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Allgemeine Zeitung. Nr. 167. Augsburg, 15. Juni 1840.

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dem gefährlichen Geist der Neuerungen, welcher jetzt die Welt mit ihrem Schwindel ergriffen hat; eben so sehr aber vermeide es, mit allzu großer Vorliebe am Alten zu hängen. Nur wenn du dich von diesen beiden Klippen glücklich entfernt hältst, wirst du mit Glück und Segen auf dem Throne deiner Väter herrschen." - Ueber die Frau Fürstin Liegnitz äußert sich der König mit den Worten der innigsten Liebe und Hochachtung. - Eine Stelle des Testaments hat alle Zuhörer besonders tief ergriffen; sie lautet wie ich höre: "Ich vergebe allen meinen Feinden, insbesondere auch denjenigen, welche mir durch Schriften in der öffentlichen Meinung, und somit in der Liebe meines Volkes, die mein höchster Schatz ist, zu schaden gesucht haben." - Ueber diese Liebe zu dem Volke, wie sie beständig in dem Herzen des Verewigten lebendig gewesen, und wie innig er die treue Gegenliebe anerkenne, die er in der Nation gefunden, drückt das Testament sich ebenfalls mehrfältig auf das wärmste aus.

Oesterreich.

Ein Festmahl, welches Fürst Metternich gestern in seiner reizvollen Villa am Rennwege gab, ist heute Tagesgespräch. Es war eben ein Vierteljahrhundert verflossen seit dem Tage, an welchem in Wien die deutsche Bundesacte vom 8 Jun. 1815 unterzeichnet worden ist. Hatten damals die souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands, von den Vortheilen überzeugt, welche aus ihrer festen und dauerhaften Verbindung für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands, so wie für die Ruhe und das Gleichgewicht Europa's hervorgehen würden, ihre Gesandten und Bevollmächtigten am Congresse mit Vollmachten versehen, den 6ten Artikel des Pariser Friedens vom 30 Mai 1814 in Erfüllung zu setzen, so war es gewiß ein glücklicher Gedanke des Staatsmannes, welcher diese Acte im Namen und Auftrag des höchstseligen Kaisers Franz zuerst unterzeichnet hatte, gestern sämmtliche hier accreditirte Repräsentanten der deutschen Regierungen, nebst dem eben hier anwesenden k. k. Bundespräsidialgesandten, Grafen v. Münch-Bellinghausen, um sich zu vereinigen, mit deutschem Sinne und deutschem Wein (Johannisberger) auf das fernere Gedeihen und den Flor dieses mächtigen Bundes einen Toast auszubringen, und dadurch gewissermaßen den denkwürdigen Vertrag von neuem zu bekräftigen und zu besiegeln. Und welcher deutsche Vaterlandsfreund wird nicht einstimmen in die Worte, welche in Erwiederung auf jenen Toast von dem großherzogl. badischen Gesandten, General v. Tettenborn, als Doyen des hiesigen Corps diplomatique, mit tiefbewegter Stimme gesprochen wurden: "Heil und Segen den Gründern des deutschen Bundes und vor Allem dem großen Staatsmanne, der sich die Ausbildung und Erkräftigung dieses mächtigen Vereins fortwährend zu einer Aufgabe seines vielbewegten Lebens macht!"

