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Allgemeine Zeitung. Nr. 149. Augsburg, 28. Mai 1840.

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sieht, wie man von Konstantinopel aus Autoritäten einsetzt, von denen in der Constitution kein Wort vorkommt, so wird man leicht ersehen, wie sehr Wucsitsch, Petroniewitsch und jene Serben, die ihnen zu Erlangung jener großherrlichen Anordnung behülflich waren, die Constitution, deren Aufrechthaltung sie gleich allen übrigen serbischen Beamten beschworen, verletzt, und somit nicht nur ihren Amtseid gebrochen, sondern auch durch den damit eingeführten Gebrauch, daß die Pforte serbische Beamtenstellen besetzt, die wesentlichsten Rechte der Nation gefährdet haben. Man wird um so mehr aufgefordert, die e Umtriebe dem Verbrechen des Hochverraths gleich zu achten, wenn man vollends erfährt, daß die großherrliche Anordnung sich auf die im Geheimen getroffene Einleitung stützt, als wäre es der allgemeine Wunsch des Volkes, daß Wucsitsch und Petroniewitsch dem Fürsten als Räthe beigegeben werden.

Mit welchem Jubel und Pomp Fürst Michael bei seiner Rückkehr von Konstantinopel in Belgrad empfangen wurde, die Ceremonien bei Uebernahme der Regierung u. s. w., hat die Allg. Zeitung im Wesentlichen bereits gemeldet. Nur einige interessante Daten über die Art und Weise der gleich darauf abgehaltenen Volks-Versammlung glaube ich zu Ergänzung dessen, was ihren Lesern bereits geboten worden ist, nachträglich beifügen zu sollen. - Der erste Versammlungstag, 18 März, verlief ohne die so sehr befürchteten tumultuarischen Auftritte, obgleich mehrere Volksredner das Benehmen derjenigen, die in Abwesenheit des Fürsten das Staatsruder geführt hatten, laut mißbilligten und den Fürsten um Abstellung der bisherigen Mißbräuche, wodurch der moralische und financielle Credit der Nation gelitten habe, so sehr mit Bitten bestürmten, daß er der Versammlung eröffnen mußte, man möge ihm dießfalls Petitionen einreichen. Aus diesen Aeußerungen der Volksstimmung ersah die Wucsitsch'sche Partei wohl, daß ihre Umtriebe hinsichtlich der Abschaffung der gesetzlichen Erbfolge in der Fürstenwürde und der Umwandlung Serbiens in ein Wahlreich und damit in einen Tummelplatz fremder, dem Staatsgebäude Untergang drohender Intriguen bei jeder neuen Wahl - in der Versammlung eben keine Billigung zu erfahren haben dürften, zumal als die Fäden dieser Umtriebe von der Wachsamkeit der Polizei aufgegriffen und in Folge dieß mehrere Personen verhaftet waren, deren Procedur aber die Regentschaft im Einvernehmen mit dem Senat (es ist natürlich immer nur von der Majorität beider Körper die Rede) weil sie größtentheils der Wucsitsch'schen Partei angehörten, bis zur Ankunft des Fürsten sistirte, um sie durch die damit gehoffte Amnestie für alle politischen Vergehen der Untersuchung und Strafe zu entziehen. Sey es nun, daß die Herren besorgten, die ersehnte Amnestie nicht erlangen zu können, oder war es bloß der Plan, Hrn. Jephrem und alle jene, welche sich ihrem Streben entgegengestellt hatten, besonders aber den Minister des Innern, Hrn. Protitsch schnell zu stürzen, was ihren ferneren geheimen Schritten zu Grunde lag, darüber ist schwer mit Evidenz zu berichten. Gewiß ist nur, daß Wucsitsch, Petroniewitsch, Simitsch, Stephanovit ch und mehrere ihrer Partei angehörigen Primaten sich in der Nacht vom 18 auf den 19 März in dem Hause des Wucsitsch versammelt haben, um zu berathen, wie sie die Volksversammlung zu ihren Gunsten stimmen könnten. Sie ließen zu diesem Zwecke mehrere Bezirkspräfecte und Gerichtspräsidenten, welche zu dieser Volksversammlung berufen waren, zu ihrer nächtlichen Zusammenkunft einladen, und als diese sich eingefunden hatten, wurden sie unverhohlen aufgefordert, das Volk dahin zu stimmen, damit die Majorität sich zu ihren Gunsten herausstelle. Wucsitsch soll hiebei erklärt haben, er werde vor die Volksversammlung treten, und alle, die mit ihm seyen, auffordern, sich auf seine Seite zu stellen; beide Parteien sollen dann ihre An- und Absichten kund geben und es dem Volk anheimstellen, sich für die eine oder die andere zu erklären. Derjenigen Partei, welche die Mehrzahl des Volkes für sich habe, soll der Fürst überliefert, und nach deren System solle regiert werden; die andere Partei aber soll dann von den öffentlichen Geschäften zurücktreten, und sich wegen ihrer frühern Handlungsweise der Gnade der obsiegenden Partei überlassen. Man behauptet, Wucsitsch habe, auf seinen Sieg mit größter Zuversicht rechnend, den Gedanken gehabt, Hrn. Jephrem, Protitsch und deren Anhang des Landes zu verweisen. - Als die eingeladenen Beamten aber bemerkten, daß unter den Anwesenden Jephrem und Protitsch fehlten, begriffen sie schon, gegen wen der beabsichtigte Schlag von Wucsitsch gerichtet sey, und da das ehrgeizige Streben Wucsitschs überhaupt bekannt war, so war seine Absicht, sich vorerst nur seiner Widersacher unter den Primaten zu entledigen, und dann erst seine Rolle mit dem jugendlichen Fürsten zu spielen, leicht zu durchschauen, und die natürliche Folge hievon, daß die Bezirkschefs gleich, nachdem sie das Haus Wucsitsch verlassen hatten, dessen Benehmen aufs entschiedenste tadelten und sich verabredeten, diesem im Geheimen schleichenden Unfuge durch kräftige Demonstrationen ein Ende zu machen. - Am 20 März versammelten sich sonach die Bezirkspräfecten in der Wohnung Hrn. Protitschs, und erklärten diesem den ganzen