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Allgemeine Zeitung. Nr. 168. Augsburg, 16. Juni 1840.

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für jeden Europäer, der sich auf dem Festlande des himmlischen Reiches oder in den chinesischen Gewässern aufhalten mag. Es handelt sich nicht mehr um bloßen commerciellen Profit, nicht mehr um die Unterdrückung des Opiumschmuggels - es geht auf Leben und Tod. - Der bisherige kaiserliche Bevollmächtigte Lin hat diese Stelle aufgegeben, und ist nun eigentlicher Vicekönig der beiden zu Canton gehörenden Seeprovinzen. Am 1 Febr. erließ er ein Edict, nach welchem alle Engländer augenblicklich die letzte Stelle des Landes, das in den Händen der Portugiesen befindliche neutrale Macao, verlassen sollten. Die brittischen Kriegsschiffe, um das Leben der Engländer und die vielen Waaren, die daselbst aufgehäuft waren, zu schützen, ankerten im innern Hafen von Macao. Wie natürlich wären die Bewohner der Stadt in den blutigen Streit verwickelt worden, und die Portugiesen für ihre bisherigen, selbst unter beständiger Gefahr nicht unterlassenen Freundschaftsbeweise gegen die Engländer als erste Opfer des Kriegs gefallen. Die Protestationen und Proclamationen des Gouverneurs und Senats sind wirklich Muster in ihrer Art und hatten den Erfolg, daß sich die brittischen Schiffe zurückzogen. - Von jener Zeit an schienen die chinesischen Beamten friedlicher gestimmt zu werden, obschon eine bedeutende Landmacht, worunter viele Tartaren, sich um Canton und Macao sammelte. Viele europäische Kaufleute schienen die Hoffnung eines friedlichen Ausgangs der Sache zu hegen. Aber bald wurden sie enttäuscht. In der Nacht des 28 Febr. ließen die Chinesen zwei Brander mit einer Anzahl kleiner mit brennbaren Stoffen beladenen Boote in die englische Flotte hineinfahren. Die Nacht war hell und die Ebbe des Flusses schwach, so daß manche Schiffe ausweichen konnten, während andere versuchten, den Feuerschiffen eine Wendung zu geben, daß die Flotte verschont bliebe. Nur zwei englische Schiffe wurden beschädigt. In der folgenden Nacht blieb ein ähnlicher Versuch erfolglos; aber immerhin ist die Gefahr der Flotte, besonders bei der großen Kunst der Chinesen in solchen Dingen, bedeutend. Sobald das Fehlschlagen des Versuchs der Brander bekannt war, erfolgte ein weiterer Schritt zur gänzlichen Austreibung der Europäer. Yih, der chinesische Befehlshaber der Land- und Seemacht jener Provinzen, befahl allen Aus- und Eingang bei Macao zu versperren, um auf eine leichtere Weise die Schiffe aus dem Land zu treiben. Dieß traf aber die Einwohner Macao's mehr, als die wohlversehenen englischen Schiffe. Der Befehl wurde daher zurückgenommen. Ein dänisches Schiff, das des Handels wegen nach Canton gefahren war, wurde ohne weiteres confiscirt, ist aber bereits wieder an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben worden. - Tsang Wangyen (oder Tassang Monggan), oberster Präfect in Peking, und ein persönlicher Freund des Kaisers, hat ein ziemlich langes und ausführliches Memoriale dem Kaiser eingehändigt, worin er vorschlägt: 1) allen Aus- und Eingang der Gränzen zu sperren und 2) alle europäischen Schiffe zu zerstören, und jeden Europäer niederzumetzeln. (Wir verweisen auf die Auszüge im vorgestrigen Blatte der Allg. Zeitung.) Dieser gräßliche Plan hat vorläufig des Kaisers Genehmigung erhalten, und das Kriegsministerium ist beauftragt, weitere