Im Laufe voriger Woche ist der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg, Vater des Königs von Portugal und der Prinzessin von Nemours, von Paris zurück, und einige Tage hierauf der regierende Herzog von Sachsen-Coburg, Vater des Prinzen Albert, Gemahls der Königin Victoria von England, zum Besuch seines Bruders hier eingetroffen. Es heißt, Se. regierende Durchlaucht werde sich nach kurzem Aufenthalt dahier nach Karlsbad begeben. - Der Gesandte der nordamerikanischen Freistaaten, Hr. Mühlenberg, hat eine kurze Reise nach Böhmen und Sachsen unternommen. - Der Herzog von Bordeaux ist unter dem Incognito eines Grafen v. Chambord am 31 Mai in Grätz angekommen, und hat am 3 d. in Brandsee einen Besuch gemacht. Dieses seiner Mutter, der Frau Herzogin von Berry, gehörige Schloß ist, wenn nicht königlich, doch immer sehr comfortabel eingerichtet. Von den in Grätz befindlichen Franzosen wurde der Herzog mit Enthusiasmus begrüßt. Der Gouverneur von Steiermark, Graf Wickenburg, gab ihm zu Ehren ein Fest. Alles beeiferte sich ihn zu fetiren. Am 3 Jun. empfing er die Abschiedsbesuche und empfahl sich bei seiner Mutter, um am folgenden Tag nach Linz abzureisen und die dortigen Befestigungsthürme in Augenschein zu nehmen. - Berichten aus Turin zufolge hat Se. Maj. der König von Sardinien am 30 v. M. den Abschluß der zwischen Oesterreich und Sardinien schon seit längerer Zeit verhandelten Convention, hinsichtlich des Schutzes des litterarischen Eigenthums, unterzeichnet. Von hiesiger Seite war zu Betreibung dieser Angelegenheit der Staatskanzleirath Vesque v. Püttlingen schon vor einigen Monaten eigens nach Turin beordert worden, und wird nun zurückerwartet.

Die neuen Landtagsgesetze dürften in wenigen Wochen publicirt, und die meisten gleich in Wirksamkeit gesetzt werden. Das wichtige Commercialgesetz aber, das größerer Vorbereitungen bedarf, soll erst mit 1 Jan. 1841 ins Leben treten. Das Gesetz in Betreff der Juden ist in seiner endlichen Abfassung so kümmerlich zugestutzt worden, daß in den Verhältnissen dieser Nation schwerlich eine nur irgend merkliche Veränderung wahrzunehmen seyn wird. Man verspricht sich allerdings von künftigen Landtagen weitere Progresse, indem die weise Regierung es für gerathen hält, bei einer Angelegenheit, die so viele Interessen berührt, nicht mit der Thür ins Haus zu fallen, aber für jetzt ist so viel wie nichts geschehen. Die Juden können nach wie vor nicht einmal Bauergründe auf dem Lande, viel weniger Grundstücke in den Städten besitzen; sie können keine Bauern, geschweige denn Bürger seyn - von Aemtern und Würden ist gar keine Rede. Gewerbe treiben durften sie schon vorher, aber auch jetzt ist ihnen nicht gestattet christliche Arbeiter zu halten. Die einzige merkliche Concession besteht darin, daß sie jetzt in einigen Orten des Landes, wohin sie früher nicht zugelassen wurden, domiciliren können; das ist aber auch alles, was an einem Gesetze gelassen wurde, das ursprünglich die vollständige Gleichstellung der Juden mit den Christen forderte. - An unserer Kettenbrücke wird jetzt sehr thätig gearbeitet. Es sind bis jetzt freilich nur Vorarbeiten zu den Vorarbeiten, aber man glaubt, daß um so rascher die eigentlichen Arbeiten vor sich gehen werden.

Türkei.

Nach den neuesten Berichten aus Konstantinopel liegt Ponsonby seit einiger Zeit der Pforte besonders dringend an; ein Reservelager von 18,000 Mann in Kleinasien zu bilden, um etwaigen Vorrückungsplanen Ibrahim Pascha's einen Damm entgegen zu setzen. Allein dieses Project wird von den übrigen Diplomaten eher bekämpft als unterstützt, indem sie die Erschöpfung der Pforte in financieller Hinsicht und die traurige Lage im Allgemeinen, so wie den Umstand dagegen anführen, daß Ibrahim Pascha dadurch eher zum Vorrücken gereizt als davon abgehalten werden würde. Selbst der russische Botschafter ist gegen das Project, man sagt mit aus dem Grunde, weil er erfahren, daß Ponsonby das Commando des zu bildenden Lagers dem polnischen General Chzranowsky zu verschaffen gedenke. - In Serbien befestigt sich die neue Ordnung, die Ruhe ist allenthalben zurückgekehrt, ein blutiger Exceß hat nirgends stattgefunden. - Die Pest am rechten Donau-Ufer hat in den letzten Tagen bedeutend abgenommen, in den meisten inficirt

