Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 171. Augsburg, 19. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Thronfolger seinen erhabenen Eltern die erwählte Prinzessin als seine Braut vorführen wird.

Nach den Berichten der Hannover'schen Zeitung hat die zweite Kammer die Anfangs (mit 23 gegen 17 Stimmen) beschlossene Herstellung der allgemeinen Zustimmung zu dem wesentlichen Inhalte aller Gesetze in der zweiten Berathung (mit 24 gegen 16 Stimmen) wieder aufgegeben und sich mit der etwas veränderten Bestimmung des Entwurfs begnügt, nämlich daß außer den Steuergesetzen alle diejenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche die persönliche Freiheit beschränken oder einen Eingriff in das Privateigenthum enthalten, der ständischen Zustimmung, die übrige Gesetzgebung aber nur des ständischen Beiraths bedürfen soll. Vielleicht eben sowohl die (nach den umständlichen Berichten von der Hannoverschen Ztg. selbst) von dem Hauptwortführer der Regierung in jener Sitzung vom 19 d. M. mehrfach wiederholte Aeußerung, daß mit der allgemeinen Zustimmung weder an das Zustandekommen der Vereinbarung, noch an eine Garantie des Bundes zu denken sey - als vielleicht noch mehr die von demselben (der Hannover'schen Zeitung zufolge) gegebene feste Versicherung, daß mit Ausnahme von Würtemberg, den beiden Hessen und dem Königreiche Sachsen, alle andern constitutionellen Staaten Deutschlands um kein Haar besser gestellt seyen - mögen die Kammer dazu vermocht haben, von ihrem früheren Beschlusse abzugehen. In wie fern jene ersten Versicherungen (rücksichtlich des Scheiterns der Vereinbarung, wie der Garantie, an der allgemeinen Zustimmung) gegründet seyen, können wir hier nicht untersuchen; die letzte Versicherung jedoch, daß außer den genannten vier Verfassungen keine deutsche Verfassungsurkunde den Ständen ein Mehreres einräume, ist ein so offenbarer Irrthum, daß wir nicht begreifen können, daß derselbe nicht sofort in der Kammer Widerlegung gefunden hat. Keine einzige deutsche Verfassung enthält jenen Satz - wohl aber findet sich in der bayerischen, badischen, sachsen-weimarischen, nassauischen, sachsen-coburgischen (sachsen-meiningenschen) und sachsen-altenburgischen Verfassung der übereinstimmende Satz: daß zu allen Gesetzen, welche die Freiheit der Personen oder des Eigenthums der Staatsangehörigen zum Gegenstande haben (betreffen), die Einwilligung (Zustimmung) der Stände erfordert wird. Der Unterschied zwischen dieser Bestimmung und jener am 19 d. von der zweiten Kammer beschlossenen ist mit Händen zu greifen: diese letztere spricht von "gesetzlichen Bestimmungen," jene von "Gesetzen;" diese von "Beschränken der Freiheit" und "Eingriffen in das Eigenthum," jene der andern Verfassungen von Gesetzen, welche Freiheit und Eigenthum" zum Gegenstande haben." Durch diese am 19 d. von der zweiten Kammer beliebte Fassung wird aber der ganze Satz durch die Zweideutigkeit eines jeden Wortes so doppelsinnig, daß man damit jedes Gesetz (als etwa ein Expropriations- oder ein Verkoppelungsgesetz) der ständischen Zustimmung entziehen kann. Eine Proceßordnung, eine Hypothekenordnung, ja ein ganzes Civilgesetzbuch lassen sich auf solche Weise wegdisputiren - sie alle "beschränken" ja nicht die persönliche Freiheit, sollen auch keinen "Eingriff" in das Privateigenthum enthalten, sondern gerade dagegen schützen. Nach dieser Fassung muß der Streit um Zustimmung oder Beirath bei jedem einzelnen Gesetze sich erneuern - und die Sache wird damit endigen, daß die Stände es beim Beirath bewenden lassen. Die Sache ist aber um so beachtenswerther, als der neuen Verfassung alle übrigen schützenden Institutionen (Verantwortlichkeit der Minister etc.) gänzlich fehlen. (Hamb. Corresp.)

Preußen.

