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Allgemeine Zeitung. Nr. 154. Augsburg, 2. Juni 1840.

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seines Herrn schließen mußte, daß seine Stellung compromittirt sey. So erhielt der Pascha, der gewohnt war, nach einfacher Anmeldung vorgelassen zu werden, als er vor einigen Tagen ins Palais gekommen war, durch den Obersthofmeister Riza Bey den Bescheid: "Se. Maj. - beiläufig gesagt, wird der Padischah seit vierzehn Tagen mit dem Titel "Majestät" angeredet, auch in den Noten an die fremden Gesandten ihm das "Sa Majeste" beigelegt und er nicht anders als I'Empereur genannt - werde den Seriasker zu sich berufen, sobald Allerhöchstsie ihn zu sehen wünsche." Dieses und mehrere andere Anzeichen von Ungunst beunruhigten und erbitterten den Pascha, doch war dieser auf den Schlag nicht gefaßt, der ihn treffen sollte. Am 10 d. begab sich Halil in das Conseil, wo über verschiedene Gegenstände verhandelt wurde. Als Ahmed Fethi Pascha den Vorschlag, hundert junge Leute nach Paris, London und Wien zu ihrer Ausbildung zu senden, der Berathung des Conseils unterlegte, und Halil Pascha einige Einwendungen dagegen machen zu müssen glaubte, fuhr ihn der Großwessier in einem barschen Tone an: "Halil finde überall Gelegenheit zu widersprechen; wenn man ihn aber um den Grund seiner abweichenden Meinungen frage, so wisse er gewöhnlich keinen anzugeben." Durch diese Aeußerung verletzt gab er dem alten Chosrew eine angemessene Erwiederung. Die Gemüther erhitzten sich immer mehr, bis Chosrew von seinem Sitze aufstand, und nach einem schnellen Uebergang von seiner stürmischen Gemüthsbewegung zu einer merkwürdigen Ruhe die Worte aussprach: "Halil Pascha, des Sultans Schwager, ist ein Staatsverräther; ich werde es beweisen." Hierauf hob der Großwessier die Sitzung auf und entfernte sich schnell. Den Tag darauf, am 11 ward Halil die Absetzungsurkunde zugefertigt. Es ist schwer, fast unmöglich, die Verwicklung, die hier durch Intriguen und Cabalen jeder Art in die Verhältnisse gebracht wird, zu durchblicken, und ein Urtheil zu fällen über den Zusammenhang von Begebenheiten, die im Innern des Palais und in den nächsten Kreisen eintreten. Daß der abgesetzte Seriasker ein Staatsverräther und mit Mehemed Ali Verbindungen eingegangen sey, findet wenig Glauben, obwohl es bekannt ist, daß er mittelst seiner Frau mit der Sultana Valide, Mehemeds großer Gönnerin, im Verkehr gestanden. Gewiß ist, daß die hiesigen Zustände in Gährung gerathen, und daß die zahlreichen Absetzungen, das bisher unbekannte energische Benehmen der Regierung entweder die letzten Zuckungen eines verfallenden Reichs oder eine Entwicklungsperiode zu einem verjüngten Leben sind. Unsere Aufgabe ist aufmerksame Beachtung der nächsten Ereignisse; wir werden bald sehen, welche Wendung die Dinge nehmen. Diese unverkennbare Energie, diese Entschlossenheit, obwohl sie das Maaß zu überschreiten scheint, macht mich geneigt, die Regeneration des türkischen Volksstamms für möglich zu halten. Leider ist die osmanische Armee an den Taurus gebannt, und die Pforte ist außer Stande, sie zur Handhabung der Ordnung im Innern zu verwenden. Möchte doch die syrisch-ägyptische Frage zum Ende gelangen, denn diese ist es, die den guten Willen der Pforte paralysirt, die Erfüllung der besten Maaßregeln zu nichte macht. Zwar haben sich die Unruhen in den Provinzen minder verderblich gezeigt als man besorgte; es ist Ordnung eingetreten, aber auf wie lange? Unmöglich kann die Pforte ohne den Beistand der Armee ihre Reformen durchführen, und die Armee kann nur durch einen Frieden mit Aegypten disponibel werden. Aber der Vicekönig ist nachgerade wahnsinnig geworden. Er erlaubt sich die wüthendsten Ausfälle gegen die Pforte und die