dem gefährlichen Geist der Neuerungen, welcher jetzt die Welt mit ihrem Schwindel ergriffen hat; eben so sehr aber vermeide es, mit allzu großer Vorliebe am Alten zu hängen. Nur wenn du dich von diesen beiden Klippen glücklich entfernt hältst, wirst du mit Glück und Segen auf dem Throne deiner Väter herrschen.“ – Ueber die Frau Fürstin Liegnitz äußert sich der König mit den Worten der innigsten Liebe und Hochachtung. – Eine Stelle des Testaments hat alle Zuhörer besonders tief ergriffen; sie lautet wie ich höre: „Ich vergebe allen meinen Feinden, insbesondere auch denjenigen, welche mir durch Schriften in der öffentlichen Meinung, und somit in der Liebe meines Volkes, die mein höchster Schatz ist, zu schaden gesucht haben.“ – Ueber diese Liebe zu dem Volke, wie sie beständig in dem Herzen des Verewigten lebendig gewesen, und wie innig er die treue Gegenliebe anerkenne, die er in der Nation gefunden, drückt das Testament sich ebenfalls mehrfältig auf das wärmste aus.

Oesterreich.

Ein Festmahl, welches Fürst Metternich gestern in seiner reizvollen Villa am Rennwege gab, ist heute Tagesgespräch. Es war eben ein Vierteljahrhundert verflossen seit dem Tage, an welchem in Wien die deutsche Bundesacte vom 8 Jun. 1815 unterzeichnet worden ist. Hatten damals die souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands, von den Vortheilen überzeugt, welche aus ihrer festen und dauerhaften Verbindung für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands, so wie für die Ruhe und das Gleichgewicht Europa's hervorgehen würden, ihre Gesandten und Bevollmächtigten am Congresse mit Vollmachten versehen, den 6ten Artikel des Pariser Friedens vom 30 Mai 1814 in Erfüllung zu setzen, so war es gewiß ein glücklicher Gedanke des Staatsmannes, welcher diese Acte im Namen und Auftrag des höchstseligen Kaisers Franz zuerst unterzeichnet hatte, gestern sämmtliche hier accreditirte Repräsentanten der deutschen Regierungen, nebst dem eben hier anwesenden k. k. Bundespräsidialgesandten, Grafen v. Münch-Bellinghausen, um sich zu vereinigen, mit deutschem Sinne und deutschem Wein (Johannisberger) auf das fernere Gedeihen und den Flor dieses mächtigen Bundes einen Toast auszubringen, und dadurch gewissermaßen den denkwürdigen Vertrag von neuem zu bekräftigen und zu besiegeln. Und welcher deutsche Vaterlandsfreund wird nicht einstimmen in die Worte, welche in Erwiederung auf jenen Toast von dem großherzogl. badischen Gesandten, General v. Tettenborn, als Doyen des hiesigen Corps diplomatique, mit tiefbewegter Stimme gesprochen wurden: „Heil und Segen den Gründern des deutschen Bundes und vor Allem dem großen Staatsmanne, der sich die Ausbildung und Erkräftigung dieses mächtigen Vereins fortwährend zu einer Aufgabe seines vielbewegten Lebens macht!“

