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Allgemeine Zeitung. Nr. 155. Augsburg, 3. Juni 1840.

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bewundern den wahrhaft heldenmüthigen, bis jetzt in den Gränzen der Gesetzlichkeit gebliebenen, durch nichts wankend zu machenden Widerstand gegen alle Angriffe auf das, was jene dort ihr gutes Recht nennen. Alle aber fühlen auch auf das lebhafteste, daß hier etwas geschehen, daß hier geholfen werden müsse, um die unter Umständen bedenkliche öffentliche Meinung zu versöhnen, die Gemüther zu beruhigen, das Vertrauen herzustellen. Ich habe mich nicht erhoben, um zunächst meine eignen Ansichten auszusprechen, sondern durch Pflicht und Gefühl mich verbunden erachtet, hier öffentlich die überall sich kund gebenden Ansichten, Unruhen und Besorgnisse laut werden zu lassen, weil es noth thut, daß die Regierungen aus einer reinen, unverdächtigen Quelle erfahren, wie es um diese Sache in der öffentlichen Meinung steht. Mir ist nicht die Gabe der Beredsamsamkeit verliehen, noch ist Uebertreibung meine Sache. Das, was ich gesagt, ist lautere, unverfälschte Wahrheit, und ich bin überzeugt, daß alle Mitglieder dieser Versammlung, insbesondere aber diejenigen, die, gleich mir, dem Bürgerstand angehören, überall dieselbe Erfahrung werden gemacht, dieselben Aeußerungen und Besorgnisse tausendfältig werden vernommen haben." (Von allen Seiten hört man Zeichen der Beistimmung.)

Duttlinger untersucht zuerst die Competenz der Kammer, prophezeit, daß ihr Beschluß abermals einstimmig ausfallen werde, und fährt dann im Wesentlichen fort: "Zuvörderst danke ich unserm verehrten Hrn. Minister der auswärtigen Angelegenheiten für die Mittheilung des Bundesbeschlusses vom 5 Sept. 1839. Es ist derselbe, so viel mir bekannt, heute zum erstenmal in deutscher Sprache authentisch veröffentlicht worden. Denn bis jetzt haben wir Deutschen diesen Beschluß der deutschen Bundesversammlung nur durch Mittheilungen der französischen und der englischen Presse gekannt, so wie auch die Abstimmungen, die diesem Beschlusse vorangegangen sind, nur auf dem nämlichen Wege zu unserer Kenntniß gelangt sind. Ich bekenne nun zwar, daß dieser Beschluß in einer Weise abgefaßt ist, die klarer seyn könnte, und bekenne ferner, daß auch die Interpretation, die unser Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten heute diesem Beschlusse gegeben hat, klarer seyn könnte, als sie es wirklich ist. Gleichwohl ist demjenigen, der die Abstimmungen kennt, welche dem Beschlusse vorangegangen sind, der Sinn in keiner Weise unklar, und es ist ihm in keiner Weise zweifelhaft, daß die Deutung, die der Beschluß durch die hannover'sche Proclamation vom 10 Sept. 1839 erhalten hat, nicht die richtige ist. Der Bundesbeschluß, wie ihn der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten uns mitgetheilt hat, lautet in seiner Hauptbestimmung wörtlich so, daß eine Einschreitung in diese innere Landesangelegenheit des Königreichs Hannover bei dermaliger Sachlage "bundesgesetzlich nicht begründet sey." Bei "dermaliger Sachlage" nicht begründet, sagt der Beschluß, was nicht zu übersehen ist. Die k. Proclamation