte. Ihn ärgerte damals die Gleichgültigkeit der guten Deutschen gegen so viele Trefflichkeit und Größe des schon gebornen und wie wir nun hören "unter Litaneien und in jedem Jahre fünfmonatlichen Festen" großgewachsenen Weltherrschers; doch war er des Dafürhaltens, sie würden aus ihrer Gleichgültigkeit schon heraustreten und ihre Huldigungen beginnen, wenn nur die Macht ihnen auf den Hals zu rücken und sich in handgreiflichen Offenbarungen fühlbar zu machen anfinge. Eine solche Manifestation ist nun eingetreten. Die Pentarchie verkündigt das russische Patronat über die deutsche. Sie ist die Hand des Unsichtbaren, welche über das Gastmahl des neuen Belsazar die Worte schreibt: "Du bist gewogen und zu leicht gefunden worden." Ja, der Feind ist schon in die Burg gedrungen und hat sein allgemeines "Prätorium" constituirt, von welchem Fürsten und Völker ihren Spruch erwarten. Da, sollte man glauben, müßte die erwarteten Huldigungen doch wenigstens ihren Anfang nehmen, und die "Adorationen" der aufgegangenen Sonne entgegenfliegen; aber statt das Haupt zu beugen und die Hand zu küssen, welche den Herrscherstab oder die Knute über sie ausstreckt, fallen zu seinem großen Verdruß und zu seiner nicht kleinen Beschämung die Deutschen bei jenen Zumuthungen statt in Angst in den wohlbekannten furor teutonicus, in die rabbia tedesca, und es ist in der That durch die scandalöse Frechheit, mit welcher jene Schrift den Deutschen fremde Knechtschaft als eine Bedingung ihres politischen Lebens bot, ein solcher Unwille über alle Gauen von Deutschland gekommen, daß selbst die Petersburger Panegyriker die übereilte Anerkennung dieses "Trefflichen" eingezogen und Gott baten, er möge sie doch vor ihren Freunden beschützen. Desto schlimmer für unsern Slaven oder Scythen (denn er hat es glücklich herausgebracht, daß die Slaven des Kaisers Nikolaus die Scythen des Thucydides sind), desto schlimmer für seine Beurtheilung deutscher und slavischer Zustände. Er hat sich über die erste Wirkung der slavischen Manifestation grausam getäuscht; doch ist er darüber in sich gegangen und hat wenigstens vor der Hand die slavische Maske abgelegt. Er ist zwar fortdauernd voll geheimen Grolls und versäuerter Laune über das liebe Vaterland und seine guten Insassen. Er weiß, daß sie sich darum für etwas Rechtes und den Russen überlegen achten, weil der Fürst Pückler-Muskau durch "sein amönes Wesen und seine Epigramme fünfundzwanzig Fuß lange Krokodile besiegt und der Rector Gervinus durch seine "grimmigen Gebärden" vier bewaffnete Hellenen lähmt. Er weiß eben so, daß sie glauben, sich mit Conjugationstabellen und ihrer Kunde der griechischen Partikellehre gegen das russische Patronat schützen zu können; und kommt ihnen nach ihrer eingebornen Art bei, fremden Leiden ihre Theilnahme zu zeigen und den Bedrängten zu helfen, so weiß er, daß dieses von Paskewitsch oder seinen Officieren "geräucherter Schmerz" der Deutschen genannt wird, so daß wir, wenn die Allg. Zeitung fortfährt, diese Ergießungen fremder Laune, erst der Franzosen, dann der Russen über uns zu registriren, wir die beste Aussicht haben, uns zur Ergötzung der Fremden in ein wahres Bedlam verwandelt zu sehen. Indeß hat doch jenes ärgerliche "Desappointement" auf unsern Slavorussen die Wirkung hervorgebracht, daß er sich wieder, wenn auch mit tiefer Beschämung, als Deutschen fühlt, über Deutsche und Deutsches mit wir und uns und von unserer Krankheit spricht, die er als Arzt, wie es scheint, weil er sie für eine Fäulniß hält, mit jener assa foetida und nebenbei durch eine neue Diät behandeln möchte, indem er uns den christlichen Rath gibt, seine Freunde die Russen nachzuahmen, und eben so zu überlisten, zu täuschen und zu berücken, wie jene gethan und zu thun fortfahren, "sagt der Patriarch."

