Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 167. Augsburg, 15. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

sich zu sondern, diese Menge selbst ausmacht, und die Majorität von anderswo nur in einer unscheinbaren und kaum beachteten Minorität auftritt. - Unter den eingetroffenen Gästen sind zu erwähnen; der Herzog von Rohan, der Generallieutenant Graf Du Moulin, Mittermaier, v. Rotteck und Graf Bismark; unter den nächstens zu erwartenden: der Marquis d'Eyragues, k. französischer Gesandter zu Karlsruhe. Die heutige Badeliste geht bis 2482.

Sicherm Vernehmen nach hat der, besonders auf dem Gebiete der alten und mittleren Geschichte ausgezeichnete und als anregender Lehrer gerühmte Professor Kortüm in Bern einen Ruf an unsere Universität angenommen. Die Besetzung der Thibaut'schen Stelle kennen Sie bereits. Sie ist dem als Verfasser eines auch von Thibaut in hohem Grade gewürdigten Pandekten-Compendiums und trefflichen Lehrer bekannten Professor v. Vangerow in Marburg zu Theil geworden. Derselbe steht im besten Mannesalter und ist noch jung genug, daß sein frisch aufblühender Ruhm mit dem altbewährten unserer Hochschule zusammenwachse; jedenfalls muß es für ihn ein starker Sporn seyn, der Nachfolger Thibauts zu werden.

Bei der neulichen Berathung über die hannover'schen Angelegenheiten in der ersten Kammer der sächsischen Ständeversammlung äußerte der Superintendent Dr. Großmann: "Ueber Principien kann nicht paciscirt werden. Entweder die Verfassung von 1833 ist rechtsbeständig oder nicht; ein drittes gibt es nicht; transigiren kann man nicht. Läge ein Rechtsspruch darüber vor, so müßte sich dem jeder unterwerfen; aber vor der Hand ist der noch nicht gesprochen, und darum halte ich die Lage der Dinge für höchst gefährlich. Sie ist es um so mehr, da durch Alles, was bis jetzt geschehen ist, das Rechtsgefühl, das Nationalgefühl, das sittliche Gefühl aller Deutschen auf das tiefste verletzt worden ist, und in dieser Beziehung die Sache einen gesetzlichen Charakter angenommen hat, der, wenn er auch allenfalls jetzt noch hie und da verkannt werden sollte, vor dem Richterstuhle der Nachwelt und der Geschichte die gerechteste Würdigung finden wird. Mit der geehrten Deputation bin ich daher in der Hauptsache sehr einverstanden." Der Redner wünschte jedoch, daß der erste Antrag der jenseitigen Kammer in anderer Weise wieder aufgenommen würde, nämlich: "daß Artikel 56 der Wiener Schlußacte vom 15 Mai 1820, welcher ausdrücklich bestimmt, daß die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen nur auf verfassungsmäßigem Wege wieder abgeändert werden können, als deutsches Staatsprincip erhalten werden möge." "Uebrigens, fuhr der Redner fort, kann ich dem hannover'schen Volke nur meine wärmste und innigste Hochachtung und Bewunderung ausdrücken. Der Ernst, die Besonnenheit, die Mäßigung, die Ausdauer, mit welcher es sein Recht zu wahren sucht, ist eine wahre Ehrenrettung des deutschen Nationalcharakters, möge der Erfolg seyn, welcher er wolle." Obiger Antrag wurde ausreichend unterstützt. Dagegen machte der Staatsminister v. Zeschau bemerklich, wie die größte Vorsicht erforderlich sey, ehe man derartige Anträge an die Regierung bringe: "Ich nehme, waren seine Worte, keinen Anstand, in öffentlicher Sitzung zu sagen, daß es das Interesse aller Staaten von der Größe wie Sachsen erheischt, jede fremde Einmischung so lange als möglich von den innern Angelegenheiten abzuhalten, daß daher, wenn wir uns jetzt durch eine fremde Angelegenheit verleiten lassen sollten, einen Antrag, wie der vorliegende, zu stellen, möglicherweise ein Zeitpunkt eintreten könnte, wo man denselben schwer bereuen könnte. Ich will mich nicht ausführlich darüber aussprechen, daß es etwas weiter zurück eine Zeitperiode gegeben hat, wo in der That eine solche Einmischung möglich, und gewiß Allen sehr empfindlich gewesen seyn würde." Der Beschluß der Kammer ist bereits mitgetheilt worden. Die Regierung stellte am Schlusse den Antrag, daß, wenn die vorliegende Angelegenheit ferner noch zu Verhandlungen in einer oder der andern Kammer führen sollte, diese Verhandlung nur in geheimer Sitzung stattfinden möge, der Beschluß über den Protokolextract aber, und ob er an eine Deputation gerichtet, oder was sonst mit demselben geschehen soll, ebenfalls in geheimer Sitzung gefaßt werde. (Leipz. Z.)

