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Allgemeine Zeitung. Nr. 167. Augsburg, 15. Juni 1840.

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Meerenge durchschiffen; die Fahrzeuge werden sodann, indem sie längs der Küste von Chili und Peru hinauffahren, alle bedeutenden Häfen bis zu den Gallopagos-Inseln und dann die Bay von Californien besuchen. Von hier wird eines der Schiffe mit einer Ladung von eingetauschten Producten nach Frankreich zurückkehren und sich bei seiner Rückkehr von dort den andern Schiffen bei der Insel Formosa wieder anschließen. Inzwischen und um die gute Jahreszeit zum Besuche der Nordwestküste von Amerika abzuwarten, hat ein Schiff den Busen von Californien zu untersuchen, das zweitgrößere aber wird auf den Sandwich- und Tahiti-Inseln anlegen. Bei Eintritt der Fahrzeit befahren beide Schiffe die Nordwestküste von Nordamerika bis zum Hafen S. Francisco, von dort gehen sie nach Japan und Formosa. Endlich begibt sich die Expedition in die Mitte der Südsee-Inseln, von wo aus dieselbe durch den bengalischen Meerbusen und die Sundameerenge heimsteuern wird.

Dr. Bulard und die Pest.

Die Allgem. Zeitung hat schon früher die zwischen Hrn. Francois und Hrn. Segur-Dupeyron angeknüpfte Polemik erwähnt über neue Modificationen, die in der ärztlichen Behandlung der Pest und in einem neuen Verfahren der Desinfection durch die Wärme anzubringen wären. Das uns zugekommene nachfolgende Schreiben aus Odessa vom Mai dürfte zur Vervollständigung derselben dienen: "In Folge einer von der südrussischen Sanitätsverwaltung ergangenen Einladung, befindet sich hier seit mehreren Monaten Dr. Bulard in der Absicht, auf dem Wege förmlicher Versuche ins Klare zu stellen, in wie weit seine Theorien zu einem neuen Heilungssystem anwendbar seyen. Bereits haben auf Befehl und in Gegenwart des Generalgouverneurs, Grafen Woronzoff, höchst interessante Versuche in unserm Stadtlazareth begonnen, die auf dem Schauplatz der Pestverheerungen selbst fortgesetzt werden sollen, um endlich zur Entscheidung der Frage zu gelangen, ob wirklich die Wärme als Grundlage eines neuen Purificationsverfahrens und eines neuen Sanitätssystems aufgestellt werden könne. Zur Lösung dieses Problems wurden bereits folgende Proben gemacht: vier Baumwollenballen, wovon der erste 322 der zweite 164, der dritte 178 und der vierte 492 Pfund wog, und deren Temperatur 6° Reaumur über Null war, wurden in ein gehörig zugerichtetes Zimmer gebracht, dessen Temperatur auf + 50° R. erhöht war und 24 Stunden lang zwischen 50 und 60° R. erhalten wurde. Nach dieser Zeit ward der erste Ballen, als der voluminöseste und am wenigsten gepreßte, der eine Masse von 1,050 Kubikmeter darbot, und der zweite von 0,075 Kubikm. aus dem Zimmer heraus und in die umgebende Luft gebracht, die eine Temperatur von 7 bis 8° unter dem Gefrierpunkte zeigte. Man hatte mittelst eines starken Spitzeisens in den Mittelpunkt der Ballen eine Oeffnung angebracht, worin ein sogleich eingesenkter Thermometer, der fünf bis sechs Minuten darin gelassen wurde, auf 42° stieg. Mit den zwei andern Ballen ward die Erhitzung bis zum folgenden Tage, das heißt 48 Stunden lang, statt 24 fortgesetzt. Man beobachtete dieselbe Vorsicht, wie mit den beiden ersten Ballen, nur trieb man, da der durch die hydraulische Presse zusammengedrückte Ballen einen stärkern Widerstand als die andern darbot, das Spitzeisen mit Hammerschlägen ein. Der in die dadurch gemachte Oeffnung eingesenkte Thermometer, den man 15 Minuten darin ließ, zeigte in dem hydraulisch gepreßten Ballen + 50° R. und in dem zweiten 56°. Die Eigenschaften der Baumwolle blieben dabei unangetastet, wie denn durch Physik, Chemie und industrielle Erfahrungen erwiesen ist, daß + 80 bis 100° R. weder den spinnbaren Stoff noch dessen Gewebe, noch selbst die daran angebrachte Färbung angreifen. Es geht sonach aus diesen Proben hervor: 1) daß der Wärmestoff im höchsten Grad möglicher Pressung in die Baumwolle eindringen, 2) daß dieses Eindringen innerhalb 24 bis 48 Stunden geschehen kann; 3) daß die Stoffe weder in ihrer Beschaffenheit, noch in ihrer Textur, noch in ihren Farben irgend eine Veränderung erfahren; 4) daß, wenn sich das Gewicht der der Wärme ausgesetzten Stoffe je nach der größern oder geringern Menge der in ihnen enthaltenen Feuchtigkeit vermindert, diesem Nachtheil immer dadurch abgeholfen werden kann, daß man entweder eine feuchte Atmosphäre bereitet, oder diese Stoffe der freien Luft ausgesetzt läßt, wo sie dann vermöge ihrer hygrometrischen Eigenschaft immer wieder ihr früheres Gewicht annehmen werden; 5) daß die Methode durch die Wärme nur 48 Stunden zur Reinigung bedarf; 6) daß man weder die Ballen, noch die Collis je zu öffnen braucht; 7) daß sie durchgreifend, rasch und immer sicher wirkt; 8) daß sie endlich im Vergleich mit den gegenwärtig üblichen Methoden folgende Ersparungsresultate darbietet:

Auf 600 Ballen Baumwolle.

Lüftungsmethode zu Marseille.

Arbeitslohn Fr. 600
Packleinwand zu 50 Cent. für den Ballen Fr. 300
Zins von 250,000 Fr., als dem Werthe der 600 Ballen,
zu 5 Procent in 30 Tagen Fr. 1250
Summe Fr. 2150

Methode durch Chlor zu Odessa.

Arbeitslohn Fr. 200
Purificationskosten Fr. 125
Zins von 250,000 Fr., als dem Werthe der 600 Ballen,
zu 5 Procent in 30 Tagen *) Fr. 1250
Summe Fr. 1575

Methode durch die Wärme.

Arbeitslohn Fr. 250
Wärmekosten Fr. 50
Zins von 250,000 Fr., als dem Werthe der 600 Ballen,
zu 5 Procent in 48 Stunden Fr. 83
Summe Fr. 383

Nach der Lösung aller dieser Fragen ist noch eine letzte und zwar die wichtigste übrig, ob nämlich die Wärme den Peststoff zerstöre? Diese ganze Frage erwartet in der That noch ihre Lösung, und alle Forschungen müssen jetzt darauf gerichtet seyn. Um desto sicherer und schneller dahin zu gelangen, muß wieder der Weg durch Versuche eingeschlagen werden, zu dem die Regierung die Hand bieten will. Damit nun aber diese Versuche die volle Gültigkeit gewähren, die ihre nützlichen Folgen fordern, war die Sanitätsverwaltung der Ansicht, daß sie unter den Augen und den Händen einer aus Oekonomen und Gelehrten zusammengesetzten Commission vollzogen werden müßten. So viel wir bis jetzt vernehmen, scheint sich diese Commission an ausgewählte Pestorte, wo gerade die Krankheit Verheerungen anrichtet, begeben zu sollen. Auch soll die Regierung einige Mächte aufgefordert haben, Commissarien beizugeben. Der Haupt- und vielleicht der einzige Zweck dieser Mission wäre, durch das Wiederanziehen der vorher der Wärme ausgesetzten verpesteten Kleider und durch Gegenproben den wahren Werth der von Hrn. Bulard aufgestellten Methode zu

*) Obgleich die Reinigung durch Chlor nur 48 Stunden erfordert, so braucht man immer 30 und selbst 40 Tage, um die Ballen zu öffnen, wieder zu schließen, die Baumwolle auszubreiten etc.