Mit dieser erbaulichen Gesinnung hat er sich denn den deutschen Publicisten, die es auch mit jenem Feinde nach ihrer Art ehrlich meinten, entgegengestellt. Sie haben den Pentarchisten, namentlich in Ihrer Zeitung daran erinnert, daß es eine europäische Pentarchie in dem Sinne, den er annimmt, gar nicht gibt, und daß wenn außerordentliche Umstände für bestimmte Fälle, die fünf Großmächte vereinigt haben, diese Vereinigung der Natur der Sache nach bei jeder Frage allgemeinen Interesses sich spalte, sich auflöse und selbst befehde, wie vor unsern Augen in der türkischen Frage, hier also keine Fünfherrschaft, keine oberrichterliche Gewalt der Fünf-Mächte vorliege, wie der Pentarchist, um für sein System Grund und Boden zu gewinnen, durch eine "Fictio potestatis" statt einer Fictio juris angenommen hatte. Das ist Präceptorweisheit, antwortet für ihn der "Deutschslave", das weiß der Pentarchist, "dessen Persönlichkeit einen solchen Reichthum der Ideen, eine solche Tiefe des Urtheils, eine solche Beherrschung der Einzelnheiten in sich trägt," so gut als eure Schulmeister, darüber "lacht der Pentarchist ohne Zweifel", weil er sicher ist, daß "bei allem Conflict der Privatinteressen die Fünf ihren Bund gegen die anarchische Propaganda des Demos, die ihre Kraft am liebsten auf dem Gebiete des Schwachen versucht, instinctmäßig auf lange Zukunft bewahren." Dieß ist denn schon gegen die wahre Furchtbarkeit des Pentarchisten sehr beruhigend. Es handelt sich nicht mehr von einer Fünfherrschaft der Großen über die Vielherrschaft der Kleinen, sondern nur von einem Schutz- und Trutzbündniß derselben gegen die Propaganda des Demos, die auf dem Gebiete der Kleinen oder Schwachen, d. i. in Deutschland der mittleren oder constitutionellen Staaten, am liebsten ihre Kraft versucht oder ihren Sabbath hält. Es werden also nach dem System, das hier dem Pentarchisten untergelegt wird, die Russen den demagogischen Geist der constitutionellen Staaten desjenigen Deutschlands, das ihnen zum Protectorat zugewiesen wird, zu dämpfen haben, wahrscheinlich weil dazu weder diese Staaten selbst noch auch die mit ihnen zum Schutz gegen innere und äußere Feinde vereinigten Mächte von Preußen und Oesterreich Lust und Mittel haben. Nur sieht man nicht, weßhalb denn dieses zweideutige Gemächte den Namen einer Herrschaft erlangt hat, und wie

russischen Zerwürfnisses, wo der Boden unter den Füßen brennt, uns nach den Ansichten und Grundsätzen wenden, die, in der Pentarchie aufgestellt, sich gerade jetzt, wo Ihr Correspondent vom 13, 14 Jun. in drastischem und kaustischem Geist sie von neuem empfiehlt, der Betrachtung aufdrängen, und zu dem, was wir suchen und wollen, reichlichen Stoff geben. Haben sie Realität, so gilt es, bei Zeiten ihnen mit Wort und That entgegenzutreten; denn es handelt sich dann, unter dem Schein eines moralischen Protectorats und der Verkündigung eines neuen Evangeliums, wie man sehen wird, für Europa um Seyn und Nichtseyn. Liegt ihnen aber eine Täuschung zu Grunde, so gilt es, diese schleunigst zu enthüllen und zu vernichten, damit nicht ihr Einfluß zu einer Zeit schädlich oder verderblich wirke, wo es die Entscheidung über alle Verhältnisse, wo es die That vor den Augen des aufmerksamen Europa's an jener Stelle gilt, auf welche ein verhängnißreicher Thronwechsel in kritischer Zeit die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen gerichtet hat.