Hergang in vergangener Nacht, mit dem Beifügen, daß sie entschlossen seyen, alle jene, die den Versuch zu machen wagten, den Fürsten zu zwingen, sich an die eine oder die andere Partei zu halten, der Gerechtigkeit zu überliefern, indem man Wucsitsch für einen Mann erklärte, der nur seinen Privatvortheil, und zwar auf Kosten der Wohlfahrt Serbiens, verfolge und eines der wichtigsten Rechte der Nation dadurch zu zernichten drohe, daß er sich mittelst Intriguen zum Rathe des Fürsten aufgeworfen habe, ohne von den legitimen Autoritäten Serbiens hiezu empfohlen worden zu seyn, was auch eine Verletzung der Constitution sey, weil diese ausdrücklich vorschreibt, daß alle Beamtenstellen, sie mögen was immer für einen Zweig betreffen, mit fürstlichem Diplom besetzt werden. Es soll Hrn. Protitsch unendliche Mühe gekostet haben, sie zu besänftigen und zu bewegen, zur Wiederkehr der Eintracht unter den Primaten mitzuwirken, und die Leidenschaft und Gehässigkeit zu verbannen. - In Folge dieser Ermahnung kam man bei Hrn. Protitsch überein, Allem aufzubieten, um eine allgemeine Aussöhnung zu bewerkstelligen, und diesem Zwecke jedes Opfer zu bringen. Es wurde sofort beschlossen, daß, wer einer Versöhnung entgegen, seine Entlassung aus dem Staatsdienste nehmen und in den Privatstand zurücktreten soll. - Unterdessen wurde auch der Fürst von allem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt, worauf er die Provincialbeamten vor sich kommen ließ, und sie, nachdem er sich von ihrem aufrichtigen und festen Entschluß, dem sich die ganze Nationalversammlung anschloß, überzeugt hatte, auf Nachmittag in den Senat einladen ließ, um da ihren Wunsch kund zu geben. In dieser Versammlung, worin die HH. Wucsitsch und Petroniewitsch aus leicht erklärlichen Gründen nicht erschienen, obgleich Fürst Michael ihnen hievon zeitliche Anzeige machen ließ, fand der Vorschlag der Beigezogenen allgemeine Billigung, und der Fürst nahm sofort keinen Anstand zu erklären, daß er jede Bestrebung zur Erreichung des vorgesteckten Ziels einer allgemeinen Aussöhnung als einen Beweis wahrer Vaterlandsliebe betrachte, und, indem er dieses Vorhaben öffentlich belobte, ordnete er auf den folgenden Tag, 21 März, eine vollständige Versammlung im Senat an, damit da der Act der Versöhnung genehmigt und von beiden Parteien schriftlich anerkannt werde. Bei der demgemäß an diesem Tage gehaltenen Versammlung wurde der vom Fürsten genehmigte Versöhnungsact feierlichst vollzogen und hiebei bestimmt, daß jeder die Eintracht bedrohende Versuch zu geheimer Verfolgung und überhaupt jede zum Nachtheil eines Dritten gereichende Intrigue streng verpönt seyn solle. - Die bisherige Uneinigkeit und der durch Erhebung einer bedeutenden Summe aus dem Staatsschatz unter dem Vorwand einer Anleihe im Volke rege gewordene Verdacht der Verschleuderung des Nationalvermögens hatten übrigens das Ansehen der Regentschaft und des Senates nicht nur beim Volke, sondern auch beim Militär, wo man ohne Gesetze Ordnung und Gehorsam erhalten zu können glaubte, untergraben. Aus diesem Umstand und dem auffallenden Mißgriffe, daß das Commando des ganzen Militärs einem Mann anvertraut ist, der von regulärem Militär so zu sagen kaum einen Begriff hat, da er vor einigen Jahren noch fast ausschließlich mit dem Borstenhandel sich beschäftigte, dann vom Fürsten Milosch zum Obermautheinnehmer zu Belgrad bestellt, später aber mit Oberstentitel zum Chef des ganzen Militärs erhoben, und von Seite der Pforte mit dem türkischen Orden ausgezeichnet wurde - ist die merkwürdige Erscheinung zuzuschreiben, daß kürzlich die gemeine Mannschaft willkürlich ihre Casernen verlassen und sich nach Hause begeben hat. Zwar haben sich wohldenkende Serben gefunden, die den Schritt ihrer Söhne mißbilligten und diese nach Belgrad zurückbrachten, allein dadurch ist dem Uebel, welches in der Verfassung des Militärs liegt, nicht abgeholfen. So lange nicht eine durchgreifende Verbesserung eintritt, und so lange das Commando in den Händen des bisherigen Chefs bleibt, der auch einer jener ausgesendeten Commissäre war, welche Anhänger für den Sohn Czerny Georgs zu werben bemüht waren, so lange ist nicht zu verbürgen, daß sich heute oder morgen ein ähnlicher Scandal wiederholt. - Dieß wird genügen, sich einen richtigen Begriff von den Zuständen Serbiens zu machen; daß unter denselben Fürst Michael einen schweren Standpunkt hat, läßt sich nicht verbergen. Er zeigt indessen guten Willen für die gesetzliche Ordnung, und wenn sich dieser Wille erhält, wie nicht

sieht, wie man von Konstantinopel aus Autoritäten einsetzt, von denen in der Constitution kein Wort vorkommt, so wird man leicht ersehen, wie sehr Wucsitsch, Petroniewitsch und jene Serben, die ihnen zu Erlangung jener großherrlichen Anordnung behülflich waren, die Constitution, deren Aufrechthaltung sie gleich allen übrigen serbischen Beamten beschworen, verletzt, und somit nicht nur ihren Amtseid gebrochen, sondern auch durch den damit eingeführten Gebrauch, daß die Pforte serbische Beamtenstellen besetzt, die wesentlichsten Rechte der Nation gefährdet haben. Man wird um so mehr aufgefordert, die e Umtriebe dem Verbrechen des Hochverraths gleich zu achten, wenn man vollends erfährt, daß die großherrliche Anordnung sich auf die im Geheimen getroffene Einleitung stützt, als wäre es der allgemeine Wunsch des Volkes, daß Wucsitsch und Petroniewitsch dem Fürsten als Räthe beigegeben werden.

