[2085]
Serbien.
Von der wallachisch-serbischen Gränze April Diese Mittheilung war der Redaction schon vor Ausbruch der neuesten Volksbewegungen in Serbien zugekommen, und wurde von ihr aus Mangel an Raum beseitigt. Auf Verlangen des Einsenders wird sie nun nachträglich in diesem Raum der Beilage veröffentlicht.
Seit dem Contre-Revolutions-Versuche in Serbien und der hierauf erfolgten Resignation des Fürsten Milosch haben mehrere Zeitungen, wie namentlich die Allg. Zeitung, über den innern Zustand Serbiens manche interessante Berichte geliefert, die jedoch in manch wesentlicher Beziehung mangelhafte waren. – Es wird daher nicht unwillkommen seyn, eine getreue Schilderung des serbischen Staatslebens zu erhalten, welcher Aufgabe ich mich – gestützt auf die Aussage solcher Personen, die das Vertrauen beider nach dem Sturze des Fürsten Milosch entstandenen politischen Parteien unter den serbischen Primaten genießen und die Zwecke beider kennen – hiemit unterziehe. – Die Beweggründe, welche die Parteien gebildet, sind nicht sowohl die Neigung einerseits, die alte Ordnung wieder herzustellen oder die andererseits die neue Ordnung zu wahren und zu erhalten – nein! denn beide Parteien gaben unzweideutige Beweise von ihrer dießfälligen Uebereinstimmung dadurch, daß man von keinem Beamten oder Primaten weder direct noch indirect einen Wunsch für die alte unter dem Fürsten Milosch bestandene Ordnung vernehmen konnte. – Der Grund der Entstehung der Parteien liegt gründlicher Beobachtung und nachfolgender getreuer Darstellung gemäß nur in der Frage: ob in Serbien die Erblichkeit der Fürstenwürde fortbestehen oder aufhören soll. – Die sogenannte Partei des Hrn. Jephrem, Bruders des Fürsten Milosch, ist natürlich für den Fortbestand der Erblichkeit; dagegen die Partei des Hrn. Wucsitsch für Abschaffung derselben. Folgende Umstände werden die auf vorstehende Frage Bezug nehmenden Handlungen dieser beiden Primaten näher entwickeln und in den Stand setzen, die Motive hiezu nach ihrem Werthe und somit den Grad der vorgeschützten Vaterlandsliebe zu erkennen. – Noch im Jahre 1835, als durch den Umsturz der in demselben Jahre im Wege des Vertrages entstandenen, zwei Monate nur gedauerten Verfassung, den Beamten und Primaten Serbiens die Hoffnung benommen wurde, eine gesetzliche Ordnung in Serbien bald eingeführt zu sehen, stellte sich Hr. Wucsitsch an die Spitze einiger Unzufriedenen in der Absicht, im Geheimen durch fremden Einfluß gegen den Fürsten Milosch zu wirken und ihm die unumschränkte Gewalt um jeden Preis zu entreißen. – Allein bald sah er mit seinen Gehülfen: Simitsch, Petroniewitsch und mehrern andern ein, daß bei der Pforte sowohl, als auch am russischen Hofe gegen ihren Herrn wenig auszurichten sey. Wenn man den Versicherungen jener Personen, die in das Geheimniß eingeweiht waren, Glauben schenken darf, so soll namentlich Rußland diese Demonstrationen anfangs mit Unwillen zurückgewiesen und die Beschwerdeführer zur Ruhe verwiesen haben. – Außerdem aber schien deren Ansehen auch in der Nation sehr unbedeutend zu seyn, und ungeachtet mancher Mißgriffe des Fürsten Milosch, welche sie jubelnd begrüßten, wollte es ihnen dennoch durchaus nicht gelingen, ihren Anhang so zu vermehren, um ihre Absicht in Serbien durch physische Gewalt zu erreichen. – Man sann daher immer auf neue Mittel, und so erkannte man bald, daß Alles darauf ankomme, den Hrn. Jephrem für die Wucsitsch'sche Partei zu gewinnen, da er nächst seinem Bruder Milosch den größten Einfluß sowohl im Volke als auch das größte Ansehen nach