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Allgemeine Zeitung. Nr. 146. Augsburg, 25. Mai 1840.

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Stillleben geneigt, empfinden bei aller Eifersucht für freie Bewegung dennoch ein Bedürfniß der Unterwürfigkeit. Und da sie menschliche Autorität nur ungern erkennen, beugen und demüthigen sie sich desto tiefer vor Gott und seinen Repräsentanten, damit irdischer Trotz und halsstarriges Widerstreben gegen fremden Willen um so leichter geduldet und verziehen werde.

Um so aufrichtiger muß man bedauern, daß die unablässigen Angriffe der griechisch-glaubenden Russen auf den Kaukasus jene Völker auf die Meinung brachten, Christenthum und Knechtschaft seyen synonym, und mit Annahme des erstern müsse auf alle nationale Selbstständigkeit nothwendig verzichtet werden. Saß und Paskjewitsch haben zur Ausbreitung des Islam im Kaukasus mehr beigetragen als alle Mollah und Sendboten der Moslim seit tausend Jahren. Nimmt der Kampf nicht bald eine günstigere Wendung für die Angreifer, so müssen die letzten Reste christlicher Praxis in kurzer Zeit verschwinden und einer frischen Saat jugendlich begeisterter Koransstreiter den Platz überlassen.

Mit Recht macht Hr. Neumann im letzten Abschnitt auf die Gefahren aufmerksam, die aus dem Schooße einer solchen Umwälzung für russische Macht in Transkaukasien und ganz Morgenland entstünden. Vermuthlich fühlt man dieß in St. Petersburg eben so gut, und spart wahrhaftig seit zehn Jahren keinen Aufwand, dem Kampf ein glückliches Ziel zu setzen. Blei, Gold und glatte Worte, die man alljährlich gegen Cirkassien verschwendet, haben die Sache bis heute noch um keinen Schritt weiter gebracht. Und eben jetzt soll selbst die mit so großen Opfern vom Kuban quer über einen Strich Cirkassiens zum schwarzen Meer bei Anapa grzogene Festungslinie unter den Streichen des heldenmüthigen Bergvolkes gefallen seyn. *)

In Westeuropa, besonders in England, schmeichelt sich Mancher mit der Hoffnung, die Russen werden am Ende, der nutzlosen Opfer müde, wirklich nachgeben, und den Tscherkessen innerhalb ihrer Berge den Genuß angestammter Freiheit zu nicht geringer Beschämung und Minderung ihres Credits endlich bewilligen müssen. Hr. Neumann meint, es sey Thorheit und eitler Wahn, so etwas von den Russen zu erwarten. Jahrzehnte könne der Kampf noch dauern, aber das Ende sey nicht zweifelhaft; die Russen müssen triumphiren, weil "Alle, die sich dem großen Weltengange der europäischen Culturbewegung widersetzen, seyen sie innerhalb Europa's oder sonstwo auf Erden, von dem Engel mit dem flammenden Schwert vernichtet oder hinausgetrieben werden in die Wüsteneien und Steppenländer, zu dem wilden, der Cultur unfähigen Thiergeschlechte. Solche Völker, welche unbekümmert um Geistesbildung und Zukunft, bloß ihrer Behaglichkeit und thierisch-egoistischen Trieben leben, sind werthlos vor den Augen des Weltenmeisters; sie werden früher oder später zu Grunde gehen, wie Hunnen und Mongolen, Avaren und Türken." Was haben, fragt der Verfasser weiter, die Chumyken, Tschetschenzen, Osseten und Tscherkessen jemals für die Menschheit geleistet? Warum haben sie die tausend Jahre, die ihnen Gott in seiner Langmuth gewährte, in unverantwortlichem Müßiggang vergeudet? Warum haben namentlich die Tscherkessen nicht wenigstens schreiben gelernt und eine Constitution angenommen. Zeit, meint Hr. Neumann, hätten sie von dem Argonautenzug bis zum Russenkrieg doch hinlänglich gehabt. Könnten die armen Cirkassier dem gelehrten und milden Verfasser mit einer akademischen Abhandlung über das goldene Vließ oder den abchasischen Conjunctiv aufwarten, ich glaube, es wäre noch Pardon zu erhalten.

