Allgemeine Zeitung. Nr. 161. Augsburg, 9. Juni 1840.Planen zu Gunsten arbeitet." *) Ist es wahr, wie ich gehört habe, daß die französische Regierung England vor einem Monat anbot 10 Linienschiffe einzuziehen, falls England dasselbe thun wolle; ist das wahr, so erhellen daraus die friedlichen Gesinnungen Frankreichs aufs vollkommenste. In seiner Rede an die Pairskammer vom 14 April 1840 erklärte Hr. Thiers, daß Frankreich zwar der Meinung sey, die Unabhängigkeit der Pforte zu erhalten, aber damit nicht beabsichtige, ihr alle seit geraumer Zeit entrissenen Provinzen wiederzugeben, sondern vielmehr in dem Bestande eines, aus solchen Provinzen gebildeten mächtigen Vasallenreichs, wie das des Pascha von Aegypten, die beste Gewährleistung für die Sicherheit der Pforte sehe. - Der jetzige Streitpunkt zwischen England und Frankreich ist also folgender: der edle Lord Staatssecretär des Auswärtigen verlangt, der Divan solle mit Mehemed Ali keinen Frieden schließen, in welchem er Syrien aufgäbe; Frankreich dagegen will, daß Syrien an Mehemed Ali, als Vasallen der Pforte, falle, und erklärt, daß es ihn in der Besitznahme dieses Landes unterstützen werde. Unter derselben Bedingung hat sich auch Mehemed Ali bereit erklärt, die türkische Flotte herauszugeben. - Syrien dem Pascha zu entreißen, würde, behauptet man, England und Frankreich zusammen unmöglich seyn; wie kann also England allein so etwas unternehmen wollen? und warum verfolgt es also noch immer länger einen irrigen Weg, den es eingeschlagen, und der für England mit solchen schweren Ausgaben verknüpft ist? Ueber alle diese Fragen verlange ich eine Erklärung vom edlen Lord Staatssecretär des Auswärtigen." Lord Palmerston gab hierauf im Wesentlichen folgende Erklärung. "Mein ehrenwerther Freund setzt mich dadurch, daß er mich über noch nicht abgeschlossene Unterhandlungen in eine öffentliche Discussion ziehen will, in eine schwierige Lage, und ich würde pflichtwidrig und dem öffentlichen Wohl zuwider handeln, wenn ich mich über die gestellten Fragen, so wie er es verlangt, auslassen wollte. Doch halte ich es andererseits für meine Schuldigkeit dem Hause zu versichern, daß fast jede Behauptung meines ehrenwerthen Freundes sowohl hinsichtlich der von England befolgten Politik, als der von Frankreich an England ergangenen Eröffnungen, als des Betragens des englischen Botschafters in Konstantinopel, als der Wünsche und Aufforderungen unsrer Regierung an die Pforte - auf den allerseltsamsten Mißverständnissen beruht. Nicht eine einzige seiner Behauptungen hat nur die entfernteste Aehnlichkeit mit den wirklich eingetretenen Thatsachen. Niemals hat Frankreich erklärt, daß es Aegypten gegen die Entreißung Syriens oder gegen eine andere Zwangsmaaßregel von Seiten Englands vertheidigen werde. Niemals - doch ich würde, da das Thor der Verneinung hart an das Thor der Versicherung stößt, mich durch Verneinung aller jener Angaben, von deren Wahrheit mein ehrenwerther Freund, wie ich glaube, völlig überzeugt ist, zu Erklärungen verführen lassen, die, wie gesagt, mir jetzt nicht gestattet sind. Die Vermehrung der Abgaben, für die mein ehrenwerther Freund in unserer orientalischen Politik einen Hauptgrund zu finden meint, ward durch ganz andere Dinge nothwendig gemacht, theils durch Maaßregeln, die er selber eifrig unterstützt (Verminderung der directen Steuern) theils durch den Ausfall im Postgeld, theils durch die Angelegenheiten in Canada und mit China. Nur ein sehr kleiner Theil unsrer vermehrten Ausgaben berührt die Seemacht, und davon noch ein kleinerer die schwebende orientalische Frage; die allgemeinen Gründe zu Vermehrung unserer Seemacht aber sind schon mehreremal in diesem Hause selbst besprochen und auf beiden Seiten des