Großmächte, und mit Hohn wirft er den Fehdehandschuh hin, den Niemand aufzuheben wagt. An allen Moscheen, an allen Thoren der Städte Aegyptens und Syriens werden Proclamationen angeschlagen, worin alle gläubigen Moslim aufgefordert werden, sich unter seinem Banner zu vereinigen, um den mit Untergang bedrohten Islam mit ihren Leibern zu decken, um die Waffen gegen die europäischen Christenhunde zu ergreifen. Es liegt vor mir ein solcher Aufruf an die Moslim, der von St. Jean d'Acre durch besondere Gelegenheit hieher kam. Man weiß nicht, ob man mehr über den wüthenden Ton desselben staunen oder über die sonderbaren Mittel lachen soll, durch die der Vicekönig seinen Glaubensgenossen die Assurance ertheilen will, die sie gegen die "Christenhunde" mit nichten hegen. Der alte Fanatismus ist erloschen. Daher appellirt Mehemed Ali an die Beschränktheit seiner Unterthanen. Am Schlusse dieser Proclamation findet sich nämlich eine förmliche Statistik der ägyptischen Armee, seiner Seemacht, seiner Hülfsquellen als Finanzen, Capitalienvorräthe etc. Daraus wird dann der natürliche Schluß gezogen, daß der Vicekönig mächtiger als Europa ist, und daß er aus einem Conflict mit demselben nur als Sieger hervorgehen könne. Ob es die guten Leute glauben, an die jene Worte gerichtet sind, weiß ich nicht, aber seltsam ist die Idee, einem unwissenden Volke, das sich mit jedem Machwerk begnügt hätte, Daten vorzulegen, die mit großem Aufwand von Fleiß aufgenommen sind, und sich bis auf die geringsten Einzelheiten erstrecken. - Es sind mit dem letzten französischen Dampfboot einige Gegenstände von vorzüglichem Werth angelangt, die Hr. v. Pontois im Namen Ludwig Philipps dem Sultan nächstens zu überreichen die Ehre haben wird. Mit derselben Gelegenheit erhielt der französische Botschafter einige Geschenke für Hafis Pascha. - Es geht das Gerücht, daß der Handelsminister Ahmed Fethi Pascha in Ungnade gefallen sey, und nächstens seine Absetzung zu gewärtigen habe.

seines Herrn schließen mußte, daß seine Stellung compromittirt sey. So erhielt der Pascha, der gewohnt war, nach einfacher Anmeldung vorgelassen zu werden, als er vor einigen Tagen ins Palais gekommen war, durch den Obersthofmeister Riza Bey den Bescheid: „Se. Maj. – beiläufig gesagt, wird der Padischah seit vierzehn Tagen mit dem Titel „Majestät“ angeredet, auch in den Noten an die fremden Gesandten ihm das „Sa Majesté“ beigelegt und er nicht anders als I'Empereur genannt – werde den Seriasker zu sich berufen, sobald Allerhöchstsie ihn zu sehen wünsche.“ Dieses und mehrere andere Anzeichen von Ungunst beunruhigten und erbitterten den Pascha, doch war dieser auf den Schlag nicht gefaßt, der ihn treffen sollte. Am 10 d. begab sich Halil in das Conseil, wo über verschiedene Gegenstände verhandelt wurde. Als Ahmed Fethi Pascha den Vorschlag, hundert junge Leute nach Paris, London und Wien zu ihrer Ausbildung zu senden, der Berathung des Conseils unterlegte, und Halil Pascha einige Einwendungen dagegen machen zu müssen glaubte, fuhr ihn der Großwessier in einem barschen Tone an: „Halil finde überall Gelegenheit zu widersprechen; wenn man ihn aber um den Grund seiner abweichenden Meinungen frage, so wisse er gewöhnlich keinen anzugeben.“ Durch diese Aeußerung verletzt gab er dem alten Chosrew eine angemessene Erwiederung. Die Gemüther erhitzten sich immer mehr, bis Chosrew von seinem Sitze aufstand, und nach einem schnellen Uebergang von seiner stürmischen Gemüthsbewegung zu einer merkwürdigen Ruhe die Worte aussprach: „Halil Pascha, des Sultans Schwager, ist ein Staatsverräther; ich werde es beweisen.