Zum Schluß nimmt Hr. Neumann mit Wärme und Patriotismus die in ihrer Nationalität bedrohten deutschen Ostseeprovinzen in Schutz, ermahnt und bittet die Russen, ja nicht von der Bahn Peters I abzuweichen, vielmehr, nach dem Vorgange dieses großen Mannes, jedem Volk, jedem Clan seine angestammte Sitte, seine Religion und Sprache zu lassen. Auf diesem Wege nur sey Rußland groß geworden. Leider habe es aber den Anschein, als wolle man sich gegenwärtig von dieser weisen Politik entfernen und durch gewaltsame Maaßregeln alle Bestandtheile des Reichs in eine russisch-slavische Nationalität umgestalten und sogar die russisch-griechische Nationalkirche an die Stelle der verschiedenen Religionen und Culte setzen. Das sey ein höchst schädlicher, gigantischer Irrweg, und bloß eine mißverstandene Nachahmung der Römerweise, die nimmermehr gelingen werde, nimmermehr gelingen könne. Nach des Verfassers Ansicht durften ein solches Wagestück wohl Römer, keineswegs aber Russen unternehmen. Denn die slavische Welt, und namentlich die Moskowiten, hätten, mit Ausnahme der Sprache, gar nichts geistig Eigenes. Alles, was den physischen Menschen zum geistigen Wesen umgestalte, haben sie aus der Fremde, insbesondere aus Deutschland, erhalten, und häufig liege auch dieser ausländische geistige Samen bloß auf der Oberfläche; im Innern treiben noch Barbarei und Uncultur ungestört ihr Wesen. Ungebildete oder halbgebildete, barbarische oder halbbarbarische Nationen haben niemals langdauernde Herrschaft über Culturvölker erworben, wenn sie sich nicht entschließen konnten, fleißig und gehorsam zu ihren Unterthanen in die Schule zu gehen. Selbst cultivirte Staaten, wie z. B. Oesterreich unter Joseph II, vermochten es nicht, gegen die natürliche Lebensströmung zu ringen und ein äußerliches Aggregat in eine organische Einheit umzugestalten. An dem großen Josephinischen Schiffbruch möge sich Moskowien ein Exempel nehmen, damit es etwa nicht am baltischen Meere eine ähnliche Demüthigung erfahre. "Slaven - ruft Hr. Neumann mit eindringlicher, strafender Stimme den 50 Millionen Russen zu - was ihr auch immer aufbieten werdet, offene tyrannische Gewalt und heimtückische List, ihr werdet das vorgesteckte Ziel nicht erreichen! Ihr werdet den von der Natur den Völkern eingehauchten, eigenthümlichen Geist nicht ausblasen. Das Leben der Racen ist dauernder denn Eisen und Erz; es kann zwar auf kurze Zeit gehemmt, unterdrückt werden, bald wird es sich aber mit Riesenkraft emporheben, die aufgedrungene Larve abreißen und plötzlich wieder dastehen in angeborner jugendlicher Frische."

Der wahre Tummelplatz für die überströmende Russenkraft sey Asien; dort läßt ihnen Hr. Neumann freie Hand. Dagegen ist er ihrer überwiegenden, gegen Europa herausgreifenden Macht durchaus abhold, oder doch weniger günstig, und hofft, der Weltstaat werde sich endlich in mehrere Reiche auflösen, damit er in seiner "Uncultur" das gelehrte Deutschland ja nicht hindere, alljährlich zehntausend Bücher zu drucken und innerhalb der vier Schulwände die fünf Welttheile zu verbessern.

In den letzten Zeilen der Schrift erhält endlich auch Deutschland selbst, "das mannichfach in politischer und religiöser Beziehung zerrissene, nach einer freien Bewegung sehnsüchtige und auch emporgereifte Deutschland," die wohlgemeinte Warnung, alle Selbstsucht auf dem politischen wie auf dem kirchlichen Gebiet abzulegen und in den Zeiten der Noth gerüstet dazustehen, wenn es nicht, wie einst in der traurigen Vergangenheit, auch in Zukunft zu Ausgleichung der vielen sich kreuzenden Ansprüche der Nachbarn seine Gauen preisgeben wolle.