Hauses gebilligt worden. Weit entfernt, daß die Schlichtung der orientalischen Frage Frankreich oder England veranlassen könnte 10 Linienschiffe abzuschaffen (oder meint mein ehrenwerther Freund nur aus den asiatischen Gewässern zurückziehen?), würde sich, auch bei vollkommenem Einverständnisse beider Länder, unsere beiderseitige Seemacht wohl nicht um ein einziges Schiff vermindern; die vielen schwebenden Fragen in allen Theilen der Welt, der Stand der Seerüstungen aller übrigen Mächte würde es nicht zulassen. Besonders falsch aber scheint mir das Princip, von dem mein ehrenwerther Freund bei seinen Einwürfen ausgeht. Er meint, wenn man dem Hause bewiesen, daß ein französischer Minister - oder eine französische Regierung - über eine besondere Frage irgend eine besondere Meinung habe, so sey das hinreichend, um die englische Regierung zu verpflichten, jene Meinung anzunehmen, und der Politik Frankreichs in allen Punkten zu folgen. Gewiß, Niemand in dem Hause legt dem innigen Bündniß zwischen Frankreich und England einen höhern Werth bei, als ich; ich halte es für eben so vortheilhaft für das Interesse beider Länder, als förderlich für die Sicherung des europäischen Friedens. Immer, seitdem ich meine jetzige Stelle bekleide, ist es mein Streben gewesen, dieses Bündniß zu fördern, und bei manchen Gelegenheiten hab ich mich sogar dabei gegen eben das zu vertheidigen gehabt, was mein ehrenw. Freund heute im entgegengesetzten Sinne vorbringt, nämlich die englische Regierung von dem Wink einer fremden abhängig gemacht und die Politik Frankreichs, ob übereinstimmend ob nicht übereinstimmend mit den Interessen dieses Landes, befolgt zu haben. Bei allen diesen Gelegenheiten hab' ich fortwährend erklärt, daß das Bündniß auf das Interesse beider Länder gegründet sey und so lange dauern würde, als es sich mit diesen in Einklang finde, daß aber Frankreich und England zu groß, zu mächtig und zu unabhängig seyen, und zu viele wichtige Interessen hätten, die jedwede Regierung verpflichtet wäre zu berücksichtigen, als daß sie sich beide durch ein Band zusammenkuppeln ließen, das, auch da wo die Interessen nicht zusammengingen, England zwingen würde, mit Frankreich, oder Frankreich mit England zu gehen. Man darf die Regierung Englands nicht auffordern, die Politik Frankreichs, Rußlands oder Oesterreichs oder irgend einer andern Macht, so weit sie von der Englands geschieden ist, anzunehmen: worauf es ankommt, ist zu zeigen, daß die Ansichten einer andern Macht für das Interesse Englands förderlich seyen. Ich läugne durchaus, daß die französische Regierung jemals eine Absicht ausgedrückt habe, gegen die andern vier Mächte die Waffen zu ergreifen. Es gibt mehrere Differenzpunkte hinsichtlich der orientalischen Frage zwischen Frankreich und England, aber keine die zum Krieg führen könnten. Ich denke die Verknüpfungen zwischen England und Frankreich sind stark genug, um die französische Regierung abzuhalten, sie leichthin zu brechen, und sich aufs andre Extrem zu werfen. Jedem der die großen Interessen Frankreichs betrachtet, muß es einleuchten, daß es, mit so vielen andern Fragen vor Augen, keinen Vortheil darin finden kann, sich zur Vertheidigung fremder Interessen in einen ritterlichen Kreuzzug einzulassen - einen Kreuzzug, den es weder mit seiner Nationalehre, noch auch mit seinen Verpflichtungen gegen die andern verbündeten Mächte in Einklang bringen könnte. Das ehrenwerthe Mitglied für Kilkenny, indem es sagt, daß ich die Verständigung zwischen Mehemed Ali und dem Sultan verhindert habe, thut der englischen Regierung die Ehre an vorauszusetzen, daß die im Julius *) Die Blätter bemerken, Hrn. Hume's Worte seyen wegen des Lärms im Hause nur schwer verstanden worden. So mag einige Ungenauigkeit im Wiedergeben obiger Stelle mit untergelaufen seyn, denn Hr. Thiers hat in den französischen Kammern sich nie so ausgedrückt.