Meerenge durchschiffen; die Fahrzeuge werden sodann, indem sie längs der Küste von Chili und Peru hinauffahren, alle bedeutenden Häfen bis zu den Gallopagos-Inseln und dann die Bay von Californien besuchen. Von hier wird eines der Schiffe mit einer Ladung von eingetauschten Producten nach Frankreich zurückkehren und sich bei seiner Rückkehr von dort den andern Schiffen bei der Insel Formosa wieder anschließen. Inzwischen und um die gute Jahreszeit zum Besuche der Nordwestküste von Amerika abzuwarten, hat ein Schiff den Busen von Californien zu untersuchen, das zweitgrößere aber wird auf den Sandwich- und Tahiti-Inseln anlegen. Bei Eintritt der Fahrzeit befahren beide Schiffe die Nordwestküste von Nordamerika bis zum Hafen S. Francisco, von dort gehen sie nach Japan und Formosa. Endlich begibt sich die Expedition in die Mitte der Südsee-Inseln, von wo aus dieselbe durch den bengalischen Meerbusen und die Sundameerenge heimsteuern wird.

Dr. Bulard und die Pest.

Die Allgem. Zeitung hat schon früher die zwischen Hrn. François und Hrn. Segur-Dupeyron angeknüpfte Polemik erwähnt über neue Modificationen, die in der ärztlichen Behandlung der Pest und in einem neuen Verfahren der Desinfection durch die Wärme anzubringen wären. Das uns zugekommene nachfolgende Schreiben aus Odessa vom Mai dürfte zur Vervollständigung derselben dienen: „In Folge einer von der südrussischen Sanitätsverwaltung ergangenen Einladung, befindet sich hier seit mehreren Monaten Dr. Bulard in der Absicht, auf dem Wege förmlicher Versuche ins Klare zu stellen, in wie weit seine Theorien zu einem neuen Heilungssystem anwendbar seyen. Bereits haben auf Befehl und in Gegenwart des Generalgouverneurs, Grafen Woronzoff, höchst interessante Versuche in unserm Stadtlazareth begonnen, die auf dem Schauplatz der Pestverheerungen selbst fortgesetzt werden sollen, um endlich zur Entscheidung der Frage zu gelangen, ob wirklich die Wärme als Grundlage eines neuen Purificationsverfahrens und eines neuen Sanitätssystems aufgestellt werden könne. Zur Lösung dieses Problems wurden bereits folgende Proben gemacht: vier Baumwollenballen, wovon der erste 322 der zweite 164, der dritte 178 und der vierte 492 Pfund wog, und deren Temperatur 6° Réaumur über Null war, wurden in ein gehörig zugerichtetes Zimmer gebracht, dessen Temperatur auf + 50° R. erhöht war und 24 Stunden lang zwischen 50 und 60° R. erhalten wurde. Nach dieser Zeit ward der erste Ballen, als der voluminöseste und am wenigsten gepreßte, der eine Masse von 1,050 Kubikmeter darbot, und der zweite von 0,075 Kubikm. aus dem Zimmer heraus und in die umgebende Luft gebracht, die eine Temperatur von 7 bis 8° unter dem Gefrierpunkte zeigte. Man hatte mittelst eines starken Spitzeisens in den Mittelpunkt der Ballen eine Oeffnung angebracht, worin ein sogleich eingesenkter Thermometer, der fünf bis sechs Minuten darin gelassen wurde, auf 42° stieg. Mit den zwei andern Ballen ward die Erhitzung bis zum folgenden Tage, das heißt 48 Stunden lang, statt 24 fortgesetzt. Man beobachtete dieselbe Vorsicht, wie mit den beiden ersten Ballen, nur trieb man, da der durch die hydraulische Presse zusammengedrückte Ballen einen stärkern Widerstand als die andern darbot, das Spitzeisen mit Hammerschlägen ein. Der in die dadurch gemachte Oeffnung eingesenkte Thermometer, den man 15 Minuten darin ließ, zeigte in dem hydraulisch gepreßten Ballen + 50° R. und in dem zweiten 56°. Die Eigenschaften der Baumwolle blieben dabei unangetastet, wie denn durch Physik, Chemie und industrielle Erfahrungen erwiesen ist, daß + 80 bis 100° R. weder den spinnbaren Stoff noch dessen Gewebe, noch selbst die daran angebrachte Färbung angreifen. Es geht sonach aus diesen Proben hervor: 1) daß der Wärmestoff im höchsten Grad möglicher Pressung in die Baumwolle eindringen, 2) daß dieses Eindringen innerhalb 24 bis 48 Stunden geschehen kann; 3) daß die Stoffe weder in ihrer Beschaffenheit, noch in ihrer Textur, noch in ihren Farben irgend eine Veränderung erfahren; 4) daß, wenn sich das Gewicht der der Wärme ausgesetzten Stoffe je nach der größern oder geringern Menge der in ihnen enthaltenen Feuchtigkeit vermindert, diesem Nachtheil immer dadurch abgeholfen werden kann, daß man entweder eine feuchte Atmosphäre bereitet, oder diese Stoffe der freien Luft ausgesetzt läßt, wo sie dann vermöge ihrer hygrometrischen Eigenschaft immer wieder ihr früheres Gewicht annehmen werden; 5) daß die Methode durch die Wärme nur 48 Stunden zur Reinigung bedarf; 6) daß man weder die Ballen, noch die Collis je zu öffnen braucht; 7) daß sie durchgreifend, rasch und immer sicher wirkt; 8) daß sie endlich im Vergleich mit den gegenwärtig üblichen Methoden folgende Ersparungsresultate darbietet:

Auf 600 Ballen Baumwolle.

Lüftungsmethode zu Marseille.

Arbeitslohn Fr. 600
Packleinwand zu 50 Cent. für den Ballen Fr. 300
Zins von 250,000 Fr., als dem Werthe der 600 Ballen,
zu 5 Procent in 30 Tagen Fr. 1250
Summe Fr. 2150

Methode durch Chlor zu Odessa.

Arbeitslohn Fr. 200
Purificationskosten Fr. 125
Zins von 250,000 Fr., als dem Werthe der 600 Ballen,
zu 5 Procent in 30 Tagen *) Fr. 1250
Summe Fr. 1575

Methode durch die Wärme.

Arbeitslohn Fr. 250
Wärmekosten Fr. 50
Zins von 250,000 Fr., als dem Werthe der 600 Ballen,
zu 5 Procent in 48 Stunden Fr. 83
Summe Fr. 383

Nach der Lösung aller dieser Fragen ist noch eine letzte und zwar die wichtigste übrig, ob nämlich die Wärme den Peststoff zerstöre? Diese ganze Frage erwartet in der That noch ihre Lösung, und alle Forschungen müssen jetzt darauf gerichtet seyn. Um desto sicherer und schneller dahin zu gelangen, muß wieder der Weg durch Versuche eingeschlagen werden, zu dem die Regierung die Hand bieten will. Damit nun aber diese Versuche die volle Gültigkeit gewähren, die ihre nützlichen Folgen fordern, war die Sanitätsverwaltung der Ansicht, daß sie unter den Augen und den Händen einer aus Oekonomen und Gelehrten zusammengesetzten Commission vollzogen werden müßten. So viel wir bis jetzt vernehmen, scheint sich diese Commission an ausgewählte Pestorte, wo gerade die Krankheit Verheerungen anrichtet, begeben zu sollen. Auch soll die Regierung einige Mächte aufgefordert haben, Commissarien beizugeben. Der Haupt- und vielleicht der einzige Zweck dieser Mission wäre, durch das Wiederanziehen der vorher der Wärme ausgesetzten verpesteten Kleider und durch Gegenproben den wahren Werth der von Hrn. Bulard aufgestellten Methode zu