außen hatte, und überdieß die höchste Würde im Staatsdienste bekleidete. Er war nämlich zur Zeit des bekannten Besuches des Fürsten Milosch in Konstantinopel, während der Abwesenheit, Stellvertreter seines fürstlichen Bruders, und Wucsitsch versäumte keine Gelegenheit, Hrn. Jephrem den Druck der unumschränkten Regierungsweise Miloschs grell zu schildern und ihn für seine Plane zu gewinnen. Allein Jephrem blieb unerschütterlich auf dem Pfade der Treue, obwohl er in Hinsicht der Regierungsgrundsätze keineswegs mit seinem Bruder Milosch harmonirte. – Erst im Jahre 1837 gab eine unsanfte Behandlung, welche er von Milosch erfahren mußte, Hrn. Jephrem ernstlichen Anlaß, auf Mittel zu sinnen, wodurch der unumschränkten Gewalt seines Bruders gesetzliche Schranken gesetzt würden und sagte endlich Hrn. Wucsitsch und seiner Partei, die nichts weiter zu wünschen vorgaben, als ein das Verhältniß zwischen dem Fürsten und seinen Unterthanen genau bezeichnendes Grundgesetz zu erlangen seinen Beistand zu, in Folge dessen die Lage der Dinge gleich eine andere Wendung nahm. – Die Sendung des Fürsten Dolgoruki im Monat October 1837 und des nunmehr als Generalconsul in Serbien fungirenden Hrn. Waschcsenko im Anfange des Jahrs 1838 nach Serbien, und das im Monat Februar 1839 promulgirte gegenwärtig in Serbien geltende Grundgesetz sind die Folgen des Jephrem'schen Beitrittes und seines Einverständnisses mit Wucsitsch, welches wohl zu Serbiens
Glück hätte gereichen können, wenn nicht Wucsitsch neuen ehrgeizigen Planen nachgehangen und dadurch das Einvernehmen mit Jephrem wieder zerstört hätte. Kaum war nämlich der Contre-Revolutionsversuch im Monat Mai vorigen Jahrs gedämpft, als Wucsitsch mit noch einigen Primaten, vielleicht auch unterstützt durch fremden Einfluß, Plane zu schmieden anfing, den Fürsten Milosch nicht nur zur Resignation zu bewegen, sondern auch seine ganze Familie des Erbfolgerechts auf die Fürstenwürde in Serbien verlustig zu machen. – Solche Gesinnung Wucsitschs war genügend die bisherige Harmonie mit Hrn. Jephrem zu zerstören und diesen gegen erstern zu stimmen. Dessen ungeachtet verfolgte Hr. Wucsitsch mit seinem Anhang das vorgesetzte Ziel einige Zeit noch glücklich, indem es ihm gelang, nicht nur den Fürsten Milosch zur bekannten Resignation auf die Regierung zu Gunsten seines ältern Sohnes Milan zu bewegen, sondern auch nach dem bald darauf erfolgten Tode des Fürsten Milan mit Hrn. Petroniewitsch und ihrem nunmehrigen Gegner, Hrn. Jephrem Obrenowitsch, Mitglied der für den minderjährigen Fürsten Michael errichteten Regentschaft zu werden, von welcher Stellung aus er und die Seinigen nun erst recht zu wirken anfingen. Keine geringe Freude ward ihnen, als sie erfuhren, daß Fürst Milosch seinem Sohne Michael die Rückkehr nach Serbien zur Uebernahme der Regierung nicht gestatten wolle, indem dadurch die Hoffnung, selbst Fürst von Serbien werden zu können, bedeutende Nahrung erhielt; in dieser Aussicht blieb Hr. Jephrem der einzige gefährliche Rival, und aus diesem Grunde wurde Allem aufgeboten, um dessen Ansehen beim Volk herabzusetzen und seinen Einfluß zu schmälern, dagegen die öffentliche Meinung mehr und mehr zu eigenen Gunsten zu stimmen. So suchte Wucsitsch besonders auch bei dem Militär sein Ansehen zu heben, indem er diesem mündlich die Nachricht ertheilte, daß Fürst Milosch seinem Sohne nicht gestatte, nach Serbien zu kommen und die Fürstenwürde zu übernehmen, und beifügte, daß dadurch Serbien nichts verlieren werde, es vielmehr dem Volke besser gehen würde, wenn ein anderer