Planen zu Gunsten arbeitet.“ *) Ist es wahr, wie ich gehört habe, daß die französische Regierung England vor einem Monat anbot 10 Linienschiffe einzuziehen, falls England dasselbe thun wolle; ist das wahr, so erhellen daraus die friedlichen Gesinnungen Frankreichs aufs vollkommenste. In seiner Rede an die Pairskammer vom 14 April 1840 erklärte Hr. Thiers, daß Frankreich zwar der Meinung sey, die Unabhängigkeit der Pforte zu erhalten, aber damit nicht beabsichtige, ihr alle seit geraumer Zeit entrissenen Provinzen wiederzugeben, sondern vielmehr in dem Bestande eines, aus solchen Provinzen gebildeten mächtigen Vasallenreichs, wie das des Pascha von Aegypten, die beste Gewährleistung für die Sicherheit der Pforte sehe. – Der jetzige Streitpunkt zwischen England und Frankreich ist also folgender: der edle Lord Staatssecretär des Auswärtigen verlangt, der Divan solle mit Mehemed Ali keinen Frieden schließen, in welchem er Syrien aufgäbe; Frankreich dagegen will, daß Syrien an Mehemed Ali, als Vasallen der Pforte, falle, und erklärt, daß es ihn in der Besitznahme dieses Landes unterstützen werde. Unter derselben Bedingung hat sich auch Mehemed Ali bereit erklärt, die türkische Flotte herauszugeben. – Syrien dem Pascha zu entreißen, würde, behauptet man, England und Frankreich zusammen unmöglich seyn; wie kann also England allein so etwas unternehmen wollen? und warum verfolgt es also noch immer länger einen irrigen Weg, den es eingeschlagen, und der für England mit solchen schweren Ausgaben verknüpft ist? Ueber alle diese Fragen verlange ich eine Erklärung vom edlen Lord Staatssecretär des Auswärtigen.“ Lord Palmerston gab hierauf im Wesentlichen folgende Erklärung. „Mein ehrenwerther Freund setzt mich dadurch, daß er mich über noch nicht abgeschlossene Unterhandlungen in eine öffentliche Discussion ziehen will, in eine schwierige Lage, und ich würde pflichtwidrig und dem öffentlichen Wohl zuwider handeln, wenn ich mich über die gestellten Fragen, so wie er es verlangt, auslassen wollte. Doch halte ich es andererseits für meine Schuldigkeit dem Hause zu versichern, daß fast jede Behauptung meines ehrenwerthen Freundes sowohl hinsichtlich der von England befolgten Politik, als der von Frankreich an England ergangenen Eröffnungen, als des Betragens des englischen Botschafters in Konstantinopel, als der Wünsche und Aufforderungen unsrer Regierung an die Pforte – auf den allerseltsamsten Mißverständnissen beruht. Nicht eine einzige seiner Behauptungen hat nur die entfernteste Aehnlichkeit mit den wirklich eingetretenen Thatsachen. Niemals hat Frankreich erklärt, daß es Aegypten gegen die Entreißung Syriens oder gegen eine andere Zwangsmaaßregel von Seiten Englands vertheidigen werde. Niemals – doch ich würde, da das Thor der Verneinung hart an das Thor der Versicherung stößt, mich durch Verneinung aller jener Angaben, von deren Wahrheit mein ehrenwerther Freund, wie ich glaube, völlig überzeugt ist, zu Erklärungen verführen lassen, die, wie gesagt, mir jetzt nicht gestattet sind. Die Vermehrung der Abgaben, für die mein ehrenwerther Freund in unserer orientalischen Politik einen Hauptgrund zu finden meint, ward durch ganz andere Dinge nothwendig gemacht, theils durch Maaßregeln, die er selber eifrig unterstützt (Verminderung der directen Steuern) theils durch den Ausfall im Postgeld, theils durch die Angelegenheiten in Canada und mit China. Nur ein sehr kleiner Theil unsrer vermehrten Ausgaben berührt die Seemacht, und davon noch ein kleinerer die schwebende orientalische Frage; die allgemeinen Gründe zu Vermehrung unserer Seemacht