Allgemeine Zeitung. Nr. 171. Augsburg, 19. Juni 1840.zur Danksagung für die wunderbare Rettung der Königin, wie dieß bei einem ähnlichen Ereignisse unter Georg III geschah, anberaumen werde. Die Ausschußdiscussion über die irische Corporationsbill ward auf Antrag des Herzogs v. Wellington mit 94 gegen 68 Stimmen auf nächsten Freitag verschoben. Im Unterhause von heute kamen die Blokade von Buenos-Ayres und Hrn. Mac Gregors Handelsvertrag mit Neapel wieder zur Sprache, jedoch ohne neue Aufklärung darüber von Seite Lord Palmerstons. Zugleich ward in beiden Häusern die Antwort Ihrer Maj. der Königin auf die Beglückwünschungsadresse vorgelesen. Sie lautet wie folgt: "Mit wahrhaft aufrichtiger Freude empfange ich heute diese Adresse meiner beiden Parlamentskammern. Ich bin der göttlichen Vorsehung für die mir erzeigte Gnade von Herzen dankbar, und empfehle mich auch fernerhin mit Demuth ihrem heiligen Schutze; bei allen mir noch bevorstehenden Prüfungen aber hoff' ich in der Ergebenheit und Treue meines Parlaments den Trost und Beistand zu finden, den sie mir heute gewährt haben." London, 12 Jun. Hätte nicht eine gütige Vorsehung über der Nation gewacht, so wäre, wie ein Wetterschlag aus heiterm Himmel, das Uebel herbeigeführt worden, das jeder Patriot im gegenwärtigen Augenblick als das größte Unglück ansehen müßte, welches das brittische Reich befallen könnte - der Tod der Königin! Ein elender Wicht aus der niedrigsten Volksclasse, einer von denen, welche für die Wirthe das Bier zu den benachbarten Kunden tragen, kaum 18 Jahre alt, war es, der die Pistole gegen sie aufhob. Es hatten sich wie immer viele Personen vor dem Palaste und längs des Weges versammelt, um das verehrte hohe Paar ausfahren zu sehen, und der Wagen war nur wenige hundert Schritte von dem Thore, als man einen Schuß und gleich darauf einen zweiten vernahm. Bei dem ersten soll die Königin aufgesprungen seyn, von dem Prinzen aber, der den Mörder mit der zweiten Pistole im Anschlage bemerkte, auf den Sitz niedergezogen und mit seinen Armen umschlossen worden seyn. Die erschrockenen Zuschauer sahen mit Freude, daß das hohe Paar unverletzt war, und, als wenn nichts geschehen wäre, weiter fuhr. Der Mörder aber war von vielen gesehen und sogleich ergriffen worden, und ist bereits, nach einem geheimen Verhör im Ministerium des Innern, auf Hochverrath angeklagt, nach dem Gefängnisse Newgate abgeführt worden. Was diesen Menschen zu einem solchen abscheulichen Versuch verleitet hat, ist noch in undurchdringliches Dunkel gehüllt. Nach seinem Benehmen seit seiner Verhaftung zu schließen, war es ein krankhafter Kitzel, die Welt von sich reden zu machen. Vielleicht waren die Pistolen nur blind geladen, da man alles Suchens ungeachtet noch kein Blei gefunden haben soll. (Nach andern Angaben wäre eine Kugel gefunden worden.) Indessen hat man in seiner Wohnung Dinge entdeckt, welche ihn für ein Mitglied irgend einer geheimen Gesellschaft halten lassen. Hoffentlich wird das Räthsel zur Beruhigung der Nation gelöst, und wenn noch andere des Verbrechens theilhaftig sind, solche ebenfalls zur Strafe gezogen werden. Es scheint leider seit kurzem unter unsere untern Volksclassen eine Art von Wuth gekommen zu seyn, welche auf einen gefährlichen geistigen Zustand schließen läßt. Binnen wenig Tagen hat in London ein Mann bei hellem Tage auf öffentlicher Straße, zuerst seiner Frau und dann sich selbst den Hals abgeschnitten, ein anderer versuchte ebenfalls auf der Straße sein Mädchen zu erstechen, und ein dritter erdrosselte seine Frau, während zu Manchester ein junger Mensch sich auf der Straße den Hals abschnitt, und in Nottingham ein anderer seine Frau zu Tode stampfte! - Die Monarchin hat, obgleich sie in gesegneten Umständen, von dem Schreck nicht die geringste üble Folge verspürt, und hat dadurch abermals bewiesen, daß in ihrem