Erkundigungen über die Ausführbarkeit desselben einzuziehen. Am Schluß jener Denkschrift wird noch der Portugiesen in Macao gedacht - diese sollen nur ein gewisses Quantum von Thee und Rhabarber erhalten für Preise, die von der chinesischen Regierung fixirt werden. Im Fall nun alle Ausländer demüthigst um Verzeihung bäten, und die Portugiesen sich in der Zwischenzeit gut benähmen, sollten letztere für jeden Ausländer Bürgschaft leisten, ehe er auf irgend eine Weise sich mit dem Verkehr in chinesischen Waaren beschäftigen dürfe. Aber Tsang fürchtet, die Portugiesen werden der Versuchung nicht widerstehen, die ein erneuerter Opiumhandel ihnen darbieten werde, und deßwegen empfiehlt er auf den ersten Fall, der vorkäme, die auf frischer That ergriffenen Personen augenblicklich der Todesstrafe preiszugeben, und die Portugiesen selbst auf ewig aus dem Lande zu jagen. - In Peking scheint eine Revolution am Ausbruch zu stehen. Auch die strengsten und grausamsten Maaßregeln der Regierung sollen den häufigen Verschwörungen daselbst nicht Einhalt zu thun im Stande seyn *). - Es wäre wohl schwer zu sagen, was der Ausgang des brittischen Unternehmens gegen China seyn wird. Bedeutende Truppenabtheilungen haben sich hier so wie in Madras und Ceylon eingeschifft. Eben heute sind wieder sechs Schiffe mit 1000 Mann Infanterie zum Absegeln bereit; doch ist nicht zu vergessen, daß China keine geringe Streitmacht besitzt. Die brittischen Truppen werden wohl finden, daß der Kaiser von China etwas mehr vermag, als alle die Hunderte von indischen Radschahs zusammen. Doch die Zeit wird's lehren.

*) Auch die Pekin-Gazette spricht von Unzufriedenheit, Verschwörungen und partiellen Aufständen in den beiden Hauptstädten Peking und Moukden. Wir werden morgen ihren dießfallsigen Bericht nachtragen.

für jeden Europäer, der sich auf dem Festlande des himmlischen Reiches oder in den chinesischen Gewässern aufhalten mag. Es handelt sich nicht mehr um bloßen commerciellen Profit, nicht mehr um die Unterdrückung des Opiumschmuggels – es geht auf Leben und Tod. – Der bisherige kaiserliche Bevollmächtigte Lin hat diese Stelle aufgegeben, und ist nun eigentlicher Vicekönig der beiden zu Canton gehörenden Seeprovinzen. Am 1 Febr. erließ er ein Edict, nach welchem alle Engländer augenblicklich die letzte Stelle des Landes, das in den Händen der Portugiesen befindliche neutrale Macao, verlassen sollten. Die brittischen Kriegsschiffe, um das Leben der Engländer und die vielen Waaren, die daselbst aufgehäuft waren, zu schützen, ankerten im innern Hafen von Macao. Wie natürlich wären die Bewohner der Stadt in den blutigen Streit verwickelt worden, und die Portugiesen für ihre bisherigen, selbst unter beständiger Gefahr nicht unterlassenen Freundschaftsbeweise gegen die Engländer als erste Opfer des Kriegs gefallen. Die Protestationen und Proclamationen des Gouverneurs und Senats sind wirklich Muster in ihrer Art und hatten den Erfolg, daß sich die brittischen Schiffe zurückzogen. – Von jener Zeit an schienen die chinesischen Beamten friedlicher gestimmt zu werden, obschon eine bedeutende Landmacht, worunter viele Tartaren, sich um Canton und Macao sammelte. Viele europäische Kaufleute schienen die Hoffnung eines friedlichen Ausgangs der Sache zu hegen. Aber bald wurden sie enttäuscht. In der Nacht des 28 Febr. ließen die Chinesen zwei Brander mit einer Anzahl kleiner mit brennbaren Stoffen beladenen Boote in die