aber sind schon mehreremal in diesem Hause selbst besprochen und auf beiden Seiten des Hauses gebilligt worden. Weit entfernt, daß die Schlichtung der orientalischen Frage Frankreich oder England veranlassen könnte 10 Linienschiffe abzuschaffen (oder meint mein ehrenwerther Freund nur aus den asiatischen Gewässern zurückziehen?), würde sich, auch bei vollkommenem Einverständnisse beider Länder, unsere beiderseitige Seemacht wohl nicht um ein einziges Schiff vermindern; die vielen schwebenden Fragen in allen Theilen der Welt, der Stand der Seerüstungen aller übrigen Mächte würde es nicht zulassen. Besonders falsch aber scheint mir das Princip, von dem mein ehrenwerther Freund bei seinen Einwürfen ausgeht. Er meint, wenn man dem Hause bewiesen, daß ein französischer Minister – oder eine französische Regierung – über eine besondere Frage irgend eine besondere Meinung habe, so sey das hinreichend, um die englische Regierung zu verpflichten, jene Meinung anzunehmen, und der Politik Frankreichs in allen Punkten zu folgen. Gewiß, Niemand in dem Hause legt dem innigen Bündniß zwischen Frankreich und England einen höhern Werth bei, als ich; ich halte es für eben so vortheilhaft für das Interesse beider Länder, als förderlich für die Sicherung des europäischen Friedens. Immer, seitdem ich meine jetzige Stelle bekleide, ist es mein Streben gewesen, dieses Bündniß zu fördern, und bei manchen Gelegenheiten hab ich mich sogar dabei gegen eben das zu vertheidigen gehabt, was mein ehrenw. Freund heute im entgegengesetzten Sinne vorbringt, nämlich die englische Regierung von dem Wink einer fremden abhängig gemacht und die Politik Frankreichs, ob übereinstimmend ob nicht übereinstimmend mit den Interessen dieses Landes, befolgt zu haben. Bei allen diesen Gelegenheiten hab' ich fortwährend erklärt, daß das Bündniß auf das Interesse beider Länder gegründet sey und so lange dauern würde, als es sich mit diesen in Einklang finde, daß aber Frankreich und England zu groß, zu mächtig und zu unabhängig seyen, und zu viele wichtige Interessen hätten, die jedwede Regierung verpflichtet wäre zu berücksichtigen, als daß sie sich beide durch ein Band zusammenkuppeln ließen, das, auch da wo die Interessen nicht zusammengingen, England zwingen würde, mit Frankreich, oder Frankreich mit England zu gehen. Man darf die Regierung Englands nicht auffordern, die Politik Frankreichs, Rußlands oder Oesterreichs oder irgend einer andern Macht, so weit sie von der Englands geschieden ist, anzunehmen: worauf es ankommt, ist zu zeigen, daß die Ansichten einer andern Macht für das Interesse Englands förderlich seyen. Ich läugne durchaus, daß die französische Regierung jemals eine Absicht ausgedrückt habe, gegen die andern vier Mächte die Waffen zu ergreifen. Es gibt mehrere Differenzpunkte hinsichtlich der orientalischen Frage zwischen Frankreich und England, aber keine die zum Krieg führen könnten. Ich denke die Verknüpfungen zwischen England und Frankreich sind stark genug, um die französische Regierung abzuhalten, sie leichthin zu brechen, und sich aufs andre Extrem zu werfen. Jedem der die großen Interessen Frankreichs betrachtet, muß es einleuchten, daß es, mit so vielen andern Fragen vor Augen, keinen Vortheil darin finden kann, sich zur Vertheidigung fremder Interessen in einen ritterlichen Kreuzzug einzulassen – einen Kreuzzug, den es weder mit seiner Nationalehre, noch auch mit seinen Verpflichtungen gegen die andern verbündeten Mächte in Einklang bringen könnte. Das ehrenwerthe Mitglied für Kilkenny, indem es sagt, daß ich die Verständigung zwischen Mehemed Ali und dem Sultan verhindert habe, thut der englischen Regierung die Ehre an vorauszusetzen, daß die im Julius *) Die Blätter bemerken, Hrn. Hume's Worte seyen wegen des Lärms im Hause nur schwer verstanden worden. So mag einige Ungenauigkeit im Wiedergeben obiger Stelle mit untergelaufen seyn, denn Hr. Thiers hat in den französischen Kammern sich nie so ausgedrückt.