aus den angesehenen Serben, wobei er sich in die Brust warf, Fürst Serbiens würde. Allein seine Erwartung, irgend eine günstige Aeußerung zu vernehmen, wurde bitter getäuscht, er mußte vielmehr erfahren, daß nicht einmal das Militär große Achtung und Neigung für ihn hege, denn kaum hatte er seine Rede, worin er klar genug angedeutet hatte, daß auch er den serbischen Fürstenthron einnehmen könne, geendet, als ein Major mit der lauten Aeußerung gegen ihn auftrat: „Man merkt schon, daß Ihr selbst Serbiens Fürst werden möchtet; seyd aber versichert, daß Euch dieses nicht gelingen wird.“ Eben so zeigten sich Spuren von Unzufriedenheit des Volkes gegen Hrn. Wucsitsch, als er bei Gelegenheit dessen Zusammentrittes zu Bekämpfung der gegen das Grundgesetz erhobenen Reaction verschiedene weder mit dem Staatsrechte noch mit der Staatswirthschaft sich vertragende Verheißungen machte, die er natürlich auch später nicht zu erfüllen vermochte. – Diese unangenehmen Erfahrungen einerseits, andrerseits aber das sichtbare Steigen des Ansehens Hrn. Jephrems, bestimmten Hrn. Wucsitsch, die für ihn selbst unerreichbare Fürstenwürde lieber jemanden andern zuzuspielen, als sie Hrn. Jephrem, welchem gegenüber er sich schon zu sehr compromittirt hatte, zu überlassen. So faßte er mit seiner Partei den Plan, entweder den Sohn oder den Enkel des Georg Czerny, ehemaligen Anführers der Serben, auf den erledigten Thron zu berufen – ohne Rücksicht auf seinen der Verfassung geleisteten Eid, wornach die Fürstenwürde Serbiens in der Familie Obrenowitsch erblich ist, und ohne Rücksicht auf die Huldigungs-Adresse, welche Senat und Regierung gemeinschaftlich und einstimmig zu Gunsten des jungen Fürsten Michael nach Konstantinopel gesendet hatten.
Allein um diesen Plan durchzuführen, war der Beistand des Volkes unumgänglich nöthig; durch dieses dachte man die Wahl des neuen Clienten zu leiten, sich dessen zu versichern war jedoch nicht leicht, da der Minister des Innern, sobald er die wahren Absichten der Wucsitsch'schen Partei erkannte, von dieser abfiel und zu Hrn. Jephrem übertrat. Dadurch gelangte letztere zu der Einsicht, daß das vorgesteckte Ziel nur mit Vorsicht und auf Umwegen zu erreichen sey. Zu dem Ende wurde dem Senate die Nothwendigkeit der Sendung eigener Commissäre unter das Volk, unter dem Vorwande demselben das Grundgesetz zu erklären und es überhaupt von dem politischen Zustande seines Vaterlands zu unterrichten, vorgestellt, und nach vom Senate erlangter Gutheißung dieses Vorschlags zu dieser Commission nur solche Männer berufen, auf welche sich Wucsitsch unbedingt verlassen konnte; und diese wurden sofort mit geheimen Instructionen von Wucsitsch in die Bezirke gesendet. Während diese Commission in den Bezirken thätig war, um das Volk für den Sohn Kara Georgs zu bearbeiten, haben andere, die zur Classe der Besserunterrichteten und Gelehrten gehören, nicht gesäumt, die Verdienste des Georgs Czerny in Schriften und Reden hoch zu preisen, und den Mord zu rechtfertigen, den er an seinem leiblichen Vater begangen hat; keiner hat jedoch der weitern auf dem Andenken dieses Anführers lastenden Flecken, keiner der geschichtlichen Daten erwähnt, daß er auch den eigenen Bruder hat hängen, einen Priester hat lebendig begraben lassen, daß er der leiblichen Mutter einen gefüllten Korb auf den Kopf hat setzen lassen, und andere Frevel, deren Beschreibung das Gemüth empört, verübt, und zuletzt Serbien heimlich verlassen hat, das Volk der Wuth und Rache der Türken überlassend. In der That ist es kaum zu begreifen, wie