englische Flotte hineinfahren. Die Nacht war hell und die Ebbe des Flusses schwach, so daß manche Schiffe ausweichen konnten, während andere versuchten, den Feuerschiffen eine Wendung zu geben, daß die Flotte verschont bliebe. Nur zwei englische Schiffe wurden beschädigt. In der folgenden Nacht blieb ein ähnlicher Versuch erfolglos; aber immerhin ist die Gefahr der Flotte, besonders bei der großen Kunst der Chinesen in solchen Dingen, bedeutend. Sobald das Fehlschlagen des Versuchs der Brander bekannt war, erfolgte ein weiterer Schritt zur gänzlichen Austreibung der Europäer. Yih, der chinesische Befehlshaber der Land- und Seemacht jener Provinzen, befahl allen Aus- und Eingang bei Macao zu versperren, um auf eine leichtere Weise die Schiffe aus dem Land zu treiben. Dieß traf aber die Einwohner Macao's mehr, als die wohlversehenen englischen Schiffe. Der Befehl wurde daher zurückgenommen. Ein dänisches Schiff, das des Handels wegen nach Canton gefahren war, wurde ohne weiteres confiscirt, ist aber bereits wieder an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben worden. – Tsang Wangyen (oder Tassang Monggan), oberster Präfect in Peking, und ein persönlicher Freund des Kaisers, hat ein ziemlich langes und ausführliches Memoriale dem Kaiser eingehändigt, worin er vorschlägt: 1) allen Aus- und Eingang der Gränzen zu sperren und 2) alle europäischen Schiffe zu zerstören, und jeden Europäer niederzumetzeln. (Wir verweisen auf die Auszüge im vorgestrigen Blatte der Allg. Zeitung.) Dieser gräßliche Plan hat vorläufig des Kaisers Genehmigung erhalten, und das Kriegsministerium ist beauftragt, weitere Erkundigungen über die Ausführbarkeit desselben einzuziehen. Am Schluß jener Denkschrift wird noch der Portugiesen in Macao gedacht – diese sollen nur ein gewisses Quantum von Thee und Rhabarber erhalten für Preise, die von der chinesischen Regierung fixirt werden. Im Fall nun alle Ausländer demüthigst um Verzeihung bäten, und die Portugiesen sich in der Zwischenzeit gut benähmen, sollten letztere für jeden Ausländer Bürgschaft leisten, ehe er auf irgend eine Weise sich mit dem Verkehr in chinesischen Waaren beschäftigen dürfe. Aber Tsang fürchtet, die Portugiesen werden der Versuchung nicht widerstehen, die ein erneuerter Opiumhandel ihnen darbieten werde, und deßwegen empfiehlt er auf den ersten Fall, der vorkäme, die auf frischer That ergriffenen Personen augenblicklich der Todesstrafe preiszugeben, und die Portugiesen selbst auf ewig aus dem Lande zu jagen. – In Peking scheint eine Revolution am Ausbruch zu stehen. Auch die strengsten und grausamsten Maaßregeln der Regierung sollen den häufigen Verschwörungen daselbst nicht Einhalt zu thun im Stande seyn *). – Es wäre wohl schwer zu sagen, was der Ausgang des brittischen Unternehmens gegen China seyn wird. Bedeutende Truppenabtheilungen haben sich hier so wie in Madras und Ceylon eingeschifft. Eben heute sind wieder sechs Schiffe mit 1000 Mann Infanterie zum Absegeln bereit; doch ist nicht zu vergessen, daß China keine geringe Streitmacht besitzt. Die brittischen Truppen werden wohl finden, daß der Kaiser von China etwas mehr vermag, als alle die Hunderte von indischen Radschahs zusammen. Doch die Zeit wird's lehren.

*) Auch die Pekin-Gazette spricht von Unzufriedenheit, Verschwörungen und partiellen Aufständen in den beiden Hauptstädten Peking und Moukden. Wir werden morgen ihren dießfallsigen Bericht nachtragen.