Das Berliner pol. Wochenblatt sagt: "Mit Friedrich Wilhelm III schied der letzte Kurfürst, beinahe der letzte regierende Fürst des heiligen römischen Reichs deutscher Nation aus dem Kreise der Lebenden, mit ihm trat vom irdischen Schauplatze der letzte jener drei Monarchen, deren inniger Vereinigung und festem Ausharren nicht bloß Deutschland, sondern Europa die Erlösung vom Uebel, den endlichen Sieg des Rechts über die in Bonaparte incarnirte Revolution verdankt. Mit ihm, dem letzten Repräsentanten einer ruhmvollen Vergangenheit, ist diese abgeschlossen, und eine neue Periode beginnt. Möge sie uns Alle entschlossen und bereit finden, den vorangegangenen Geschlechtern in hingebender Treue, tapferer Gesinnung und muthiger Ausdauer nicht nachzustehen!"

Rußland und Polen.

Eine dem wesentlichen Inhalte nach ganz übereinstimmende Correspondenz des Univers und des Journal des Debats gibt einige neue Details über die Deportation des Bischofs von Podlachien. Nach dem Univers weigerte sich der Bischof gemäß der Aufforderung der Regierung eine Namensliste aller Mitglieder der in seiner Diöcese befindlichen frommen Bruderschaften abzugeben, während er nach einer Correspondenz des Journal des Debats aus Janow vom 29 März sich bei dem Ministerium des Innern beschwert haben soll, daß das Pfarreigebäude von Wengrow nicht seiner Bestimmung gemäß zum Wohnort emeritirter Geistlicher seiner Diöcese, sondern zur Einquartirung für Soldaten verwendet wurde. Da seine Vorstellung fruchtlos blieb, soll sich der Bischof in einer Immediateingabe an den Kaiser gewendet haben, deren Ausdrücke zum Theil Anstoß gefunden, und zunächst zu seiner Verhaftung Veranlassung gegeben hätten. Ganz falsch sey es, daß der Bischof Schritte gethan, die sogar das Mißfallen des Papstes ihm zugezogen hätten. Der heilige Stuhl habe vielmehr sein Benehmen 1833 hinsichtlich der gemischten Ehen vollkommen gebilligt. Der letzte Act des Bischofs vor seiner Abführung war, wie berichtet wird, die Abfassung einer feierlichen schriftlichen Protestation gegen seine Abführung. Er wurde nach Mohilew in ein Dominicanerkloster gebracht.

Das 5te russische Armeecorps, welches seit mehreren Jahren in der Krim, Bessarabien und den Gegenden von Odessa stationirt ist, und dessen Hauptquartier unter General Lüders sich eben in Odessa, wo die Wohnungen schon in Bereitschaft gesetzt waren, etabliren sollte, hat unerwartet Marschordre nach Circassien erhalten. Es scheint, daß Rußland den dießjährigen Feldzug mit außerordentlicher Kraft zu führen gedenkt. Die Voranstalten zeigen dieß deutlich an, und man erhält damit zugleich einen Beweis, welches Gewicht Rußland auf seine Herrschaft in diesem Gebirgslande und den im letzten Winter darin erlittenen Verlusten legt. Zwölftausend Mann sind bereits eingeschifft, 8-10,000 Mann und die 3te Division sind nach Tiflis instradirt worden. Auch ist das Corps des Generals Grabbe ansehnlich verstärkt worden. Der erste Ausschiffungsort dürfte Tuabs *) und Psesouape (?) seyn. Man ist auf heftigen Widerstand gefaßt, und blutige Gefechte werden besonders den dießjährigen Feldzug bezeichnen. Man spricht von einer kaukasischen Conföderation, die sich in Folge der neuesten Successe der Tscherkessen gebildet habe, und vom schwarzen bis zum kaspischen Meer erstrecken soll, weßhalb auch manche an einem entscheidenden Erfolg der dießjährigen großen

*) Die Mündung des Tuabs, berichteten unsre vorgestrigen Briefe aus Galacz und Jassy.

Thronfolger seinen erhabenen Eltern die erwählte Prinzessin als seine Braut vorführen wird.