sonst geachtete Männer für Georg Czerny in die Schranken treten mögen auf Kosten der Familie Milosch Obrenowitschs, der doch gewiß viele und große Verdienste um Serbien hat. Milosch hat Serbien auf den von dem fliehenden Georg Czerny verlassenen Trümmern emporgehoben, er hat es von Räubern und Gesindel aller Art gereinigt, er hat das Recht des Eigenthums und die persönliche Sicherheit hergestellt, und sein Vaterland theils durch die Waffen, theils durch sein eminentes Talent im Wege der Verhandlung bis nahe zur Selbstständigkeit gebracht, welch' kostbares Gut die ehrgeizigen Primaten, nachdem sie erfahren, daß ihre Plane Schiffbruch gelitten, dem Meistbietenden gerne hintangegeben, wenn sich nur Käufer dafür gefunden hätten. – Je mehr durch diese Umtriebe der Familie Obrenowitsch Gefahr drohte, in demselben Maaße fand sich Hr. Jephrem bewogen, entschieden dagegen zu agiren, wozu es seinerseits eben nicht besonderer Anstrengung bedurfte. Denn die Regentschaft, mit welcher Hr. Jephrem in Opposition stand, so wie der Senat, worin ebenfalls Wucsitsch die Majorität hatte, hatten durch verschiedene Mißgriffe die Neigung des Volks in dem Grade verscherzt, daß ein offener Aufstand zu besorgen stand, welcher gewiß nur durch die Kunde von der baldigen Ankunft des Fürsten Michael niedergehalten wurde. So standen die Sachen in Serbien zur Zeit als von Konstantinopel die Nachricht einlief, daß die Pforte den Sohn Miloschs, Michael, als Fürsten Serbiens anerkannt und einen Beamten nach Bucharest gesandt habe, um ihn nach Konstantinopel zu geleiten, wo ihn der Sultan zu sehen und mit Ehrendecorationen zu versehen wünsche. – Daß diese Botschaft diejenigen furchtbar hart getroffen haben muß, die sich mit dem Plane trugen, an Czerny's Sohn die Fürstenwürde zu übertragen, ist um so erklärlicher, wenn man erwägt, daß einer von diesen sogenannten Patrioten zur Verwirklichung dieses Vorhabens die Rolle übernahm, aus dem Staatsschatze fünfzigtausend Stück kaiserliche Ducaten unter dem Vorwande einer Anleihe, die man aber nie mehr zurückzuzahlen gedachte, zu entnehmen, deren Erstattung nun geschehen muß. – Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß also diejenigen, an deren Spitze Hr. Jephrem stund, dahin strebten, das Erbfolgerecht in der Fürstenwürde, das bei mehrmaligen Landtagsabschlüssen, dann durch die öffentlichen Staatsacten der Pforte, besonders aber durch das im Jahre 1839 beschworene Fundamentalgesetz festgesetzt wurde, aufrecht zu erhalten und den Fürsten Michael, dem gleich nach dem ohne Hinterlassung von Descendenten erfolgten Tode seines ältern Bruders Milan, alle Primaten, ehe noch die politische Spaltung eintrat, huldigten, und die darüber ausgefertigte Acte nach Konstantinopel sandten, sobald als möglich in Serbien zu sehen; daß hingegen die Partei des Hrn. Wucsitsch sich vorgesetzt hatte, besagtes Erbfolgerecht zu vernichten, die Obrenowitsch'sche Familie zu vertreiben und an ihrer Stelle die Kara Georg'sche – jedoch nicht erblich, sondern nur temporär, um für sich selbst nicht alle Aussichten zu verschließen – auf den Fürstenthron zu heben, und unterdessen ihre Plane zur Reife zu bringen. Diese ehrgeizigen und eben so sträflichen Plane haben sich auch geoffenbart, als man gleich nach der Ankunft des Fürsten Michael vernahm, daß die HH. Petroniewitsch und Wucsitsch von dem Großwessier eine Anordnung zu erlangen wußten, wornach sie beide dem Fürsten als dessen unmittelbare Räthe zur Seite gesetzt werden, obgleich Wucsitsch nicht einmal des Lesens oder Schreibens kundig ist.