Mit welchem Jubel und Pomp Fürst Michael bei seiner Rückkehr von Konstantinopel in Belgrad empfangen wurde, die Ceremonien bei Uebernahme der Regierung u. s. w., hat die Allg. Zeitung im Wesentlichen bereits gemeldet. Nur einige interessante Daten über die Art und Weise der gleich darauf abgehaltenen Volks-Versammlung glaube ich zu Ergänzung dessen, was ihren Lesern bereits geboten worden ist, nachträglich beifügen zu sollen. – Der erste Versammlungstag, 18 März, verlief ohne die so sehr befürchteten tumultuarischen Auftritte, obgleich mehrere Volksredner das Benehmen derjenigen, die in Abwesenheit des Fürsten das Staatsruder geführt hatten, laut mißbilligten und den Fürsten um Abstellung der bisherigen Mißbräuche, wodurch der moralische und financielle Credit der Nation gelitten habe, so sehr mit Bitten bestürmten, daß er der Versammlung eröffnen mußte, man möge ihm dießfalls Petitionen einreichen. Aus diesen Aeußerungen der Volksstimmung ersah die Wucsitsch'sche Partei wohl, daß ihre Umtriebe hinsichtlich der Abschaffung der gesetzlichen Erbfolge in der Fürstenwürde und der Umwandlung Serbiens in ein Wahlreich und damit in einen Tummelplatz fremder, dem Staatsgebäude Untergang drohender Intriguen bei jeder neuen Wahl – in der Versammlung eben keine Billigung zu erfahren haben dürften, zumal als die Fäden dieser Umtriebe von der Wachsamkeit der Polizei aufgegriffen und in Folge dieß mehrere Personen verhaftet waren, deren Procedur aber die Regentschaft im Einvernehmen mit dem Senat (es ist natürlich immer nur von der Majorität beider Körper die Rede) weil sie größtentheils der Wucsitsch'schen Partei angehörten, bis zur Ankunft des Fürsten sistirte, um sie durch die damit gehoffte Amnestie für alle politischen Vergehen der Untersuchung und Strafe zu entziehen. Sey es nun, daß die Herren besorgten, die ersehnte Amnestie nicht erlangen zu können, oder war es bloß der Plan, Hrn. Jephrem und alle jene, welche sich ihrem Streben entgegengestellt hatten, besonders aber den Minister des Innern, Hrn. Protitsch schnell zu stürzen, was ihren ferneren geheimen Schritten zu Grunde lag, darüber ist schwer mit Evidenz zu berichten. Gewiß ist nur, daß Wucsitsch, Petroniewitsch, Simitsch, Stephanovit ch und mehrere ihrer Partei angehörigen Primaten sich in der Nacht vom 18 auf den 19 März in dem Hause des Wucsitsch versammelt haben, um zu berathen, wie sie die Volksversammlung zu ihren Gunsten stimmen könnten. Sie ließen zu diesem Zwecke mehrere Bezirkspräfecte und Gerichtspräsidenten, welche zu dieser Volksversammlung berufen waren, zu ihrer nächtlichen Zusammenkunft einladen, und als diese sich eingefunden hatten, wurden sie unverhohlen aufgefordert, das Volk dahin zu stimmen, damit die Majorität sich zu ihren Gunsten herausstelle. Wucsitsch soll hiebei erklärt haben, er werde vor die Volksversammlung treten, und alle, die mit ihm seyen, auffordern, sich auf seine Seite zu stellen; beide Parteien sollen dann ihre An- und Absichten kund geben und es dem Volk anheimstellen, sich für die eine oder die andere zu erklären. Derjenigen Partei, welche die Mehrzahl des Volkes für sich habe, soll der Fürst überliefert, und nach deren System solle regiert werden; die andere Partei aber soll dann von den öffentlichen Geschäften zurücktreten, und sich wegen ihrer frühern Handlungsweise der Gnade der obsiegenden Partei überlassen. Man behauptet, Wucsitsch habe, auf seinen Sieg mit größter Zuversicht rechnend, den Gedanken gehabt, Hrn. Jephrem, Protitsch und deren Anhang des Landes zu verweisen. – Als die eingeladenen Beamten aber bemerkten, daß unter den Anwesenden Jephrem und Protitsch fehlten, begriffen sie schon, gegen wen der beabsichtigte Schlag von Wucsitsch gerichtet sey, und da das ehrgeizige Streben Wucsitschs überhaupt bekannt war, so war seine Absicht, sich vorerst nur seiner Widersacher unter den Primaten zu entledigen, und dann erst seine Rolle mit dem jugendlichen Fürsten zu spielen, leicht zu durchschauen, und die natürliche Folge hievon, daß die Bezirkschefs gleich, nachdem sie das Haus Wucsitsch verlassen hatten, dessen Benehmen aufs entschiedenste tadelten und sich verabredeten, diesem im Geheimen schleichenden Unfuge durch kräftige Demonstrationen ein Ende zu machen. – Am 20 März versammelten sich sonach die Bezirkspräfecten in der Wohnung Hrn. Protitschs, und erklärten diesem den ganzen Hergang in vergangener Nacht, mit dem Beifügen, daß sie entschlossen seyen, alle jene, die den Versuch zu machen wagten, den Fürsten zu zwingen, sich an die eine oder die andere Partei zu halten, der Gerechtigkeit zu überliefern, indem man Wucsitsch für einen Mann erklärte, der nur seinen Privatvortheil, und zwar auf Kosten der Wohlfahrt Serbiens, verfolge und eines der wichtigsten Rechte der Nation dadurch zu zernichten drohe, daß er sich