Nach den Berichten der Hannover'schen Zeitung hat die zweite Kammer die Anfangs (mit 23 gegen 17 Stimmen) beschlossene Herstellung der allgemeinen Zustimmung zu dem wesentlichen Inhalte aller Gesetze in der zweiten Berathung (mit 24 gegen 16 Stimmen) wieder aufgegeben und sich mit der etwas veränderten Bestimmung des Entwurfs begnügt, nämlich daß außer den Steuergesetzen alle diejenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche die persönliche Freiheit beschränken oder einen Eingriff in das Privateigenthum enthalten, der ständischen Zustimmung, die übrige Gesetzgebung aber nur des ständischen Beiraths bedürfen soll. Vielleicht eben sowohl die (nach den umständlichen Berichten von der Hannoverschen Ztg. selbst) von dem Hauptwortführer der Regierung in jener Sitzung vom 19 d. M. mehrfach wiederholte Aeußerung, daß mit der allgemeinen Zustimmung weder an das Zustandekommen der Vereinbarung, noch an eine Garantie des Bundes zu denken sey – als vielleicht noch mehr die von demselben (der Hannover'schen Zeitung zufolge) gegebene feste Versicherung, daß mit Ausnahme von Würtemberg, den beiden Hessen und dem Königreiche Sachsen, alle andern constitutionellen Staaten Deutschlands um kein Haar besser gestellt seyen – mögen die Kammer dazu vermocht haben, von ihrem früheren Beschlusse abzugehen. In wie fern jene ersten Versicherungen (rücksichtlich des Scheiterns der Vereinbarung, wie der Garantie, an der allgemeinen Zustimmung) gegründet seyen, können wir hier nicht untersuchen; die letzte Versicherung jedoch, daß außer den genannten vier Verfassungen keine deutsche Verfassungsurkunde den Ständen ein Mehreres einräume, ist ein so offenbarer Irrthum, daß wir nicht begreifen können, daß derselbe nicht sofort in der Kammer Widerlegung gefunden hat. Keine einzige deutsche Verfassung enthält jenen Satz – wohl aber findet sich in der bayerischen, badischen, sachsen-weimarischen, nassauischen, sachsen-coburgischen (sachsen-meiningenschen) und sachsen-altenburgischen Verfassung der übereinstimmende Satz: daß zu allen Gesetzen, welche die Freiheit der Personen oder des Eigenthums der Staatsangehörigen zum Gegenstande haben (betreffen), die Einwilligung (Zustimmung) der Stände erfordert wird. Der Unterschied zwischen dieser Bestimmung und jener am 19 d. von der zweiten Kammer beschlossenen ist mit Händen zu greifen: diese letztere spricht von „gesetzlichen Bestimmungen,“ jene von „Gesetzen;“ diese von „Beschränken der Freiheit“ und „Eingriffen in das Eigenthum,“ jene der andern Verfassungen von Gesetzen, welche Freiheit und Eigenthum“ zum Gegenstande haben.“ Durch diese am 19 d. von der zweiten Kammer beliebte Fassung wird aber der ganze Satz durch die Zweideutigkeit eines jeden Wortes so doppelsinnig, daß man damit jedes Gesetz (als etwa ein Expropriations- oder ein Verkoppelungsgesetz) der ständischen Zustimmung entziehen kann. Eine Proceßordnung, eine Hypothekenordnung, ja ein ganzes Civilgesetzbuch lassen sich auf solche Weise wegdisputiren – sie alle „beschränken“ ja nicht die persönliche Freiheit, sollen auch keinen „Eingriff“ in das Privateigenthum enthalten, sondern gerade dagegen schützen. Nach dieser Fassung muß der Streit um Zustimmung oder Beirath bei jedem einzelnen Gesetze sich erneuern – und die Sache wird damit endigen, daß die Stände es beim Beirath bewenden lassen. Die Sache ist aber um so beachtenswerther, als der neuen Verfassung alle übrigen schützenden Institutionen (Verantwortlichkeit der Minister etc.) gänzlich fehlen. (Hamb. Corresp.)

Preußen.