Die eine Kammer hat sich noch mehr als die andere beeilt, mit der Verfassung in so weit in Ordnung zu kommen, daß sich nicht sagen läßt: l'uno la fece e l'altro cassa la stampa. Sie haben die Verfassungsurkunde einsinnig berathen, und mit Ausnahme des sechsten Abschnitts so gut als angenommen. Deßgleichen haben sie den Wirthschaftsplan für das laufende Jahr mit Ausnahme des Kopfgelderlasses gebilligt; diese beiden Ausnahmen enthalten aber gerade das Neue: die Trennung der Domäneneinnahme von der Landescasse, und den Steuerabsatz. Das Beste von dem Alten aus den früheren Verfassungen: aus der deutschen, der preußischen, der französischen, der westphälischen, der selbstgemachten von 1813 und den geschriebenen von 1819 und 1833 dürfte das seyn, was aus der deutschen Reichsverfassung gerettet worden. Ihre Namen sind durch hundert Schlachten zerstört, ihre Gesetze aber wirken und walten wie elektrische Funken fort. In ihr ist das Freiheitsrecht für die Gewissen und die Rechtsgleichheit für verschiedene Glaubensgenossen zuerst geordnet und geltend gemacht, wie die gefeiertsten Staatslehrer der Franzosen und Engländer, Montesquieu und Blackstone, anerkennen, und sie ist von keiner andern Verfassung in der örtlichen Rechtsentwickelung und in der Gerichtsgewähr für jegliche Selbstständigkeit übertroffen worden, und selbstständig blieb der Reichsbauer wie der Reichsritter neben mächtigen Fürsten, bis der Feind über alle kam. Und sie ist darin die alterthümlichste, daß sie zu ihrem erwählten Oberhaupte bloß einen ehrlichen und ordentlichen Mann, bonum et probatum erfordert hat; und ihr Anfangsgrund ist das Volk bei allen Staatslehrern und Pütter als dem letzten gewesen. Die Verhandlungen über die jetzt vorliegende Verfassungsurkunde unterscheiden sich von den früheren am meisten dadurch, daß die Ständeversammlung sich nicht auf Kosten der besondern Landschaften erkräftigen und dieselben nicht umgestalten will, daß vielmehr der Wunsch ausgesprochen ist, eine vollständigere Verbindung mit ihnen zu Stande zu bringen, und daß wieder nach der Zustimmung der Leute aus den Landen oder Städten gefragt wird, wo die neuen Bestimmungen bestehende Rechtsverhältnisse verändern würden. Uebrigens verfahren, beiläufig gesagt, die deutschen Ständeversammlungen nicht wie das englische Parlament, welches die Berechtigten und Betheiligten in den Commissionen oder selbst vor den Schranken hört, deren Privatinteresse durch einen obschwebenden Antrag gefährdet wird. So leicht indeß, wie die hiesige ständische Verhandlung nun auch aussieht, ist sie doch weder gewesen noch geworden. Ehe die Ständeversammlung sich am 19 März beschlußfähig beisammen sah, mußte sie es nach den Zeitungsnachrichten bezweifeln, und sie ward ihrer nicht eher gewiß und mächtig, als bis sie den Antrag zu ihrer Auflösung, die eingehenden Einsagen und Verwahrungen wider ihre Gültigkeit, und die Beschwerden über die Minoritätswahlen zurückgewiesen, und sich zur vollständigen Ausübung des Ständerechts fähig und bereit erklärt hatte. Alsbald benahm sie sich fest und folgerecht, wie es Körperschaften eigen ist, wenn

sich zu sondern, diese Menge selbst ausmacht, und die Majorität von anderswo nur in einer unscheinbaren und kaum beachteten Minorität auftritt. – Unter den eingetroffenen Gästen sind zu erwähnen; der Herzog von Rohan, der Generallieutenant Graf Du Moulin, Mittermaier, v. Rotteck und Graf Bismark; unter den nächstens zu erwartenden: der Marquis d'Eyragues, k. französischer Gesandter zu Karlsruhe. Die heutige Badeliste geht bis 2482.