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Thiers, daß Frankreich zwar der Meinung sey, die Unabhängigkeit der Pforte zu erhalten, aber damit nicht beabsichtige, ihr alle seit geraumer Zeit entrissenen Provinzen wiederzugeben, sondern vielmehr in dem Bestande eines, aus solchen Provinzen gebildeten mächtigen Vasallenreichs, wie das des Pascha von Aegypten, die beste Gewährleistung für die Sicherheit der Pforte sehe. – Der jetzige Streitpunkt zwischen England und Frankreich ist also folgender: der edle Lord Staatssecretär des Auswärtigen verlangt, der Divan solle mit Mehemed Ali keinen Frieden schließen, in welchem er Syrien aufgäbe; Frankreich dagegen will, daß Syrien an Mehemed Ali, als Vasallen der Pforte, falle, und erklärt, daß es ihn in der Besitznahme dieses Landes unterstützen werde. Unter derselben Bedingung hat sich auch Mehemed Ali bereit erklärt, die türkische Flotte herauszugeben. – Syrien dem Pascha zu entreißen, würde, behauptet man, England und Frankreich zusammen unmöglich seyn; wie kann also England allein so etwas unternehmen wollen? und warum verfolgt es also noch immer länger einen irrigen Weg, den es eingeschlagen, und der für England mit solchen schweren Ausgaben verknüpft ist? Ueber alle diese Fragen verlange ich eine Erklärung vom edlen Lord Staatssecretär des Auswärtigen.“ Lord <hi rendition="#g">Palmerston</hi> gab hierauf im Wesentlichen folgende Erklärung. „Mein ehrenwerther Freund setzt mich dadurch, daß er mich über noch nicht abgeschlossene Unterhandlungen in eine öffentliche Discussion ziehen will, in eine schwierige Lage, und ich würde pflichtwidrig und dem öffentlichen Wohl zuwider handeln, wenn ich mich über die gestellten Fragen, so wie er es verlangt, auslassen wollte. Doch halte ich es andererseits für meine Schuldigkeit dem Hause zu versichern, daß fast jede Behauptung meines ehrenwerthen Freundes sowohl hinsichtlich der von England befolgten Politik, als der von Frankreich an England ergangenen Eröffnungen, als des Betragens des englischen Botschafters in Konstantinopel, als der Wünsche und Aufforderungen unsrer Regierung an die Pforte – auf den allerseltsamsten Mißverständnissen beruht. Nicht eine einzige seiner Behauptungen hat nur die entfernteste Aehnlichkeit mit den wirklich eingetretenen Thatsachen. Niemals hat Frankreich erklärt, daß es Aegypten gegen die Entreißung Syriens oder gegen eine andere Zwangsmaaßregel von Seiten Englands vertheidigen werde. Niemals – doch ich würde, da das Thor der Verneinung hart an das Thor der Versicherung stößt, mich durch Verneinung aller jener Angaben, von deren Wahrheit mein ehrenwerther Freund, wie ich glaube, völlig überzeugt ist, zu Erklärungen verführen lassen, die, wie gesagt, mir jetzt nicht gestattet sind. Die Vermehrung der Abgaben, für die mein ehrenwerther Freund in unserer orientalischen Politik einen Hauptgrund zu finden meint, ward durch ganz andere Dinge nothwendig gemacht, theils durch Maaßregeln, die er selber eifrig unterstützt (Verminderung der directen Steuern) theils durch den Ausfall im Postgeld, theils durch die Angelegenheiten in Canada und mit China. Nur ein sehr kleiner Theil unsrer vermehrten Ausgaben berührt die Seemacht, und davon noch ein kleinerer die schwebende orientalische Frage; die allgemeinen Gründe zu Vermehrung unserer Seemacht aber sind schon mehreremal in diesem Hause selbst besprochen und auf beiden Seiten des Hauses gebilligt worden. Weit entfernt, daß die Schlichtung der orientalischen Frage Frankreich