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Wie natürlich wären die Bewohner der Stadt in den blutigen Streit verwickelt worden, und die Portugiesen für ihre bisherigen, selbst unter beständiger Gefahr nicht unterlassenen Freundschaftsbeweise gegen die Engländer als erste Opfer des Kriegs gefallen. Die Protestationen und Proclamationen des Gouverneurs und Senats sind wirklich Muster in ihrer Art und hatten den Erfolg, daß sich die brittischen Schiffe zurückzogen. &#x2013; Von jener Zeit an schienen die chinesischen Beamten friedlicher gestimmt zu werden, obschon eine bedeutende Landmacht, worunter viele Tartaren, sich um Canton und Macao sammelte. Viele europäische Kaufleute schienen die Hoffnung eines friedlichen Ausgangs der Sache zu hegen. Aber bald wurden sie enttäuscht. In der Nacht des 28 Febr. ließen die Chinesen zwei Brander mit einer Anzahl kleiner mit brennbaren Stoffen beladenen Boote in die englische Flotte hineinfahren. Die Nacht war hell und die Ebbe des Flusses schwach, so daß manche Schiffe ausweichen konnten, während andere versuchten, den Feuerschiffen eine Wendung zu geben, daß die Flotte verschont bliebe. Nur zwei englische Schiffe wurden beschädigt. In der folgenden Nacht blieb ein ähnlicher Versuch erfolglos; aber immerhin ist die Gefahr der Flotte, besonders bei der großen Kunst der Chinesen in solchen Dingen, bedeutend. Sobald das Fehlschlagen des Versuchs der Brander bekannt war, erfolgte ein weiterer Schritt zur gänzlichen Austreibung der Europäer. Yih, der chinesische Befehlshaber der Land- und Seemacht jener Provinzen, befahl allen Aus- und Eingang bei Macao zu versperren, um auf eine leichtere Weise die Schiffe aus dem Land zu treiben. Dieß traf aber die Einwohner Macao's mehr, als die wohlversehenen englischen Schiffe. Der Befehl wurde daher zurückgenommen. Ein dänisches Schiff, das des Handels wegen nach Canton gefahren war, wurde ohne weiteres confiscirt, ist aber bereits wieder an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben worden. &#x2013; Tsang Wangyen (oder Tassang Monggan), oberster Präfect in Peking, und ein persönlicher Freund des Kaisers, hat ein ziemlich langes und ausführliches Memoriale dem Kaiser eingehändigt, worin er vorschlägt: 1) allen Aus- und Eingang der Gränzen zu sperren und 2) alle europäischen Schiffe zu zerstören, und jeden Europäer niederzumetzeln. (Wir verweisen auf die Auszüge im vorgestrigen Blatte der Allg. Zeitung.) Dieser gräßliche Plan hat vorläufig des Kaisers Genehmigung erhalten, und das Kriegsministerium ist beauftragt, weitere Erkundigungen über die Ausführbarkeit desselben einzuziehen. Am Schluß jener Denkschrift wird noch der Portugiesen in Macao gedacht &#x2013; diese sollen nur ein gewisses Quantum von Thee und Rhabarber erhalten für Preise, die von der chinesischen Regierung fixirt werden. Im Fall nun alle Ausländer demüthigst um Verzeihung bäten, und die Portugiesen sich in der Zwischenzeit gut benähmen, sollten letztere für jeden Ausländer Bürgschaft leisten, ehe er auf irgend eine Weise sich mit dem Verkehr in chinesischen Waaren beschäftigen dürfe. Aber Tsang fürchtet, die Portugiesen werden der Versuchung nicht widerstehen, die ein erneuerter Opiumhandel ihnen darbieten werde, und deßwegen empfiehlt er auf den ersten Fall, der vorkäme, die auf frischer That ergriffenen Personen augenblicklich der Todesstrafe preiszugeben, und die Portugiesen selbst auf ewig aus dem Lande zu jagen. &#x2013; In Peking scheint eine Revolution am Ausbruch zu stehen. 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[1344/0008] für jeden Europäer, der sich auf dem Festlande des himmlischen Reiches oder in den chinesischen Gewässern aufhalten mag. Es handelt sich nicht mehr um bloßen commerciellen Profit, nicht mehr um die Unterdrückung des Opiumschmuggels – es geht auf Leben und Tod. – Der bisherige kaiserliche Bevollmächtigte Lin hat diese Stelle aufgegeben, und ist nun eigentlicher Vicekönig der beiden zu Canton gehörenden Seeprovinzen. Am 1 Febr. erließ er ein Edict, nach welchem alle Engländer augenblicklich die letzte Stelle des Landes, das in den Händen der Portugiesen befindliche neutrale Macao, verlassen sollten. Die brittischen Kriegsschiffe, um das Leben der Engländer und die vielen Waaren, die daselbst aufgehäuft waren, zu schützen, ankerten im innern Hafen von Macao. Wie natürlich wären die Bewohner der Stadt in den blutigen Streit