aber, die diesen Beschluß veröffentlicht hat (wahrscheinlich mit Verletzung derjenigen Pflichten, welche die hannover'sche Regierung gegen die hohe Bundesversammlung hat, wenn ich wenigstens das Bundesgesetz richtig verstehe und richtig interpretire -), theilt den Beschluß mit und fügt die Behauptung hinzu, es habe hiermit (nämlich durch den Bundesbeschluß) "diejenige Grundlage des öffentlichen Rechts in Hannover eine Anerkennung gefunden, die von dem König von Hannover immer für die allein gültige erklärt worden sey." Es kann dieß nun eben so viel heißen, oder sollte nach der Intention der Proclamation so viel heißen, und ist auch so interpretirt worden, daß die hohe Bundesversammlung die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Staatsgrundgesetzes von 1833 anerkannt habe. So hat man durch die Proclamation den Bundesbeschluß gedeutet. Allein ganz mit Unrecht! Dieß ist nicht der Sinn desselben! Diese Deutung des Bundesbeschlusses hat dem hohen deutschen Bunde mehr geschadet, die königl. hannover'sche Proclamation hat hiedurch der hohen Bundesversammlung in dem Vertrauen der deutschen Nation größern Schaden zugefügt, sie hat der Autorität des Bundestages mehr geschadet, als ich derselben durch Stunden lange, durch Jahre lange Reden zu schaden vermöchte.... Es würden durch jene proclamirte Lehre, wenn sie wahr wäre, alle Verfassungen, die gegenwärtig innerhalb der Gränzen des deutschen Bundes bestehen, zu Kartenhäusern gemacht, die der leiseste Hauch des Machthabers umzustürzen vermöchte. Nun hat aber eben wirklich jener Bundesbeschluß jene Deutung erhalten. Diese Deutung ist aber glücklicherweise unrichtig. Die Bundesversammlung hat über die Frage der Gültigkeit oder Nichtgültigkeit des Staatsgrundgesetzes von 1833 gar nicht entschieden, sondern nur über Anträge entschieden, die von mehreren deutschen Bundesregierungen gestellt worden waren, jetzt unter den gegenwärtigen Verhältnissen einzuschreiten, und darauf hat man die Entscheidung gegeben, es sey jetzt unter den gegenwärtigen Verhältnissen, "bei dermaliger Sachlage", keine bundesgesetzlich begründete Veranlassung zur Einschreitung vorhanden. Ich glaube, daß es ganz besonders dem Interesse des Ansehens der Bundesversammlung selbst zum Frommen und Vortheile gereicht, wenn man dem Bundesbeschlusse nicht die hannover'sche, sondern diejenige Auslegung allein gibt, die ihm derjenige allein zu geben vermag, der mit den Abstimmungen vollkommen bekannt ist, die dem Beschlusse selbst vorhergegangen sind." ... Zum Schlusse sprach der Redner noch von den unglückseligen Folgen der hannover'schen Umwälzung in Bezug auf die Wahlen, namentlich von den Minoritätswahlen, welche eine eben so unerhörte Verhöhnung des Verstandes als des Rechtes enthielten, wie unter den neuesten Beispielen, welche die öffentlichen Blätter in diesen Tagen wieder mitgetheilt hätten, die am 11 des vorigen Monats stattgehabte Wahl zu Malgarten, wo, nachdem die übrigen Wahlmänner die Wahl abgelehnt, der Wahlmann Abing für den osnabrück'schen Bauernstand drei Deputirte gewählt habe. (Gelächter.)

(Fortsetzung folgt.)

[irrelevantes Material] Hannover. (Beschluß.)

