Allgemeine Zeitung. Nr. 141. Augsburg, 20. Mai 1840.werden. Das südliche Deutschland ist strategisch nur in gehöriger Verfassung, wenn jene drei Linien am Rhein, an der Donau und am Inn im Stande sind, den vor ihnen erscheinenden Feind aufzuhalten und sein Vorrücken ohne eine gewonnene Schlacht unmöglich zu machen. Ja die Befestigung der Linie am Oberrhein erscheint gegen die an der Donau und Ulm sogar in überwiegender Wichtigkeit, weil die obere Donau durch die österreichischen und bayerischen Alpenländer auf ihren südlichen Flanken geschützt wird, und ein feindliches Heer, selbst wenn Ulm nicht befestigt wäre, von dort nach Bayern nicht vorrücken kann, ohne daß es von dem österreichischen in den Rücken genommen würde, das durch die Pässe von Füßen debouchiren und sich bei Kempten mit den von Bregenz und Lindau heranrückenden Colonnen vereinigen würde, um den Vorrückenden die Verbindung mit Frankreich und den Rückzug über die Donau abzuschneiden. Wir wollen damit nicht sagen, daß Ulm solle versäumt werden. Es ist bei Ausbruch eines ernsthaften Kriegs ein Hauptbollwerk des südlichen Deutschlands und der natürliche Waffenplatz der gegen den Rhein über Schwaben vorrückenden österreichischen Heere; aber die nähere Gefahr und die dringende Hülfe bleibt immer am Rhein. Hier gilt es, durch Gründung einer achtbaren Festung und eines Sammelplatzes für die Streitkräfte von den naheliegenden Staaten, Würtemberg und Baden ebenso wie die bayerische Pfalz zu schützen, die mit ihrer Bundesfestung Landau und ihrer bayerischen Festung Germersheim, auch wenn man den in Aussicht gestellten Brückenkopf bei Germersheim noch hinzufügt, bloß- und in die Luft gestellt ist, wenn der Mangel an Befestigungen auf dem rechten Rheinufer, und namentlich bei Rastatt, der feindlichen Armee gestattet, in das Herz von Süddeutschland vorzurücken, ohne sich viel um die Besetzung jener beiden Plätze in der Pfalz zu bekümmern, und durch nachrückende Divisionen die Pfalz selbst zu überziehen. Ist aber bei der Frage der Befestigung von Ulm oder Rastatt ganz unabweisbar, daß man das eine thun müsse, ohne das andere zu lassen, ja daß Rastatt vor Allem zu bedenken ist, so werden sich auch für einen solchen Zweck von Seite des Bundes die Mittel finden, beide Festungen herzustellen. Die zwanzig Millionen aus den französischen Contributionsgeldern, zum Bau der vierten Bundesfestung bestimmt, welche seit 25 Jahren beim Hause Rothschild zu 3 Procent verzinslich angelegt waren, haben sich seit dieser Zeit durch jährlichen Zuschlag der Zinsen zu dem Capital fast verdoppelt und reichen für beide Festungen hin. Sollten aber nahe an 40 Millionen nicht hinreichen, so würden bei dem blühenden Zustand aller deutschen Finanzen die übrigen durch die Bundescasse wohl unschwer zu ermitteln seyn. Wenn aber aus diesen und ähnlichen Erwägungen, welche jetzt bei den klar und klarer hervortretenden Absichten, zwar nicht der französischen Regierung, aber doch der französischen Meinung, von höherem Belange sind, der Gegner schließt, daß wir selbst Furcht vor Frankreich haben, und um sie zu beschwichtigen, sein Vaterland herabsetzen, so steht ihm frei, über unser Gefühl gegen seine Landsleute und bei der von ihnen drohenden Gefahr zu urtheilen wie er will; aber die Anschuldigung, die er daran knüpft, können wir mit Entschiedenheit abweisen. Es fällt in Deutschland keinem ernsthaften und verständigen Mann ein, die wahre Macht von Frankreich und die reelle Gefahr, die uns von dort droht, durch Verkleinerung des Gegners zu verhüllen, oder durch Verkleinerung der Gefahr eine Beruhigung zu suchen, die in jeder Weise eitel seyn würde; aber wir leben und vertrauen der Hoffnung, daß, wenn es zum Schlagen kommt, wir, die