Im Laufe voriger Woche ist der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg, Vater des Königs von Portugal und der Prinzessin von Nemours, von Paris zurück, und einige Tage hierauf der regierende Herzog von Sachsen-Coburg, Vater des Prinzen Albert, Gemahls der Königin Victoria von England, zum Besuch seines Bruders hier eingetroffen. Es heißt, Se. regierende Durchlaucht werde sich nach kurzem Aufenthalt dahier nach Karlsbad begeben. – Der Gesandte der nordamerikanischen Freistaaten, Hr. Mühlenberg, hat eine kurze Reise nach Böhmen und Sachsen unternommen. – Der Herzog von Bordeaux ist unter dem Incognito eines Grafen v. Chambord am 31 Mai in Grätz angekommen, und hat am 3 d. in Brandsee einen Besuch gemacht. Dieses seiner Mutter, der Frau Herzogin von Berry, gehörige Schloß ist, wenn nicht königlich, doch immer sehr comfortabel eingerichtet. Von den in Grätz befindlichen Franzosen wurde der Herzog mit Enthusiasmus begrüßt. Der Gouverneur von Steiermark, Graf Wickenburg, gab ihm zu Ehren ein Fest. Alles beeiferte sich ihn zu fetiren. Am 3 Jun. empfing er die Abschiedsbesuche und empfahl sich bei seiner Mutter, um am folgenden Tag nach Linz abzureisen und die dortigen Befestigungsthürme in Augenschein zu nehmen. – Berichten aus Turin zufolge hat Se. Maj. der König von Sardinien am 30 v. M. den Abschluß der zwischen Oesterreich und Sardinien schon seit längerer Zeit verhandelten Convention, hinsichtlich des Schutzes des litterarischen Eigenthums, unterzeichnet. Von hiesiger Seite war zu Betreibung dieser Angelegenheit der Staatskanzleirath Vesque v. Püttlingen schon vor einigen Monaten eigens nach Turin beordert worden, und wird nun zurückerwartet.

Die neuen Landtagsgesetze dürften in wenigen Wochen publicirt, und die meisten gleich in Wirksamkeit gesetzt werden. Das wichtige Commercialgesetz aber, das größerer Vorbereitungen bedarf, soll erst mit 1 Jan. 1841 ins Leben treten. Das Gesetz in Betreff der Juden ist in seiner endlichen Abfassung so kümmerlich zugestutzt worden, daß in den Verhältnissen dieser Nation schwerlich eine nur irgend merkliche Veränderung wahrzunehmen seyn wird. Man verspricht sich allerdings von künftigen Landtagen weitere Progresse, indem die weise Regierung es für gerathen hält, bei einer Angelegenheit, die so viele Interessen berührt, nicht mit der Thür ins Haus zu fallen, aber für jetzt ist so viel wie nichts geschehen. Die Juden können nach wie vor nicht einmal Bauergründe auf dem Lande, viel weniger Grundstücke in den Städten besitzen; sie können keine Bauern, geschweige denn Bürger seyn – von Aemtern und Würden ist gar keine Rede. Gewerbe treiben durften sie schon vorher, aber auch jetzt ist ihnen nicht gestattet christliche Arbeiter zu halten. Die einzige merkliche Concession besteht darin, daß sie jetzt in einigen Orten des Landes, wohin sie früher nicht zugelassen wurden, domiciliren können; das ist aber auch alles, was an einem Gesetze gelassen wurde, das ursprünglich die vollständige Gleichstellung der Juden mit den Christen forderte. – An unserer Kettenbrücke wird jetzt sehr thätig gearbeitet. Es sind bis jetzt freilich nur Vorarbeiten zu den Vorarbeiten, aber man glaubt, daß um so rascher die eigentlichen Arbeiten vor sich gehen werden.

Türkei.

Nach den neuesten Berichten aus Konstantinopel liegt Ponsonby seit einiger Zeit der Pforte besonders dringend an; ein Reservelager von 18,000 Mann in Kleinasien zu bilden, um etwaigen Vorrückungsplanen Ibrahim Pascha's einen Damm entgegen zu setzen. Allein dieses Project wird von den übrigen Diplomaten eher bekämpft als unterstützt, indem sie die Erschöpfung der Pforte in financieller Hinsicht und die traurige Lage im Allgemeinen, so wie den Umstand dagegen anführen, daß Ibrahim Pascha dadurch eher zum Vorrücken gereizt als davon abgehalten werden würde. Selbst der russische Botschafter ist gegen das Project, man sagt mit aus dem Grunde, weil er erfahren, daß Ponsonby das Commando des zu bildenden Lagers dem polnischen General Chzranowsky zu verschaffen gedenke. – In Serbien befestigt sich die neue Ordnung, die Ruhe ist allenthalben zurückgekehrt, ein blutiger Exceß hat nirgends stattgefunden. – Die Pest am rechten Donau-Ufer hat in den letzten Tagen bedeutend abgenommen, in den meisten inficirt