kleinen Körper eine große feste Seele wohnt, welche geeignet scheint, den Stürmen einer bewegten Zeit zu widerstehen. Gleich nach dem Vorfalle fuhr das hohe Paar aufs schnellste zur Herzogin von Kent, ohne Zweifel mit dem schönen kindlichen Gefühle, jedem Gerücht zuvorzukommen, welches die erlauchte Mutter zu sehr erschrecken könnte. Nachher fuhren sie in den Park, wo sie von Hohen und Niedern mit einer Herzlichkeit begrüßt wurden, welche die Monarchin von der innigen Theilnahme überzeugen mußte, womit die Nation ihre Herrscherin ansieht. Das Parlament hatte sich nach den kurzen Pfingstferien eben wieder versammelt. Die Glückwunschadresse beider Häuser ist heute Nachmittag überreicht worden, und zwar in Begleitung einer größern Anzahl von Mitgliedern, als man seit langer Zeit auf einmal vor dem Throne erscheinen sah. Auch die Corporation der City hat eine solche Adresse überreicht, und ohne Zweifel werden alle Gemeinden und Vereine jeder Art im ganzen Lande dem Beispiele folgen. Dabei waren die Anfragen im Palaste nach dem Befinden des hohen Paares von gestern früh an höchst zahlreich, und der Empfang, welchen die Königin und der Prinz gestern Abend auf ihrer gewöhnlichen Spazierfahrt fanden, war wo möglich noch enthusiastischer als am vorigen Abend, wenigstens hatten sich mehr Personen eingefunden, um dieselben zu sehen und zu begrüßen. Man bemerkte nicht, daß irgend eine Vorkehrung zu ihrer Sicherheit getroffen worden wäre; sie hatten keine militärische Begleitung, indem sie wohl fühlen mochten, daß keine Soldaten gegen solche Unternehmungen rasender Menschen schützen können, ein treues Volk aber die zuverlässigste Leibwache guter Fürsten ist. Während aber alle Parteien um den Thron her eines Herzens und eines Sinnes scheinen (denn selbst die verzweifeltsten Tories haben aufgehört, schimpflich von der Königin zu reden, und der gegenwärtige Vorfall wird sie noch mehr witzigen) droht in der Politik der Kampf der Parteien um so heftiger loszubrechen. Im Unterhause sollte gestern Abend Lord Stanley's Bill in den Ausschuß gebracht werden; aber man wußte auf der ministeriellen Seite durch mancherlei Vorschläge und lange Reden so die Zeit zu zersplittern, daß kein einziger Schritt vorwärts geschah. Wogegen denn auch Stanley drohte, nächsten Montag in Anspruch zu nehmen, welcher, nach allgemeiner Uebereinkunft, für Regierungssachen bestimmt ist. Gegen das Ende der Debatten geriethen auch O'Connell und einige Tories persönlich hart an einander, und es entstand ein Auftritt, welcher einer Versammlung von gebildeten Männern wenig Ehre macht. Heute Abend soll über den wichtigen Regierungsvorschlag, daß die das Armenwesen beaufsichtigende Commission erneuert werden solle, berathen werden, im Oberhause aber über die irische Corporationsreformbill, und eine andere, welche die Gränzen der Städte und die Gerichtsbarkeit der Gemeinderäthe bestimmen soll. Gestern Abend entschied jenes Haus wieder durch eine ungeheure Mehrheit, daß es durchaus nichts gestatten will, was nur zur geringsten Modification der Getreidegesetze Hoffnung machen könne. Die Mehrheit gegen Lord Fitzwilliams Vorschlag belief sich auf 184 Stimmen gegen 42. Frankreich. Paris, 14 Jun. In der Sitzung der Deputirtenkammer am 13 Jun., worin die Eisenbahndiscussion fortgesetzt wurde, machte nach Verwerfung der drei Amendemens Hr. Berryer den Vorschlag, den 1 Art. folgendermaßen zu verfassen: "Der Minister der öffentlichen Arbeiten ist ermächtigt, im Namen des Staats der Compagnie der Eisenbahn von Paris nach Orleans ein zur Danksagung für die wunderbare Rettung der Königin, wie dieß bei einem ähnlichen Ereignisse unter Georg III geschah, anberaumen werde. Die Ausschußdiscussion über die irische Corporationsbill ward auf Antrag des Herzogs v. Wellington mit 94 gegen 68 Stimmen auf nächsten Freitag verschoben. Im Unterhause von