oder England veranlassen könnte 10 Linienschiffe abzuschaffen (oder meint mein ehrenwerther Freund nur aus den asiatischen Gewässern zurückziehen?), würde sich, auch bei vollkommenem Einverständnisse beider Länder, unsere beiderseitige Seemacht wohl nicht um ein einziges Schiff vermindern; die vielen schwebenden Fragen in allen Theilen der Welt, der Stand der Seerüstungen aller übrigen Mächte würde es nicht zulassen. Besonders falsch aber scheint mir das Princip, von dem mein ehrenwerther Freund bei seinen Einwürfen ausgeht. Er meint, wenn man dem Hause bewiesen, daß ein französischer Minister – oder eine französische Regierung – über eine besondere Frage irgend eine besondere Meinung habe, so sey das hinreichend, um die englische Regierung zu verpflichten, jene Meinung anzunehmen, und der Politik Frankreichs in allen Punkten zu folgen. Gewiß, Niemand in dem Hause legt dem innigen Bündniß zwischen Frankreich und England einen höhern Werth bei, als ich; ich halte es für eben so vortheilhaft für das Interesse beider Länder, als förderlich für die Sicherung des europäischen Friedens. Immer, seitdem ich meine jetzige Stelle bekleide, ist es mein Streben gewesen, dieses Bündniß zu fördern, und bei manchen Gelegenheiten hab ich mich sogar dabei gegen eben das zu vertheidigen gehabt, was mein ehrenw. Freund heute im entgegengesetzten Sinne vorbringt, nämlich die englische Regierung von dem Wink einer fremden abhängig gemacht und die Politik Frankreichs, ob übereinstimmend ob nicht übereinstimmend mit den Interessen dieses Landes, befolgt zu haben. Bei allen diesen Gelegenheiten hab' ich fortwährend erklärt, daß das Bündniß auf das Interesse beider Länder gegründet sey und so lange dauern würde, als es sich mit diesen in Einklang finde, daß aber Frankreich und England zu groß, zu mächtig und zu unabhängig seyen, und zu viele wichtige Interessen hätten, die jedwede Regierung verpflichtet wäre zu berücksichtigen, als daß sie sich beide durch ein Band zusammenkuppeln ließen, das, auch da wo die Interessen nicht zusammengingen, England zwingen würde, mit Frankreich, oder Frankreich mit England zu gehen. Man darf die Regierung Englands nicht auffordern, die Politik Frankreichs, Rußlands oder Oesterreichs oder irgend einer andern Macht, so weit sie von der Englands geschieden ist, anzunehmen: worauf es ankommt, ist zu zeigen, daß die Ansichten einer andern Macht für das Interesse Englands förderlich seyen. Ich läugne durchaus, daß die französische Regierung jemals eine Absicht ausgedrückt habe, gegen die andern vier Mächte die Waffen zu ergreifen. Es gibt mehrere Differenzpunkte hinsichtlich der orientalischen Frage zwischen Frankreich und England, aber keine die zum Krieg führen könnten. Ich denke die Verknüpfungen zwischen England und Frankreich sind stark genug, um die französische Regierung abzuhalten, sie leichthin zu brechen, und sich aufs andre Extrem zu werfen. Jedem der die großen Interessen Frankreichs betrachtet, muß es einleuchten, daß es, mit so vielen andern Fragen vor Augen, keinen Vortheil darin finden kann, sich zur Vertheidigung fremder Interessen in einen ritterlichen Kreuzzug einzulassen – einen Kreuzzug, den es weder mit seiner Nationalehre, noch auch mit seinen Verpflichtungen gegen die andern verbündeten Mächte in Einklang bringen könnte. Das ehrenwerthe Mitglied für Kilkenny, indem es sagt, daß ich die Verständigung zwischen Mehemed Ali und dem Sultan verhindert habe, thut der englischen Regierung die Ehre an vorauszusetzen, daß die im Julius<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1282/0002]