Angegriffenen, in einem gerechten, nationalen, für die Ehre und Freiheit zu führenden Kampfe nicht unterliegen, vielmehr die Lehre erneuern werden, die Frankreich bei seinem Trachten nach fremdem Gut noch immer und zuletzt durch die Tractate von 1815 erhalten hat. Ob wir gleich in der andauernd drohenden Lage der Weltverhältnisse und den Planen der Gegner neue und wichtige Gründe sehen, im Innern die Ursachen des Mißmuths, der Zwietracht und Spaltung ohne Säumniß zu heben, und der Nation das so ungetrübte Gefühl mit einer auf Befriedigung der vernünftigen Bedürfnisse gegründeten Beruhigung über ihre Gegenwart und Zukunft zu gewähren, sind wir gleichwohl überzeugt, daß selbst im gegenwärtigen Augenblick Frankreich bei einem ungerechten Angriff umsonst auf unsere Spaltung und innere Zerwürfniß zählen würde, ja wir glauben mit Vielen, daß ein solcher Angriff und eine große von einem mächtigen Feinde drohende Gefahr das sicherste Mittel seyn würde, die noch im Innern obschwebenden Fragen zur Erledigung zu bringen, unsere politische Atmosphäre durch Erschütterung zu reinigen und den Tag der Eintracht zurückzuführen, in dessen Lichte wir der frühern Zeit nicht unwürdig mit dem Feinde zum Kampf träten. Aber unsere Kriegsmacht, ist sie den compacten Massen gewachsen, die das concentrisch organisirte und bewegte Frankreich in unsere lockere Staatenordnung hereindrängen könnte und würde? Man ist in Frankreich nur zu geneigt, bei einem Kriege um das Principat vom Rhein nur an die deutschen Staaten zweiten und niedreren Rangs zu denken, die für sich allerdings bald die Beute des mächtigen Nachbars seyn würden, und dabei zu vergessen, daß die Unabhängigkeit und Würde von Deutschland auf der Conförderation aller deutschen Mächte ruht, unter diesen aber sich zwei befinden, deren jede für sich allein die verfügbare Streitmacht von Frankreich balancirt, und welchen beiden sich die Staaten zweiten und dritten Ranges als eine dritte Macht mit einem Heer anschließen würden, das auf seine Reserve und Landwehr gestützt ebenfalls jedem Heer gewachsen wäre, das ihnen Frankreich am Oberrhein bei einem Conflict entgegenstellen könnte, der seine Gränzen zugleich im Norden über Belgien, am Rhein und von den Alpen her bedrohen würde. Es wäre unnöthig, diese Eventualitäten des weitern auszumalen; aber auch das Angeführte reicht hin, dem Gegner begreiflich zu machen, im Fall er der Belehrung noch zugänglich ist, daß, welches auch unsere Besorgniß vor dem unruhigen und übergreifenden Geiste unserer westlichen Nachbarn ist, wir vor der Hand, gestützt auf die Waffenmacht des deutschen Bundes, auf die Tapferkeit unserer Heere und auf die allgemeine Gesinnung, keinem Fremden, er mag von Osten oder Westen kommen, Einfluß in unsern Angelegenheiten zu gestatten, keine Ursache haben, vor ihm in Furcht zu seyn, oder diese Furcht durch thörichte Herabsetzung desselben zu beschwichtigen. Noch einmal: soll das politische und sociale Verhältniß zwischen Frankreich und Deutschland ein haltbares seyn, so muß es sich auf die gegenseitige Anerkennung beider Völker, der Vorzüge ihres Charakters, ihrer Thätigkeit und ihres Verdienstes gründen, und durch die aus ihr fließende Achtung von der Ehre, den Interessen und der Unabhängigkeit des Nachbarn geschützt werden. Kann man sich endlich in Frankreich entschließen, aus dem Nebel herauszutreten und in dem Licht der europäischen Sonne zu wandeln, desto besser. Beide Nationen haben Grund genug, sich gegenseitig zu verstehen, und würden durch Einverständniß über die wichtigsten Interessen an Kraft wie an Wohlfahrt eben so viel gewinnen, als ihnen durch Isolirung und Befehdung an beidem verloren geht. Kann oder will man sich dazu jenseits des Rheins nicht entschließen, und