Man ist aber mit Ihrem Schutzredner des Slaventhums in einer eignen Verlegenheit. Vor nicht langer Zeit, als er die Herrlichkeit, die hohe Bestimmung der Slaven und die Stellung der Deutschen zu ihnen schilderte, trug er so vollkommen die Maske des Slaven, daß Niemand den Germanen in ihm geahnet hätte. Ihn ärgerte damals die Gleichgültigkeit der guten Deutschen gegen so viele Trefflichkeit und Größe des schon gebornen und wie wir nun hören „unter Litaneien und in jedem Jahre fünfmonatlichen Festen“ großgewachsenen Weltherrschers; doch war er des Dafürhaltens, sie würden aus ihrer Gleichgültigkeit schon heraustreten und ihre Huldigungen beginnen, wenn nur die Macht ihnen auf den Hals zu rücken und sich in handgreiflichen Offenbarungen fühlbar zu machen anfinge. Eine solche Manifestation ist nun eingetreten. Die Pentarchie verkündigt das russische Patronat über die deutsche. Sie ist die Hand des Unsichtbaren, welche über das Gastmahl des neuen Belsazar die Worte schreibt: „Du bist gewogen und zu leicht gefunden worden.“ Ja, der Feind ist schon in die Burg gedrungen und hat sein allgemeines „Prätorium“ constituirt, von welchem Fürsten und Völker ihren Spruch erwarten. Da, sollte man glauben, müßte die erwarteten Huldigungen doch wenigstens ihren Anfang nehmen, und die „Adorationen“ der aufgegangenen Sonne entgegenfliegen; aber statt das Haupt zu beugen und die Hand zu küssen, welche den Herrscherstab oder die Knute über sie ausstreckt, fallen zu seinem großen Verdruß und zu seiner nicht kleinen Beschämung die Deutschen bei jenen Zumuthungen statt in Angst in den wohlbekannten furor teutonicus, in die rabbia tedesca, und es ist in der That durch die scandalöse Frechheit, mit welcher jene Schrift den Deutschen fremde Knechtschaft als eine Bedingung ihres politischen Lebens bot, ein solcher Unwille über alle Gauen von Deutschland gekommen, daß selbst die Petersburger Panegyriker die übereilte Anerkennung dieses „Trefflichen“ eingezogen und Gott baten, er möge sie doch vor ihren Freunden beschützen. Desto schlimmer für unsern Slaven oder Scythen (denn er hat es glücklich herausgebracht, daß die Slaven des Kaisers Nikolaus die Scythen des Thucydides sind), desto schlimmer für seine Beurtheilung deutscher und slavischer Zustände. Er hat sich über die erste Wirkung der slavischen Manifestation grausam getäuscht; doch ist er darüber in sich gegangen und hat wenigstens vor der Hand die slavische Maske abgelegt. Er ist zwar fortdauernd voll geheimen Grolls und versäuerter Laune über das liebe Vaterland und seine guten Insassen. Er weiß, daß sie sich darum für etwas Rechtes und den Russen überlegen achten, weil der Fürst Pückler-Muskau durch „sein amönes Wesen und seine Epigramme fünfundzwanzig Fuß lange Krokodile besiegt und der Rector Gervinus durch seine „grimmigen Gebärden“ vier bewaffnete Hellenen lähmt. Er weiß eben so, daß sie glauben, sich mit Conjugationstabellen und ihrer Kunde der griechischen Partikellehre gegen das russische Patronat schützen zu können; und kommt ihnen nach ihrer eingebornen Art bei, fremden Leiden ihre Theilnahme zu zeigen und den Bedrängten zu helfen, so weiß er, daß dieses von Paskewitsch oder seinen Officieren „geräucherter Schmerz“ der Deutschen genannt wird, so daß wir, wenn die Allg. Zeitung fortfährt, diese Ergießungen fremder Laune, erst der Franzosen, dann der Russen über uns zu registriren, wir die beste Aussicht haben, uns zur Ergötzung der Fremden in ein wahres Bedlam verwandelt zu sehen. Indeß hat doch jenes ärgerliche „Desappointement“ auf unsern Slavorussen die Wirkung hervorgebracht, daß er sich wieder, wenn auch mit tiefer Beschämung, als Deutschen fühlt, über Deutsche und Deutsches mit wir und uns und von unserer Krankheit spricht, die er als Arzt, wie es scheint, weil er sie für eine Fäulniß hält, mit jener assa foetida und nebenbei durch eine neue Diät behandeln möchte, indem er uns den christlichen Rath gibt, seine Freunde die Russen nachzuahmen, und eben so zu überlisten, zu täuschen und zu berücken, wie jene gethan und zu thun fortfahren, „sagt der Patriarch.“