Das Berliner pol. Wochenblatt sagt: „Mit Friedrich Wilhelm III schied der letzte Kurfürst, beinahe der letzte regierende Fürst des heiligen römischen Reichs deutscher Nation aus dem Kreise der Lebenden, mit ihm trat vom irdischen Schauplatze der letzte jener drei Monarchen, deren inniger Vereinigung und festem Ausharren nicht bloß Deutschland, sondern Europa die Erlösung vom Uebel, den endlichen Sieg des Rechts über die in Bonaparte incarnirte Revolution verdankt. Mit ihm, dem letzten Repräsentanten einer ruhmvollen Vergangenheit, ist diese abgeschlossen, und eine neue Periode beginnt. Möge sie uns Alle entschlossen und bereit finden, den vorangegangenen Geschlechtern in hingebender Treue, tapferer Gesinnung und muthiger Ausdauer nicht nachzustehen!“

Rußland und Polen.

Eine dem wesentlichen Inhalte nach ganz übereinstimmende Correspondenz des Univers und des Journal des Débats gibt einige neue Details über die Deportation des Bischofs von Podlachien. Nach dem Univers weigerte sich der Bischof gemäß der Aufforderung der Regierung eine Namensliste aller Mitglieder der in seiner Diöcese befindlichen frommen Bruderschaften abzugeben, während er nach einer Correspondenz des Journal des Débats aus Janow vom 29 März sich bei dem Ministerium des Innern beschwert haben soll, daß das Pfarreigebäude von Wengrow nicht seiner Bestimmung gemäß zum Wohnort emeritirter Geistlicher seiner Diöcese, sondern zur Einquartirung für Soldaten verwendet wurde. Da seine Vorstellung fruchtlos blieb, soll sich der Bischof in einer Immediateingabe an den Kaiser gewendet haben, deren Ausdrücke zum Theil Anstoß gefunden, und zunächst zu seiner Verhaftung Veranlassung gegeben hätten. Ganz falsch sey es, daß der Bischof Schritte gethan, die sogar das Mißfallen des Papstes ihm zugezogen hätten. Der heilige Stuhl habe vielmehr sein Benehmen 1833 hinsichtlich der gemischten Ehen vollkommen gebilligt. Der letzte Act des Bischofs vor seiner Abführung war, wie berichtet wird, die Abfassung einer feierlichen schriftlichen Protestation gegen seine Abführung. Er wurde nach Mohilew in ein Dominicanerkloster gebracht.

Das 5te russische Armeecorps, welches seit mehreren Jahren in der Krim, Bessarabien und den Gegenden von Odessa stationirt ist, und dessen Hauptquartier unter General Lüders sich eben in Odessa, wo die Wohnungen schon in Bereitschaft gesetzt waren, etabliren sollte, hat unerwartet Marschordre nach Circassien erhalten. Es scheint, daß Rußland den dießjährigen Feldzug mit außerordentlicher Kraft zu führen gedenkt. Die Voranstalten zeigen dieß deutlich an, und man erhält damit zugleich einen Beweis, welches Gewicht Rußland auf seine Herrschaft in diesem Gebirgslande und den im letzten Winter darin erlittenen Verlusten legt. Zwölftausend Mann sind bereits eingeschifft, 8-10,000 Mann und die 3te Division sind nach Tiflis instradirt worden. Auch ist das Corps des Generals Grabbe ansehnlich verstärkt worden. Der erste Ausschiffungsort dürfte Tuabs *) und Psesouape (?) seyn. Man ist auf heftigen Widerstand gefaßt, und blutige Gefechte werden besonders den dießjährigen Feldzug bezeichnen. Man spricht von einer kaukasischen Conföderation, die sich in Folge der neuesten Successe der Tscherkessen gebildet habe, und vom schwarzen bis zum kaspischen Meer erstrecken soll, weßhalb auch manche an einem entscheidenden Erfolg der dießjährigen großen