heute kamen die Blokade von Buenos-Ayres und Hrn. Mac Gregors Handelsvertrag mit Neapel wieder zur Sprache, jedoch ohne neue Aufklärung darüber von Seite Lord Palmerstons. Zugleich ward in beiden Häusern die Antwort Ihrer Maj. der Königin auf die Beglückwünschungsadresse vorgelesen. Sie lautet wie folgt: „Mit wahrhaft aufrichtiger Freude empfange ich heute diese Adresse meiner beiden Parlamentskammern. Ich bin der göttlichen Vorsehung für die mir erzeigte Gnade von Herzen dankbar, und empfehle mich auch fernerhin mit Demuth ihrem heiligen Schutze; bei allen mir noch bevorstehenden Prüfungen aber hoff' ich in der Ergebenheit und Treue meines Parlaments den Trost und Beistand zu finden, den sie mir heute gewährt haben.“ London, 12 Jun. Hätte nicht eine gütige Vorsehung über der Nation gewacht, so wäre, wie ein Wetterschlag aus heiterm Himmel, das Uebel herbeigeführt worden, das jeder Patriot im gegenwärtigen Augenblick als das größte Unglück ansehen müßte, welches das brittische Reich befallen könnte – der Tod der Königin! Ein elender Wicht aus der niedrigsten Volksclasse, einer von denen, welche für die Wirthe das Bier zu den benachbarten Kunden tragen, kaum 18 Jahre alt, war es, der die Pistole gegen sie aufhob. Es hatten sich wie immer viele Personen vor dem Palaste und längs des Weges versammelt, um das verehrte hohe Paar ausfahren zu sehen, und der Wagen war nur wenige hundert Schritte von dem Thore, als man einen Schuß und gleich darauf einen zweiten vernahm. Bei dem ersten soll die Königin aufgesprungen seyn, von dem Prinzen aber, der den Mörder mit der zweiten Pistole im Anschlage bemerkte, auf den Sitz niedergezogen und mit seinen Armen umschlossen worden seyn. Die erschrockenen Zuschauer sahen mit Freude, daß das hohe Paar unverletzt war, und, als wenn nichts geschehen wäre, weiter fuhr. Der Mörder aber war von vielen gesehen und sogleich ergriffen worden, und ist bereits, nach einem geheimen Verhör im Ministerium des Innern, auf Hochverrath angeklagt, nach dem Gefängnisse Newgate abgeführt worden. Was diesen Menschen zu einem solchen abscheulichen Versuch verleitet hat, ist noch in undurchdringliches Dunkel gehüllt. Nach seinem Benehmen seit seiner Verhaftung zu schließen, war es ein krankhafter Kitzel, die Welt von sich reden zu machen. Vielleicht waren die Pistolen nur blind geladen, da man alles Suchens ungeachtet noch kein Blei gefunden haben soll. (Nach andern Angaben wäre eine Kugel gefunden worden.) Indessen hat man in seiner Wohnung Dinge entdeckt, welche ihn für ein Mitglied irgend einer geheimen Gesellschaft halten lassen. Hoffentlich wird das Räthsel zur Beruhigung der Nation gelöst, und wenn noch andere des Verbrechens theilhaftig sind, solche ebenfalls zur Strafe gezogen werden. Es scheint leider seit kurzem unter unsere untern Volksclassen eine Art von Wuth gekommen zu seyn, welche auf einen gefährlichen geistigen Zustand schließen läßt. Binnen wenig Tagen hat in London ein Mann bei hellem Tage auf öffentlicher Straße, zuerst seiner Frau und dann sich selbst den Hals abgeschnitten, ein anderer versuchte ebenfalls auf der Straße sein Mädchen zu erstechen, und ein dritter erdrosselte seine Frau, während zu Manchester ein junger Mensch sich auf der Straße den Hals abschnitt, und in Nottingham ein anderer seine Frau zu Tode stampfte! – Die Monarchin hat, obgleich sie in gesegneten Umständen, von dem Schreck nicht die geringste üble Folge verspürt, und hat dadurch abermals bewiesen, daß in ihrem kleinen Körper eine große feste Seele wohnt, welche geeignet scheint, den Stürmen einer bewegten Zeit zu widerstehen. Gleich nach dem Vorfalle fuhr das hohe Paar aufs schnellste zur Herzogin von Kent, ohne Zweifel mit dem schönen kindlichen Gefühle, jedem Gerücht zuvorzukommen, welches die erlauchte Mutter zu sehr erschrecken könnte. Nachher fuhren sie in den