verwickelt worden, und die Portugiesen für ihre bisherigen, selbst unter beständiger Gefahr nicht unterlassenen Freundschaftsbeweise gegen die Engländer als erste Opfer des Kriegs gefallen. Die Protestationen und Proclamationen des Gouverneurs und Senats sind wirklich Muster in ihrer Art und hatten den Erfolg, daß sich die brittischen Schiffe zurückzogen. – Von jener Zeit an schienen die chinesischen Beamten friedlicher gestimmt zu werden, obschon eine bedeutende Landmacht, worunter viele Tartaren, sich um Canton und Macao sammelte. Viele europäische Kaufleute schienen die Hoffnung eines friedlichen Ausgangs der Sache zu hegen. Aber bald wurden sie enttäuscht. In der Nacht des 28 Febr. ließen die Chinesen zwei Brander mit einer Anzahl kleiner mit brennbaren Stoffen beladenen Boote in die englische Flotte hineinfahren. Die Nacht war hell und die Ebbe des Flusses schwach, so daß manche Schiffe ausweichen konnten, während andere versuchten, den Feuerschiffen eine Wendung zu geben, daß die Flotte verschont bliebe. Nur zwei englische Schiffe wurden beschädigt. In der folgenden Nacht blieb ein ähnlicher Versuch erfolglos; aber immerhin ist die Gefahr der Flotte, besonders bei der großen Kunst der Chinesen in solchen Dingen, bedeutend. Sobald das Fehlschlagen des Versuchs der Brander bekannt war, erfolgte ein weiterer Schritt zur gänzlichen Austreibung der Europäer. Yih, der chinesische Befehlshaber der Land- und Seemacht jener Provinzen, befahl allen Aus- und Eingang bei Macao zu versperren, um auf eine leichtere Weise die Schiffe aus dem Land zu treiben. Dieß traf aber die Einwohner Macao's mehr, als die wohlversehenen englischen Schiffe. Der Befehl wurde daher zurückgenommen. Ein dänisches Schiff, das des Handels wegen nach Canton gefahren war, wurde ohne weiteres confiscirt, ist aber bereits wieder an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben worden. – Tsang Wangyen (oder Tassang Monggan), oberster Präfect in Peking, und ein persönlicher Freund des Kaisers, hat ein ziemlich langes und ausführliches Memoriale dem Kaiser eingehändigt, worin er vorschlägt: 1) allen Aus- und Eingang der Gränzen zu sperren und 2) alle europäischen Schiffe zu zerstören, und jeden Europäer niederzumetzeln. (Wir verweisen auf die Auszüge im vorgestrigen Blatte der Allg. Zeitung.) Dieser gräßliche Plan hat vorläufig des Kaisers Genehmigung erhalten, und das Kriegsministerium ist beauftragt, weitere Erkundigungen über die Ausführbarkeit desselben einzuziehen. Am Schluß jener Denkschrift wird noch der Portugiesen in Macao gedacht – diese sollen nur ein gewisses Quantum von Thee und Rhabarber erhalten für Preise, die von der chinesischen Regierung fixirt werden. Im Fall nun alle Ausländer demüthigst um Verzeihung bäten, und die Portugiesen sich in der Zwischenzeit gut benähmen, sollten letztere für jeden Ausländer Bürgschaft leisten, ehe er auf irgend eine Weise sich mit dem Verkehr in chinesischen Waaren beschäftigen dürfe. Aber Tsang fürchtet, die Portugiesen werden der Versuchung nicht widerstehen, die ein erneuerter Opiumhandel ihnen darbieten werde, und deßwegen empfiehlt er auf den ersten Fall, der vorkäme, die auf frischer That ergriffenen Personen augenblicklich der Todesstrafe preiszugeben, und die Portugiesen selbst auf ewig aus dem Lande zu jagen. – In Peking scheint eine Revolution am Ausbruch zu stehen. Auch die strengsten und grausamsten Maaßregeln der Regierung sollen den häufigen Verschwörungen daselbst nicht Einhalt zu thun im Stande seyn *). – Es wäre wohl schwer zu sagen, was der Ausgang des brittischen Unternehmens gegen China seyn wird. Bedeutende Truppenabtheilungen haben sich hier so wie in Madras und Ceylon eingeschifft. Eben heute sind wieder sechs Schiffe mit 1000 Mann Infanterie zum Absegeln bereit; doch ist nicht zu vergessen, daß China keine geringe Streitmacht besitzt. Die brittischen Truppen werden wohl finden, daß der Kaiser von China etwas mehr vermag, als alle die Hunderte von indischen Radschahs zusammen. Doch die Zeit wird's lehren. *) Auch die Pekin-Gazette spricht von Unzufriedenheit, Verschwörungen und partiellen Aufständen in den beiden Hauptstädten Peking und Moukden. Wir werden morgen ihren dießfallsigen Bericht nachtragen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 168. Augsburg, 16. Juni 1840, S. 1344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_168_18400616/8>, abgerufen am 20.04.2024.