fährt man fort, sich auf Kosten unserer Unabhängigkeit, seiner öffentlichen Tüchtigkeit werden. Das südliche Deutschland ist strategisch nur in gehöriger Verfassung, wenn jene drei Linien am Rhein, an der Donau und am Inn im Stande sind, den vor ihnen erscheinenden Feind aufzuhalten und sein Vorrücken ohne eine gewonnene Schlacht unmöglich zu machen. Ja die Befestigung der Linie am Oberrhein erscheint gegen die an der Donau und Ulm sogar in überwiegender Wichtigkeit, weil die obere Donau durch die österreichischen und bayerischen Alpenländer auf ihren südlichen Flanken geschützt wird, und ein feindliches Heer, selbst wenn Ulm nicht befestigt wäre, von dort nach Bayern nicht vorrücken kann, ohne daß es von dem österreichischen in den Rücken genommen würde, das durch die Pässe von Füßen debouchiren und sich bei Kempten mit den von Bregenz und Lindau heranrückenden Colonnen vereinigen würde, um den Vorrückenden die Verbindung mit Frankreich und den Rückzug über die Donau abzuschneiden. Wir wollen damit nicht sagen, daß Ulm solle versäumt werden. Es ist bei Ausbruch eines ernsthaften Kriegs ein Hauptbollwerk des südlichen Deutschlands und der natürliche Waffenplatz der gegen den Rhein über Schwaben vorrückenden österreichischen Heere; aber die nähere Gefahr und die dringende Hülfe bleibt immer am Rhein. Hier gilt es, durch Gründung einer achtbaren Festung und eines Sammelplatzes für die Streitkräfte von den naheliegenden Staaten, Würtemberg und Baden ebenso wie die bayerische Pfalz zu schützen, die mit ihrer Bundesfestung Landau und ihrer bayerischen Festung Germersheim, auch wenn man den in Aussicht gestellten Brückenkopf bei Germersheim noch hinzufügt, bloß- und in die Luft gestellt ist, wenn der Mangel an Befestigungen auf dem rechten Rheinufer, und namentlich bei Rastatt, der feindlichen Armee gestattet, in das Herz von Süddeutschland vorzurücken, ohne sich viel um die Besetzung jener beiden Plätze in der Pfalz zu bekümmern, und durch nachrückende Divisionen die Pfalz selbst zu überziehen. Ist aber bei der Frage der Befestigung von Ulm oder Rastatt ganz unabweisbar, daß man das eine thun müsse, ohne das andere zu lassen, ja daß Rastatt vor Allem zu bedenken ist, so werden sich auch für einen solchen Zweck von Seite des Bundes die Mittel finden, beide Festungen herzustellen. Die zwanzig Millionen aus den französischen Contributionsgeldern, zum Bau der vierten Bundesfestung bestimmt, welche seit 25 Jahren beim Hause Rothschild zu 3 Procent verzinslich angelegt waren, haben sich seit dieser Zeit durch jährlichen Zuschlag der Zinsen zu dem Capital fast verdoppelt und reichen für beide Festungen hin. Sollten aber nahe an 40 Millionen nicht hinreichen, so würden bei dem blühenden Zustand aller deutschen Finanzen die übrigen durch die Bundescasse wohl unschwer zu ermitteln seyn. Wenn aber aus diesen und ähnlichen Erwägungen, welche jetzt bei den klar und klarer hervortretenden Absichten, zwar nicht der französischen Regierung, aber doch der französischen Meinung, von höherem Belange sind, der Gegner schließt, daß wir selbst Furcht vor Frankreich haben, und um sie zu beschwichtigen, sein Vaterland herabsetzen, so steht ihm frei, über unser Gefühl gegen seine Landsleute und bei der von ihnen drohenden Gefahr zu urtheilen wie er will; aber die Anschuldigung, die er daran knüpft, können wir mit Entschiedenheit abweisen. Es fällt in Deutschland keinem ernsthaften und verständigen Mann ein, die wahre Macht von Frankreich und die reelle Gefahr, die uns von dort droht, durch Verkleinerung des Gegners zu verhüllen, oder durch Verkleinerung der Gefahr eine Beruhigung zu suchen, die in jeder Weise eitel seyn würde; aber wir leben und vertrauen der Hoffnung, daß, wenn