Park, wo sie von Hohen und Niedern mit einer Herzlichkeit begrüßt wurden, welche die Monarchin von der innigen Theilnahme überzeugen mußte, womit die Nation ihre Herrscherin ansieht. Das Parlament hatte sich nach den kurzen Pfingstferien eben wieder versammelt. Die Glückwunschadresse beider Häuser ist heute Nachmittag überreicht worden, und zwar in Begleitung einer größern Anzahl von Mitgliedern, als man seit langer Zeit auf einmal vor dem Throne erscheinen sah. Auch die Corporation der City hat eine solche Adresse überreicht, und ohne Zweifel werden alle Gemeinden und Vereine jeder Art im ganzen Lande dem Beispiele folgen. Dabei waren die Anfragen im Palaste nach dem Befinden des hohen Paares von gestern früh an höchst zahlreich, und der Empfang, welchen die Königin und der Prinz gestern Abend auf ihrer gewöhnlichen Spazierfahrt fanden, war wo möglich noch enthusiastischer als am vorigen Abend, wenigstens hatten sich mehr Personen eingefunden, um dieselben zu sehen und zu begrüßen. Man bemerkte nicht, daß irgend eine Vorkehrung zu ihrer Sicherheit getroffen worden wäre; sie hatten keine militärische Begleitung, indem sie wohl fühlen mochten, daß keine Soldaten gegen solche Unternehmungen rasender Menschen schützen können, ein treues Volk aber die zuverlässigste Leibwache guter Fürsten ist. Während aber alle Parteien um den Thron her eines Herzens und eines Sinnes scheinen (denn selbst die verzweifeltsten Tories haben aufgehört, schimpflich von der Königin zu reden, und der gegenwärtige Vorfall wird sie noch mehr witzigen) droht in der Politik der Kampf der Parteien um so heftiger loszubrechen. Im Unterhause sollte gestern Abend Lord Stanley's Bill in den Ausschuß gebracht werden; aber man wußte auf der ministeriellen Seite durch mancherlei Vorschläge und lange Reden so die Zeit zu zersplittern, daß kein einziger Schritt vorwärts geschah. Wogegen denn auch Stanley drohte, nächsten Montag in Anspruch zu nehmen, welcher, nach allgemeiner Uebereinkunft, für Regierungssachen bestimmt ist. Gegen das Ende der Debatten geriethen auch O'Connell und einige Tories persönlich hart an einander, und es entstand ein Auftritt, welcher einer Versammlung von gebildeten Männern wenig Ehre macht. Heute Abend soll über den wichtigen Regierungsvorschlag, daß die das Armenwesen beaufsichtigende Commission erneuert werden solle, berathen werden, im Oberhause aber über die irische Corporationsreformbill, und eine andere, welche die Gränzen der Städte und die Gerichtsbarkeit der Gemeinderäthe bestimmen soll. Gestern Abend entschied jenes Haus wieder durch eine ungeheure Mehrheit, daß es durchaus nichts gestatten will, was nur zur geringsten Modification der Getreidegesetze Hoffnung machen könne. Die Mehrheit gegen Lord Fitzwilliams Vorschlag belief sich auf 184 Stimmen gegen 42. Frankreich. Paris, 14 Jun. In der Sitzung der Deputirtenkammer am 13 Jun., worin die Eisenbahndiscussion fortgesetzt wurde, machte nach Verwerfung der drei Amendemens Hr. Berryer den Vorschlag, den 1 Art. folgendermaßen zu verfassen: „Der Minister der öffentlichen Arbeiten ist ermächtigt, im Namen des Staats der Compagnie der Eisenbahn von Paris nach Orleans ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0003" n="1363"/> zur Danksagung für die wunderbare Rettung der Königin, wie dieß bei einem ähnlichen Ereignisse unter Georg III geschah, anberaumen werde. Die Ausschußdiscussion über die irische Corporationsbill ward auf Antrag des Herzogs v. 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Ich bin der göttlichen Vorsehung für die mir erzeigte Gnade von Herzen dankbar, und empfehle mich auch fernerhin mit Demuth ihrem heiligen Schutze; bei allen mir noch bevorstehenden Prüfungen aber hoff' ich in der Ergebenheit und Treue meines Parlaments den Trost und Beistand zu finden, den sie mir heute gewährt haben.