Nach dem Gesagten nehmen wir denn an, daß der §. 9 nur über die Form der Wahlhandlung, d. h. die Versammlung, Vereinigung in einem Raum und zu derselben Zeit, und außerdem darüber bestimme, auf welche Weise der Gesammtwille der Erschienenen, nämlich durch die Majorität, erkannt werden solle. Die Bestimmung hingegen, daß nur durch das Erscheinen aller überhaupt Berechtigten eine Wahlversammlung constituirt werden könne, daß alle unverrichteter Sache wieder auseinander gehen müßten, daß keine Versammlung stattfinden könne, wenn nicht überhaupt alle Berechtigten sich zur bestimmten Zeit und am bestimmten Ort eingefunden hätten, das vermögen wir im §. 9 l. c. nicht zu finden. Auf diese Erklärung weist die logische Auffassung aus mehreren Gesichtspunkten hin. Sie weist aber namentlich deßhalb darauf hin, weil die Verordnung weder mögliche Zwangsmaaßregeln gegen die zu versammelnden Wahlmänner sanctionirt, noch der möglichen Ausnahmsfälle gedenkt, in welchen die Regel in ihrer absoluten Gestalt nicht verwirklicht werden kann. Beides hätte aber geschehen müssen, wenn der Gesetzgeber den Worten "in einer Versammlung sämmtlicher Wahlmänner" die absolute Bedeutung beilegen wollte; denn ohne Zwangsmaaßregeln auf der einen und Ausnahmsfälle auf der andern Seite möchte schwerlich immer eine aus zehn, zwanzig oder noch mehreren, in verschiedenen Orten wohnhaften, den verschiedensten zufälligen oder absichtlichen Behinderungen unterworfenen Personen bestehende Versammlung an einem und demselben Ort und zu einer und derselben Zeit zu Stande gebracht werden. Kein vernünftiger Gesetzgeber kann bestimmen, es müssen nothwendig alle Berechtigten erscheinen, ohne zugleich hinzuzufügen: ausgenommen, wenn Krankheit, unpassirbare Wege oder Flüsse, Dienstgeschäfte oder andere zufällige Begebenheiten, welche außerhalb des freien Willens der Wahlmänner liegen, das Erscheinen unmöglich machen. Kein Gesetzgeber wird verordnen, es müssen durchaus Alle erscheinen, ohne beizufügen: derjenige, welcher absichtlich wegbleibt, veranlaßt dadurch einen neuen Wahltermin und trägt deßhalb die dadurch verursachten Kosten. Diese Ausnahmen und Zwangsmaaßregeln enthalten auch in der That die wenigen Wahlordnungen, welche die Gegenwart sämmtlicher Wahlmänner vorschreiben, und außerdem erlauben diese zuweilen auch noch ausdrücklich, daß in den Fällen, wo zufällige Hindernisse obstiren, schriftliche Einsendung der Stimme erlaubt seyn soll. Eben aber, weil in der vorliegenden Verordnung das Nothwendige nicht regulirt, weil das nicht beachtet worden ist, was vernünftigerweise hätte beachtet seyn müssen, wenn dem Worte "sämmtliche" die absolute Bedeutung zum Grunde liegen sollte - eben deßhalb läßt sich unbedenklich der Rückschluß machen, daß der Gesetzgeber das mehrgedachte Wort nur in der relativen, durch das Hinzudenken der Anwesenheit zu erklärenden Bedeutung genommen habe; denn nur unter dieser Voraussetzung läßt sich das Nichtbeachten der Ausnahmen und Zwangsmaaßregeln rechtfertigen. Diese Ansicht, welche denn zugleich in sich begreift, daß diejenigen, welche zwar anwesend, aber nicht wählen wollen, den Abwesenden gleich geachtet werden müssen, oder, wenn Verzicht hier nicht zulässig wäre, der Majorität hinzuzuzählen seyn

bewundern den wahrhaft heldenmüthigen, bis jetzt in den Gränzen der Gesetzlichkeit gebliebenen, durch nichts wankend zu machenden Widerstand gegen alle Angriffe auf das, was jene dort ihr gutes Recht nennen. Alle aber fühlen auch auf das lebhafteste, daß hier etwas geschehen, daß hier geholfen werden müsse, um die unter Umständen bedenkliche öffentliche Meinung zu versöhnen, die Gemüther zu beruhigen, das Vertrauen herzustellen. Ich habe mich nicht erhoben, um zunächst meine eignen Ansichten auszusprechen, sondern durch Pflicht und Gefühl mich verbunden erachtet, hier öffentlich die überall sich kund gebenden Ansichten, Unruhen und Besorgnisse laut werden zu lassen, weil es noth thut, daß die Regierungen aus einer reinen, unverdächtigen Quelle erfahren, wie es um diese Sache in der öffentlichen Meinung steht. Mir ist nicht die Gabe der Beredsamsamkeit verliehen, noch ist Uebertreibung meine Sache. Das, was ich gesagt, ist lautere, unverfälschte Wahrheit, und ich bin überzeugt, daß alle Mitglieder dieser Versammlung, insbesondere aber diejenigen, die, gleich mir, dem Bürgerstand angehören, überall dieselbe Erfahrung werden gemacht, dieselben Aeußerungen und Besorgnisse tausendfältig werden vernommen haben.“ (Von allen Seiten hört man Zeichen der Beistimmung.)