*) Die Mündung des Tuabs, berichteten unsre vorgestrigen Briefe aus Galacz und Jassy.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0007" n="1367"/>
Thronfolger seinen erhabenen Eltern die erwählte Prinzessin als seine Braut vorführen wird.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Hannover,</hi> 26 Mai.</dateline>
          <p> Nach den Berichten der <hi rendition="#g">Hannover</hi>'<hi rendition="#g">schen Zeitung</hi> hat die zweite Kammer die Anfangs (mit 23 gegen 17 Stimmen) beschlossene Herstellung der allgemeinen Zustimmung zu dem wesentlichen Inhalte aller Gesetze in der zweiten Berathung (mit 24 gegen 16 Stimmen) wieder aufgegeben und sich mit der etwas veränderten Bestimmung des Entwurfs begnügt, nämlich daß außer den Steuergesetzen alle diejenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche die persönliche Freiheit beschränken oder einen Eingriff in das Privateigenthum enthalten, der ständischen Zustimmung, die übrige Gesetzgebung aber nur des ständischen Beiraths bedürfen soll. Vielleicht eben sowohl die (nach den umständlichen Berichten von der <hi rendition="#g">Hannoverschen</hi> Ztg. selbst) von dem Hauptwortführer der Regierung in jener Sitzung vom 19 d. M. mehrfach wiederholte Aeußerung, daß mit der allgemeinen Zustimmung weder an das Zustandekommen der Vereinbarung, noch an eine Garantie des Bundes zu denken sey &#x2013; als vielleicht noch mehr die von demselben (der Hannover'schen Zeitung zufolge) gegebene feste Versicherung, daß mit Ausnahme von Würtemberg, den beiden Hessen und dem Königreiche Sachsen, alle andern constitutionellen Staaten Deutschlands um kein Haar besser gestellt seyen &#x2013; mögen die Kammer dazu vermocht haben, von ihrem früheren Beschlusse abzugehen. In wie fern jene ersten Versicherungen (rücksichtlich des Scheiterns der Vereinbarung, wie der Garantie, an der allgemeinen Zustimmung) gegründet seyen, können wir hier nicht untersuchen; die letzte Versicherung jedoch, daß außer den genannten vier Verfassungen keine deutsche Verfassungsurkunde den Ständen ein Mehreres einräume, ist ein so offenbarer Irrthum, daß wir nicht begreifen können, daß derselbe nicht sofort in der Kammer Widerlegung gefunden hat. Keine einzige deutsche Verfassung enthält jenen Satz &#x2013; wohl aber findet sich in der bayerischen, badischen, sachsen-weimarischen, nassauischen, sachsen-coburgischen (sachsen-meiningenschen) und sachsen-altenburgischen Verfassung der übereinstimmende Satz: daß zu allen Gesetzen, welche die Freiheit der Personen oder des Eigenthums der Staatsangehörigen zum Gegenstande haben (betreffen), die Einwilligung (Zustimmung) der Stände erfordert wird. Der Unterschied zwischen dieser Bestimmung und jener am 19 d. von der zweiten Kammer beschlossenen ist mit Händen zu greifen: diese letztere spricht von &#x201E;gesetzlichen Bestimmungen,&#x201C; jene von &#x201E;Gesetzen;&#x201C; diese von &#x201E;Beschränken der Freiheit&#x201C; und &#x201E;Eingriffen in das Eigenthum,&#x201C; jene der andern Verfassungen von Gesetzen, welche Freiheit und Eigenthum&#x201C; zum Gegenstande haben.&#x201C; Durch diese am 19 d. von der zweiten Kammer beliebte Fassung wird aber der ganze Satz durch die Zweideutigkeit eines jeden Wortes so doppelsinnig, daß man damit jedes Gesetz (als etwa ein Expropriations- oder ein Verkoppelungsgesetz) der ständischen Zustimmung entziehen kann. Eine Proceßordnung, eine Hypothekenordnung, ja ein ganzes Civilgesetzbuch lassen sich auf solche Weise wegdisputiren &#x2013; sie alle &#x201E;beschränken&#x201C; ja nicht die persönliche Freiheit, sollen auch keinen &#x201E;Eingriff&#x201C; in das Privateigenthum enthalten, sondern gerade dagegen schützen. Nach dieser Fassung muß der Streit um Zustimmung oder Beirath bei jedem einzelnen Gesetze sich erneuern &#x2013; und die Sache wird damit endigen, daß die Stände es beim Beirath bewenden lassen. Die Sache ist aber um so beachtenswerther, als der neuen Verfassung alle übrigen schützenden Institutionen (Verantwortlichkeit der Minister etc.) gänzlich fehlen. (<hi rendition="#g">Hamb</hi>. <hi rendition="#g">Corresp</hi>.)</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Preußen.</hi> </head><lb/>