“</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 12 Jun.</dateline> <p> Hätte nicht eine gütige Vorsehung über der Nation gewacht, so wäre, wie ein Wetterschlag aus heiterm Himmel, das Uebel herbeigeführt worden, das jeder Patriot im gegenwärtigen Augenblick als das größte Unglück ansehen müßte, welches das brittische Reich befallen könnte – der Tod der Königin! Ein elender Wicht aus der niedrigsten Volksclasse, einer von denen, welche für die Wirthe das Bier zu den benachbarten Kunden tragen, kaum 18 Jahre alt, war es, der die Pistole gegen sie aufhob. Es hatten sich wie immer viele Personen vor dem Palaste und längs des Weges versammelt, um das verehrte hohe Paar ausfahren zu sehen, und der Wagen war nur wenige hundert Schritte von dem Thore, als man einen Schuß und gleich darauf einen zweiten vernahm. Bei dem ersten soll die Königin aufgesprungen seyn, von dem Prinzen aber, der den Mörder mit der zweiten Pistole im Anschlage bemerkte, auf den Sitz niedergezogen und mit seinen Armen umschlossen worden seyn. Die erschrockenen Zuschauer sahen mit Freude, daß das hohe Paar unverletzt war, und, als wenn nichts geschehen wäre, weiter fuhr. Der Mörder aber war von vielen gesehen und sogleich ergriffen worden, und ist bereits, nach einem geheimen Verhör im Ministerium des Innern, auf Hochverrath angeklagt, nach dem Gefängnisse Newgate abgeführt worden. Was diesen Menschen zu einem solchen abscheulichen Versuch verleitet hat, ist noch in undurchdringliches Dunkel gehüllt. Nach seinem Benehmen seit seiner Verhaftung zu schließen, war es ein krankhafter Kitzel, die Welt von sich reden zu machen. Vielleicht waren die Pistolen nur blind geladen, da man alles Suchens ungeachtet noch kein Blei gefunden haben soll. (Nach andern Angaben wäre eine Kugel gefunden worden.) Indessen hat man in seiner Wohnung Dinge entdeckt, welche ihn für ein Mitglied irgend einer geheimen Gesellschaft halten lassen. Hoffentlich wird das Räthsel zur Beruhigung der Nation gelöst, und wenn noch andere des Verbrechens theilhaftig sind, solche ebenfalls zur Strafe gezogen werden. Es scheint leider seit kurzem unter unsere untern Volksclassen eine Art von Wuth gekommen zu seyn, welche auf einen gefährlichen geistigen Zustand schließen läßt. Binnen wenig Tagen hat in London ein Mann bei hellem Tage auf öffentlicher Straße, zuerst seiner Frau und dann sich selbst den Hals abgeschnitten, ein anderer versuchte ebenfalls auf der Straße sein Mädchen zu erstechen, und ein dritter erdrosselte seine Frau, während zu Manchester ein junger Mensch sich auf der Straße den Hals abschnitt, und in Nottingham ein anderer seine Frau zu Tode stampfte! – Die Monarchin hat, obgleich sie in gesegneten Umständen, von dem Schreck nicht die geringste üble Folge verspürt, und hat dadurch abermals bewiesen, daß in ihrem kleinen Körper eine große feste Seele wohnt, welche geeignet scheint, den Stürmen einer bewegten Zeit zu widerstehen. Gleich nach dem Vorfalle fuhr das hohe Paar aufs schnellste zur Herzogin von Kent, ohne Zweifel mit dem schönen kindlichen Gefühle, jedem Gerücht zuvorzukommen, welches die erlauchte Mutter zu sehr erschrecken könnte. Nachher fuhren sie in den Park, wo sie von Hohen und Niedern mit einer Herzlichkeit begrüßt wurden, welche die Monarchin von der innigen Theilnahme überzeugen mußte, womit die Nation ihre Herrscherin ansieht. Das Parlament hatte sich nach den kurzen Pfingstferien eben wieder versammelt. Die Glückwunschadresse beider Häuser ist heute Nachmittag überreicht worden, und zwar in Begleitung einer größern Anzahl von Mitgliedern, als man seit langer Zeit auf einmal vor dem Throne erscheinen sah. Auch die Corporation der City hat eine solche Adresse überreicht, und ohne Zweifel werden alle Gemeinden und Vereine jeder Art im ganzen Lande dem Beispiele folgen. Dabei waren die Anfragen im Palaste nach dem