mittelst Intriguen zum Rathe des Fürsten aufgeworfen habe, ohne von den legitimen Autoritäten Serbiens hiezu empfohlen worden zu seyn, was auch eine Verletzung der Constitution sey, weil diese ausdrücklich vorschreibt, daß alle Beamtenstellen, sie mögen was immer für einen Zweig betreffen, mit fürstlichem Diplom besetzt werden. Es soll Hrn. Protitsch unendliche Mühe gekostet haben, sie zu besänftigen und zu bewegen, zur Wiederkehr der Eintracht unter den Primaten mitzuwirken, und die Leidenschaft und Gehässigkeit zu verbannen. – In Folge dieser Ermahnung kam man bei Hrn. Protitsch überein, Allem aufzubieten, um eine allgemeine Aussöhnung zu bewerkstelligen, und diesem Zwecke jedes Opfer zu bringen. Es wurde sofort beschlossen, daß, wer einer Versöhnung entgegen, seine Entlassung aus dem Staatsdienste nehmen und in den Privatstand zurücktreten soll. – Unterdessen wurde auch der Fürst von allem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt, worauf er die Provincialbeamten vor sich kommen ließ, und sie, nachdem er sich von ihrem aufrichtigen und festen Entschluß, dem sich die ganze Nationalversammlung anschloß, überzeugt hatte, auf Nachmittag in den Senat einladen ließ, um da ihren Wunsch kund zu geben. In dieser Versammlung, worin die HH. Wucsitsch und Petroniewitsch aus leicht erklärlichen Gründen nicht erschienen, obgleich Fürst Michael ihnen hievon zeitliche Anzeige machen ließ, fand der Vorschlag der Beigezogenen allgemeine Billigung, und der Fürst nahm sofort keinen Anstand zu erklären, daß er jede Bestrebung zur Erreichung des vorgesteckten Ziels einer allgemeinen Aussöhnung als einen Beweis wahrer Vaterlandsliebe betrachte, und, indem er dieses Vorhaben öffentlich belobte, ordnete er auf den folgenden Tag, 21 März, eine vollständige Versammlung im Senat an, damit da der Act der Versöhnung genehmigt und von beiden Parteien schriftlich anerkannt werde. Bei der demgemäß an diesem Tage gehaltenen Versammlung wurde der vom Fürsten genehmigte Versöhnungsact feierlichst vollzogen und hiebei bestimmt, daß jeder die Eintracht bedrohende Versuch zu geheimer Verfolgung und überhaupt jede zum Nachtheil eines Dritten gereichende Intrigue streng verpönt seyn solle. – Die bisherige Uneinigkeit und der durch Erhebung einer bedeutenden Summe aus dem Staatsschatz unter dem Vorwand einer Anleihe im Volke rege gewordene Verdacht der Verschleuderung des Nationalvermögens hatten übrigens das Ansehen der Regentschaft und des Senates nicht nur beim Volke, sondern auch beim Militär, wo man ohne Gesetze Ordnung und Gehorsam erhalten zu können glaubte, untergraben. Aus diesem Umstand und dem auffallenden Mißgriffe, daß das Commando des ganzen Militärs einem Mann anvertraut ist, der von regulärem Militär so zu sagen kaum einen Begriff hat, da er vor einigen Jahren noch fast ausschließlich mit dem Borstenhandel sich beschäftigte, dann vom Fürsten Milosch zum Obermautheinnehmer zu Belgrad bestellt, später aber mit Oberstentitel zum Chef des ganzen Militärs erhoben, und von Seite der Pforte mit dem türkischen Orden ausgezeichnet wurde – ist die merkwürdige Erscheinung zuzuschreiben, daß kürzlich die gemeine Mannschaft willkürlich ihre Casernen verlassen und sich nach Hause begeben hat. Zwar haben sich wohldenkende Serben gefunden, die den Schritt ihrer Söhne mißbilligten und diese nach Belgrad zurückbrachten, allein dadurch ist dem Uebel, welches in der Verfassung des Militärs liegt, nicht abgeholfen. So lange nicht eine durchgreifende Verbesserung eintritt, und so lange das Commando in den Händen des bisherigen Chefs bleibt, der auch einer jener ausgesendeten Commissäre war, welche Anhänger für den Sohn Czerny Georgs zu werben bemüht waren, so lange ist nicht zu verbürgen, daß sich heute oder morgen ein ähnlicher Scandal wiederholt. – Dieß wird genügen, sich einen richtigen Begriff von den Zuständen Serbiens zu machen; daß unter denselben Fürst Michael einen schweren Standpunkt hat, läßt sich nicht verbergen. Er zeigt indessen guten Willen für die gesetzliche Ordnung, und wenn sich dieser Wille erhält, wie nicht

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sieht, wie man von Konstantinopel aus Autoritäten einsetzt, von denen in der Constitution kein Wort vorkommt, so wird man leicht ersehen, wie sehr Wucsitsch, Petroniewitsch und jene Serben, die ihnen zu Erlangung jener großherrlichen Anordnung behülflich waren, die Constitution, deren Aufrechthaltung sie gleich allen übrigen serbischen Beamten beschworen, verletzt, und somit nicht nur ihren Amtseid gebrochen, sondern auch durch den damit eingeführten Gebrauch, daß die Pforte serbische Beamtenstellen besetzt, die wesentlichsten Rechte der Nation gefährdet haben. Man wird um so mehr aufgefordert, die e Umtriebe dem Verbrechen des Hochverraths gleich zu achten, wenn man vollends erfährt, daß die großherrliche Anordnung sich auf die im Geheimen getroffene Einleitung stützt, als wäre es der allgemeine Wunsch des Volkes, daß Wucsitsch und Petroniewitsch dem Fürsten als Räthe beigegeben werden.</p><lb/>