        <p>Das <hi rendition="#g">Berliner</hi> pol. Wochenblatt sagt: &#x201E;Mit Friedrich Wilhelm III schied der letzte Kurfürst, beinahe der letzte regierende Fürst des heiligen römischen Reichs deutscher Nation aus dem Kreise der Lebenden, mit ihm trat vom irdischen Schauplatze der letzte jener drei Monarchen, deren inniger Vereinigung und festem Ausharren nicht bloß Deutschland, sondern Europa die Erlösung vom Uebel, den endlichen Sieg des Rechts über die in Bonaparte incarnirte Revolution verdankt. Mit ihm, dem letzten Repräsentanten einer ruhmvollen Vergangenheit, ist diese abgeschlossen, und eine neue Periode beginnt. Möge sie uns Alle entschlossen und bereit finden, den vorangegangenen Geschlechtern in hingebender Treue, tapferer Gesinnung und muthiger Ausdauer nicht nachzustehen!&#x201C;</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Rußland und Polen.</hi> </head><lb/>
        <p>Eine dem wesentlichen Inhalte nach ganz übereinstimmende Correspondenz des Univers und des Journal des Débats gibt einige neue Details über die Deportation des Bischofs von Podlachien. Nach dem Univers weigerte sich der Bischof gemäß der Aufforderung der Regierung eine Namensliste aller Mitglieder der in seiner Diöcese befindlichen frommen Bruderschaften abzugeben, während er nach einer Correspondenz des Journal des Débats aus Janow vom 29 März sich bei dem Ministerium des Innern beschwert haben soll, daß das Pfarreigebäude von Wengrow nicht seiner Bestimmung gemäß zum Wohnort emeritirter Geistlicher seiner Diöcese, sondern zur Einquartirung für Soldaten verwendet wurde. Da seine Vorstellung fruchtlos blieb, soll sich der Bischof in einer Immediateingabe an den Kaiser gewendet haben, deren Ausdrücke zum Theil Anstoß gefunden, und zunächst zu seiner Verhaftung Veranlassung gegeben hätten. Ganz falsch sey es, daß der Bischof Schritte gethan, die sogar das Mißfallen des Papstes ihm zugezogen hätten. Der heilige Stuhl habe vielmehr sein Benehmen 1833 hinsichtlich der gemischten Ehen vollkommen gebilligt. Der letzte Act des Bischofs vor seiner Abführung war, wie berichtet wird, die Abfassung einer feierlichen schriftlichen Protestation gegen seine Abführung. Er wurde nach Mohilew in ein Dominicanerkloster gebracht.</p><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Aus Bessarabien,</hi> 3 Jun.</dateline>
          <p> Das 5te russische Armeecorps, welches seit mehreren Jahren in der Krim, Bessarabien und den Gegenden von Odessa stationirt ist, und dessen Hauptquartier unter General Lüders sich eben in Odessa, wo die Wohnungen schon in Bereitschaft gesetzt waren, etabliren sollte, hat unerwartet Marschordre nach Circassien erhalten. Es scheint, daß Rußland den dießjährigen Feldzug mit außerordentlicher Kraft zu führen gedenkt. Die Voranstalten zeigen dieß deutlich an, und man erhält damit zugleich einen Beweis, welches Gewicht Rußland auf seine Herrschaft in diesem Gebirgslande und den im letzten Winter darin erlittenen Verlusten legt. Zwölftausend Mann sind bereits eingeschifft, 8-10,000 Mann und die 3te Division sind nach Tiflis instradirt worden. Auch ist das Corps des Generals Grabbe ansehnlich verstärkt worden. Der erste Ausschiffungsort dürfte Tuabs <note place="foot" n="*)"><p>Die Mündung des Tuabs, berichteten unsre vorgestrigen Briefe aus Galacz und Jassy.