Wenn man nun in Betracht nimmt, daß nach dem Fundamentalgesetze die Besetzung der Aemter dem Fürsten zusteht, und keiner andern niedern oder höhern Gewalt; wenn man dagegen sieht, wie hier der Großwessier zwei nicht einmal verfassungsmäßig bestehende Aemter besetzt; wenn man ferner erwägt, daß die Constitution die berathende und gesetzgebende Gewalt dem Senate, bestehend aus 16 Mitgliedern und 1 Präsidenten, die vollziehende aber dem Fürsten, und zwar diesem allein überträgt, der sie durch seine vier Minister des Innern, der Justiz und des Cultus, dann der Finanzen und der auswärtigen Angelegenheiten ausübt; wenn man, sage ich, alles dieses zusammennimmt, und dagegen
sieht, wie man von Konstantinopel aus Autoritäten einsetzt, von denen in der Constitution kein Wort vorkommt, so wird man leicht ersehen, wie sehr Wucsitsch, Petroniewitsch und jene Serben, die ihnen zu Erlangung jener großherrlichen Anordnung behülflich waren, die Constitution, deren Aufrechthaltung sie gleich allen übrigen serbischen Beamten beschworen, verletzt, und somit nicht nur ihren Amtseid gebrochen, sondern auch durch den damit eingeführten Gebrauch, daß die Pforte serbische Beamtenstellen besetzt, die wesentlichsten Rechte der Nation gefährdet haben. Man wird um so mehr aufgefordert, die e Umtriebe dem Verbrechen des Hochverraths gleich zu achten, wenn man vollends erfährt, daß die großherrliche Anordnung sich auf die im Geheimen getroffene Einleitung stützt, als wäre es der allgemeine Wunsch des Volkes, daß Wucsitsch und Petroniewitsch dem Fürsten als Räthe beigegeben werden.
Mit welchem Jubel und Pomp Fürst Michael bei seiner Rückkehr von Konstantinopel in Belgrad empfangen wurde, die Ceremonien bei Uebernahme der Regierung u. s. w., hat die Allg. Zeitung im Wesentlichen bereits gemeldet. Nur einige interessante Daten über die Art und Weise der gleich darauf abgehaltenen Volks-Versammlung glaube ich zu Ergänzung dessen, was ihren Lesern bereits geboten worden ist, nachträglich beifügen zu sollen. – Der erste Versammlungstag, 18 März, verlief ohne die so sehr befürchteten tumultuarischen Auftritte, obgleich mehrere Volksredner das Benehmen derjenigen, die in Abwesenheit des Fürsten das Staatsruder geführt hatten, laut mißbilligten und den Fürsten um Abstellung der bisherigen Mißbräuche, wodurch der moralische und financielle Credit der Nation gelitten habe, so sehr mit Bitten bestürmten, daß er der Versammlung eröffnen mußte, man möge ihm dießfalls Petitionen einreichen. Aus diesen Aeußerungen der Volksstimmung ersah die Wucsitsch'sche Partei wohl, daß ihre Umtriebe hinsichtlich der Abschaffung der gesetzlichen Erbfolge in der Fürstenwürde und der Umwandlung Serbiens in ein Wahlreich und damit in einen Tummelplatz fremder, dem Staatsgebäude Untergang drohender Intriguen bei jeder neuen Wahl – in der Versammlung eben keine Billigung zu erfahren haben dürften, zumal als die Fäden dieser Umtriebe von der Wachsamkeit der Polizei aufgegriffen und in Folge dieß mehrere Personen verhaftet waren, deren Procedur aber die Regentschaft im Einvernehmen mit dem Senat (es ist natürlich immer nur von der Majorität beider Körper die Rede) weil sie größtentheils der Wucsitsch'schen Partei angehörten, bis zur Ankunft des Fürsten sistirte, um sie durch die damit gehoffte Amnestie für alle politischen Vergehen der Untersuchung und Strafe zu entziehen. Sey es nun, daß die Herren besorgten, die ersehnte Amnestie nicht erlangen zu können, oder war es bloß der Plan, Hrn. Jephrem und alle jene, welche sich ihrem Streben entgegengestellt hatten, besonders aber den Minister des Innern, Hrn. Protitsch schnell zu stürzen, was ihren ferneren geheimen Schritten zu Grunde lag, darüber ist schwer mit Evidenz zu berichten. Gewiß ist