          <p>Mit welchem Jubel und Pomp Fürst Michael bei seiner Rückkehr von Konstantinopel in Belgrad empfangen wurde, die Ceremonien bei Uebernahme der Regierung u. s. w., hat die Allg. Zeitung im Wesentlichen bereits gemeldet. Nur einige interessante Daten über die Art und Weise der gleich darauf abgehaltenen Volks-Versammlung glaube ich zu Ergänzung dessen, was ihren Lesern bereits geboten worden ist, nachträglich beifügen zu sollen. &#x2013; Der erste Versammlungstag, 18 März, verlief ohne die so sehr befürchteten tumultuarischen Auftritte, obgleich mehrere Volksredner das Benehmen derjenigen, die in Abwesenheit des Fürsten das Staatsruder geführt hatten, laut mißbilligten und den Fürsten um Abstellung der bisherigen Mißbräuche, wodurch der moralische und financielle Credit der Nation gelitten habe, so sehr mit Bitten bestürmten, daß er der Versammlung eröffnen mußte, man möge ihm dießfalls Petitionen einreichen. Aus diesen Aeußerungen der Volksstimmung ersah die Wucsitsch'sche Partei wohl, daß ihre Umtriebe hinsichtlich der Abschaffung der gesetzlichen Erbfolge in der Fürstenwürde und der Umwandlung Serbiens in ein Wahlreich und damit in einen Tummelplatz fremder, dem Staatsgebäude Untergang drohender Intriguen bei jeder neuen Wahl &#x2013; in der Versammlung eben keine Billigung zu erfahren haben dürften, zumal als die Fäden dieser Umtriebe von der Wachsamkeit der Polizei aufgegriffen und in Folge dieß mehrere Personen verhaftet waren, deren Procedur aber die Regentschaft im Einvernehmen mit dem Senat (es ist natürlich immer nur von der Majorität beider Körper die Rede) weil sie größtentheils der Wucsitsch'schen Partei angehörten, bis zur Ankunft des Fürsten sistirte, um sie durch die damit gehoffte Amnestie für alle politischen Vergehen der Untersuchung und Strafe zu entziehen. Sey es nun, daß die Herren besorgten, die ersehnte Amnestie nicht erlangen zu können, oder war es bloß der Plan, Hrn. Jephrem und alle jene, welche sich ihrem Streben entgegengestellt hatten, besonders aber den Minister des Innern, Hrn. Protitsch schnell zu stürzen, was ihren ferneren geheimen Schritten zu Grunde lag, darüber ist schwer mit Evidenz zu berichten. Gewiß ist nur, daß Wucsitsch, Petroniewitsch, Simitsch, Stephanovit ch und mehrere ihrer Partei angehörigen Primaten sich in der Nacht vom 18 auf den 19 März in dem Hause des Wucsitsch versammelt haben, um zu berathen, wie sie die Volksversammlung zu ihren Gunsten stimmen könnten. Sie ließen zu diesem Zwecke mehrere Bezirkspräfecte und Gerichtspräsidenten, welche zu dieser Volksversammlung berufen waren, zu ihrer nächtlichen Zusammenkunft einladen, und als diese sich eingefunden hatten, wurden sie unverhohlen aufgefordert, das Volk dahin zu stimmen, damit die Majorität sich zu ihren Gunsten herausstelle. Wucsitsch soll hiebei erklärt haben, er werde vor die Volksversammlung treten, und alle, die mit ihm seyen, auffordern, sich auf seine Seite zu stellen; beide Parteien sollen dann ihre An- und Absichten kund geben und es dem Volk anheimstellen, sich für die eine oder die andere zu erklären. Derjenigen Partei, welche die Mehrzahl des Volkes für sich habe, soll der Fürst überliefert, und nach deren System solle regiert werden; die andere Partei aber soll dann von den öffentlichen Geschäften zurücktreten, und sich wegen ihrer frühern Handlungsweise der Gnade der obsiegenden Partei überlassen. Man behauptet, Wucsitsch habe, auf seinen Sieg mit größter Zuversicht rechnend, den Gedanken gehabt, Hrn. Jephrem, Protitsch und deren Anhang des Landes zu verweisen. &#x2013; Als die eingeladenen Beamten aber bemerkten, daß unter den Anwesenden Jephrem und Protitsch fehlten, begriffen sie schon, gegen wen der beabsichtigte Schlag von Wucsitsch gerichtet sey, und da das ehrgeizige Streben Wucsitschs überhaupt bekannt war, so war seine Absicht, sich vorerst nur seiner Widersacher unter den Primaten zu entledigen, und dann erst seine Rolle mit dem jugendlichen Fürsten zu spielen, leicht zu durchschauen, und die natürliche Folge hievon, daß die Bezirkschefs gleich, nachdem sie das Haus Wucsitsch verlassen hatten, dessen Benehmen aufs entschiedenste tadelten und sich verabredeten, diesem im Geheimen schleichenden Unfuge durch kräftige Demonstrationen ein Ende zu machen. &#x2013; Am 20 März versammelten sich sonach die Bezirkspräfecten in der Wohnung Hrn. Protitschs, und erklärten diesem den ganzen Hergang in vergangener Nacht, mit dem Beifügen, daß sie entschlossen seyen, alle jene, die den Versuch zu machen wagten, den Fürsten zu zwingen, sich an die eine oder die