es zum Schlagen kommt, wir, die Angegriffenen, in einem gerechten, nationalen, für die Ehre und Freiheit zu führenden Kampfe nicht unterliegen, vielmehr die Lehre erneuern werden, die Frankreich bei seinem Trachten nach fremdem Gut noch immer und zuletzt durch die Tractate von 1815 erhalten hat. Ob wir gleich in der andauernd drohenden Lage der Weltverhältnisse und den Planen der Gegner neue und wichtige Gründe sehen, im Innern die Ursachen des Mißmuths, der Zwietracht und Spaltung ohne Säumniß zu heben, und der Nation das so ungetrübte Gefühl mit einer auf Befriedigung der vernünftigen Bedürfnisse gegründeten Beruhigung über ihre Gegenwart und Zukunft zu gewähren, sind wir gleichwohl überzeugt, daß selbst im gegenwärtigen Augenblick Frankreich bei einem ungerechten Angriff umsonst auf unsere Spaltung und innere Zerwürfniß zählen würde, ja wir glauben mit Vielen, daß ein solcher Angriff und eine große von einem mächtigen Feinde drohende Gefahr das sicherste Mittel seyn würde, die noch im Innern obschwebenden Fragen zur Erledigung zu bringen, unsere politische Atmosphäre durch Erschütterung zu reinigen und den Tag der Eintracht zurückzuführen, in dessen Lichte wir der frühern Zeit nicht unwürdig mit dem Feinde zum Kampf träten. Aber unsere Kriegsmacht, ist sie den compacten Massen gewachsen, die das concentrisch organisirte und bewegte Frankreich in unsere lockere Staatenordnung hereindrängen könnte und würde? Man ist in Frankreich nur zu geneigt, bei einem Kriege um das Principat vom Rhein nur an die deutschen Staaten zweiten und niedreren Rangs zu denken, die für sich allerdings bald die Beute des mächtigen Nachbars seyn würden, und dabei zu vergessen, daß die Unabhängigkeit und Würde von Deutschland auf der Conförderation aller deutschen Mächte ruht, unter diesen aber sich zwei befinden, deren jede für sich allein die verfügbare Streitmacht von Frankreich balancirt, und welchen beiden sich die Staaten zweiten und dritten Ranges als eine dritte Macht mit einem Heer anschließen würden, das auf seine Reserve und Landwehr gestützt ebenfalls jedem Heer gewachsen wäre, das ihnen Frankreich am Oberrhein bei einem Conflict entgegenstellen könnte, der seine Gränzen zugleich im Norden über Belgien, am Rhein und von den Alpen her bedrohen würde. Es wäre unnöthig, diese Eventualitäten des weitern auszumalen; aber auch das Angeführte reicht hin, dem Gegner begreiflich zu machen, im Fall er der Belehrung noch zugänglich ist, daß, welches auch unsere Besorgniß vor dem unruhigen und übergreifenden Geiste unserer westlichen Nachbarn ist, wir vor der Hand, gestützt auf die Waffenmacht des deutschen Bundes, auf die Tapferkeit unserer Heere und auf die allgemeine Gesinnung, keinem Fremden, er mag von Osten oder Westen kommen, Einfluß in unsern Angelegenheiten zu gestatten, keine Ursache haben, vor ihm in Furcht zu seyn, oder diese Furcht durch thörichte Herabsetzung desselben zu beschwichtigen. Noch einmal: soll das politische und sociale Verhältniß zwischen Frankreich und Deutschland ein haltbares seyn, so muß es sich auf die gegenseitige Anerkennung beider Völker, der Vorzüge ihres Charakters, ihrer Thätigkeit und ihres Verdienstes gründen, und durch die aus ihr fließende Achtung von der Ehre, den Interessen und der Unabhängigkeit des Nachbarn geschützt werden. Kann man sich endlich in Frankreich entschließen, aus dem Nebel herauszutreten und in dem Licht der europäischen Sonne zu wandeln, desto besser. Beide Nationen haben Grund genug, sich gegenseitig zu verstehen, und würden durch Einverständniß über die wichtigsten Interessen an Kraft wie an Wohlfahrt eben so viel gewinnen, als ihnen durch Isolirung und Befehdung an beidem verloren geht. Kann oder will man sich dazu jenseits des Rheins nicht entschließen, und fährt man fort, sich auf Kosten unserer Unabhängigkeit, seiner öffentlichen Tüchtigkeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="1122"/> werden. 