*) Die Nachrichten scheinen noch keineswegs verbürgt.

Stillleben geneigt, empfinden bei aller Eifersucht für freie Bewegung dennoch ein Bedürfniß der Unterwürfigkeit. Und da sie menschliche Autorität nur ungern erkennen, beugen und demüthigen sie sich desto tiefer vor Gott und seinen Repräsentanten, damit irdischer Trotz und halsstarriges Widerstreben gegen fremden Willen um so leichter geduldet und verziehen werde.

Um so aufrichtiger muß man bedauern, daß die unablässigen Angriffe der griechisch-glaubenden Russen auf den Kaukasus jene Völker auf die Meinung brachten, Christenthum und Knechtschaft seyen synonym, und mit Annahme des erstern müsse auf alle nationale Selbstständigkeit nothwendig verzichtet werden. Saß und Paskjewitsch haben zur Ausbreitung des Islam im Kaukasus mehr beigetragen als alle Mollah und Sendboten der Moslim seit tausend Jahren. Nimmt der Kampf nicht bald eine günstigere Wendung für die Angreifer, so müssen die letzten Reste christlicher Praxis in kurzer Zeit verschwinden und einer frischen Saat jugendlich begeisterter Koransstreiter den Platz überlassen.

Mit Recht macht Hr. Neumann im letzten Abschnitt auf die Gefahren aufmerksam, die aus dem Schooße einer solchen Umwälzung für russische Macht in Transkaukasien und ganz Morgenland entstünden. Vermuthlich fühlt man dieß in St. Petersburg eben so gut, und spart wahrhaftig seit zehn Jahren keinen Aufwand, dem Kampf ein glückliches Ziel zu setzen. Blei, Gold und glatte Worte, die man alljährlich gegen Cirkassien verschwendet, haben die Sache bis heute noch um keinen Schritt weiter gebracht. Und eben jetzt soll selbst die mit so großen Opfern vom Kuban quer über einen Strich Cirkassiens zum schwarzen Meer bei Anapa grzogene Festungslinie unter den Streichen des heldenmüthigen Bergvolkes gefallen seyn. *)

In Westeuropa, besonders in England, schmeichelt sich Mancher mit der Hoffnung, die Russen werden am Ende, der nutzlosen Opfer müde, wirklich nachgeben, und den Tscherkessen innerhalb ihrer Berge den Genuß angestammter Freiheit zu nicht geringer Beschämung und Minderung ihres Credits endlich bewilligen müssen. Hr. Neumann meint, es sey Thorheit und eitler Wahn, so etwas von den Russen zu erwarten. Jahrzehnte könne der Kampf noch dauern, aber das Ende sey nicht zweifelhaft; die Russen müssen triumphiren, weil „Alle, die sich dem großen Weltengange der europäischen Culturbewegung widersetzen, seyen sie innerhalb Europa's oder sonstwo auf Erden, von dem Engel mit dem flammenden Schwert vernichtet oder hinausgetrieben werden in die Wüsteneien und Steppenländer, zu dem wilden, der Cultur unfähigen Thiergeschlechte. Solche Völker, welche unbekümmert um Geistesbildung und Zukunft, bloß ihrer Behaglichkeit und thierisch-egoistischen Trieben leben, sind werthlos vor den Augen des Weltenmeisters; sie werden früher oder später zu Grunde gehen, wie Hunnen und Mongolen, Avaren und Türken.“ Was haben, fragt der Verfasser weiter, die Chumyken, Tschetschenzen, Osseten und Tscherkessen jemals für die Menschheit geleistet? Warum haben sie die tausend Jahre, die ihnen Gott in seiner Langmuth gewährte, in unverantwortlichem Müßiggang vergeudet? Warum haben namentlich die Tscherkessen nicht wenigstens schreiben gelernt und eine Constitution angenommen. Zeit, meint Hr. Neumann, hätten sie von dem Argonautenzug bis zum Russenkrieg doch hinlänglich gehabt. Könnten die armen Cirkassier dem gelehrten und milden Verfasser mit einer akademischen Abhandlung über das goldene Vließ oder den abchasischen Conjunctiv aufwarten, ich glaube, es wäre noch Pardon zu erhalten.