Sicherm Vernehmen nach hat der, besonders auf dem Gebiete der alten und mittleren Geschichte ausgezeichnete und als anregender Lehrer gerühmte Professor Kortüm in Bern einen Ruf an unsere Universität angenommen. Die Besetzung der Thibaut'schen Stelle kennen Sie bereits. Sie ist dem als Verfasser eines auch von Thibaut in hohem Grade gewürdigten Pandekten-Compendiums und trefflichen Lehrer bekannten Professor v. Vangerow in Marburg zu Theil geworden. Derselbe steht im besten Mannesalter und ist noch jung genug, daß sein frisch aufblühender Ruhm mit dem altbewährten unserer Hochschule zusammenwachse; jedenfalls muß es für ihn ein starker Sporn seyn, der Nachfolger Thibauts zu werden.

Bei der neulichen Berathung über die hannover'schen Angelegenheiten in der ersten Kammer der sächsischen Ständeversammlung äußerte der Superintendent Dr. Großmann: „Ueber Principien kann nicht paciscirt werden. Entweder die Verfassung von 1833 ist rechtsbeständig oder nicht; ein drittes gibt es nicht; transigiren kann man nicht. Läge ein Rechtsspruch darüber vor, so müßte sich dem jeder unterwerfen; aber vor der Hand ist der noch nicht gesprochen, und darum halte ich die Lage der Dinge für höchst gefährlich. Sie ist es um so mehr, da durch Alles, was bis jetzt geschehen ist, das Rechtsgefühl, das Nationalgefühl, das sittliche Gefühl aller Deutschen auf das tiefste verletzt worden ist, und in dieser Beziehung die Sache einen gesetzlichen Charakter angenommen hat, der, wenn er auch allenfalls jetzt noch hie und da verkannt werden sollte, vor dem Richterstuhle der Nachwelt und der Geschichte die gerechteste Würdigung finden wird. Mit der geehrten Deputation bin ich daher in der Hauptsache sehr einverstanden.“ Der Redner wünschte jedoch, daß der erste Antrag der jenseitigen Kammer in anderer Weise wieder aufgenommen würde, nämlich: „daß Artikel 56 der Wiener Schlußacte vom 15 Mai 1820, welcher ausdrücklich bestimmt, daß die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen nur auf verfassungsmäßigem Wege wieder abgeändert werden können, als deutsches Staatsprincip erhalten werden möge.“ „Uebrigens, fuhr der Redner fort, kann ich dem hannover'schen Volke nur meine wärmste und innigste Hochachtung und Bewunderung ausdrücken. Der Ernst, die Besonnenheit, die Mäßigung, die Ausdauer, mit welcher es sein Recht zu wahren sucht, ist eine wahre Ehrenrettung des deutschen Nationalcharakters, möge der Erfolg seyn, welcher er wolle.“ Obiger Antrag wurde ausreichend unterstützt. Dagegen machte der Staatsminister v. Zeschau bemerklich, wie die größte Vorsicht erforderlich sey, ehe man derartige Anträge an die Regierung bringe: „Ich nehme, waren seine Worte, keinen Anstand, in öffentlicher Sitzung zu sagen, daß es das Interesse aller Staaten von der Größe wie Sachsen erheischt, jede fremde Einmischung so lange als möglich von den innern Angelegenheiten abzuhalten, daß daher, wenn wir uns jetzt durch eine fremde Angelegenheit verleiten lassen sollten, einen Antrag, wie der vorliegende, zu stellen, möglicherweise ein Zeitpunkt eintreten könnte, wo man denselben schwer bereuen könnte. Ich will mich nicht ausführlich darüber aussprechen, daß es etwas weiter zurück eine Zeitperiode gegeben hat, wo in der That eine solche Einmischung möglich, und gewiß Allen sehr empfindlich gewesen seyn würde.“ Der Beschluß der Kammer ist bereits mitgetheilt worden. Die Regierung stellte am Schlusse den Antrag, daß, wenn die vorliegende Angelegenheit ferner noch zu Verhandlungen in einer oder der andern Kammer führen sollte, diese Verhandlung nur in geheimer Sitzung stattfinden möge, der Beschluß über den Protokolextract aber, und ob er an eine Deputation gerichtet, oder was sonst mit demselben geschehen soll, ebenfalls in geheimer Sitzung gefaßt werde. (Leipz. Z.)