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Ist aber bei der Frage der Befestigung von Ulm oder Rastatt ganz unabweisbar, daß man das eine thun müsse, ohne das andere zu lassen, ja daß Rastatt vor Allem zu bedenken ist, so werden sich auch für einen solchen Zweck von Seite des Bundes die Mittel finden, beide Festungen herzustellen. Die zwanzig Millionen aus den französischen Contributionsgeldern, zum Bau der vierten Bundesfestung bestimmt, welche seit 25 Jahren beim Hause Rothschild zu 3 Procent verzinslich angelegt waren, haben sich seit dieser Zeit durch jährlichen Zuschlag der Zinsen zu dem Capital fast verdoppelt und reichen für beide Festungen hin. Sollten aber nahe an 40 Millionen nicht hinreichen, so würden bei dem blühenden Zustand aller deutschen Finanzen die übrigen durch die Bundescasse wohl unschwer zu ermitteln seyn.</p><lb/> <p>Wenn aber aus diesen und ähnlichen Erwägungen, welche jetzt bei den klar und klarer hervortretenden Absichten, zwar nicht der französischen Regierung, aber doch der französischen Meinung, von höherem Belange sind, der Gegner schließt, daß wir selbst Furcht vor Frankreich haben, und um sie zu beschwichtigen, sein Vaterland herabsetzen, so steht ihm frei, über unser Gefühl gegen seine Landsleute und bei der von ihnen drohenden Gefahr zu urtheilen wie er will; aber die Anschuldigung, die er daran knüpft, können wir mit Entschiedenheit abweisen. Es fällt in Deutschland keinem ernsthaften und verständigen Mann ein, die wahre Macht von Frankreich und die reelle Gefahr, die uns von dort droht, durch Verkleinerung des Gegners zu verhüllen, oder durch Verkleinerung der Gefahr eine Beruhigung zu suchen, die in jeder Weise eitel seyn würde; aber wir leben und vertrauen der Hoffnung, daß, wenn es zum Schlagen kommt, wir, die Angegriffenen, in einem gerechten, nationalen, für die Ehre und Freiheit zu führenden Kampfe nicht unterliegen, vielmehr die Lehre erneuern werden, die Frankreich bei seinem Trachten nach fremdem Gut noch immer und zuletzt durch die Tractate von 1815 erhalten hat. Ob wir gleich in der andauernd drohenden Lage der Weltverhältnisse und den Planen der Gegner neue und wichtige Gründe sehen, im Innern die Ursachen des Mißmuths, der Zwietracht und Spaltung ohne Säumniß zu heben, und der Nation das so ungetrübte Gefühl mit einer auf Befriedigung der vernünftigen Bedürfnisse gegründeten Beruhigung über ihre Gegenwart und Zukunft zu gewähren, sind wir gleichwohl überzeugt, daß selbst im gegenwärtigen Augenblick Frankreich bei einem ungerechten Angriff umsonst auf unsere Spaltung und innere Zerwürfniß zählen würde, ja wir glauben mit Vielen, daß ein solcher Angriff und eine große von einem mächtigen Feinde drohende Gefahr das sicherste Mittel seyn würde, die noch im Innern obschwebenden Fragen zur Erledigung zu bringen, unsere politische Atmosphäre durch Erschütterung zu reinigen und den Tag der Eintracht zurückzuführen, in dessen Lichte wir der frühern Zeit nicht unwürdig mit dem Feinde zum Kampf träten. Aber unsere Kriegsmacht, ist sie den compacten Massen gewachsen, die das concentrisch organisirte und bewegte Frankreich in unsere lockere Staatenordnung hereindrängen könnte und würde? Man ist in Frankreich nur zu geneigt, bei einem Kriege um das Principat vom Rhein nur an die deutschen Staaten zweiten und niedreren Rangs zu denken, die für sich allerdings bald die Beute des mächtigen Nachbars seyn würden, und dabei zu vergessen, daß die Unabhängigkeit und Würde von Deutschland auf der Conförderation