Duttlinger untersucht zuerst die Competenz der Kammer, prophezeit, daß ihr Beschluß abermals einstimmig ausfallen werde, und fährt dann im Wesentlichen fort: „Zuvörderst danke ich unserm verehrten Hrn. Minister der auswärtigen Angelegenheiten für die Mittheilung des Bundesbeschlusses vom 5 Sept. 1839. Es ist derselbe, so viel mir bekannt, heute zum erstenmal in deutscher Sprache authentisch veröffentlicht worden. Denn bis jetzt haben wir Deutschen diesen Beschluß der deutschen Bundesversammlung nur durch Mittheilungen der französischen und der englischen Presse gekannt, so wie auch die Abstimmungen, die diesem Beschlusse vorangegangen sind, nur auf dem nämlichen Wege zu unserer Kenntniß gelangt sind. Ich bekenne nun zwar, daß dieser Beschluß in einer Weise abgefaßt ist, die klarer seyn könnte, und bekenne ferner, daß auch die Interpretation, die unser Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten heute diesem Beschlusse gegeben hat, klarer seyn könnte, als sie es wirklich ist. Gleichwohl ist demjenigen, der die Abstimmungen kennt, welche dem Beschlusse vorangegangen sind, der Sinn in keiner Weise unklar, und es ist ihm in keiner Weise zweifelhaft, daß die Deutung, die der Beschluß durch die hannover'sche Proclamation vom 10 Sept. 1839 erhalten hat, nicht die richtige ist. Der Bundesbeschluß, wie ihn der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten uns mitgetheilt hat, lautet in seiner Hauptbestimmung wörtlich so, daß eine Einschreitung in diese innere Landesangelegenheit des Königreichs Hannover bei dermaliger Sachlage „bundesgesetzlich nicht begründet sey.“ Bei „dermaliger Sachlage“ nicht begründet, sagt der Beschluß, was nicht zu übersehen ist. Die k. Proclamation aber, die diesen Beschluß veröffentlicht hat (wahrscheinlich mit Verletzung derjenigen Pflichten, welche die hannover'sche Regierung gegen die hohe Bundesversammlung hat, wenn ich wenigstens das Bundesgesetz richtig verstehe und richtig interpretire –), theilt den Beschluß mit und fügt die Behauptung hinzu, es habe hiermit (nämlich durch den Bundesbeschluß) „diejenige Grundlage des öffentlichen Rechts in Hannover eine Anerkennung gefunden, die von dem König von Hannover immer für die allein gültige erklärt worden sey.“ Es kann dieß nun eben so viel heißen, oder sollte nach der Intention der Proclamation so viel heißen, und ist auch so interpretirt worden, daß die hohe Bundesversammlung die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Staatsgrundgesetzes von 1833 anerkannt habe. So hat man durch die Proclamation den Bundesbeschluß gedeutet. Allein ganz mit Unrecht! Dieß ist nicht der Sinn desselben! Diese Deutung des Bundesbeschlusses hat dem hohen deutschen Bunde mehr geschadet, die königl. hannover'sche Proclamation hat hiedurch der hohen Bundesversammlung in dem Vertrauen der deutschen Nation größern Schaden zugefügt, sie hat der Autorität des Bundestages mehr geschadet, als ich derselben durch Stunden lange, durch Jahre lange Reden zu schaden vermöchte.... Es würden durch jene proclamirte Lehre, wenn sie wahr wäre, alle Verfassungen, die gegenwärtig innerhalb der Gränzen des deutschen Bundes bestehen, zu Kartenhäusern gemacht, die der leiseste Hauch des Machthabers umzustürzen vermöchte. Nun hat aber eben wirklich jener Bundesbeschluß jene Deutung erhalten. Diese Deutung ist aber glücklicherweise unrichtig. Die Bundesversammlung hat über die Frage der Gültigkeit oder Nichtgültigkeit des Staatsgrundgesetzes von 1833 gar nicht entschieden, sondern nur über Anträge entschieden, die von