Zum Schluß nimmt Hr. Neumann mit Wärme und Patriotismus die in ihrer Nationalität bedrohten deutschen Ostseeprovinzen in Schutz, ermahnt und bittet die Russen, ja nicht von der Bahn Peters I abzuweichen, vielmehr, nach dem Vorgange dieses großen Mannes, jedem Volk, jedem Clan seine angestammte Sitte, seine Religion und Sprache zu lassen. Auf diesem Wege nur sey Rußland groß geworden. Leider habe es aber den Anschein, als wolle man sich gegenwärtig von dieser weisen Politik entfernen und durch gewaltsame Maaßregeln alle Bestandtheile des Reichs in eine russisch-slavische Nationalität umgestalten und sogar die russisch-griechische Nationalkirche an die Stelle der verschiedenen Religionen und Culte setzen. Das sey ein höchst schädlicher, gigantischer Irrweg, und bloß eine mißverstandene Nachahmung der Römerweise, die nimmermehr gelingen werde, nimmermehr gelingen könne. Nach des Verfassers Ansicht durften ein solches Wagestück wohl Römer, keineswegs aber Russen unternehmen. Denn die slavische Welt, und namentlich die Moskowiten, hätten, mit Ausnahme der Sprache, gar nichts geistig Eigenes. Alles, was den physischen Menschen zum geistigen Wesen umgestalte, haben sie aus der Fremde, insbesondere aus Deutschland, erhalten, und häufig liege auch dieser ausländische geistige Samen bloß auf der Oberfläche; im Innern treiben noch Barbarei und Uncultur ungestört ihr Wesen. Ungebildete oder halbgebildete, barbarische oder halbbarbarische Nationen haben niemals langdauernde Herrschaft über Culturvölker erworben, wenn sie sich nicht entschließen konnten, fleißig und gehorsam zu ihren Unterthanen in die Schule zu gehen. Selbst cultivirte Staaten, wie z. B. Oesterreich unter Joseph II, vermochten es nicht, gegen die natürliche Lebensströmung zu ringen und ein äußerliches Aggregat in eine organische Einheit umzugestalten. An dem großen Josephinischen Schiffbruch möge sich Moskowien ein Exempel nehmen, damit es etwa nicht am baltischen Meere eine ähnliche Demüthigung erfahre. „Slaven – ruft Hr. Neumann mit eindringlicher, strafender Stimme den 50 Millionen Russen zu – was ihr auch immer aufbieten werdet, offene tyrannische Gewalt und heimtückische List, ihr werdet das vorgesteckte Ziel nicht erreichen! Ihr werdet den von der Natur den Völkern eingehauchten, eigenthümlichen Geist nicht ausblasen. Das Leben der Racen ist dauernder denn Eisen und Erz; es kann zwar auf kurze Zeit gehemmt, unterdrückt werden, bald wird es sich aber mit Riesenkraft emporheben, die aufgedrungene Larve abreißen und plötzlich wieder dastehen in angeborner jugendlicher Frische.“

Der wahre Tummelplatz für die überströmende Russenkraft sey Asien; dort läßt ihnen Hr. Neumann freie Hand. Dagegen ist er ihrer überwiegenden, gegen Europa herausgreifenden Macht durchaus abhold, oder doch weniger günstig, und hofft, der Weltstaat werde sich endlich in mehrere Reiche auflösen, damit er in seiner „Uncultur“ das gelehrte Deutschland ja nicht hindere, alljährlich zehntausend Bücher zu drucken und innerhalb der vier Schulwände die fünf Welttheile zu verbessern.