“ Hierauf hob der Großwessier die Sitzung auf und entfernte sich schnell. Den Tag darauf, am 11 ward Halil die Absetzungsurkunde zugefertigt. Es ist schwer, fast unmöglich, die Verwicklung, die hier durch Intriguen und Cabalen jeder Art in die Verhältnisse gebracht wird, zu durchblicken, und ein Urtheil zu fällen über den Zusammenhang von Begebenheiten, die im Innern des Palais und in den nächsten Kreisen eintreten. Daß der abgesetzte Seriasker ein Staatsverräther und mit Mehemed Ali Verbindungen eingegangen sey, findet wenig Glauben, obwohl es bekannt ist, daß er mittelst seiner Frau mit der Sultana Valide, Mehemeds großer Gönnerin, im Verkehr gestanden. Gewiß ist, daß die hiesigen Zustände in Gährung gerathen, und daß die zahlreichen Absetzungen, das bisher unbekannte energische Benehmen der Regierung entweder die letzten Zuckungen eines verfallenden Reichs oder eine Entwicklungsperiode zu einem verjüngten Leben sind. Unsere Aufgabe ist aufmerksame Beachtung der nächsten Ereignisse; wir werden bald sehen, welche Wendung die Dinge nehmen. Diese unverkennbare Energie, diese Entschlossenheit, obwohl sie das Maaß zu überschreiten scheint, macht mich geneigt, die Regeneration des türkischen Volksstamms für möglich zu halten. Leider ist die osmanische Armee an den Taurus gebannt, und die Pforte ist außer Stande, sie zur Handhabung der Ordnung im Innern zu verwenden. Möchte doch die syrisch-ägyptische Frage zum Ende gelangen, denn diese ist es, die den guten Willen der Pforte paralysirt, die Erfüllung der besten Maaßregeln zu nichte macht. Zwar haben sich die Unruhen in den Provinzen minder verderblich gezeigt als man besorgte; es ist Ordnung eingetreten, aber auf wie lange? Unmöglich kann die Pforte ohne den Beistand der Armee ihre Reformen durchführen, und die Armee kann nur durch einen Frieden mit Aegypten disponibel werden. Aber der Vicekönig ist nachgerade wahnsinnig geworden. Er erlaubt sich die wüthendsten Ausfälle gegen die Pforte und die Großmächte, und mit Hohn wirft er den Fehdehandschuh hin, den Niemand aufzuheben wagt. An allen Moscheen, an allen Thoren der Städte Aegyptens und Syriens werden Proclamationen angeschlagen, worin alle gläubigen Moslim aufgefordert werden, sich unter seinem Banner zu vereinigen, um den mit Untergang bedrohten Islam mit ihren Leibern zu decken, um die Waffen gegen die europäischen Christenhunde zu ergreifen. Es liegt vor mir ein solcher Aufruf an die Moslim, der von St. Jean d'Acre durch besondere Gelegenheit hieher kam. Man weiß nicht, ob man mehr über den wüthenden Ton desselben staunen oder über die sonderbaren Mittel lachen soll, durch die der Vicekönig seinen Glaubensgenossen die Assurance ertheilen will, die sie gegen die „Christenhunde“ mit nichten hegen. Der alte Fanatismus ist erloschen. Daher appellirt Mehemed Ali an die Beschränktheit seiner Unterthanen. Am Schlusse dieser Proclamation findet sich nämlich eine förmliche Statistik der ägyptischen Armee, seiner Seemacht, seiner Hülfsquellen als Finanzen, Capitalienvorräthe etc. Daraus wird dann der natürliche Schluß gezogen, daß der Vicekönig mächtiger als Europa ist, und daß er aus einem Conflict mit demselben nur als Sieger hervorgehen könne. Ob es die guten Leute glauben, an die jene Worte gerichtet sind, weiß ich nicht, aber seltsam ist die Idee, einem unwissenden Volke, das sich mit jedem Machwerk begnügt hätte, Daten vorzulegen, die mit großem Aufwand von Fleiß aufgenommen sind, und sich bis auf die geringsten Einzelheiten erstrecken. – Es sind mit dem letzten französischen Dampfboot einige Gegenstände von vorzüglichem Werth angelangt, die Hr. v. Pontois im Namen Ludwig Philipps dem Sultan nächstens zu überreichen die Ehre haben wird. Mit derselben Gelegenheit erhielt der französische Botschafter einige Geschenke für Hafis Pascha. – Es geht das Gerücht, daß der Handelsminister Ahmed Fethi Pascha in Ungnade gefallen sey, und nächstens seine Absetzung zu gewärtigen habe.