Planen zu Gunsten arbeitet.“ *) Ist es wahr, wie ich gehört habe, daß die französische Regierung England vor einem Monat anbot 10 Linienschiffe einzuziehen, falls England dasselbe thun wolle; ist das wahr, so erhellen daraus die friedlichen Gesinnungen Frankreichs aufs vollkommenste. In seiner Rede an die Pairskammer vom 14 April 1840 erklärte Hr. Thiers, daß Frankreich zwar der Meinung sey, die Unabhängigkeit der Pforte zu erhalten, aber damit nicht beabsichtige, ihr alle seit geraumer Zeit entrissenen Provinzen wiederzugeben, sondern vielmehr in dem Bestande eines, aus solchen Provinzen gebildeten mächtigen Vasallenreichs, wie das des Pascha von Aegypten, die beste Gewährleistung für die Sicherheit der Pforte sehe. – Der jetzige Streitpunkt zwischen England und Frankreich ist also folgender: der edle Lord Staatssecretär des Auswärtigen verlangt, der Divan solle mit Mehemed Ali keinen Frieden schließen, in welchem er Syrien aufgäbe; Frankreich dagegen will, daß Syrien an Mehemed Ali, als Vasallen der Pforte, falle, und erklärt, daß es ihn in der Besitznahme dieses Landes unterstützen werde. Unter derselben Bedingung hat sich auch Mehemed Ali bereit erklärt, die türkische Flotte herauszugeben. – Syrien dem Pascha zu entreißen, würde, behauptet man, England und Frankreich zusammen unmöglich seyn; wie kann also England allein so etwas unternehmen wollen? und warum verfolgt es also noch immer länger einen irrigen Weg, den es eingeschlagen, und der für England mit solchen schweren Ausgaben verknüpft ist? Ueber alle diese Fragen verlange ich eine Erklärung vom edlen Lord Staatssecretär des Auswärtigen.“ Lord Palmerston gab hierauf im Wesentlichen folgende Erklärung. „Mein ehrenwerther Freund setzt mich dadurch, daß er mich über noch nicht abgeschlossene Unterhandlungen in eine öffentliche Discussion ziehen will, in eine schwierige Lage, und ich würde pflichtwidrig und dem öffentlichen Wohl zuwider handeln, wenn ich mich über die gestellten Fragen, so wie er es verlangt, auslassen wollte. Doch halte ich es andererseits für meine Schuldigkeit dem Hause zu versichern, daß fast jede Behauptung meines ehrenwerthen Freundes sowohl hinsichtlich der von England befolgten Politik, als der von Frankreich an England ergangenen Eröffnungen, als des Betragens des englischen Botschafters in Konstantinopel, als der Wünsche und Aufforderungen unsrer Regierung an die Pforte – auf den allerseltsamsten Mißverständnissen beruht. Nicht eine einzige seiner Behauptungen hat nur die entfernteste Aehnlichkeit mit den wirklich eingetretenen Thatsachen. Niemals hat Frankreich erklärt, daß es Aegypten gegen die Entreißung Syriens oder gegen eine andere Zwangsmaaßregel von Seiten Englands vertheidigen werde. Niemals – doch ich würde, da das Thor der Verneinung hart an das Thor der Versicherung stößt, mich durch Verneinung aller jener Angaben, von deren Wahrheit mein ehrenwerther Freund, wie ich glaube, völlig überzeugt ist, zu Erklärungen verführen lassen, die, wie gesagt, mir jetzt nicht gestattet sind. Die Vermehrung der Abgaben, für die mein ehrenwerther Freund in unserer orientalischen Politik einen Hauptgrund zu finden meint, ward durch ganz andere Dinge nothwendig gemacht, theils durch Maaßregeln, die er selber eifrig unterstützt (Verminderung der directen Steuern) theils durch den Ausfall im Postgeld, theils durch die Angelegenheiten in Canada und mit China. Nur ein sehr kleiner Theil unsrer vermehrten Ausgaben berührt die Seemacht, und davon noch ein kleinerer die schwebende orientalische Frage; die allgemeinen Gründe zu Vermehrung unserer Seemacht aber sind schon mehreremal in diesem Hause selbst besprochen und auf beiden Seiten des Hauses gebilligt worden. Weit entfernt, daß die Schlichtung der orientalischen Frage Frankreich oder England veranlassen könnte 10 Linienschiffe abzuschaffen (oder meint mein ehrenwerther Freund