In den letzten Zeilen der Schrift erhält endlich auch Deutschland selbst, „das mannichfach in politischer und religiöser Beziehung zerrissene, nach einer freien Bewegung sehnsüchtige und auch emporgereifte Deutschland,“ die wohlgemeinte Warnung, alle Selbstsucht auf dem politischen wie auf dem kirchlichen Gebiet abzulegen und in den Zeiten der Noth gerüstet dazustehen, wenn es nicht, wie einst in der traurigen Vergangenheit, auch in Zukunft zu Ausgleichung der vielen sich kreuzenden Ansprüche der Nachbarn seine Gauen preisgeben wolle.

*) Die Nachrichten scheinen noch keineswegs verbürgt.
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        <p>Zum Schluß nimmt Hr. Neumann mit Wärme und Patriotismus die in ihrer Nationalität bedrohten deutschen Ostseeprovinzen in Schutz, ermahnt und bittet die Russen, ja nicht von der Bahn Peters I abzuweichen, vielmehr, nach dem Vorgange dieses großen Mannes, jedem Volk, jedem Clan seine angestammte Sitte, seine Religion und Sprache zu lassen. Auf diesem Wege nur sey Rußland groß geworden. Leider habe es aber den Anschein, als wolle man sich gegenwärtig von dieser weisen Politik entfernen und durch gewaltsame Maaßregeln alle Bestandtheile des Reichs in eine russisch-slavische Nationalität umgestalten und sogar die russisch-griechische Nationalkirche an die Stelle der verschiedenen Religionen und Culte setzen. Das sey ein höchst schädlicher, gigantischer Irrweg, und bloß eine mißverstandene Nachahmung der Römerweise, die nimmermehr gelingen werde, nimmermehr gelingen könne. Nach des Verfassers Ansicht durften ein solches Wagestück wohl <hi rendition="#g">Römer</hi>, keineswegs aber <hi rendition="#g">Russen</hi> unternehmen. Denn die slavische Welt, und namentlich die Moskowiten, hätten, mit Ausnahme der Sprache, gar nichts geistig Eigenes. Alles, was den physischen Menschen zum geistigen Wesen umgestalte, haben sie aus der Fremde, insbesondere aus Deutschland, erhalten, und häufig liege auch dieser ausländische geistige Samen bloß auf der Oberfläche; im Innern treiben noch Barbarei und Uncultur ungestört ihr Wesen. Ungebildete oder halbgebildete, barbarische oder halbbarbarische Nationen haben niemals langdauernde Herrschaft über Culturvölker erworben, wenn sie sich nicht entschließen konnten, fleißig und gehorsam zu ihren Unterthanen in die Schule zu gehen. Selbst cultivirte Staaten, wie z. B. Oesterreich unter Joseph II, vermochten es nicht, gegen die natürliche Lebensströmung zu ringen und ein äußerliches Aggregat in eine organische Einheit umzugestalten. An dem großen Josephinischen Schiffbruch möge sich Moskowien ein Exempel nehmen, damit es etwa nicht am baltischen Meere eine ähnliche Demüthigung erfahre. &#x201E;Slaven &#x2013; ruft Hr. Neumann mit eindringlicher, strafender Stimme den 50 Millionen Russen zu &#x2013; was ihr auch immer aufbieten werdet, offene tyrannische Gewalt und heimtückische List, ihr werdet das vorgesteckte Ziel nicht erreichen! Ihr werdet den von der Natur den Völkern eingehauchten, eigenthümlichen Geist nicht ausblasen. Das Leben der Racen ist dauernder denn Eisen und Erz; es kann zwar auf kurze Zeit gehemmt, unterdrückt werden, bald wird es sich aber mit Riesenkraft emporheben, die aufgedrungene Larve abreißen und plötzlich wieder dastehen in angeborner jugendlicher Frische.&#x201C;</p><lb/>