andere Partei zu halten, der Gerechtigkeit zu überliefern, indem man Wucsitsch für einen Mann erklärte, der nur seinen Privatvortheil, und zwar auf Kosten der Wohlfahrt Serbiens, verfolge und eines der wichtigsten Rechte der Nation dadurch zu zernichten drohe, daß er sich mittelst Intriguen zum Rathe des Fürsten aufgeworfen habe, ohne von den legitimen Autoritäten Serbiens hiezu empfohlen worden zu seyn, was auch eine Verletzung der Constitution sey, weil diese ausdrücklich vorschreibt, daß alle Beamtenstellen, sie mögen was immer für einen Zweig betreffen, mit fürstlichem Diplom besetzt werden. Es soll Hrn. Protitsch unendliche Mühe gekostet haben, sie zu besänftigen und zu bewegen, zur Wiederkehr der Eintracht unter den Primaten mitzuwirken, und die Leidenschaft und Gehässigkeit zu verbannen. &#x2013; In Folge dieser Ermahnung kam man bei Hrn. Protitsch überein, Allem aufzubieten, um eine allgemeine Aussöhnung zu bewerkstelligen, und diesem Zwecke jedes Opfer zu bringen. Es wurde sofort beschlossen, daß, wer einer Versöhnung entgegen, seine Entlassung aus dem Staatsdienste nehmen und in den Privatstand zurücktreten soll. &#x2013; Unterdessen wurde auch der Fürst von allem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt, worauf er die Provincialbeamten vor sich kommen ließ, und sie, nachdem er sich von ihrem aufrichtigen und festen Entschluß, dem sich die ganze Nationalversammlung anschloß, überzeugt hatte, auf Nachmittag in den Senat einladen ließ, um da ihren Wunsch kund zu geben. In dieser Versammlung, worin die HH. Wucsitsch und Petroniewitsch aus leicht erklärlichen Gründen nicht erschienen, obgleich Fürst Michael ihnen hievon zeitliche Anzeige machen ließ, fand der Vorschlag der Beigezogenen allgemeine Billigung, und der Fürst nahm sofort keinen Anstand zu erklären, daß er jede Bestrebung zur Erreichung des vorgesteckten Ziels einer allgemeinen Aussöhnung als einen Beweis wahrer Vaterlandsliebe betrachte, und, indem er dieses Vorhaben öffentlich belobte, ordnete er auf den folgenden Tag, 21 März, eine vollständige Versammlung im Senat an, damit da der Act der Versöhnung genehmigt und von beiden Parteien schriftlich anerkannt werde. Bei der demgemäß an diesem Tage gehaltenen Versammlung wurde der vom Fürsten genehmigte Versöhnungsact feierlichst vollzogen und hiebei bestimmt, daß jeder die Eintracht bedrohende Versuch zu geheimer Verfolgung und überhaupt jede zum Nachtheil eines Dritten gereichende Intrigue streng verpönt seyn solle. &#x2013; Die bisherige Uneinigkeit und der durch Erhebung einer bedeutenden Summe aus dem Staatsschatz unter dem Vorwand einer Anleihe im Volke rege gewordene Verdacht der Verschleuderung des Nationalvermögens hatten übrigens das Ansehen der Regentschaft und des Senates nicht nur beim Volke, sondern auch beim Militär, wo man ohne Gesetze Ordnung und Gehorsam erhalten zu können glaubte, untergraben. Aus diesem Umstand und dem auffallenden Mißgriffe, daß das Commando des ganzen Militärs einem Mann anvertraut ist, der von regulärem Militär so zu sagen kaum einen Begriff hat, da er vor einigen Jahren noch fast ausschließlich mit dem Borstenhandel sich beschäftigte, dann vom Fürsten Milosch zum Obermautheinnehmer zu Belgrad bestellt, später aber mit Oberstentitel zum Chef des ganzen Militärs erhoben, und von Seite der Pforte mit dem türkischen Orden ausgezeichnet wurde &#x2013; ist die merkwürdige Erscheinung zuzuschreiben, daß kürzlich die gemeine Mannschaft willkürlich ihre Casernen verlassen und sich nach Hause begeben hat. Zwar haben sich wohldenkende Serben gefunden, die den Schritt ihrer Söhne mißbilligten und diese nach Belgrad zurückbrachten, allein dadurch ist dem Uebel, welches in der Verfassung des Militärs liegt, nicht abgeholfen. So lange nicht eine durchgreifende Verbesserung eintritt, und so lange das Commando in den Händen des bisherigen Chefs bleibt, der auch einer jener ausgesendeten Commissäre war, welche Anhänger für den Sohn Czerny Georgs zu werben bemüht waren, so lange ist nicht zu verbürgen, daß sich heute oder morgen ein ähnlicher Scandal wiederholt. &#x2013; Dieß wird genügen, sich einen richtigen Begriff von den Zuständen Serbiens zu machen; daß unter denselben Fürst Michael einen schweren Standpunkt hat, läßt sich nicht verbergen. Er zeigt indessen guten Willen für die gesetzliche Ordnung, und wenn sich dieser Wille erhält, wie nicht<lb/></p>