mehreren deutschen Bundesregierungen gestellt worden waren, jetzt unter den gegenwärtigen Verhältnissen einzuschreiten, und darauf hat man die Entscheidung gegeben, es sey jetzt unter den gegenwärtigen Verhältnissen, „bei dermaliger Sachlage“, keine bundesgesetzlich begründete Veranlassung zur Einschreitung vorhanden. Ich glaube, daß es ganz besonders dem Interesse des Ansehens der Bundesversammlung selbst zum Frommen und Vortheile gereicht, wenn man dem Bundesbeschlusse nicht die hannover'sche, sondern diejenige Auslegung allein gibt, die ihm derjenige allein zu geben vermag, der mit den Abstimmungen vollkommen bekannt ist, die dem Beschlusse selbst vorhergegangen sind.“ ... Zum Schlusse sprach der Redner noch von den unglückseligen Folgen der hannover'schen Umwälzung in Bezug auf die Wahlen, namentlich von den Minoritätswahlen, welche eine eben so unerhörte Verhöhnung des Verstandes als des Rechtes enthielten, wie unter den neuesten Beispielen, welche die öffentlichen Blätter in diesen Tagen wieder mitgetheilt hätten, die am 11 des vorigen Monats stattgehabte Wahl zu Malgarten, wo, nachdem die übrigen Wahlmänner die Wahl abgelehnt, der Wahlmann Abing für den osnabrück'schen Bauernstand drei Deputirte gewählt habe. (Gelächter.)

(Fortsetzung folgt.)

[irrelevantes Material] Hannover. (Beschluß.)

Nach dem Gesagten nehmen wir denn an, daß der §. 9 nur über die Form der Wahlhandlung, d. h. die Versammlung, Vereinigung in einem Raum und zu derselben Zeit, und außerdem darüber bestimme, auf welche Weise der Gesammtwille der Erschienenen, nämlich durch die Majorität, erkannt werden solle. Die Bestimmung hingegen, daß nur durch das Erscheinen aller überhaupt Berechtigten eine Wahlversammlung constituirt werden könne, daß alle unverrichteter Sache wieder auseinander gehen müßten, daß keine Versammlung stattfinden könne, wenn nicht überhaupt alle Berechtigten sich zur bestimmten Zeit und am bestimmten Ort eingefunden hätten, das vermögen wir im §. 9 l. c. nicht zu finden. Auf diese Erklärung weist die logische Auffassung aus mehreren Gesichtspunkten hin. Sie weist aber namentlich deßhalb darauf hin, weil die Verordnung weder mögliche Zwangsmaaßregeln gegen die zu versammelnden Wahlmänner sanctionirt, noch der möglichen Ausnahmsfälle gedenkt, in welchen die Regel in ihrer absoluten Gestalt nicht verwirklicht werden kann. Beides hätte aber geschehen müssen, wenn der Gesetzgeber den Worten „in einer Versammlung sämmtlicher Wahlmänner“ die absolute Bedeutung beilegen wollte; denn ohne Zwangsmaaßregeln auf der einen und Ausnahmsfälle auf der andern Seite möchte schwerlich immer eine aus zehn, zwanzig oder noch mehreren, in verschiedenen Orten wohnhaften, den verschiedensten zufälligen oder absichtlichen Behinderungen unterworfenen Personen bestehende Versammlung an einem und demselben Ort und zu einer und derselben Zeit zu Stande gebracht werden. Kein vernünftiger Gesetzgeber kann bestimmen, es müssen nothwendig alle Berechtigten erscheinen, ohne zugleich hinzuzufügen: ausgenommen, wenn Krankheit, unpassirbare Wege oder Flüsse, Dienstgeschäfte oder andere zufällige Begebenheiten, welche außerhalb des freien Willens der Wahlmänner liegen, das Erscheinen unmöglich machen. Kein Gesetzgeber wird verordnen, es müssen durchaus Alle erscheinen, ohne beizufügen: derjenige, welcher absichtlich wegbleibt, veranlaßt dadurch einen neuen Wahltermin und trägt deßhalb die dadurch verursachten Kosten. Diese Ausnahmen und Zwangsmaaßregeln enthalten auch in der That die wenigen Wahlordnungen, welche die