nur aus den asiatischen Gewässern zurückziehen?), würde sich, auch bei vollkommenem Einverständnisse beider Länder, unsere beiderseitige Seemacht wohl nicht um ein einziges Schiff vermindern; die vielen schwebenden Fragen in allen Theilen der Welt, der Stand der Seerüstungen aller übrigen Mächte würde es nicht zulassen. Besonders falsch aber scheint mir das Princip, von dem mein ehrenwerther Freund bei seinen Einwürfen ausgeht. Er meint, wenn man dem Hause bewiesen, daß ein französischer Minister – oder eine französische Regierung – über eine besondere Frage irgend eine besondere Meinung habe, so sey das hinreichend, um die englische Regierung zu verpflichten, jene Meinung anzunehmen, und der Politik Frankreichs in allen Punkten zu folgen. Gewiß, Niemand in dem Hause legt dem innigen Bündniß zwischen Frankreich und England einen höhern Werth bei, als ich; ich halte es für eben so vortheilhaft für das Interesse beider Länder, als förderlich für die Sicherung des europäischen Friedens. Immer, seitdem ich meine jetzige Stelle bekleide, ist es mein Streben gewesen, dieses Bündniß zu fördern, und bei manchen Gelegenheiten hab ich mich sogar dabei gegen eben das zu vertheidigen gehabt, was mein ehrenw. Freund heute im entgegengesetzten Sinne vorbringt, nämlich die englische Regierung von dem Wink einer fremden abhängig gemacht und die Politik Frankreichs, ob übereinstimmend ob nicht übereinstimmend mit den Interessen dieses Landes, befolgt zu haben. Bei allen diesen Gelegenheiten hab' ich fortwährend erklärt, daß das Bündniß auf das Interesse beider Länder gegründet sey und so lange dauern würde, als es sich mit diesen in Einklang finde, daß aber Frankreich und England zu groß, zu mächtig und zu unabhängig seyen, und zu viele wichtige Interessen hätten, die jedwede Regierung verpflichtet wäre zu berücksichtigen, als daß sie sich beide durch ein Band zusammenkuppeln ließen, das, auch da wo die Interessen nicht zusammengingen, England zwingen würde, mit Frankreich, oder Frankreich mit England zu gehen. Man darf die Regierung Englands nicht auffordern, die Politik Frankreichs, Rußlands oder Oesterreichs oder irgend einer andern Macht, so weit sie von der Englands geschieden ist, anzunehmen: worauf es ankommt, ist zu zeigen, daß die Ansichten einer andern Macht für das Interesse Englands förderlich seyen. Ich läugne durchaus, daß die französische Regierung jemals eine Absicht ausgedrückt habe, gegen die andern vier Mächte die Waffen zu ergreifen. Es gibt mehrere Differenzpunkte hinsichtlich der orientalischen Frage zwischen Frankreich und England, aber keine die zum Krieg führen könnten. Ich denke die Verknüpfungen zwischen England und Frankreich sind stark genug, um die französische Regierung abzuhalten, sie leichthin zu brechen, und sich aufs andre Extrem zu werfen. Jedem der die großen Interessen Frankreichs betrachtet, muß es einleuchten, daß es, mit so vielen andern Fragen vor Augen, keinen Vortheil darin finden kann, sich zur Vertheidigung fremder Interessen in einen ritterlichen Kreuzzug einzulassen – einen Kreuzzug, den es weder mit seiner Nationalehre, noch auch mit seinen Verpflichtungen gegen die andern verbündeten Mächte in Einklang bringen könnte. Das ehrenwerthe Mitglied für Kilkenny, indem es sagt, daß ich die Verständigung zwischen Mehemed Ali und dem Sultan verhindert habe, thut der englischen Regierung die Ehre an vorauszusetzen, daß die im Julius
*) Die Blätter bemerken, Hrn. Hume's Worte seyen wegen des Lärms im Hause nur schwer verstanden worden. So mag einige Ungenauigkeit im Wiedergeben obiger Stelle mit untergelaufen seyn, denn Hr. Thiers hat in den französischen Kammern sich nie so ausgedrückt.
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