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seines Herrn schließen mußte, daß seine Stellung compromittirt sey. So erhielt der Pascha, der gewohnt war, nach einfacher Anmeldung vorgelassen zu werden, als er vor einigen Tagen ins Palais gekommen war, durch den Obersthofmeister Riza Bey den Bescheid: &#x201E;Se. Maj. &#x2013; beiläufig gesagt, wird der Padischah seit vierzehn Tagen mit dem Titel &#x201E;Majestät&#x201C; angeredet, auch in den Noten an die fremden Gesandten ihm das &#x201E;Sa Majesté&#x201C; beigelegt und er nicht anders als I'Empereur genannt &#x2013; werde den Seriasker zu sich berufen, sobald Allerhöchstsie ihn zu sehen wünsche.&#x201C; Dieses und mehrere andere Anzeichen von Ungunst beunruhigten und erbitterten den Pascha, doch war dieser auf den Schlag nicht gefaßt, der ihn treffen sollte. Am 10 d. begab sich Halil in das Conseil, wo über verschiedene Gegenstände verhandelt wurde. Als Ahmed Fethi Pascha den Vorschlag, hundert junge Leute nach Paris, London und Wien zu ihrer Ausbildung zu senden, der Berathung des Conseils unterlegte, und Halil Pascha einige Einwendungen dagegen machen zu müssen glaubte, fuhr ihn der Großwessier in einem barschen Tone an: &#x201E;Halil finde überall Gelegenheit zu widersprechen; wenn man ihn aber um den Grund seiner abweichenden Meinungen frage, so wisse er gewöhnlich keinen anzugeben.&#x201C; Durch diese Aeußerung verletzt gab er dem alten Chosrew eine angemessene Erwiederung. Die Gemüther erhitzten sich immer mehr, bis Chosrew von seinem Sitze aufstand, und nach einem schnellen Uebergang von seiner stürmischen Gemüthsbewegung zu einer merkwürdigen Ruhe die Worte aussprach: &#x201E;Halil Pascha, des Sultans Schwager, ist ein Staatsverräther; ich werde es beweisen.&#x201C; Hierauf hob der Großwessier die Sitzung auf und entfernte sich schnell. Den Tag darauf, am 11 ward Halil die Absetzungsurkunde zugefertigt. Es ist schwer, fast unmöglich, die Verwicklung, die hier durch Intriguen und Cabalen jeder Art in die Verhältnisse gebracht wird, zu durchblicken, und ein Urtheil zu fällen über den Zusammenhang von Begebenheiten, die im Innern des Palais und in den nächsten Kreisen eintreten. Daß der abgesetzte Seriasker ein Staatsverräther und mit Mehemed Ali Verbindungen eingegangen sey, findet wenig Glauben, obwohl es bekannt ist, daß er mittelst seiner Frau mit der Sultana Valide, Mehemeds großer Gönnerin, im Verkehr gestanden. Gewiß ist, daß die hiesigen Zustände in Gährung gerathen, und daß die zahlreichen Absetzungen, das bisher unbekannte energische Benehmen der Regierung entweder die letzten Zuckungen eines verfallenden Reichs oder eine Entwicklungsperiode zu einem verjüngten Leben sind. Unsere Aufgabe ist aufmerksame Beachtung der nächsten Ereignisse; wir werden bald sehen, welche Wendung die Dinge nehmen. Diese unverkennbare Energie, diese Entschlossenheit, obwohl sie das Maaß zu überschreiten scheint, macht mich geneigt, die Regeneration des türkischen Volksstamms für möglich zu halten. Leider ist die osmanische Armee an den Taurus gebannt, und die Pforte ist außer Stande, sie zur Handhabung der Ordnung im Innern zu verwenden. Möchte doch die syrisch-ägyptische Frage zum Ende gelangen, denn diese ist es, die den guten Willen der Pforte paralysirt, die Erfüllung der besten Maaßregeln zu nichte macht. Zwar haben sich die Unruhen in den Provinzen minder verderblich gezeigt als man besorgte; es ist Ordnung eingetreten, aber auf wie lange? Unmöglich kann die Pforte ohne den Beistand der Armee ihre Reformen durchführen, und die Armee kann nur durch einen Frieden mit Aegypten disponibel werden. Aber der Vicekönig ist nachgerade wahnsinnig geworden. Er erlaubt sich die wüthendsten Ausfälle gegen die Pforte und die Großmächte, und mit Hohn wirft er den Fehdehandschuh hin, den Niemand aufzuheben wagt. An allen Moscheen, an allen