Gegenwart sämmtlicher Wahlmänner vorschreiben, und außerdem erlauben diese zuweilen auch noch ausdrücklich, daß in den Fällen, wo zufällige Hindernisse obstiren, schriftliche Einsendung der Stimme erlaubt seyn soll. Eben aber, weil in der vorliegenden Verordnung das Nothwendige nicht regulirt, weil das nicht beachtet worden ist, was vernünftigerweise hätte beachtet seyn müssen, wenn dem Worte „sämmtliche“ die absolute Bedeutung zum Grunde liegen sollte – eben deßhalb läßt sich unbedenklich der Rückschluß machen, daß der Gesetzgeber das mehrgedachte Wort nur in der relativen, durch das Hinzudenken der Anwesenheit zu erklärenden Bedeutung genommen habe; denn nur unter dieser Voraussetzung läßt sich das Nichtbeachten der Ausnahmen und Zwangsmaaßregeln rechtfertigen. Diese Ansicht, welche denn zugleich in sich begreift, daß diejenigen, welche zwar anwesend, aber nicht wählen wollen, den Abwesenden gleich geachtet werden müssen, oder, wenn Verzicht hier nicht zulässig wäre, der Majorität hinzuzuzählen seyn

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[1235/0011] bewundern den wahrhaft heldenmüthigen, bis jetzt in den Gränzen der Gesetzlichkeit gebliebenen, durch nichts wankend zu machenden Widerstand gegen alle Angriffe auf das, was jene dort ihr gutes Recht nennen. Alle aber fühlen auch auf das lebhafteste, daß hier etwas geschehen, daß hier geholfen werden müsse, um die unter Umständen bedenkliche öffentliche Meinung zu versöhnen, die Gemüther zu beruhigen, das Vertrauen herzustellen. Ich habe mich nicht erhoben, um zunächst meine eignen Ansichten auszusprechen, sondern durch Pflicht und Gefühl mich verbunden erachtet, hier öffentlich die überall sich kund gebenden Ansichten, Unruhen und Besorgnisse laut werden zu lassen, weil es noth thut, daß die Regierungen aus einer reinen, unverdächtigen Quelle erfahren, wie es um diese Sache in der öffentlichen Meinung steht. Mir ist nicht die Gabe der Beredsamsamkeit verliehen, noch ist Uebertreibung meine Sache. Das, was ich gesagt, ist lautere, unverfälschte Wahrheit, und ich bin überzeugt, daß alle Mitglieder dieser Versammlung, insbesondere aber diejenigen, die, gleich mir, dem Bürgerstand angehören, überall dieselbe Erfahrung werden gemacht, dieselben Aeußerungen und Besorgnisse tausendfältig werden vernommen haben.“ (Von allen Seiten hört man Zeichen der Beistimmung.) Duttlinger untersucht zuerst die Competenz der Kammer, prophezeit, daß ihr Beschluß abermals einstimmig ausfallen werde, und fährt dann im Wesentlichen fort: „Zuvörderst danke ich unserm verehrten Hrn. Minister der auswärtigen Angelegenheiten für die Mittheilung des Bundesbeschlusses vom 5 Sept. 1839. Es ist derselbe, so viel mir bekannt, heute zum erstenmal in deutscher Sprache authentisch veröffentlicht worden. Denn bis jetzt haben wir Deutschen diesen Beschluß der deutschen Bundesversammlung nur durch Mittheilungen der französischen und der englischen Presse gekannt, so wie auch die Abstimmungen, die diesem Beschlusse vorangegangen sind, nur auf dem nämlichen Wege zu unserer Kenntniß gelangt sind. Ich bekenne nun zwar, daß dieser Beschluß in einer Weise abgefaßt ist, die klarer seyn könnte, und bekenne ferner, daß auch die Interpretation, die unser Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten heute diesem Beschlusse gegeben hat, klarer seyn könnte, als sie es wirklich ist. Gleichwohl ist demjenigen, der die Abstimmungen kennt, welche dem Beschlusse vorangegangen sind, der Sinn in keiner Weise unklar, und es ist ihm in keiner Weise zweifelhaft, daß die Deutung, die der Beschluß durch die hannover'sche Proclamation vom 10 Sept. 1839 erhalten hat, nicht die richtige ist. Der Bundesbeschluß, wie ihn der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten uns mitgetheilt hat, lautet in seiner Hauptbestimmung wörtlich so, daß eine Einschreitung in diese innere Landesangelegenheit des Königreichs Hannover bei dermaliger Sachlage „bundesgesetzlich nicht begründet sey.