aller deutschen Mächte ruht, unter diesen aber sich zwei befinden, deren jede für sich allein die verfügbare Streitmacht von Frankreich balancirt, und welchen beiden sich die Staaten zweiten und dritten Ranges als eine dritte Macht mit einem Heer anschließen würden, das auf seine Reserve und Landwehr gestützt ebenfalls jedem Heer gewachsen wäre, das ihnen Frankreich am Oberrhein bei einem Conflict entgegenstellen könnte, der seine Gränzen zugleich im Norden über Belgien, am Rhein und von den Alpen her bedrohen würde. Es wäre unnöthig, diese Eventualitäten des weitern auszumalen; aber auch das Angeführte reicht hin, dem Gegner begreiflich zu machen, im Fall er der Belehrung noch zugänglich ist, daß, welches auch unsere Besorgniß vor dem unruhigen und übergreifenden Geiste unserer westlichen Nachbarn ist, wir vor der Hand, gestützt auf die Waffenmacht des deutschen Bundes, auf die Tapferkeit unserer Heere und auf die allgemeine Gesinnung, keinem Fremden, er mag von Osten oder Westen kommen, Einfluß in unsern Angelegenheiten zu gestatten, keine Ursache haben, vor ihm in Furcht zu seyn, oder diese Furcht durch thörichte Herabsetzung desselben zu beschwichtigen.</p><lb/> <p>Noch einmal: soll das politische und sociale Verhältniß zwischen Frankreich und Deutschland ein haltbares seyn, so muß es sich auf die gegenseitige Anerkennung beider Völker, der Vorzüge ihres Charakters, ihrer Thätigkeit und ihres Verdienstes gründen, und durch die aus ihr fließende Achtung von der Ehre, den Interessen und der Unabhängigkeit des Nachbarn geschützt werden. Kann man sich endlich in Frankreich entschließen, aus dem Nebel herauszutreten und in dem Licht der europäischen Sonne zu wandeln, desto besser. Beide Nationen haben Grund genug, sich gegenseitig zu verstehen, und würden durch Einverständniß über die wichtigsten Interessen an Kraft wie an Wohlfahrt eben so viel gewinnen, als ihnen durch Isolirung und Befehdung an beidem verloren geht. Kann oder will man sich dazu jenseits des Rheins nicht entschließen, und fährt man fort, sich auf Kosten unserer Unabhängigkeit, seiner öffentlichen Tüchtigkeit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1122/0010]
werden. Das südliche Deutschland ist strategisch nur in gehöriger Verfassung, wenn jene drei Linien am Rhein, an der Donau und am Inn im Stande sind, den vor ihnen erscheinenden Feind aufzuhalten und sein Vorrücken ohne eine gewonnene Schlacht unmöglich zu machen. Ja die Befestigung der Linie am Oberrhein erscheint gegen die an der Donau und Ulm sogar in überwiegender Wichtigkeit, weil die obere Donau durch die österreichischen und bayerischen Alpenländer auf ihren südlichen Flanken geschützt wird, und ein feindliches Heer, selbst wenn Ulm nicht befestigt wäre, von dort nach Bayern nicht vorrücken kann, ohne daß es von dem österreichischen in den Rücken genommen würde, das durch die Pässe von Füßen debouchiren und sich bei Kempten mit den von Bregenz und Lindau heranrückenden Colonnen vereinigen würde, um den Vorrückenden die Verbindung mit Frankreich und den Rückzug über die Donau abzuschneiden.
Wir wollen damit nicht sagen, daß Ulm solle versäumt werden. Es ist bei Ausbruch eines ernsthaften Kriegs ein Hauptbollwerk des südlichen Deutschlands und der natürliche Waffenplatz der gegen den Rhein über Schwaben vorrückenden österreichischen Heere; aber die nähere Gefahr und die dringende Hülfe bleibt immer am Rhein. Hier gilt es, durch Gründung einer achtbaren Festung und eines Sammelplatzes für die Streitkräfte von den naheliegenden Staaten, Würtemberg und Baden ebenso wie die bayerische Pfalz zu schützen, die mit ihrer Bundesfestung Landau und ihrer bayerischen Festung Germersheim, auch wenn man den in Aussicht gestellten