Thoren der Städte Aegyptens und Syriens werden Proclamationen angeschlagen, worin alle gläubigen Moslim aufgefordert werden, sich unter seinem Banner zu vereinigen, um den mit Untergang bedrohten Islam mit ihren Leibern zu decken, um die Waffen gegen die europäischen Christenhunde zu ergreifen. Es liegt vor mir ein solcher Aufruf an die Moslim, der von St. Jean d'Acre durch besondere Gelegenheit hieher kam. Man weiß nicht, ob man mehr über den wüthenden Ton desselben staunen oder über die sonderbaren Mittel lachen soll, durch die der Vicekönig seinen Glaubensgenossen die Assurance ertheilen will, die sie gegen die &#x201E;Christenhunde&#x201C; mit nichten hegen. Der alte Fanatismus ist erloschen. Daher appellirt Mehemed Ali an die Beschränktheit seiner Unterthanen. Am Schlusse dieser Proclamation findet sich nämlich eine förmliche Statistik der ägyptischen Armee, seiner Seemacht, seiner Hülfsquellen als Finanzen, Capitalienvorräthe etc. Daraus wird dann der natürliche Schluß gezogen, daß der Vicekönig mächtiger als Europa ist, und daß er aus einem Conflict mit demselben nur als Sieger hervorgehen könne. Ob es die guten Leute glauben, an die jene Worte gerichtet sind, weiß ich nicht, aber seltsam ist die Idee, einem unwissenden Volke, das sich mit jedem Machwerk begnügt hätte, Daten vorzulegen, die mit großem Aufwand von Fleiß aufgenommen sind, und sich bis auf die geringsten Einzelheiten erstrecken. &#x2013; Es sind mit dem letzten französischen Dampfboot einige Gegenstände von vorzüglichem Werth angelangt, die Hr. v. Pontois im Namen Ludwig Philipps dem Sultan nächstens zu überreichen die Ehre haben wird. Mit derselben Gelegenheit erhielt der französische Botschafter einige Geschenke für Hafis Pascha. &#x2013; Es geht das Gerücht, daß der Handelsminister Ahmed Fethi Pascha in Ungnade gefallen sey, und nächstens seine Absetzung zu gewärtigen habe.</p>
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[1232/0008] seines Herrn schließen mußte, daß seine Stellung compromittirt sey. So erhielt der Pascha, der gewohnt war, nach einfacher Anmeldung vorgelassen zu werden, als er vor einigen Tagen ins Palais gekommen war, durch den Obersthofmeister Riza Bey den Bescheid: „Se. Maj. – beiläufig gesagt, wird der Padischah seit vierzehn Tagen mit dem Titel „Majestät“ angeredet, auch in den Noten an die fremden Gesandten ihm das „Sa Majesté“ beigelegt und er nicht anders als I'Empereur genannt – werde den Seriasker zu sich berufen, sobald Allerhöchstsie ihn zu sehen wünsche.“ Dieses und mehrere andere Anzeichen von Ungunst beunruhigten und erbitterten den Pascha, doch war dieser auf den Schlag nicht gefaßt, der ihn treffen sollte. Am 10 d. begab sich Halil in das Conseil, wo über verschiedene Gegenstände verhandelt wurde. Als Ahmed Fethi Pascha den Vorschlag, hundert junge Leute nach Paris, London und Wien zu ihrer Ausbildung zu senden, der Berathung des Conseils unterlegte, und Halil Pascha einige Einwendungen dagegen machen zu müssen glaubte, fuhr ihn der Großwessier in einem barschen Tone an: „Halil finde überall Gelegenheit zu widersprechen; wenn man ihn aber um den Grund seiner abweichenden Meinungen frage, so wisse er gewöhnlich keinen anzugeben.“ Durch diese Aeußerung verletzt gab er dem alten Chosrew eine angemessene Erwiederung. Die Gemüther erhitzten sich immer mehr, bis Chosrew von seinem Sitze aufstand, und nach einem schnellen Uebergang von seiner stürmischen Gemüthsbewegung zu einer merkwürdigen Ruhe die Worte aussprach: „Halil Pascha, des Sultans Schwager, ist ein Staatsverräther; ich werde es beweisen.