Befinden des hohen Paares von gestern früh an höchst zahlreich, und der Empfang, welchen die Königin und der Prinz gestern Abend auf ihrer gewöhnlichen Spazierfahrt fanden, war wo möglich noch enthusiastischer als am vorigen Abend, wenigstens hatten sich mehr Personen eingefunden, um dieselben zu sehen und zu begrüßen. Man bemerkte nicht, daß irgend eine Vorkehrung zu ihrer Sicherheit getroffen worden wäre; sie hatten keine militärische Begleitung, indem sie wohl fühlen mochten, daß keine Soldaten gegen solche Unternehmungen rasender Menschen schützen können, ein treues Volk aber die zuverlässigste Leibwache guter Fürsten ist. 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Heute Abend soll über den wichtigen Regierungsvorschlag, daß die das Armenwesen beaufsichtigende Commission erneuert werden solle, berathen werden, im Oberhause aber über die irische Corporationsreformbill, und eine andere, welche die Gränzen der Städte und die Gerichtsbarkeit der Gemeinderäthe bestimmen soll. Gestern Abend entschied jenes Haus wieder durch eine ungeheure Mehrheit, daß es durchaus nichts gestatten will, was nur zur geringsten Modification der Getreidegesetze Hoffnung machen könne. 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_ London, 12 Jun. Hätte nicht eine gütige Vorsehung über der Nation gewacht, so wäre, wie ein Wetterschlag aus heiterm Himmel, das Uebel herbeigeführt worden, das jeder Patriot im gegenwärtigen Augenblick als das größte Unglück ansehen müßte, welches das brittische Reich befallen könnte – der Tod der Königin! Ein elender Wicht aus der niedrigsten Volksclasse, einer von denen, welche für die Wirthe das Bier zu den benachbarten Kunden tragen, kaum 18 Jahre alt, war es, der die Pistole gegen sie aufhob. Es hatten sich wie immer viele Personen vor dem Palaste und längs des Weges versammelt, um das verehrte hohe Paar ausfahren zu sehen, und der Wagen war nur wenige hundert Schritte von dem Thore, als man einen Schuß und gleich darauf einen zweiten vernahm. Bei dem ersten soll die Königin aufgesprungen seyn, von dem Prinzen aber, der den Mörder mit der zweiten Pistole im Anschlage bemerkte, auf den Sitz niedergezogen und mit seinen Armen umschlossen worden seyn. Die erschrockenen Zuschauer sahen mit Freude, daß das hohe Paar unverletzt war, und, als wenn nichts geschehen wäre, weiter fuhr. Der Mörder aber war von vielen gesehen und sogleich ergriffen worden, und ist bereits, nach einem geheimen Verhör im Ministerium des Innern, auf Hochverrath angeklagt, nach dem Gefängnisse Newgate abgeführt worden. Was diesen Menschen zu einem solchen abscheulichen Versuch verleitet hat, ist noch in undurchdringliches Dunkel gehüllt. Nach seinem Benehmen seit seiner Verhaftung zu schließen, war es ein krankhafter Kitzel, die Welt von sich reden zu machen. Vielleicht waren die Pistolen nur blind geladen, da man alles Suchens ungeachtet noch kein Blei gefunden haben soll. (Nach andern Angaben wäre eine Kugel gefunden worden.) Indessen hat man in seiner Wohnung Dinge entdeckt, welche ihn für ein Mitglied irgend einer geheimen Gesellschaft halten lassen. Hoffentlich wird das Räthsel zur Beruhigung der Nation gelöst, und wenn noch andere des Verbrechens theilhaftig sind, solche ebenfalls zur Strafe gezogen werden. Es scheint leider seit kurzem unter unsere untern Volksclassen eine Art von Wuth gekommen zu seyn, welche auf einen gefährlichen geistigen Zustand schließen läßt. Binnen wenig Tagen hat in London ein Mann bei hellem Tage auf öffentlicher Straße, zuerst seiner Frau und dann sich selbst den Hals abgeschnitten, ein anderer versuchte ebenfalls auf der Straße sein Mädchen zu erstechen, und ein dritter erdrosselte seine Frau, während zu Manchester ein junger Mensch sich auf der Straße den Hals abschnitt, und in Nottingham ein anderer seine Frau zu Tode stampfte! – Die Monarchin