nur, daß Wucsitsch, Petroniewitsch, Simitsch, Stephanovit ch und mehrere ihrer Partei angehörigen Primaten sich in der Nacht vom 18 auf den 19 März in dem Hause des Wucsitsch versammelt haben, um zu berathen, wie sie die Volksversammlung zu ihren Gunsten stimmen könnten. Sie ließen zu diesem Zwecke mehrere Bezirkspräfecte und Gerichtspräsidenten, welche zu dieser Volksversammlung berufen waren, zu ihrer nächtlichen Zusammenkunft einladen, und als diese sich eingefunden hatten, wurden sie unverhohlen aufgefordert, das Volk dahin zu stimmen, damit die Majorität sich zu ihren Gunsten herausstelle. Wucsitsch soll hiebei erklärt haben, er werde vor die Volksversammlung treten, und alle, die mit ihm seyen, auffordern, sich auf seine Seite zu stellen; beide Parteien sollen dann ihre An- und Absichten kund geben und es dem Volk anheimstellen, sich für die eine oder die andere zu erklären. Derjenigen Partei, welche die Mehrzahl des Volkes für sich habe, soll der Fürst überliefert, und nach deren System solle regiert werden; die andere Partei aber soll dann von den öffentlichen Geschäften zurücktreten, und sich wegen ihrer frühern Handlungsweise der Gnade der obsiegenden Partei überlassen. Man behauptet, Wucsitsch habe, auf seinen Sieg mit größter Zuversicht rechnend, den Gedanken gehabt, Hrn. Jephrem, Protitsch und deren Anhang des Landes zu verweisen. – Als die eingeladenen Beamten aber bemerkten, daß unter den Anwesenden Jephrem und Protitsch fehlten, begriffen sie schon, gegen wen der beabsichtigte Schlag von Wucsitsch gerichtet sey, und da das ehrgeizige Streben Wucsitschs überhaupt bekannt war, so war seine Absicht, sich vorerst nur seiner Widersacher unter den Primaten zu entledigen, und dann erst seine Rolle mit dem jugendlichen Fürsten zu spielen, leicht zu durchschauen, und die natürliche Folge hievon, daß die Bezirkschefs gleich, nachdem sie das Haus Wucsitsch verlassen hatten, dessen Benehmen aufs entschiedenste tadelten und sich verabredeten, diesem im Geheimen schleichenden Unfuge durch kräftige Demonstrationen ein Ende zu machen. – Am 20 März versammelten sich sonach die Bezirkspräfecten in der Wohnung Hrn. Protitschs, und erklärten diesem den ganzen Hergang in vergangener Nacht, mit dem Beifügen, daß sie entschlossen seyen, alle jene, die den Versuch zu machen wagten, den Fürsten zu zwingen, sich an die eine oder die andere Partei zu halten, der Gerechtigkeit zu überliefern, indem man Wucsitsch für einen Mann erklärte, der nur seinen Privatvortheil, und zwar auf Kosten der Wohlfahrt Serbiens, verfolge und eines der wichtigsten Rechte der Nation dadurch zu zernichten drohe, daß er sich mittelst Intriguen zum Rathe des Fürsten aufgeworfen habe, ohne von den legitimen Autoritäten Serbiens hiezu empfohlen worden zu seyn, was auch eine Verletzung der Constitution sey, weil diese ausdrücklich vorschreibt, daß alle Beamtenstellen, sie mögen was immer für einen Zweig betreffen, mit fürstlichem Diplom besetzt werden. Es soll Hrn. Protitsch unendliche Mühe gekostet haben, sie zu besänftigen und zu bewegen, zur Wiederkehr der Eintracht unter den Primaten mitzuwirken, und die Leidenschaft und Gehässigkeit zu verbannen. – In Folge dieser Ermahnung kam man bei Hrn. Protitsch überein, Allem aufzubieten, um eine allgemeine Aussöhnung zu bewerkstelligen, und diesem Zwecke jedes Opfer zu bringen. Es wurde sofort beschlossen, daß, wer einer Versöhnung entgegen, seine Entlassung aus dem Staatsdienste nehmen und in den Privatstand zurücktreten soll. – Unterdessen wurde auch der Fürst von allem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt, worauf er die Provincialbeamten vor sich kommen ließ, und sie, nachdem er sich von ihrem aufrichtigen und festen Entschluß, dem sich die ganze