</p></note> und Psesouape (?) seyn. Man ist auf heftigen Widerstand gefaßt, und blutige Gefechte werden besonders den dießjährigen Feldzug bezeichnen. Man spricht von einer kaukasischen Conföderation, die sich in Folge der neuesten Successe der Tscherkessen gebildet habe, und vom schwarzen bis zum kaspischen Meer erstrecken soll, weßhalb auch manche an einem entscheidenden Erfolg der dießjährigen großen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1367/0007] Thronfolger seinen erhabenen Eltern die erwählte Prinzessin als seine Braut vorführen wird. _ Hannover, 26 Mai. Nach den Berichten der Hannover'schen Zeitung hat die zweite Kammer die Anfangs (mit 23 gegen 17 Stimmen) beschlossene Herstellung der allgemeinen Zustimmung zu dem wesentlichen Inhalte aller Gesetze in der zweiten Berathung (mit 24 gegen 16 Stimmen) wieder aufgegeben und sich mit der etwas veränderten Bestimmung des Entwurfs begnügt, nämlich daß außer den Steuergesetzen alle diejenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche die persönliche Freiheit beschränken oder einen Eingriff in das Privateigenthum enthalten, der ständischen Zustimmung, die übrige Gesetzgebung aber nur des ständischen Beiraths bedürfen soll. Vielleicht eben sowohl die (nach den umständlichen Berichten von der Hannoverschen Ztg. selbst) von dem Hauptwortführer der Regierung in jener Sitzung vom 19 d. M. mehrfach wiederholte Aeußerung, daß mit der allgemeinen Zustimmung weder an das Zustandekommen der Vereinbarung, noch an eine Garantie des Bundes zu denken sey – als vielleicht noch mehr die von demselben (der Hannover'schen Zeitung zufolge) gegebene feste Versicherung, daß mit Ausnahme von Würtemberg, den beiden Hessen und dem Königreiche Sachsen, alle andern constitutionellen Staaten Deutschlands um kein Haar besser gestellt seyen – mögen die Kammer dazu vermocht haben, von ihrem früheren Beschlusse abzugehen. In wie fern jene ersten Versicherungen (rücksichtlich des Scheiterns der Vereinbarung, wie der Garantie, an der allgemeinen Zustimmung) gegründet seyen, können wir hier nicht untersuchen; die letzte Versicherung jedoch, daß außer den genannten vier Verfassungen keine deutsche Verfassungsurkunde den Ständen ein Mehreres einräume, ist ein so offenbarer Irrthum, daß wir nicht begreifen können, daß derselbe nicht sofort in der Kammer Widerlegung gefunden hat. Keine einzige deutsche Verfassung enthält jenen Satz – wohl aber findet sich in der bayerischen, badischen, sachsen-weimarischen, nassauischen, sachsen-coburgischen (sachsen-meiningenschen) und sachsen-altenburgischen Verfassung der übereinstimmende Satz: daß zu allen Gesetzen, welche die Freiheit der Personen oder des Eigenthums der Staatsangehörigen zum Gegenstande haben (betreffen), die Einwilligung (Zustimmung) der Stände erfordert wird. Der Unterschied zwischen dieser Bestimmung und jener am 19 d. von der zweiten Kammer beschlossenen ist mit Händen zu greifen: diese letztere spricht von „gesetzlichen Bestimmungen,“ jene von „Gesetzen;“ diese von „Beschränken der Freiheit“ und „Eingriffen in das Eigenthum,“ jene der andern Verfassungen von Gesetzen, welche Freiheit und Eigenthum“ zum Gegenstande haben.“ Durch diese am 19 d. von der zweiten Kammer beliebte Fassung wird aber der ganze Satz durch die Zweideutigkeit eines jeden Wortes so doppelsinnig, daß man damit jedes Gesetz (als etwa ein Expropriations- oder ein Verkoppelungsgesetz) der ständischen Zustimmung entziehen kann. Eine Proceßordnung, eine Hypothekenordnung, ja ein ganzes Civilgesetzbuch lassen sich auf solche Weise wegdisputiren – sie alle „beschränken“ ja nicht die persönliche Freiheit, sollen auch keinen „Eingriff“ in das Privateigenthum enthalten, sondern gerade dagegen schützen. Nach dieser Fassung muß der Streit um Zustimmung oder Beirath bei jedem einzelnen Gesetze sich erneuern – und die Sache wird damit endigen, daß die Stände es beim Beirath bewenden lassen. Die Sache ist aber um so beachtenswerther, als der neuen Verfassung alle übrigen schützenden Institutionen (Verantwortlichkeit der