hat, obgleich sie in gesegneten Umständen, von dem Schreck nicht die geringste üble Folge verspürt, und hat dadurch abermals bewiesen, daß in ihrem kleinen Körper eine große feste Seele wohnt, welche geeignet scheint, den Stürmen einer bewegten Zeit zu widerstehen. Gleich nach dem Vorfalle fuhr das hohe Paar aufs schnellste zur Herzogin von Kent, ohne Zweifel mit dem schönen kindlichen Gefühle, jedem Gerücht zuvorzukommen, welches die erlauchte Mutter zu sehr erschrecken könnte. Nachher fuhren sie in den Park, wo sie von Hohen und Niedern mit einer Herzlichkeit begrüßt wurden, welche die Monarchin von der innigen Theilnahme überzeugen mußte, womit die Nation ihre Herrscherin ansieht. Das Parlament hatte sich nach den kurzen Pfingstferien eben wieder versammelt. Die Glückwunschadresse beider Häuser ist heute Nachmittag überreicht worden, und zwar in Begleitung einer größern Anzahl von Mitgliedern, als man seit langer Zeit auf einmal vor dem Throne erscheinen sah. Auch die Corporation der City hat eine solche Adresse überreicht, und ohne Zweifel werden alle Gemeinden und Vereine jeder Art im ganzen Lande dem Beispiele folgen. Dabei waren die Anfragen im Palaste nach dem Befinden des hohen Paares von gestern früh an höchst zahlreich, und der Empfang, welchen die Königin und der Prinz gestern Abend auf ihrer gewöhnlichen Spazierfahrt fanden, war wo möglich noch enthusiastischer als am vorigen Abend, wenigstens hatten sich mehr Personen eingefunden, um dieselben zu sehen und zu begrüßen. Man bemerkte nicht, daß irgend eine Vorkehrung zu ihrer Sicherheit getroffen worden wäre; sie hatten keine militärische Begleitung, indem sie wohl fühlen mochten, daß keine Soldaten gegen solche Unternehmungen rasender Menschen schützen können, ein treues Volk aber die zuverlässigste Leibwache guter Fürsten ist. Während aber alle Parteien um den Thron her eines Herzens und eines Sinnes scheinen (denn selbst die verzweifeltsten Tories haben aufgehört, schimpflich von der Königin zu reden, und der gegenwärtige Vorfall wird sie noch mehr witzigen) droht in der Politik der Kampf der Parteien um so heftiger loszubrechen. Im Unterhause sollte gestern Abend Lord Stanley's Bill in den Ausschuß gebracht werden; aber man wußte auf der ministeriellen Seite durch mancherlei Vorschläge und lange Reden so die Zeit zu zersplittern, daß kein einziger Schritt vorwärts geschah. Wogegen denn auch Stanley drohte, nächsten Montag in Anspruch zu nehmen, welcher, nach allgemeiner Uebereinkunft, für Regierungssachen bestimmt ist. Gegen das Ende der Debatten geriethen auch O'Connell und einige Tories persönlich hart an einander, und es entstand ein Auftritt, welcher einer Versammlung von gebildeten Männern wenig Ehre macht. Heute Abend soll über den wichtigen Regierungsvorschlag, daß die das Armenwesen beaufsichtigende Commission erneuert werden solle, berathen werden, im Oberhause aber über die irische Corporationsreformbill, und eine andere, welche die Gränzen der Städte und die Gerichtsbarkeit der Gemeinderäthe bestimmen soll. Gestern Abend entschied jenes Haus wieder durch eine ungeheure Mehrheit, daß es durchaus nichts gestatten will, was nur zur geringsten Modification der Getreidegesetze Hoffnung machen könne. Die Mehrheit gegen Lord Fitzwilliams Vorschlag belief sich auf 184 Stimmen gegen 42.
Frankreich.
_ Paris, 14 Jun.
In der Sitzung der Deputirtenkammer am 13 Jun., worin die Eisenbahndiscussion fortgesetzt wurde, machte nach Verwerfung der drei Amendemens Hr. Berryer den Vorschlag, den 1 Art. folgendermaßen zu verfassen: „Der Minister der öffentlichen Arbeiten ist ermächtigt, im Namen des Staats der Compagnie der Eisenbahn von Paris nach Orleans ein
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(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
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