Mit dieser erbaulichen Gesinnung hat er sich denn den deutschen Publicisten, die es auch mit jenem Feinde nach ihrer Art ehrlich meinten, entgegengestellt. Sie haben den Pentarchisten, namentlich in Ihrer Zeitung daran erinnert, daß es eine europäische Pentarchie in dem Sinne, den er annimmt, gar nicht gibt, und daß wenn außerordentliche Umstände für bestimmte Fälle, die fünf Großmächte vereinigt haben, diese Vereinigung der Natur der Sache nach bei jeder Frage allgemeinen Interesses sich spalte, sich auflöse und selbst befehde, wie vor unsern Augen in der türkischen Frage, hier also keine Fünfherrschaft, keine oberrichterliche Gewalt der Fünf-Mächte vorliege, wie der Pentarchist, um für sein System Grund und Boden zu gewinnen, durch eine „Fictio potestatis“ statt einer Fictio juris angenommen hatte. Das ist Präceptorweisheit, antwortet für ihn der „Deutschslave“, das weiß der Pentarchist, „dessen Persönlichkeit einen solchen Reichthum der Ideen, eine solche Tiefe des Urtheils, eine solche Beherrschung der Einzelnheiten in sich trägt,“ so gut als eure Schulmeister, darüber „lacht der Pentarchist ohne Zweifel“, weil er sicher ist, daß „bei allem Conflict der Privatinteressen die Fünf ihren Bund gegen die anarchische Propaganda des Demos, die ihre Kraft am liebsten auf dem Gebiete des Schwachen versucht, instinctmäßig auf lange Zukunft bewahren.“ Dieß ist denn schon gegen die wahre Furchtbarkeit des Pentarchisten sehr beruhigend. Es handelt sich nicht mehr von einer Fünfherrschaft der Großen über die Vielherrschaft der Kleinen, sondern nur von einem Schutz- und Trutzbündniß derselben gegen die Propaganda des Demos, die auf dem Gebiete der Kleinen oder Schwachen, d. i. in Deutschland der mittleren oder constitutionellen Staaten, am liebsten ihre Kraft versucht oder ihren Sabbath hält. Es werden also nach dem System, das hier dem Pentarchisten untergelegt wird, die Russen den demagogischen Geist der constitutionellen Staaten desjenigen Deutschlands, das ihnen zum Protectorat zugewiesen wird, zu dämpfen haben, wahrscheinlich weil dazu weder diese Staaten selbst noch auch die mit ihnen zum Schutz gegen innere und äußere Feinde vereinigten Mächte von Preußen und Oesterreich Lust und Mittel haben. Nur sieht man nicht, weßhalb denn dieses zweideutige Gemächte den Namen einer Herrschaft erlangt hat, und wie

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russischen Zerwürfnisses, wo der Boden unter den Füßen brennt, uns nach den Ansichten und Grundsätzen wenden, die, in der Pentarchie aufgestellt, sich gerade jetzt, wo Ihr Correspondent vom 13, 14 Jun. in drastischem und kaustischem Geist sie von neuem empfiehlt, der Betrachtung aufdrängen, und zu dem, was wir suchen und wollen, reichlichen Stoff geben. Haben sie Realität, so gilt es, bei Zeiten ihnen mit Wort und That entgegenzutreten; denn es handelt sich dann, unter dem Schein eines moralischen Protectorats und der Verkündigung eines neuen Evangeliums, wie man sehen wird, für Europa um Seyn und Nichtseyn. Liegt ihnen aber eine Täuschung zu Grunde, so gilt es, diese schleunigst zu enthüllen und zu vernichten, damit nicht ihr Einfluß zu einer Zeit schädlich oder verderblich wirke, wo es die Entscheidung über alle Verhältnisse, wo es die That vor den Augen des aufmerksamen Europa's an jener Stelle gilt, auf welche ein verhängnißreicher Thronwechsel in kritischer Zeit die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen gerichtet hat.</p><lb/>