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[1190/0014] sieht, wie man von Konstantinopel aus Autoritäten einsetzt, von denen in der Constitution kein Wort vorkommt, so wird man leicht ersehen, wie sehr Wucsitsch, Petroniewitsch und jene Serben, die ihnen zu Erlangung jener großherrlichen Anordnung behülflich waren, die Constitution, deren Aufrechthaltung sie gleich allen übrigen serbischen Beamten beschworen, verletzt, und somit nicht nur ihren Amtseid gebrochen, sondern auch durch den damit eingeführten Gebrauch, daß die Pforte serbische Beamtenstellen besetzt, die wesentlichsten Rechte der Nation gefährdet haben. Man wird um so mehr aufgefordert, die e Umtriebe dem Verbrechen des Hochverraths gleich zu achten, wenn man vollends erfährt, daß die großherrliche Anordnung sich auf die im Geheimen getroffene Einleitung stützt, als wäre es der allgemeine Wunsch des Volkes, daß Wucsitsch und Petroniewitsch dem Fürsten als Räthe beigegeben werden. Mit welchem Jubel und Pomp Fürst Michael bei seiner Rückkehr von Konstantinopel in Belgrad empfangen wurde, die Ceremonien bei Uebernahme der Regierung u. s. w., hat die Allg. Zeitung im Wesentlichen bereits gemeldet. Nur einige interessante Daten über die Art und Weise der gleich darauf abgehaltenen Volks-Versammlung glaube ich zu Ergänzung dessen, was ihren Lesern bereits geboten worden ist, nachträglich beifügen zu sollen. – Der erste Versammlungstag, 18 März, verlief ohne die so sehr befürchteten tumultuarischen Auftritte, obgleich mehrere Volksredner das Benehmen derjenigen, die in Abwesenheit des Fürsten das Staatsruder geführt hatten, laut mißbilligten und den Fürsten um Abstellung der bisherigen Mißbräuche, wodurch der moralische und financielle Credit der Nation gelitten habe, so sehr mit Bitten bestürmten, daß er der Versammlung eröffnen mußte, man möge ihm dießfalls Petitionen einreichen. Aus diesen Aeußerungen der Volksstimmung ersah die Wucsitsch'sche Partei wohl, daß ihre Umtriebe hinsichtlich der Abschaffung der gesetzlichen Erbfolge in der Fürstenwürde und der Umwandlung Serbiens in ein Wahlreich und damit in einen Tummelplatz fremder, dem Staatsgebäude Untergang drohender Intriguen bei jeder neuen Wahl – in der Versammlung eben keine Billigung zu erfahren haben dürften, zumal als die Fäden dieser Umtriebe von der Wachsamkeit der Polizei aufgegriffen und in Folge dieß mehrere Personen verhaftet waren, deren Procedur aber die Regentschaft im Einvernehmen mit dem Senat (es ist natürlich immer nur von der Majorität beider Körper die Rede) weil sie größtentheils der Wucsitsch'schen Partei angehörten, bis zur Ankunft des Fürsten sistirte, um sie durch die damit gehoffte Amnestie für alle politischen Vergehen der Untersuchung und Strafe zu entziehen. Sey es nun, daß die Herren besorgten, die ersehnte Amnestie nicht erlangen zu können, oder war es bloß der Plan, Hrn. Jephrem und alle jene, welche sich ihrem Streben entgegengestellt hatten, besonders aber den Minister des Innern, Hrn. Protitsch schnell zu stürzen, was ihren ferneren geheimen Schritten zu Grunde lag, darüber ist schwer mit Evidenz zu berichten. Gewiß ist nur, daß Wucsitsch, Petroniewitsch, Simitsch, Stephanovit ch und mehrere ihrer Partei angehörigen Primaten sich in der Nacht vom 18 auf den 19 März in dem Hause des Wucsitsch versammelt haben, um zu berathen, wie sie die Volksversammlung zu ihren Gunsten stimmen könnten. Sie ließen zu diesem Zwecke mehrere Bezirkspräfecte und Gerichtspräsidenten, welche zu dieser Volksversammlung berufen waren, zu ihrer nächtlichen Zusammenkunft einladen, und als diese sich eingefunden hatten, wurden sie unverhohlen aufgefordert, das Volk dahin zu stimmen, damit die Majorität sich zu ihren Gunsten herausstelle. Wucsitsch soll hiebei erklärt haben, er werde vor die Volksversammlung treten, und alle, die mit ihm seyen, auffordern, sich auf seine Seite zu stellen; beide Parteien sollen dann ihre An- und Absichten kund geben und es dem Volk anheimstellen, sich für die eine oder die andere zu erklären. Derjenigen Partei, welche die Mehrzahl des Volkes für sich habe, soll der Fürst überliefert, und nach deren System solle regiert werden; die andere Partei aber soll dann von den öffentlichen Geschäften zurücktreten, und sich wegen ihrer frühern Handlungsweise der Gnade der obsiegenden Partei überlassen. Man behauptet, Wucsitsch habe, auf seinen Sieg mit größter Zuversicht rechnend, den Gedanken gehabt, Hrn. Jephrem, Protitsch und deren Anhang des Landes zu verweisen. – Als die eingeladenen Beamten aber bemerkten, daß unter den Anwesenden Jephrem und Protitsch fehlten, begriffen sie schon, gegen wen der beabsichtigte Schlag von Wucsitsch gerichtet sey, und da das ehrgeizige Streben Wucsitschs überhaupt bekannt war, so war seine Absicht, sich vorerst nur seiner Widersacher unter den Primaten zu entledigen, und dann erst seine Rolle mit dem jugendlichen Fürsten zu spielen, leicht zu durchschauen, und die natürliche Folge hievon, daß die Bezirkschefs gleich, nachdem sie das Haus Wucsitsch verlassen hatten, dessen Benehmen aufs entschiedenste tadelten und sich verabredeten, diesem im Geheimen schleichenden Unfuge durch kräftige Demonstrationen ein Ende zu machen. – Am 20 März versammelten