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[1335/0007] dem gefährlichen Geist der Neuerungen, welcher jetzt die Welt mit ihrem Schwindel ergriffen hat; eben so sehr aber vermeide es, mit allzu großer Vorliebe am Alten zu hängen. Nur wenn du dich von diesen beiden Klippen glücklich entfernt hältst, wirst du mit Glück und Segen auf dem Throne deiner Väter herrschen.“ – Ueber die Frau Fürstin Liegnitz äußert sich der König mit den Worten der innigsten Liebe und Hochachtung. – Eine Stelle des Testaments hat alle Zuhörer besonders tief ergriffen; sie lautet wie ich höre: „Ich vergebe allen meinen Feinden, insbesondere auch denjenigen, welche mir durch Schriften in der öffentlichen Meinung, und somit in der Liebe meines Volkes, die mein höchster Schatz ist, zu schaden gesucht haben.“ – Ueber diese Liebe zu dem Volke, wie sie beständig in dem Herzen des Verewigten lebendig gewesen, und wie innig er die treue Gegenliebe anerkenne, die er in der Nation gefunden, drückt das Testament sich ebenfalls mehrfältig auf das wärmste aus. Oesterreich. _ Wien, 10 Jun. Ein Festmahl, welches Fürst Metternich gestern in seiner reizvollen Villa am Rennwege gab, ist heute Tagesgespräch. Es war eben ein Vierteljahrhundert verflossen seit dem Tage, an welchem in Wien die deutsche Bundesacte vom 8 Jun. 1815 unterzeichnet worden ist. Hatten damals die souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands, von den Vortheilen überzeugt, welche aus ihrer festen und dauerhaften Verbindung für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands, so wie für die Ruhe und das Gleichgewicht Europa's hervorgehen würden, ihre Gesandten und Bevollmächtigten am Congresse mit Vollmachten versehen, den 6ten Artikel des Pariser Friedens vom 30 Mai 1814 in Erfüllung zu setzen, so war es gewiß ein glücklicher Gedanke des Staatsmannes, welcher diese Acte im Namen und Auftrag des höchstseligen Kaisers Franz zuerst unterzeichnet hatte, gestern sämmtliche hier accreditirte Repräsentanten der deutschen Regierungen, nebst dem eben hier anwesenden k. k. Bundespräsidialgesandten, Grafen v. Münch-Bellinghausen, um sich zu vereinigen, mit deutschem Sinne und deutschem Wein (Johannisberger) auf das fernere Gedeihen und den Flor dieses mächtigen Bundes einen Toast auszubringen, und dadurch gewissermaßen den denkwürdigen Vertrag von neuem zu bekräftigen und zu besiegeln. Und welcher deutsche Vaterlandsfreund wird nicht einstimmen in die Worte, welche in Erwiederung auf jenen Toast von dem großherzogl. badischen Gesandten, General v. Tettenborn, als Doyen des hiesigen Corps diplomatique, mit tiefbewegter Stimme gesprochen wurden: „Heil und Segen den Gründern des deutschen Bundes und vor Allem dem großen Staatsmanne, der sich die Ausbildung und Erkräftigung dieses mächtigen Vereins fortwährend zu einer Aufgabe seines vielbewegten Lebens macht!“ _ Wien, 9 Jun. Im Laufe voriger Woche ist der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg, Vater des Königs von Portugal und der Prinzessin von Nemours, von Paris zurück, und einige Tage hierauf der regierende Herzog von Sachsen-Coburg, Vater des Prinzen Albert, Gemahls der Königin Victoria von England, zum Besuch seines Bruders hier eingetroffen. Es heißt, Se. regierende Durchlaucht werde sich nach kurzem Aufenthalt dahier nach Karlsbad begeben. – Der Gesandte der nordamerikanischen Freistaaten, Hr. Mühlenberg, hat eine kurze Reise nach Böhmen und Sachsen unternommen. – Der Herzog von Bordeaux ist unter dem Incognito eines Grafen v. Chambord am 31 Mai in Grätz angekommen, und hat am 3 d. in Brandsee einen Besuch gemacht. Dieses seiner Mutter, der Frau Herzogin von Berry, gehörige Schloß ist, wenn nicht