“ Hierauf hob der Großwessier die Sitzung auf und entfernte sich schnell. Den Tag darauf, am 11 ward Halil die Absetzungsurkunde zugefertigt. Es ist schwer, fast unmöglich, die Verwicklung, die hier durch Intriguen und Cabalen jeder Art in die Verhältnisse gebracht wird, zu durchblicken, und ein Urtheil zu fällen über den Zusammenhang von Begebenheiten, die im Innern des Palais und in den nächsten Kreisen eintreten. Daß der abgesetzte Seriasker ein Staatsverräther und mit Mehemed Ali Verbindungen eingegangen sey, findet wenig Glauben, obwohl es bekannt ist, daß er mittelst seiner Frau mit der Sultana Valide, Mehemeds großer Gönnerin, im Verkehr gestanden. Gewiß ist, daß die hiesigen Zustände in Gährung gerathen, und daß die zahlreichen Absetzungen, das bisher unbekannte energische Benehmen der Regierung entweder die letzten Zuckungen eines verfallenden Reichs oder eine Entwicklungsperiode zu einem verjüngten Leben sind. Unsere Aufgabe ist aufmerksame Beachtung der nächsten Ereignisse; wir werden bald sehen, welche Wendung die Dinge nehmen. Diese unverkennbare Energie, diese Entschlossenheit, obwohl sie das Maaß zu überschreiten scheint, macht mich geneigt, die Regeneration des türkischen Volksstamms für möglich zu halten. Leider ist die osmanische Armee an den Taurus gebannt, und die Pforte ist außer Stande, sie zur Handhabung der Ordnung im Innern zu verwenden. Möchte doch die syrisch-ägyptische Frage zum Ende gelangen, denn diese ist es, die den guten Willen der Pforte paralysirt, die Erfüllung der besten Maaßregeln zu nichte macht. Zwar haben sich die Unruhen in den Provinzen minder verderblich gezeigt als man besorgte; es ist Ordnung eingetreten, aber auf wie lange? Unmöglich kann die Pforte ohne den Beistand der Armee ihre Reformen durchführen, und die Armee kann nur durch einen Frieden mit Aegypten disponibel werden. Aber der Vicekönig ist nachgerade wahnsinnig geworden. Er erlaubt sich die wüthendsten Ausfälle gegen die Pforte und die Großmächte, und mit Hohn wirft er den Fehdehandschuh hin, den Niemand aufzuheben wagt. An allen Moscheen, an allen Thoren der Städte Aegyptens und Syriens werden Proclamationen angeschlagen, worin alle gläubigen Moslim aufgefordert werden, sich unter seinem Banner zu vereinigen, um den mit Untergang bedrohten Islam mit ihren Leibern zu decken, um die Waffen gegen die europäischen Christenhunde zu ergreifen. Es liegt vor mir ein solcher Aufruf an die Moslim, der von St. Jean d'Acre durch besondere Gelegenheit hieher kam. Man weiß nicht, ob man mehr über den wüthenden Ton desselben staunen oder über die sonderbaren Mittel lachen soll, durch die der Vicekönig seinen Glaubensgenossen die Assurance ertheilen will, die sie gegen die „Christenhunde“ mit nichten hegen. Der alte Fanatismus ist erloschen. Daher appellirt Mehemed Ali an die Beschränktheit seiner Unterthanen. Am Schlusse dieser Proclamation findet sich nämlich eine förmliche Statistik der ägyptischen Armee, seiner Seemacht, seiner Hülfsquellen als Finanzen, Capitalienvorräthe etc. Daraus wird dann der natürliche Schluß gezogen, daß der Vicekönig mächtiger als Europa ist, und daß er aus einem Conflict mit demselben nur als Sieger hervorgehen könne. Ob es die guten Leute glauben, an die jene Worte gerichtet sind, weiß ich nicht, aber seltsam ist die Idee, einem unwissenden Volke, das sich mit jedem Machwerk begnügt hätte, Daten vorzulegen, die mit großem Aufwand von Fleiß aufgenommen sind, und sich bis auf die geringsten Einzelheiten erstrecken. – Es sind mit dem letzten französischen Dampfboot einige Gegenstände von vorzüglichem Werth angelangt, die Hr. v. Pontois im Namen Ludwig Philipps dem Sultan nächstens zu überreichen die Ehre haben wird. Mit derselben Gelegenheit erhielt der französische Botschafter einige Geschenke für Hafis Pascha. – Es geht das Gerücht, daß der Handelsminister Ahmed Fethi Pascha in Ungnade gefallen sey, und nächstens seine Absetzung zu gewärtigen habe.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 154. Augsburg, 2. Juni 1840, S. 1232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_154_18400602/8>, abgerufen am 23.11.2024.