Die eine Kammer hat sich noch mehr als die andere beeilt, mit der Verfassung in so weit in Ordnung zu kommen, daß sich nicht sagen läßt: l'uno la fece e l'altro cassa la stampa. Sie haben die Verfassungsurkunde einsinnig berathen, und mit Ausnahme des sechsten Abschnitts so gut als angenommen. Deßgleichen haben sie den Wirthschaftsplan für das laufende Jahr mit Ausnahme des Kopfgelderlasses gebilligt; diese beiden Ausnahmen enthalten aber gerade das Neue: die Trennung der Domäneneinnahme von der Landescasse, und den Steuerabsatz. Das Beste von dem Alten aus den früheren Verfassungen: aus der deutschen, der preußischen, der französischen, der westphälischen, der selbstgemachten von 1813 und den geschriebenen von 1819 und 1833 dürfte das seyn, was aus der deutschen Reichsverfassung gerettet worden. Ihre Namen sind durch hundert Schlachten zerstört, ihre Gesetze aber wirken und walten wie elektrische Funken fort. In ihr ist das Freiheitsrecht für die Gewissen und die Rechtsgleichheit für verschiedene Glaubensgenossen zuerst geordnet und geltend gemacht, wie die gefeiertsten Staatslehrer der Franzosen und Engländer, Montesquieu und Blackstone, anerkennen, und sie ist von keiner andern Verfassung in der örtlichen Rechtsentwickelung und in der Gerichtsgewähr für jegliche Selbstständigkeit übertroffen worden, und selbstständig blieb der Reichsbauer wie der Reichsritter neben mächtigen Fürsten, bis der Feind über alle kam. Und sie ist darin die alterthümlichste, daß sie zu ihrem erwählten Oberhaupte bloß einen ehrlichen und ordentlichen Mann, bonum et probatum erfordert hat; und ihr Anfangsgrund ist das Volk bei allen Staatslehrern und Pütter als dem letzten gewesen. Die Verhandlungen über die jetzt vorliegende Verfassungsurkunde unterscheiden sich von den früheren am meisten dadurch, daß die Ständeversammlung sich nicht auf Kosten der besondern Landschaften erkräftigen und dieselben nicht umgestalten will, daß vielmehr der Wunsch ausgesprochen ist, eine vollständigere Verbindung mit ihnen zu Stande zu bringen, und daß wieder nach der Zustimmung der Leute aus den Landen oder Städten gefragt wird, wo die neuen Bestimmungen bestehende Rechtsverhältnisse verändern würden. Uebrigens verfahren, beiläufig gesagt, die deutschen Ständeversammlungen nicht wie das englische Parlament, welches die Berechtigten und Betheiligten in den Commissionen oder selbst vor den Schranken hört, deren Privatinteresse durch einen obschwebenden Antrag gefährdet wird. So leicht indeß, wie die hiesige ständische Verhandlung nun auch aussieht, ist sie doch weder gewesen noch geworden. Ehe die Ständeversammlung sich am 19 März beschlußfähig beisammen sah, mußte sie es nach den Zeitungsnachrichten bezweifeln, und sie ward ihrer nicht eher gewiß und mächtig, als bis sie den Antrag zu ihrer Auflösung, die eingehenden Einsagen und Verwahrungen wider ihre Gültigkeit, und die Beschwerden über die Minoritätswahlen zurückgewiesen, und sich zur vollständigen Ausübung des Ständerechts fähig und bereit erklärt hatte. Alsbald benahm sie sich fest und folgerecht, wie es Körperschaften eigen ist, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0005" n="1333"/>
sich zu sondern, diese Menge selbst ausmacht, und die Majorität von anderswo nur in einer unscheinbaren und kaum beachteten Minorität auftritt. &#x2013; Unter den eingetroffenen Gästen sind zu erwähnen; der Herzog von Rohan, der Generallieutenant Graf Du Moulin, Mittermaier, v. Rotteck und Graf Bismark; unter den nächstens zu erwartenden: der Marquis d'Eyragues, k. französischer Gesandter zu Karlsruhe. Die heutige Badeliste geht bis 2482.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Heidelberg,</hi> 6 Jun.</dateline>