Minister etc.) gänzlich fehlen. (Hamb. Corresp.) Preußen. Das Berliner pol. Wochenblatt sagt: „Mit Friedrich Wilhelm III schied der letzte Kurfürst, beinahe der letzte regierende Fürst des heiligen römischen Reichs deutscher Nation aus dem Kreise der Lebenden, mit ihm trat vom irdischen Schauplatze der letzte jener drei Monarchen, deren inniger Vereinigung und festem Ausharren nicht bloß Deutschland, sondern Europa die Erlösung vom Uebel, den endlichen Sieg des Rechts über die in Bonaparte incarnirte Revolution verdankt. Mit ihm, dem letzten Repräsentanten einer ruhmvollen Vergangenheit, ist diese abgeschlossen, und eine neue Periode beginnt. Möge sie uns Alle entschlossen und bereit finden, den vorangegangenen Geschlechtern in hingebender Treue, tapferer Gesinnung und muthiger Ausdauer nicht nachzustehen!“ Rußland und Polen. Eine dem wesentlichen Inhalte nach ganz übereinstimmende Correspondenz des Univers und des Journal des Débats gibt einige neue Details über die Deportation des Bischofs von Podlachien. Nach dem Univers weigerte sich der Bischof gemäß der Aufforderung der Regierung eine Namensliste aller Mitglieder der in seiner Diöcese befindlichen frommen Bruderschaften abzugeben, während er nach einer Correspondenz des Journal des Débats aus Janow vom 29 März sich bei dem Ministerium des Innern beschwert haben soll, daß das Pfarreigebäude von Wengrow nicht seiner Bestimmung gemäß zum Wohnort emeritirter Geistlicher seiner Diöcese, sondern zur Einquartirung für Soldaten verwendet wurde. Da seine Vorstellung fruchtlos blieb, soll sich der Bischof in einer Immediateingabe an den Kaiser gewendet haben, deren Ausdrücke zum Theil Anstoß gefunden, und zunächst zu seiner Verhaftung Veranlassung gegeben hätten. Ganz falsch sey es, daß der Bischof Schritte gethan, die sogar das Mißfallen des Papstes ihm zugezogen hätten. Der heilige Stuhl habe vielmehr sein Benehmen 1833 hinsichtlich der gemischten Ehen vollkommen gebilligt. Der letzte Act des Bischofs vor seiner Abführung war, wie berichtet wird, die Abfassung einer feierlichen schriftlichen Protestation gegen seine Abführung. Er wurde nach Mohilew in ein Dominicanerkloster gebracht. _ Aus Bessarabien, 3 Jun. Das 5te russische Armeecorps, welches seit mehreren Jahren in der Krim, Bessarabien und den Gegenden von Odessa stationirt ist, und dessen Hauptquartier unter General Lüders sich eben in Odessa, wo die Wohnungen schon in Bereitschaft gesetzt waren, etabliren sollte, hat unerwartet Marschordre nach Circassien erhalten. Es scheint, daß Rußland den dießjährigen Feldzug mit außerordentlicher Kraft zu führen gedenkt. Die Voranstalten zeigen dieß deutlich an, und man erhält damit zugleich einen Beweis, welches Gewicht Rußland auf seine Herrschaft in diesem Gebirgslande und den im letzten Winter darin erlittenen Verlusten legt. Zwölftausend Mann sind bereits eingeschifft, 8-10,000 Mann und die 3te Division sind nach Tiflis instradirt worden. Auch ist das Corps des Generals Grabbe ansehnlich verstärkt worden. Der erste Ausschiffungsort dürfte Tuabs *) und Psesouape (?) seyn. Man ist auf heftigen Widerstand gefaßt, und blutige Gefechte werden besonders den dießjährigen Feldzug bezeichnen. Man spricht von einer kaukasischen Conföderation, die sich in Folge der neuesten Successe der Tscherkessen gebildet habe, und vom schwarzen bis zum kaspischen Meer erstrecken soll, weßhalb auch manche an einem entscheidenden Erfolg der dießjährigen großen *) Die Mündung des Tuabs, berichteten unsre vorgestrigen Briefe aus Galacz und Jassy.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_171_18400619
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_171_18400619/7
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 171. Augsburg, 19. Juni 1840, S. 1367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_171_18400619/7>, abgerufen am 23.04.2024.