*) Obgleich die Reinigung durch Chlor nur 48 Stunden erfordert, so braucht man immer 30 und selbst 40 Tage, um die Ballen zu öffnen, wieder zu schließen, die Baumwolle auszubreiten etc.
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[1330/0010] Meerenge durchschiffen; die Fahrzeuge werden sodann, indem sie längs der Küste von Chili und Peru hinauffahren, alle bedeutenden Häfen bis zu den Gallopagos-Inseln und dann die Bay von Californien besuchen. Von hier wird eines der Schiffe mit einer Ladung von eingetauschten Producten nach Frankreich zurückkehren und sich bei seiner Rückkehr von dort den andern Schiffen bei der Insel Formosa wieder anschließen. Inzwischen und um die gute Jahreszeit zum Besuche der Nordwestküste von Amerika abzuwarten, hat ein Schiff den Busen von Californien zu untersuchen, das zweitgrößere aber wird auf den Sandwich- und Tahiti-Inseln anlegen. Bei Eintritt der Fahrzeit befahren beide Schiffe die Nordwestküste von Nordamerika bis zum Hafen S. Francisco, von dort gehen sie nach Japan und Formosa. Endlich begibt sich die Expedition in die Mitte der Südsee-Inseln, von wo aus dieselbe durch den bengalischen Meerbusen und die Sundameerenge heimsteuern wird. Dr. Bulard und die Pest. Die Allgem. Zeitung hat schon früher die zwischen Hrn. François und Hrn. Segur-Dupeyron angeknüpfte Polemik erwähnt über neue Modificationen, die in der ärztlichen Behandlung der Pest und in einem neuen Verfahren der Desinfection durch die Wärme anzubringen wären. Das uns zugekommene nachfolgende Schreiben aus Odessa vom Mai dürfte zur Vervollständigung derselben dienen: „In Folge einer von der südrussischen Sanitätsverwaltung ergangenen Einladung, befindet sich hier seit mehreren Monaten Dr. Bulard in der Absicht, auf dem Wege förmlicher Versuche ins Klare zu stellen, in wie weit seine Theorien zu einem neuen Heilungssystem anwendbar seyen. Bereits haben auf Befehl und in Gegenwart des Generalgouverneurs, Grafen Woronzoff, höchst interessante Versuche in unserm Stadtlazareth begonnen, die auf dem Schauplatz der Pestverheerungen selbst fortgesetzt werden sollen, um endlich zur Entscheidung der Frage zu gelangen, ob wirklich die Wärme als Grundlage eines neuen Purificationsverfahrens und eines neuen Sanitätssystems aufgestellt werden könne. Zur Lösung dieses Problems wurden bereits folgende Proben gemacht: vier Baumwollenballen, wovon der erste 322 der zweite 164, der dritte 178 und der vierte 492 Pfund wog, und deren Temperatur 6° Réaumur über Null war, wurden in ein gehörig zugerichtetes Zimmer gebracht, dessen Temperatur auf + 50° R. erhöht war und 24 Stunden lang zwischen 50 und 60° R. erhalten wurde. Nach dieser Zeit ward der erste Ballen, als der voluminöseste und am wenigsten gepreßte, der eine Masse von 1,050 Kubikmeter darbot, und der zweite von 0,075 Kubikm. aus dem Zimmer heraus und in die umgebende Luft gebracht, die eine Temperatur von 7 bis 8° unter dem Gefrierpunkte zeigte. Man hatte mittelst eines starken Spitzeisens in den Mittelpunkt der Ballen eine Oeffnung angebracht, worin ein sogleich eingesenkter Thermometer, der fünf bis sechs Minuten darin gelassen wurde, auf 42° stieg. Mit den zwei andern Ballen ward die Erhitzung bis zum folgenden Tage, das heißt 48 Stunden lang, statt 24 fortgesetzt. Man beobachtete dieselbe Vorsicht, wie mit den beiden ersten Ballen, nur trieb man, da der durch die hydraulische Presse zusammengedrückte Ballen einen stärkern Widerstand als die andern darbot, das Spitzeisen mit Hammerschlägen ein. Der in die dadurch