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[1162/0010] Stillleben geneigt, empfinden bei aller Eifersucht für freie Bewegung dennoch ein Bedürfniß der Unterwürfigkeit. Und da sie menschliche Autorität nur ungern erkennen, beugen und demüthigen sie sich desto tiefer vor Gott und seinen Repräsentanten, damit irdischer Trotz und halsstarriges Widerstreben gegen fremden Willen um so leichter geduldet und verziehen werde. Um so aufrichtiger muß man bedauern, daß die unablässigen Angriffe der griechisch-glaubenden Russen auf den Kaukasus jene Völker auf die Meinung brachten, Christenthum und Knechtschaft seyen synonym, und mit Annahme des erstern müsse auf alle nationale Selbstständigkeit nothwendig verzichtet werden. Saß und Paskjewitsch haben zur Ausbreitung des Islam im Kaukasus mehr beigetragen als alle Mollah und Sendboten der Moslim seit tausend Jahren. Nimmt der Kampf nicht bald eine günstigere Wendung für die Angreifer, so müssen die letzten Reste christlicher Praxis in kurzer Zeit verschwinden und einer frischen Saat jugendlich begeisterter Koransstreiter den Platz überlassen. Mit Recht macht Hr. Neumann im letzten Abschnitt auf die Gefahren aufmerksam, die aus dem Schooße einer solchen Umwälzung für russische Macht in Transkaukasien und ganz Morgenland entstünden. Vermuthlich fühlt man dieß in St. Petersburg eben so gut, und spart wahrhaftig seit zehn Jahren keinen Aufwand, dem Kampf ein glückliches Ziel zu setzen. Blei, Gold und glatte Worte, die man alljährlich gegen Cirkassien verschwendet, haben die Sache bis heute noch um keinen Schritt weiter gebracht. Und eben jetzt soll selbst die mit so großen Opfern vom Kuban quer über einen Strich Cirkassiens zum schwarzen Meer bei Anapa grzogene Festungslinie unter den Streichen des heldenmüthigen Bergvolkes gefallen seyn. *) In Westeuropa, besonders in England, schmeichelt sich Mancher mit der Hoffnung, die Russen werden am Ende, der nutzlosen Opfer müde, wirklich nachgeben, und den Tscherkessen innerhalb ihrer Berge den Genuß angestammter Freiheit zu nicht geringer Beschämung und Minderung ihres Credits endlich bewilligen müssen. Hr. Neumann meint, es sey Thorheit und eitler Wahn, so etwas von den Russen zu erwarten. Jahrzehnte könne der Kampf noch dauern, aber das Ende sey nicht zweifelhaft; die Russen müssen triumphiren, weil „Alle, die sich dem großen Weltengange der europäischen Culturbewegung widersetzen, seyen sie innerhalb Europa's oder sonstwo auf Erden, von dem Engel mit dem flammenden Schwert vernichtet oder hinausgetrieben werden in die Wüsteneien und Steppenländer, zu dem wilden, der Cultur unfähigen Thiergeschlechte. Solche Völker, welche unbekümmert um Geistesbildung und Zukunft, bloß ihrer Behaglichkeit und thierisch-egoistischen Trieben leben, sind werthlos vor den Augen des Weltenmeisters; sie werden früher oder später zu Grunde gehen, wie Hunnen und Mongolen, Avaren und Türken.“ Was haben, fragt der Verfasser weiter, die Chumyken, Tschetschenzen, Osseten und Tscherkessen jemals für die Menschheit geleistet? Warum haben sie die tausend Jahre, die ihnen Gott in seiner Langmuth gewährte, in unverantwortlichem Müßiggang vergeudet? Warum haben namentlich die Tscherkessen nicht wenigstens schreiben gelernt und eine Constitution angenommen. Zeit, meint Hr. Neumann, hätten sie von dem Argonautenzug bis zum Russenkrieg doch hinlänglich gehabt. Könnten die armen Cirkassier dem gelehrten und milden Verfasser mit einer akademischen Abhandlung über das goldene Vließ oder den abchasischen Conjunctiv aufwarten, ich glaube, es wäre noch Pardon zu erhalten. Zum Schluß nimmt Hr. Neumann mit Wärme und Patriotismus die in ihrer Nationalität bedrohten deutschen Ostseeprovinzen in Schutz, ermahnt und bittet die Russen, ja nicht von der Bahn Peters I abzuweichen, vielmehr, nach dem Vorgange dieses großen Mannes, jedem