          <p> Sicherm Vernehmen nach hat der, besonders auf dem Gebiete der alten und mittleren Geschichte ausgezeichnete und als anregender Lehrer gerühmte Professor <hi rendition="#g">Kortüm</hi> in Bern einen Ruf an unsere Universität angenommen. Die Besetzung der <hi rendition="#g">Thibaut</hi>'schen Stelle kennen Sie bereits. Sie ist dem als Verfasser eines auch von Thibaut in hohem Grade gewürdigten Pandekten-Compendiums und trefflichen Lehrer bekannten Professor v. <hi rendition="#g">Vangerow</hi> in Marburg zu Theil geworden. Derselbe steht im besten Mannesalter und ist noch jung genug, daß sein frisch aufblühender Ruhm mit dem altbewährten unserer Hochschule zusammenwachse; jedenfalls muß es für ihn ein starker Sporn seyn, der Nachfolger Thibauts zu werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline> <hi rendition="#b">Dresden.</hi> </dateline>
          <p> Bei der neulichen Berathung über die hannover'schen Angelegenheiten in der ersten Kammer der sächsischen Ständeversammlung äußerte der Superintendent Dr. <hi rendition="#g">Großmann</hi>: &#x201E;Ueber Principien kann nicht paciscirt werden. Entweder die Verfassung von 1833 ist rechtsbeständig oder nicht; ein drittes gibt es nicht; transigiren kann man nicht. Läge ein Rechtsspruch darüber vor, so müßte sich dem jeder unterwerfen; aber vor der Hand ist der noch nicht gesprochen, und darum halte ich die Lage der Dinge für höchst gefährlich. Sie ist es um so mehr, da durch Alles, was bis jetzt geschehen ist, das Rechtsgefühl, das Nationalgefühl, das sittliche Gefühl aller Deutschen auf das tiefste verletzt worden ist, und in dieser Beziehung die Sache einen gesetzlichen Charakter angenommen hat, der, wenn er auch allenfalls jetzt noch hie und da verkannt werden sollte, vor dem Richterstuhle der Nachwelt und der Geschichte die gerechteste Würdigung finden wird. Mit der geehrten Deputation bin ich daher in der Hauptsache sehr einverstanden.&#x201C; Der Redner wünschte jedoch, daß der erste Antrag der jenseitigen Kammer in anderer Weise wieder aufgenommen würde, nämlich: &#x201E;daß Artikel 56 der Wiener Schlußacte vom 15 Mai 1820, welcher ausdrücklich bestimmt, daß die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen nur auf verfassungsmäßigem Wege wieder abgeändert werden können, als deutsches Staatsprincip erhalten werden möge.&#x201C; &#x201E;Uebrigens, fuhr der Redner fort, kann ich dem hannover'schen Volke nur meine wärmste und innigste Hochachtung und Bewunderung ausdrücken. Der Ernst, die Besonnenheit, die Mäßigung, die Ausdauer, mit welcher es sein Recht zu wahren sucht, ist eine wahre Ehrenrettung des deutschen Nationalcharakters, möge der Erfolg seyn, welcher er wolle.&#x201C; Obiger Antrag wurde ausreichend unterstützt. Dagegen machte der Staatsminister v. <hi rendition="#g">Zeschau</hi> bemerklich, wie die größte Vorsicht erforderlich sey, ehe man derartige Anträge an die Regierung bringe: &#x201E;Ich nehme, waren seine Worte, keinen Anstand, in öffentlicher Sitzung zu sagen, daß es das Interesse aller Staaten von der Größe wie Sachsen erheischt, jede fremde Einmischung so lange als möglich von den innern Angelegenheiten abzuhalten, daß daher, wenn wir uns jetzt durch eine fremde Angelegenheit verleiten lassen sollten, einen Antrag, wie der vorliegende, zu stellen, möglicherweise ein Zeitpunkt eintreten könnte, wo man denselben schwer bereuen könnte. Ich will mich nicht ausführlich darüber aussprechen, daß es etwas weiter zurück eine Zeitperiode gegeben hat, wo in der That eine solche Einmischung möglich, und gewiß Allen sehr empfindlich gewesen seyn würde.&#x201C; Der Beschluß der Kammer ist bereits mitgetheilt worden. Die Regierung stellte am Schlusse den Antrag, daß, wenn die vorliegende Angelegenheit ferner noch zu Verhandlungen in einer oder der andern Kammer führen sollte, diese Verhandlung nur in geheimer Sitzung stattfinden möge, der Beschluß über den Protokolextract aber, und ob er an eine Deputation gerichtet, oder was sonst mit demselben geschehen soll, ebenfalls in geheimer Sitzung gefaßt werde. (<hi rendition="#g">Leipz</hi>. Z.)</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Hannover,</hi> 7 Jun.</dateline>