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[1443/0011] russischen Zerwürfnisses, wo der Boden unter den Füßen brennt, uns nach den Ansichten und Grundsätzen wenden, die, in der Pentarchie aufgestellt, sich gerade jetzt, wo Ihr Correspondent vom 13, 14 Jun. in drastischem und kaustischem Geist sie von neuem empfiehlt, der Betrachtung aufdrängen, und zu dem, was wir suchen und wollen, reichlichen Stoff geben. Haben sie Realität, so gilt es, bei Zeiten ihnen mit Wort und That entgegenzutreten; denn es handelt sich dann, unter dem Schein eines moralischen Protectorats und der Verkündigung eines neuen Evangeliums, wie man sehen wird, für Europa um Seyn und Nichtseyn. Liegt ihnen aber eine Täuschung zu Grunde, so gilt es, diese schleunigst zu enthüllen und zu vernichten, damit nicht ihr Einfluß zu einer Zeit schädlich oder verderblich wirke, wo es die Entscheidung über alle Verhältnisse, wo es die That vor den Augen des aufmerksamen Europa's an jener Stelle gilt, auf welche ein verhängnißreicher Thronwechsel in kritischer Zeit die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen gerichtet hat. Man ist aber mit Ihrem Schutzredner des Slaventhums in einer eignen Verlegenheit. Vor nicht langer Zeit, als er die Herrlichkeit, die hohe Bestimmung der Slaven und die Stellung der Deutschen zu ihnen schilderte, trug er so vollkommen die Maske des Slaven, daß Niemand den Germanen in ihm geahnet hätte. Ihn ärgerte damals die Gleichgültigkeit der guten Deutschen gegen so viele Trefflichkeit und Größe des schon gebornen und wie wir nun hören „unter Litaneien und in jedem Jahre fünfmonatlichen Festen“ großgewachsenen Weltherrschers; doch war er des Dafürhaltens, sie würden aus ihrer Gleichgültigkeit schon heraustreten und ihre Huldigungen beginnen, wenn nur die Macht ihnen auf den Hals zu rücken und sich in handgreiflichen Offenbarungen fühlbar zu machen anfinge. Eine solche Manifestation ist nun eingetreten. Die Pentarchie verkündigt das russische Patronat über die deutsche. Sie ist die Hand des Unsichtbaren, welche über das Gastmahl des neuen Belsazar die Worte schreibt: „Du bist gewogen und zu leicht gefunden worden.“ Ja, der Feind ist schon in die Burg gedrungen und hat sein allgemeines „Prätorium“ constituirt, von welchem Fürsten und Völker ihren Spruch erwarten. Da, sollte man glauben, müßte die erwarteten Huldigungen doch wenigstens ihren Anfang nehmen, und die „Adorationen“ der aufgegangenen Sonne entgegenfliegen; aber statt das Haupt zu beugen und die Hand zu küssen, welche den Herrscherstab oder die Knute über sie ausstreckt, fallen zu seinem großen Verdruß und zu seiner nicht kleinen Beschämung die Deutschen bei jenen Zumuthungen statt in Angst in den wohlbekannten furor teutonicus, in die rabbia tedesca, und es ist in der That durch die scandalöse Frechheit, mit welcher jene Schrift den Deutschen fremde Knechtschaft als eine Bedingung ihres politischen Lebens bot, ein solcher Unwille über alle Gauen von Deutschland gekommen, daß selbst die Petersburger Panegyriker die übereilte Anerkennung dieses „Trefflichen“ eingezogen und Gott baten, er möge sie doch vor ihren Freunden beschützen. Desto schlimmer für unsern Slaven oder Scythen (denn er hat es glücklich herausgebracht, daß die Slaven des Kaisers Nikolaus die Scythen des Thucydides sind), desto schlimmer für seine Beurtheilung deutscher und slavischer Zustände. Er hat sich über die erste Wirkung der slavischen Manifestation grausam getäuscht; doch ist er darüber in sich gegangen und hat wenigstens vor der Hand die slavische Maske abgelegt. Er ist zwar fortdauernd voll geheimen Grolls und versäuerter Laune über das liebe Vaterland und seine guten Insassen. Er weiß, daß sie sich darum für etwas Rechtes und den Russen überlegen achten, weil der Fürst Pückler-Muskau durch „sein amönes Wesen und seine Epigramme fünfundzwanzig Fuß lange Krokodile besiegt und der Rector Gervinus durch