“ Bei „dermaliger Sachlage“ nicht begründet, sagt der Beschluß, was nicht zu übersehen ist. Die k. Proclamation aber, die diesen Beschluß veröffentlicht hat (wahrscheinlich mit Verletzung derjenigen Pflichten, welche die hannover'sche Regierung gegen die hohe Bundesversammlung hat, wenn ich wenigstens das Bundesgesetz richtig verstehe und richtig interpretire –), theilt den Beschluß mit und fügt die Behauptung hinzu, es habe hiermit (nämlich durch den Bundesbeschluß) „diejenige Grundlage des öffentlichen Rechts in Hannover eine Anerkennung gefunden, die von dem König von Hannover immer für die allein gültige erklärt worden sey.“ Es kann dieß nun eben so viel heißen, oder sollte nach der Intention der Proclamation so viel heißen, und ist auch so interpretirt worden, daß die hohe Bundesversammlung die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Staatsgrundgesetzes von 1833 anerkannt habe. So hat man durch die Proclamation den Bundesbeschluß gedeutet. Allein ganz mit Unrecht! Dieß ist nicht der Sinn desselben! Diese Deutung des Bundesbeschlusses hat dem hohen deutschen Bunde mehr geschadet, die königl. hannover'sche Proclamation hat hiedurch der hohen Bundesversammlung in dem Vertrauen der deutschen Nation größern Schaden zugefügt, sie hat der Autorität des Bundestages mehr geschadet, als ich derselben durch Stunden lange, durch Jahre lange Reden zu schaden vermöchte.... Es würden durch jene proclamirte Lehre, wenn sie wahr wäre, alle Verfassungen, die gegenwärtig innerhalb der Gränzen des deutschen Bundes bestehen, zu Kartenhäusern gemacht, die der leiseste Hauch des Machthabers umzustürzen vermöchte. Nun hat aber eben wirklich jener Bundesbeschluß jene Deutung erhalten. Diese Deutung ist aber glücklicherweise unrichtig. Die Bundesversammlung hat über die Frage der Gültigkeit oder Nichtgültigkeit des Staatsgrundgesetzes von 1833 gar nicht entschieden, sondern nur über Anträge entschieden, die von mehreren deutschen Bundesregierungen gestellt worden waren, jetzt unter den gegenwärtigen Verhältnissen einzuschreiten, und darauf hat man die Entscheidung gegeben, es sey jetzt unter den gegenwärtigen Verhältnissen, „bei dermaliger Sachlage“, keine bundesgesetzlich begründete Veranlassung zur Einschreitung vorhanden. Ich glaube, daß es ganz besonders dem Interesse des Ansehens der Bundesversammlung selbst zum Frommen und Vortheile gereicht, wenn man dem Bundesbeschlusse nicht die hannover'sche, sondern diejenige Auslegung allein gibt, die ihm derjenige allein zu geben vermag, der mit den Abstimmungen vollkommen bekannt ist, die dem Beschlusse selbst vorhergegangen sind.“ ... Zum Schlusse sprach der Redner noch von den unglückseligen Folgen der hannover'schen Umwälzung in Bezug auf die Wahlen, namentlich von den Minoritätswahlen, welche eine eben so unerhörte Verhöhnung des Verstandes als des Rechtes enthielten, wie unter den neuesten Beispielen, welche die öffentlichen Blätter in diesen Tagen wieder mitgetheilt hätten, die am 11 des vorigen Monats stattgehabte Wahl zu Malgarten, wo, nachdem die übrigen Wahlmänner die Wahl abgelehnt, der Wahlmann Abing für den osnabrück'schen Bauernstand drei Deputirte gewählt habe. (Gelächter.) (Fortsetzung folgt.) _ Hannover. (Beschluß.) Nach dem Gesagten nehmen wir denn an, daß der §. 