          <p> Die eine Kammer hat sich noch mehr als die andere beeilt, mit der Verfassung in so weit in Ordnung zu kommen, daß sich nicht sagen läßt: l'uno la fece e l'altro cassa la stampa. Sie haben die Verfassungsurkunde einsinnig berathen, und mit Ausnahme des sechsten Abschnitts so gut als angenommen. Deßgleichen haben sie den Wirthschaftsplan für das laufende Jahr mit Ausnahme des Kopfgelderlasses gebilligt; diese beiden Ausnahmen enthalten aber gerade das Neue: die Trennung der Domäneneinnahme von der Landescasse, und den Steuerabsatz. Das Beste von dem Alten aus den früheren Verfassungen: aus der deutschen, der preußischen, der französischen, der westphälischen, der selbstgemachten von 1813 und den geschriebenen von 1819 und 1833 dürfte das seyn, was aus der deutschen Reichsverfassung gerettet worden. Ihre Namen sind durch hundert Schlachten zerstört, ihre Gesetze aber wirken und walten wie elektrische Funken fort. In ihr ist das Freiheitsrecht für die Gewissen und die Rechtsgleichheit für verschiedene Glaubensgenossen zuerst geordnet und geltend gemacht, wie die gefeiertsten Staatslehrer der Franzosen und Engländer, Montesquieu und Blackstone, anerkennen, und sie ist von keiner andern Verfassung in der örtlichen Rechtsentwickelung und in der Gerichtsgewähr für jegliche Selbstständigkeit übertroffen worden, und selbstständig blieb der Reichsbauer wie der Reichsritter neben mächtigen Fürsten, bis der Feind über alle kam. Und sie ist darin die alterthümlichste, daß sie zu ihrem erwählten Oberhaupte bloß einen ehrlichen und ordentlichen Mann, bonum et probatum erfordert hat; und ihr Anfangsgrund ist das Volk bei allen Staatslehrern und Pütter als dem letzten gewesen. Die Verhandlungen über die jetzt vorliegende Verfassungsurkunde unterscheiden sich von den früheren am meisten dadurch, daß die Ständeversammlung sich nicht auf Kosten der besondern Landschaften erkräftigen und dieselben nicht umgestalten will, daß vielmehr der Wunsch ausgesprochen ist, eine vollständigere Verbindung mit ihnen zu Stande zu bringen, und daß wieder nach der Zustimmung der Leute aus den Landen oder Städten gefragt wird, wo die neuen Bestimmungen bestehende Rechtsverhältnisse verändern würden. Uebrigens verfahren, beiläufig gesagt, die deutschen Ständeversammlungen nicht wie das englische Parlament, welches die Berechtigten und Betheiligten in den Commissionen oder selbst vor den Schranken hört, deren Privatinteresse durch einen obschwebenden Antrag gefährdet wird. So leicht indeß, wie die hiesige ständische Verhandlung nun auch aussieht, ist sie doch weder gewesen noch geworden. Ehe die Ständeversammlung sich am 19 März beschlußfähig beisammen sah, mußte sie es nach den Zeitungsnachrichten bezweifeln, und sie ward ihrer nicht eher gewiß und mächtig, als bis sie den Antrag zu ihrer Auflösung, die eingehenden Einsagen und Verwahrungen wider ihre Gültigkeit, und die Beschwerden über die Minoritätswahlen zurückgewiesen, und sich zur vollständigen Ausübung des Ständerechts fähig und bereit erklärt hatte. Alsbald benahm sie sich fest und folgerecht, wie es Körperschaften eigen ist, wenn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1333/0005] sich zu sondern, diese Menge selbst ausmacht, und die Majorität von anderswo nur in einer unscheinbaren und kaum beachteten Minorität auftritt. – Unter den eingetroffenen Gästen sind