seine „grimmigen Gebärden“ vier bewaffnete Hellenen lähmt. Er weiß eben so, daß sie glauben, sich mit Conjugationstabellen und ihrer Kunde der griechischen Partikellehre gegen das russische Patronat schützen zu können; und kommt ihnen nach ihrer eingebornen Art bei, fremden Leiden ihre Theilnahme zu zeigen und den Bedrängten zu helfen, so weiß er, daß dieses von Paskewitsch oder seinen Officieren „geräucherter Schmerz“ der Deutschen genannt wird, so daß wir, wenn die Allg. Zeitung fortfährt, diese Ergießungen fremder Laune, erst der Franzosen, dann der Russen über uns zu registriren, wir die beste Aussicht haben, uns zur Ergötzung der Fremden in ein wahres Bedlam verwandelt zu sehen. Indeß hat doch jenes ärgerliche „Desappointement“ auf unsern Slavorussen die Wirkung hervorgebracht, daß er sich wieder, wenn auch mit tiefer Beschämung, als Deutschen fühlt, über Deutsche und Deutsches mit wir und uns und von unserer Krankheit spricht, die er als Arzt, wie es scheint, weil er sie für eine Fäulniß hält, mit jener assa foetida und nebenbei durch eine neue Diät behandeln möchte, indem er uns den christlichen Rath gibt, seine Freunde die Russen nachzuahmen, und eben so zu überlisten, zu täuschen und zu berücken, wie jene gethan und zu thun fortfahren, „sagt der Patriarch.“ Mit dieser erbaulichen Gesinnung hat er sich denn den deutschen Publicisten, die es auch mit jenem Feinde nach ihrer Art ehrlich meinten, entgegengestellt. Sie haben den Pentarchisten, namentlich in Ihrer Zeitung daran erinnert, daß es eine europäische Pentarchie in dem Sinne, den er annimmt, gar nicht gibt, und daß wenn außerordentliche Umstände für bestimmte Fälle, die fünf Großmächte vereinigt haben, diese Vereinigung der Natur der Sache nach bei jeder Frage allgemeinen Interesses sich spalte, sich auflöse und selbst befehde, wie vor unsern Augen in der türkischen Frage, hier also keine Fünfherrschaft, keine oberrichterliche Gewalt der Fünf-Mächte vorliege, wie der Pentarchist, um für sein System Grund und Boden zu gewinnen, durch eine „Fictio potestatis“ statt einer Fictio juris angenommen hatte. Das ist Präceptorweisheit, antwortet für ihn der „Deutschslave“, das weiß der Pentarchist, „dessen Persönlichkeit einen solchen Reichthum der Ideen, eine solche Tiefe des Urtheils, eine solche Beherrschung der Einzelnheiten in sich trägt,“ so gut als eure Schulmeister, darüber „lacht der Pentarchist ohne Zweifel“, weil er sicher ist, daß „bei allem Conflict der Privatinteressen die Fünf ihren Bund gegen die anarchische Propaganda des Demos, die ihre Kraft am liebsten auf dem Gebiete des Schwachen versucht, instinctmäßig auf lange Zukunft bewahren.“ Dieß ist denn schon gegen die wahre Furchtbarkeit des Pentarchisten sehr beruhigend. Es handelt sich nicht mehr von einer Fünfherrschaft der Großen über die Vielherrschaft der Kleinen, sondern nur von einem Schutz- und Trutzbündniß derselben gegen die Propaganda des Demos, die auf dem Gebiete der Kleinen oder Schwachen, d. i. in Deutschland der mittleren oder constitutionellen Staaten, am liebsten ihre Kraft versucht oder ihren Sabbath hält. Es werden also nach dem System, das hier dem Pentarchisten untergelegt wird, die Russen den demagogischen Geist der constitutionellen Staaten desjenigen Deutschlands, das ihnen zum Protectorat zugewiesen wird, zu dämpfen haben, wahrscheinlich weil dazu weder diese Staaten selbst noch auch die mit ihnen zum Schutz gegen innere und äußere Feinde vereinigten Mächte von Preußen und Oesterreich Lust und Mittel haben. Nur sieht man nicht, weßhalb denn dieses zweideutige Gemächte den Namen einer Herrschaft erlangt hat, und wie

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 182. Augsburg, 30. Juni 1840, S. 1443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_182_18400630/11>, abgerufen am 23.11.2024.