gemachte Oeffnung eingesenkte Thermometer, den man 15 Minuten darin ließ, zeigte in dem hydraulisch gepreßten Ballen + 50° R. und in dem zweiten 56°. Die Eigenschaften der Baumwolle blieben dabei unangetastet, wie denn durch Physik, Chemie und industrielle Erfahrungen erwiesen ist, daß + 80 bis 100° R. weder den spinnbaren Stoff noch dessen Gewebe, noch selbst die daran angebrachte Färbung angreifen. Es geht sonach aus diesen Proben hervor: 1) daß der Wärmestoff im höchsten Grad möglicher Pressung in die Baumwolle eindringen, 2) daß dieses Eindringen innerhalb 24 bis 48 Stunden geschehen kann; 3) daß die Stoffe weder in ihrer Beschaffenheit, noch in ihrer Textur, noch in ihren Farben irgend eine Veränderung erfahren; 4) daß, wenn sich das Gewicht der der Wärme ausgesetzten Stoffe je nach der größern oder geringern Menge der in ihnen enthaltenen Feuchtigkeit vermindert, diesem Nachtheil immer dadurch abgeholfen werden kann, daß man entweder eine feuchte Atmosphäre bereitet, oder diese Stoffe der freien Luft ausgesetzt läßt, wo sie dann vermöge ihrer hygrometrischen Eigenschaft immer wieder ihr früheres Gewicht annehmen werden; 5) daß die Methode durch die Wärme nur 48 Stunden zur Reinigung bedarf; 6) daß man weder die Ballen, noch die Collis je zu öffnen braucht; 7) daß sie durchgreifend, rasch und immer sicher wirkt; 8) daß sie endlich im Vergleich mit den gegenwärtig üblichen Methoden folgende Ersparungsresultate darbietet: Auf 600 Ballen Baumwolle. Lüftungsmethode zu Marseille. Arbeitslohn Fr. 600 Packleinwand zu 50 Cent. für den Ballen Fr. 300 Zins von 250,000 Fr., als dem Werthe der 600 Ballen, zu 5 Procent in 30 Tagen Fr. 1250 Summe Fr. 2150 Methode durch Chlor zu Odessa. Arbeitslohn Fr. 200 Purificationskosten Fr. 125 Zins von 250,000 Fr., als dem Werthe der 600 Ballen, zu 5 Procent in 30 Tagen *) Fr. 1250 Summe Fr. 1575 Methode durch die Wärme. Arbeitslohn Fr. 250 Wärmekosten Fr. 50 Zins von 250,000 Fr., als dem Werthe der 600 Ballen, zu 5 Procent in 48 Stunden Fr. 83 Summe Fr. 383 Nach der Lösung aller dieser Fragen ist noch eine letzte und zwar die wichtigste übrig, ob nämlich die Wärme den Peststoff zerstöre? Diese ganze Frage erwartet in der That noch ihre Lösung, und alle Forschungen müssen jetzt darauf gerichtet seyn. Um desto sicherer und schneller dahin zu gelangen, muß wieder der Weg durch Versuche eingeschlagen werden, zu dem die Regierung die Hand bieten will. Damit nun aber diese Versuche die volle Gültigkeit gewähren, die ihre nützlichen Folgen fordern, war die Sanitätsverwaltung der Ansicht, daß sie unter den Augen und den Händen einer aus Oekonomen und Gelehrten zusammengesetzten Commission vollzogen werden müßten. So viel wir bis jetzt vernehmen, scheint sich diese Commission an ausgewählte Pestorte, wo gerade die Krankheit Verheerungen anrichtet, begeben zu sollen. Auch soll die Regierung einige Mächte aufgefordert haben, Commissarien beizugeben. Der Haupt- und vielleicht der einzige Zweck dieser Mission wäre, durch das Wiederanziehen der vorher der Wärme ausgesetzten verpesteten Kleider und durch Gegenproben den wahren Werth der von Hrn. Bulard aufgestellten Methode zu *) Obgleich die Reinigung durch Chlor nur 48 Stunden erfordert, so braucht man immer 30 und selbst 40 Tage, um die Ballen zu öffnen, wieder zu schließen, die Baumwolle auszubreiten etc.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 167. Augsburg, 15. Juni 1840, S. 1330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_167_18400615/10>, abgerufen am 24.11.2024.