9 nur über die Form der Wahlhandlung, d. h. die Versammlung, Vereinigung in einem Raum und zu derselben Zeit, und außerdem darüber bestimme, auf welche Weise der Gesammtwille der Erschienenen, nämlich durch die Majorität, erkannt werden solle. Die Bestimmung hingegen, daß nur durch das Erscheinen aller überhaupt Berechtigten eine Wahlversammlung constituirt werden könne, daß alle unverrichteter Sache wieder auseinander gehen müßten, daß keine Versammlung stattfinden könne, wenn nicht überhaupt alle Berechtigten sich zur bestimmten Zeit und am bestimmten Ort eingefunden hätten, das vermögen wir im §. 9 l. c. nicht zu finden. Auf diese Erklärung weist die logische Auffassung aus mehreren Gesichtspunkten hin. Sie weist aber namentlich deßhalb darauf hin, weil die Verordnung weder mögliche Zwangsmaaßregeln gegen die zu versammelnden Wahlmänner sanctionirt, noch der möglichen Ausnahmsfälle gedenkt, in welchen die Regel in ihrer absoluten Gestalt nicht verwirklicht werden kann. Beides hätte aber geschehen müssen, wenn der Gesetzgeber den Worten „in einer Versammlung sämmtlicher Wahlmänner“ die absolute Bedeutung beilegen wollte; denn ohne Zwangsmaaßregeln auf der einen und Ausnahmsfälle auf der andern Seite möchte schwerlich immer eine aus zehn, zwanzig oder noch mehreren, in verschiedenen Orten wohnhaften, den verschiedensten zufälligen oder absichtlichen Behinderungen unterworfenen Personen bestehende Versammlung an einem und demselben Ort und zu einer und derselben Zeit zu Stande gebracht werden. Kein vernünftiger Gesetzgeber kann bestimmen, es müssen nothwendig alle Berechtigten erscheinen, ohne zugleich hinzuzufügen: ausgenommen, wenn Krankheit, unpassirbare Wege oder Flüsse, Dienstgeschäfte oder andere zufällige Begebenheiten, welche außerhalb des freien Willens der Wahlmänner liegen, das Erscheinen unmöglich machen. Kein Gesetzgeber wird verordnen, es müssen durchaus Alle erscheinen, ohne beizufügen: derjenige, welcher absichtlich wegbleibt, veranlaßt dadurch einen neuen Wahltermin und trägt deßhalb die dadurch verursachten Kosten. Diese Ausnahmen und Zwangsmaaßregeln enthalten auch in der That die wenigen Wahlordnungen, welche die Gegenwart sämmtlicher Wahlmänner vorschreiben, und außerdem erlauben diese zuweilen auch noch ausdrücklich, daß in den Fällen, wo zufällige Hindernisse obstiren, schriftliche Einsendung der Stimme erlaubt seyn soll. Eben aber, weil in der vorliegenden Verordnung das Nothwendige nicht regulirt, weil das nicht beachtet worden ist, was vernünftigerweise hätte beachtet seyn müssen, wenn dem Worte „sämmtliche“ die absolute Bedeutung zum Grunde liegen sollte – eben deßhalb läßt sich unbedenklich der Rückschluß machen, daß der Gesetzgeber das mehrgedachte Wort nur in der relativen, durch das Hinzudenken der Anwesenheit zu erklärenden Bedeutung genommen habe; denn nur unter dieser Voraussetzung läßt sich das Nichtbeachten der Ausnahmen und Zwangsmaaßregeln rechtfertigen. Diese Ansicht, welche denn zugleich in sich begreift, daß diejenigen, welche zwar anwesend, aber nicht wählen wollen, den Abwesenden gleich geachtet werden müssen, oder, wenn Verzicht hier nicht zulässig wäre, der Majorität hinzuzuzählen seyn

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 155. Augsburg, 3. Juni 1840, S. 1235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_155_18400603/11>, abgerufen am 26.04.2024.