zu erwähnen; der Herzog von Rohan, der Generallieutenant Graf Du Moulin, Mittermaier, v. Rotteck und Graf Bismark; unter den nächstens zu erwartenden: der Marquis d'Eyragues, k. französischer Gesandter zu Karlsruhe. Die heutige Badeliste geht bis 2482. _ Heidelberg, 6 Jun. Sicherm Vernehmen nach hat der, besonders auf dem Gebiete der alten und mittleren Geschichte ausgezeichnete und als anregender Lehrer gerühmte Professor Kortüm in Bern einen Ruf an unsere Universität angenommen. Die Besetzung der Thibaut'schen Stelle kennen Sie bereits. Sie ist dem als Verfasser eines auch von Thibaut in hohem Grade gewürdigten Pandekten-Compendiums und trefflichen Lehrer bekannten Professor v. Vangerow in Marburg zu Theil geworden. Derselbe steht im besten Mannesalter und ist noch jung genug, daß sein frisch aufblühender Ruhm mit dem altbewährten unserer Hochschule zusammenwachse; jedenfalls muß es für ihn ein starker Sporn seyn, der Nachfolger Thibauts zu werden. _ Dresden. Bei der neulichen Berathung über die hannover'schen Angelegenheiten in der ersten Kammer der sächsischen Ständeversammlung äußerte der Superintendent Dr. Großmann: „Ueber Principien kann nicht paciscirt werden. Entweder die Verfassung von 1833 ist rechtsbeständig oder nicht; ein drittes gibt es nicht; transigiren kann man nicht. Läge ein Rechtsspruch darüber vor, so müßte sich dem jeder unterwerfen; aber vor der Hand ist der noch nicht gesprochen, und darum halte ich die Lage der Dinge für höchst gefährlich. Sie ist es um so mehr, da durch Alles, was bis jetzt geschehen ist, das Rechtsgefühl, das Nationalgefühl, das sittliche Gefühl aller Deutschen auf das tiefste verletzt worden ist, und in dieser Beziehung die Sache einen gesetzlichen Charakter angenommen hat, der, wenn er auch allenfalls jetzt noch hie und da verkannt werden sollte, vor dem Richterstuhle der Nachwelt und der Geschichte die gerechteste Würdigung finden wird. Mit der geehrten Deputation bin ich daher in der Hauptsache sehr einverstanden.“ Der Redner wünschte jedoch, daß der erste Antrag der jenseitigen Kammer in anderer Weise wieder aufgenommen würde, nämlich: „daß Artikel 56 der Wiener Schlußacte vom 15 Mai 1820, welcher ausdrücklich bestimmt, daß die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen nur auf verfassungsmäßigem Wege wieder abgeändert werden können, als deutsches Staatsprincip erhalten werden möge.“ „Uebrigens, fuhr der Redner fort, kann ich dem hannover'schen Volke nur meine wärmste und innigste Hochachtung und Bewunderung ausdrücken. Der Ernst, die Besonnenheit, die Mäßigung, die Ausdauer, mit welcher es sein Recht zu wahren sucht, ist eine wahre Ehrenrettung des deutschen Nationalcharakters, möge der Erfolg seyn, welcher er wolle.“ Obiger Antrag wurde ausreichend unterstützt. Dagegen machte der Staatsminister v. Zeschau bemerklich, wie die größte Vorsicht erforderlich sey, ehe man derartige Anträge an die Regierung bringe: „Ich nehme, waren seine Worte, keinen Anstand, in öffentlicher Sitzung zu sagen, daß es das Interesse aller Staaten von der Größe wie Sachsen erheischt, jede fremde Einmischung so lange als möglich von den innern Angelegenheiten abzuhalten, daß daher, wenn wir uns jetzt durch eine fremde Angelegenheit verleiten lassen sollten, einen Antrag, wie der vorliegende, zu stellen, möglicherweise ein Zeitpunkt eintreten könnte, wo man denselben schwer bereuen könnte. Ich will mich nicht ausführlich darüber aussprechen, daß es etwas weiter zurück eine Zeitperiode gegeben hat, wo in der That eine solche Einmischung möglich, und gewiß Allen sehr empfindlich gewesen seyn würde.