Volk, jedem Clan seine angestammte Sitte, seine Religion und Sprache zu lassen. Auf diesem Wege nur sey Rußland groß geworden. Leider habe es aber den Anschein, als wolle man sich gegenwärtig von dieser weisen Politik entfernen und durch gewaltsame Maaßregeln alle Bestandtheile des Reichs in eine russisch-slavische Nationalität umgestalten und sogar die russisch-griechische Nationalkirche an die Stelle der verschiedenen Religionen und Culte setzen. Das sey ein höchst schädlicher, gigantischer Irrweg, und bloß eine mißverstandene Nachahmung der Römerweise, die nimmermehr gelingen werde, nimmermehr gelingen könne. Nach des Verfassers Ansicht durften ein solches Wagestück wohl Römer, keineswegs aber Russen unternehmen. Denn die slavische Welt, und namentlich die Moskowiten, hätten, mit Ausnahme der Sprache, gar nichts geistig Eigenes. Alles, was den physischen Menschen zum geistigen Wesen umgestalte, haben sie aus der Fremde, insbesondere aus Deutschland, erhalten, und häufig liege auch dieser ausländische geistige Samen bloß auf der Oberfläche; im Innern treiben noch Barbarei und Uncultur ungestört ihr Wesen. Ungebildete oder halbgebildete, barbarische oder halbbarbarische Nationen haben niemals langdauernde Herrschaft über Culturvölker erworben, wenn sie sich nicht entschließen konnten, fleißig und gehorsam zu ihren Unterthanen in die Schule zu gehen. Selbst cultivirte Staaten, wie z. B. Oesterreich unter Joseph II, vermochten es nicht, gegen die natürliche Lebensströmung zu ringen und ein äußerliches Aggregat in eine organische Einheit umzugestalten. An dem großen Josephinischen Schiffbruch möge sich Moskowien ein Exempel nehmen, damit es etwa nicht am baltischen Meere eine ähnliche Demüthigung erfahre. „Slaven – ruft Hr. Neumann mit eindringlicher, strafender Stimme den 50 Millionen Russen zu – was ihr auch immer aufbieten werdet, offene tyrannische Gewalt und heimtückische List, ihr werdet das vorgesteckte Ziel nicht erreichen! Ihr werdet den von der Natur den Völkern eingehauchten, eigenthümlichen Geist nicht ausblasen. Das Leben der Racen ist dauernder denn Eisen und Erz; es kann zwar auf kurze Zeit gehemmt, unterdrückt werden, bald wird es sich aber mit Riesenkraft emporheben, die aufgedrungene Larve abreißen und plötzlich wieder dastehen in angeborner jugendlicher Frische.“ Der wahre Tummelplatz für die überströmende Russenkraft sey Asien; dort läßt ihnen Hr. Neumann freie Hand. Dagegen ist er ihrer überwiegenden, gegen Europa herausgreifenden Macht durchaus abhold, oder doch weniger günstig, und hofft, der Weltstaat werde sich endlich in mehrere Reiche auflösen, damit er in seiner „Uncultur“ das gelehrte Deutschland ja nicht hindere, alljährlich zehntausend Bücher zu drucken und innerhalb der vier Schulwände die fünf Welttheile zu verbessern. In den letzten Zeilen der Schrift erhält endlich auch Deutschland selbst, „das mannichfach in politischer und religiöser Beziehung zerrissene, nach einer freien Bewegung sehnsüchtige und auch emporgereifte Deutschland,“ die wohlgemeinte Warnung, alle Selbstsucht auf dem politischen wie auf dem kirchlichen Gebiet abzulegen und in den Zeiten der Noth gerüstet dazustehen, wenn es nicht, wie einst in der traurigen Vergangenheit, auch in Zukunft zu Ausgleichung der vielen sich kreuzenden Ansprüche der Nachbarn seine Gauen preisgeben wolle. *) Die Nachrichten scheinen noch keineswegs verbürgt.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 146. Augsburg, 25. Mai 1840, S. 1162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_146_18400525/10>, abgerufen am 22.11.2024.