sich sonach die Bezirkspräfecten in der Wohnung Hrn. Protitschs, und erklärten diesem den ganzen Hergang in vergangener Nacht, mit dem Beifügen, daß sie entschlossen seyen, alle jene, die den Versuch zu machen wagten, den Fürsten zu zwingen, sich an die eine oder die andere Partei zu halten, der Gerechtigkeit zu überliefern, indem man Wucsitsch für einen Mann erklärte, der nur seinen Privatvortheil, und zwar auf Kosten der Wohlfahrt Serbiens, verfolge und eines der wichtigsten Rechte der Nation dadurch zu zernichten drohe, daß er sich mittelst Intriguen zum Rathe des Fürsten aufgeworfen habe, ohne von den legitimen Autoritäten Serbiens hiezu empfohlen worden zu seyn, was auch eine Verletzung der Constitution sey, weil diese ausdrücklich vorschreibt, daß alle Beamtenstellen, sie mögen was immer für einen Zweig betreffen, mit fürstlichem Diplom besetzt werden. Es soll Hrn. Protitsch unendliche Mühe gekostet haben, sie zu besänftigen und zu bewegen, zur Wiederkehr der Eintracht unter den Primaten mitzuwirken, und die Leidenschaft und Gehässigkeit zu verbannen. – In Folge dieser Ermahnung kam man bei Hrn. Protitsch überein, Allem aufzubieten, um eine allgemeine Aussöhnung zu bewerkstelligen, und diesem Zwecke jedes Opfer zu bringen. Es wurde sofort beschlossen, daß, wer einer Versöhnung entgegen, seine Entlassung aus dem Staatsdienste nehmen und in den Privatstand zurücktreten soll. – Unterdessen wurde auch der Fürst von allem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt, worauf er die Provincialbeamten vor sich kommen ließ, und sie, nachdem er sich von ihrem aufrichtigen und festen Entschluß, dem sich die ganze Nationalversammlung anschloß, überzeugt hatte, auf Nachmittag in den Senat einladen ließ, um da ihren Wunsch kund zu geben. In dieser Versammlung, worin die HH. Wucsitsch und Petroniewitsch aus leicht erklärlichen Gründen nicht erschienen, obgleich Fürst Michael ihnen hievon zeitliche Anzeige machen ließ, fand der Vorschlag der Beigezogenen allgemeine Billigung, und der Fürst nahm sofort keinen Anstand zu erklären, daß er jede Bestrebung zur Erreichung des vorgesteckten Ziels einer allgemeinen Aussöhnung als einen Beweis wahrer Vaterlandsliebe betrachte, und, indem er dieses Vorhaben öffentlich belobte, ordnete er auf den folgenden Tag, 21 März, eine vollständige Versammlung im Senat an, damit da der Act der Versöhnung genehmigt und von beiden Parteien schriftlich anerkannt werde. Bei der demgemäß an diesem Tage gehaltenen Versammlung wurde der vom Fürsten genehmigte Versöhnungsact feierlichst vollzogen und hiebei bestimmt, daß jeder die Eintracht bedrohende Versuch zu geheimer Verfolgung und überhaupt jede zum Nachtheil eines Dritten gereichende Intrigue streng verpönt seyn solle. – Die bisherige Uneinigkeit und der durch Erhebung einer bedeutenden Summe aus dem Staatsschatz unter dem Vorwand einer Anleihe im Volke rege gewordene Verdacht der Verschleuderung des Nationalvermögens hatten übrigens das Ansehen der Regentschaft und des Senates nicht nur beim Volke, sondern auch beim Militär, wo man ohne Gesetze Ordnung und Gehorsam erhalten zu können glaubte, untergraben. Aus diesem Umstand und dem auffallenden Mißgriffe, daß das Commando des ganzen Militärs einem Mann anvertraut ist, der von regulärem Militär so zu sagen kaum einen Begriff hat, da er vor einigen Jahren noch fast ausschließlich mit dem Borstenhandel sich beschäftigte, dann vom Fürsten Milosch zum Obermautheinnehmer zu Belgrad bestellt, später aber mit Oberstentitel zum Chef des ganzen Militärs erhoben, und von Seite der Pforte mit dem türkischen Orden ausgezeichnet wurde – ist die merkwürdige Erscheinung zuzuschreiben, daß kürzlich die gemeine Mannschaft willkürlich ihre Casernen verlassen und sich nach Hause begeben hat. Zwar haben sich wohldenkende Serben gefunden, die den Schritt ihrer Söhne mißbilligten und diese nach Belgrad zurückbrachten, allein dadurch ist dem Uebel, welches in der Verfassung des Militärs liegt, nicht abgeholfen. So lange nicht eine durchgreifende Verbesserung eintritt, und so lange das Commando in den Händen des bisherigen Chefs bleibt, der auch einer jener ausgesendeten Commissäre war, welche Anhänger für den Sohn Czerny Georgs zu werben bemüht waren, so lange ist nicht zu verbürgen, daß sich heute oder morgen ein ähnlicher Scandal wiederholt. – Dieß wird genügen, sich einen richtigen Begriff von den Zuständen Serbiens zu machen; daß unter denselben Fürst Michael einen schweren Standpunkt hat, läßt sich nicht verbergen. Er zeigt indessen guten Willen für die gesetzliche Ordnung, und wenn sich dieser Wille erhält, wie nicht

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 149. Augsburg, 28. Mai 1840, S. 1190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_149_18400528/14>, abgerufen am 01.05.2024.