“ Der Beschluß der Kammer ist bereits mitgetheilt worden. Die Regierung stellte am Schlusse den Antrag, daß, wenn die vorliegende Angelegenheit ferner noch zu Verhandlungen in einer oder der andern Kammer führen sollte, diese Verhandlung nur in geheimer Sitzung stattfinden möge, der Beschluß über den Protokolextract aber, und ob er an eine Deputation gerichtet, oder was sonst mit demselben geschehen soll, ebenfalls in geheimer Sitzung gefaßt werde. (Leipz. Z.) _ Hannover, 7 Jun. Die eine Kammer hat sich noch mehr als die andere beeilt, mit der Verfassung in so weit in Ordnung zu kommen, daß sich nicht sagen läßt: l'uno la fece e l'altro cassa la stampa. Sie haben die Verfassungsurkunde einsinnig berathen, und mit Ausnahme des sechsten Abschnitts so gut als angenommen. Deßgleichen haben sie den Wirthschaftsplan für das laufende Jahr mit Ausnahme des Kopfgelderlasses gebilligt; diese beiden Ausnahmen enthalten aber gerade das Neue: die Trennung der Domäneneinnahme von der Landescasse, und den Steuerabsatz. Das Beste von dem Alten aus den früheren Verfassungen: aus der deutschen, der preußischen, der französischen, der westphälischen, der selbstgemachten von 1813 und den geschriebenen von 1819 und 1833 dürfte das seyn, was aus der deutschen Reichsverfassung gerettet worden. Ihre Namen sind durch hundert Schlachten zerstört, ihre Gesetze aber wirken und walten wie elektrische Funken fort. In ihr ist das Freiheitsrecht für die Gewissen und die Rechtsgleichheit für verschiedene Glaubensgenossen zuerst geordnet und geltend gemacht, wie die gefeiertsten Staatslehrer der Franzosen und Engländer, Montesquieu und Blackstone, anerkennen, und sie ist von keiner andern Verfassung in der örtlichen Rechtsentwickelung und in der Gerichtsgewähr für jegliche Selbstständigkeit übertroffen worden, und selbstständig blieb der Reichsbauer wie der Reichsritter neben mächtigen Fürsten, bis der Feind über alle kam. Und sie ist darin die alterthümlichste, daß sie zu ihrem erwählten Oberhaupte bloß einen ehrlichen und ordentlichen Mann, bonum et probatum erfordert hat; und ihr Anfangsgrund ist das Volk bei allen Staatslehrern und Pütter als dem letzten gewesen. Die Verhandlungen über die jetzt vorliegende Verfassungsurkunde unterscheiden sich von den früheren am meisten dadurch, daß die Ständeversammlung sich nicht auf Kosten der besondern Landschaften erkräftigen und dieselben nicht umgestalten will, daß vielmehr der Wunsch ausgesprochen ist, eine vollständigere Verbindung mit ihnen zu Stande zu bringen, und daß wieder nach der Zustimmung der Leute aus den Landen oder Städten gefragt wird, wo die neuen Bestimmungen bestehende Rechtsverhältnisse verändern würden. Uebrigens verfahren, beiläufig gesagt, die deutschen Ständeversammlungen nicht wie das englische Parlament, welches die Berechtigten und Betheiligten in den Commissionen oder selbst vor den Schranken hört, deren Privatinteresse durch einen obschwebenden Antrag gefährdet wird. So leicht indeß, wie die hiesige ständische Verhandlung nun auch aussieht, ist sie doch weder gewesen noch geworden. Ehe die Ständeversammlung sich am 19 März beschlußfähig beisammen sah, mußte sie es nach den Zeitungsnachrichten bezweifeln, und sie ward ihrer nicht eher gewiß und mächtig, als bis sie den Antrag zu ihrer Auflösung, die eingehenden Einsagen und Verwahrungen wider ihre Gültigkeit, und die Beschwerden über die Minoritätswahlen zurückgewiesen, und sich zur vollständigen Ausübung des Ständerechts fähig und bereit erklärt hatte. Alsbald benahm sie sich fest und folgerecht, wie es Körperschaften eigen ist, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_167_18400615
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_167_18400615/5
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 167. Augsburg, 15. Juni 1840, S. 1333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_167_18400615/5>, abgerufen am 24.11.2024.