Nationalversammlung anschloß, überzeugt hatte, auf Nachmittag in den Senat einladen ließ, um da ihren Wunsch kund zu geben. In dieser Versammlung, worin die HH. Wucsitsch und Petroniewitsch aus leicht erklärlichen Gründen nicht erschienen, obgleich Fürst Michael ihnen hievon zeitliche Anzeige machen ließ, fand der Vorschlag der Beigezogenen allgemeine Billigung, und der Fürst nahm sofort keinen Anstand zu erklären, daß er jede Bestrebung zur Erreichung des vorgesteckten Ziels einer allgemeinen Aussöhnung als einen Beweis wahrer Vaterlandsliebe betrachte, und, indem er dieses Vorhaben öffentlich belobte, ordnete er auf den folgenden Tag, 21 März, eine vollständige Versammlung im Senat an, damit da der Act der Versöhnung genehmigt und von beiden Parteien schriftlich anerkannt werde. Bei der demgemäß an diesem Tage gehaltenen Versammlung wurde der vom Fürsten genehmigte Versöhnungsact feierlichst vollzogen und hiebei bestimmt, daß jeder die Eintracht bedrohende Versuch zu geheimer Verfolgung und überhaupt jede zum Nachtheil eines Dritten gereichende Intrigue streng verpönt seyn solle. – Die bisherige Uneinigkeit und der durch Erhebung einer bedeutenden Summe aus dem Staatsschatz unter dem Vorwand einer Anleihe im Volke rege gewordene Verdacht der Verschleuderung des Nationalvermögens hatten übrigens das Ansehen der Regentschaft und des Senates nicht nur beim Volke, sondern auch beim Militär, wo man ohne Gesetze Ordnung und Gehorsam erhalten zu können glaubte, untergraben. Aus diesem Umstand und dem auffallenden Mißgriffe, daß das Commando des ganzen Militärs einem Mann anvertraut ist, der von regulärem Militär so zu sagen kaum einen Begriff hat, da er vor einigen Jahren noch fast ausschließlich mit dem Borstenhandel sich beschäftigte, dann vom Fürsten Milosch zum Obermautheinnehmer zu Belgrad bestellt, später aber mit Oberstentitel zum Chef des ganzen Militärs erhoben, und von Seite der Pforte mit dem türkischen Orden ausgezeichnet wurde – ist die merkwürdige Erscheinung zuzuschreiben, daß kürzlich die gemeine Mannschaft willkürlich ihre Casernen verlassen und sich nach Hause begeben hat. Zwar haben sich wohldenkende Serben gefunden, die den Schritt ihrer Söhne mißbilligten und diese nach Belgrad zurückbrachten, allein dadurch ist dem Uebel, welches in der Verfassung des Militärs liegt, nicht abgeholfen. So lange nicht eine durchgreifende Verbesserung eintritt, und so lange das Commando in den Händen des bisherigen Chefs bleibt, der auch einer jener ausgesendeten Commissäre war, welche Anhänger für den Sohn Czerny Georgs zu werben bemüht waren, so lange ist nicht zu verbürgen, daß sich heute oder morgen ein ähnlicher Scandal wiederholt. – Dieß wird genügen, sich einen richtigen Begriff von den Zuständen Serbiens zu machen; daß unter denselben Fürst Michael einen schweren Standpunkt hat, läßt sich nicht verbergen. Er zeigt indessen guten Willen für die gesetzliche Ordnung, und wenn sich dieser Wille erhält, wie nicht
zu zweifeln, so wird sich Serbien um so mehr wieder einer bessern Zukunft erfreuen können, als der junge Fürst fest entschlossen ist, alle Unbilden, die seinem Vater angethan wurden, der Vergessenheit zu überliefern, so wie er alle wegen politischer Verbrechen Verurtheilte und in Untersuchung Befindliche vollkommen amnestirt und neuerlich dem Senat aufgetragen hat, das schon ausgearbeitete Criminalgesetz bald möglichst zu berathen, und ihm zur Sanction zu unterlegen. Durch Inkraftsetzung desselben wird der Willkür, womit die serbischen Gerichte in Ermanglung einer geordneten Basis bisher richten mußten, und aus Mangel an gehöriger Intelligenz manches Unrecht begingen, vorgebeugt und die gesetzlichen Gränzen festgesetzt, damit Jedermann wissen wird, was er thun oder lassen muß.