königlich, doch immer sehr comfortabel eingerichtet. Von den in Grätz befindlichen Franzosen wurde der Herzog mit Enthusiasmus begrüßt. Der Gouverneur von Steiermark, Graf Wickenburg, gab ihm zu Ehren ein Fest. Alles beeiferte sich ihn zu fetiren. Am 3 Jun. empfing er die Abschiedsbesuche und empfahl sich bei seiner Mutter, um am folgenden Tag nach Linz abzureisen und die dortigen Befestigungsthürme in Augenschein zu nehmen. – Berichten aus Turin zufolge hat Se. Maj. der König von Sardinien am 30 v. M. den Abschluß der zwischen Oesterreich und Sardinien schon seit längerer Zeit verhandelten Convention, hinsichtlich des Schutzes des litterarischen Eigenthums, unterzeichnet. Von hiesiger Seite war zu Betreibung dieser Angelegenheit der Staatskanzleirath Vesque v. Püttlingen schon vor einigen Monaten eigens nach Turin beordert worden, und wird nun zurückerwartet. _ Pesth, 6 Jun. Die neuen Landtagsgesetze dürften in wenigen Wochen publicirt, und die meisten gleich in Wirksamkeit gesetzt werden. Das wichtige Commercialgesetz aber, das größerer Vorbereitungen bedarf, soll erst mit 1 Jan. 1841 ins Leben treten. Das Gesetz in Betreff der Juden ist in seiner endlichen Abfassung so kümmerlich zugestutzt worden, daß in den Verhältnissen dieser Nation schwerlich eine nur irgend merkliche Veränderung wahrzunehmen seyn wird. Man verspricht sich allerdings von künftigen Landtagen weitere Progresse, indem die weise Regierung es für gerathen hält, bei einer Angelegenheit, die so viele Interessen berührt, nicht mit der Thür ins Haus zu fallen, aber für jetzt ist so viel wie nichts geschehen. Die Juden können nach wie vor nicht einmal Bauergründe auf dem Lande, viel weniger Grundstücke in den Städten besitzen; sie können keine Bauern, geschweige denn Bürger seyn – von Aemtern und Würden ist gar keine Rede. Gewerbe treiben durften sie schon vorher, aber auch jetzt ist ihnen nicht gestattet christliche Arbeiter zu halten. Die einzige merkliche Concession besteht darin, daß sie jetzt in einigen Orten des Landes, wohin sie früher nicht zugelassen wurden, domiciliren können; das ist aber auch alles, was an einem Gesetze gelassen wurde, das ursprünglich die vollständige Gleichstellung der Juden mit den Christen forderte. – An unserer Kettenbrücke wird jetzt sehr thätig gearbeitet. Es sind bis jetzt freilich nur Vorarbeiten zu den Vorarbeiten, aber man glaubt, daß um so rascher die eigentlichen Arbeiten vor sich gehen werden. Türkei. _ Von der türkischen Gränze, 3 Jun. Nach den neuesten Berichten aus Konstantinopel liegt Ponsonby seit einiger Zeit der Pforte besonders dringend an; ein Reservelager von 18,000 Mann in Kleinasien zu bilden, um etwaigen Vorrückungsplanen Ibrahim Pascha's einen Damm entgegen zu setzen. Allein dieses Project wird von den übrigen Diplomaten eher bekämpft als unterstützt, indem sie die Erschöpfung der Pforte in financieller Hinsicht und die traurige Lage im Allgemeinen, so wie den Umstand dagegen anführen, daß Ibrahim Pascha dadurch eher zum Vorrücken gereizt als davon abgehalten werden würde. Selbst der russische Botschafter ist gegen das Project, man sagt mit aus dem Grunde, weil er erfahren, daß Ponsonby das Commando des zu bildenden Lagers dem polnischen General Chzranowsky zu verschaffen gedenke. – In Serbien befestigt sich die neue Ordnung, die Ruhe ist allenthalben zurückgekehrt, ein blutiger Exceß hat nirgends stattgefunden. – Die Pest am rechten Donau-Ufer hat in den letzten Tagen bedeutend abgenommen, in den meisten inficirt

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 167. Augsburg, 15. Juni 1840, S. 1335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_167_18400615/7>, abgerufen am 24.04.2024.