Brückenkopf bei Germersheim noch hinzufügt, bloß- und in die Luft gestellt ist, wenn der Mangel an Befestigungen auf dem rechten Rheinufer, und namentlich bei Rastatt, der feindlichen Armee gestattet, in das Herz von Süddeutschland vorzurücken, ohne sich viel um die Besetzung jener beiden Plätze in der Pfalz zu bekümmern, und durch nachrückende Divisionen die Pfalz selbst zu überziehen. Ist aber bei der Frage der Befestigung von Ulm oder Rastatt ganz unabweisbar, daß man das eine thun müsse, ohne das andere zu lassen, ja daß Rastatt vor Allem zu bedenken ist, so werden sich auch für einen solchen Zweck von Seite des Bundes die Mittel finden, beide Festungen herzustellen. Die zwanzig Millionen aus den französischen Contributionsgeldern, zum Bau der vierten Bundesfestung bestimmt, welche seit 25 Jahren beim Hause Rothschild zu 3 Procent verzinslich angelegt waren, haben sich seit dieser Zeit durch jährlichen Zuschlag der Zinsen zu dem Capital fast verdoppelt und reichen für beide Festungen hin. Sollten aber nahe an 40 Millionen nicht hinreichen, so würden bei dem blühenden Zustand aller deutschen Finanzen die übrigen durch die Bundescasse wohl unschwer zu ermitteln seyn.
Wenn aber aus diesen und ähnlichen Erwägungen, welche jetzt bei den klar und klarer hervortretenden Absichten, zwar nicht der französischen Regierung, aber doch der französischen Meinung, von höherem Belange sind, der Gegner schließt, daß wir selbst Furcht vor Frankreich haben, und um sie zu beschwichtigen, sein Vaterland herabsetzen, so steht ihm frei, über unser Gefühl gegen seine Landsleute und bei der von ihnen drohenden Gefahr zu urtheilen wie er will; aber die Anschuldigung, die er daran knüpft, können wir mit Entschiedenheit abweisen. Es fällt in Deutschland keinem ernsthaften und verständigen Mann ein, die wahre Macht von Frankreich und die reelle Gefahr, die uns von dort droht, durch Verkleinerung des Gegners zu verhüllen, oder durch Verkleinerung der Gefahr eine Beruhigung zu suchen, die in jeder Weise eitel seyn würde; aber wir leben und vertrauen der Hoffnung, daß, wenn es zum Schlagen kommt, wir, die Angegriffenen, in einem gerechten, nationalen, für die Ehre und Freiheit zu führenden Kampfe nicht unterliegen, vielmehr die Lehre erneuern werden, die Frankreich bei seinem Trachten nach fremdem Gut noch immer und zuletzt durch die Tractate von 1815 erhalten hat. Ob wir gleich in der andauernd drohenden Lage der Weltverhältnisse und den Planen der Gegner neue und wichtige Gründe sehen, im Innern die Ursachen des Mißmuths, der Zwietracht und Spaltung ohne Säumniß zu heben, und der Nation das so ungetrübte Gefühl mit einer auf Befriedigung der vernünftigen Bedürfnisse gegründeten Beruhigung über ihre Gegenwart und Zukunft zu gewähren, sind wir gleichwohl überzeugt, daß selbst im gegenwärtigen Augenblick Frankreich bei einem ungerechten Angriff umsonst auf unsere Spaltung und innere Zerwürfniß zählen würde, ja wir glauben mit Vielen, daß ein solcher Angriff und eine große von einem mächtigen Feinde drohende Gefahr das sicherste Mittel seyn würde, die noch im Innern obschwebenden Fragen zur Erledigung zu bringen, unsere politische Atmosphäre durch Erschütterung zu reinigen und den Tag der Eintracht zurückzuführen, in dessen Lichte wir der frühern Zeit nicht unwürdig mit dem Feinde zum Kampf träten. Aber unsere Kriegsmacht, ist sie den compacten Massen gewachsen, die das concentrisch organisirte und bewegte Frankreich in unsere lockere Staatenordnung hereindrängen könnte und würde? Man ist in Frankreich nur zu geneigt, bei einem Kriege um das Principat vom Rhein nur an die deutschen Staaten zweiten und niedreren Rangs zu denken, die für sich allerdings bald die Beute des mächtigen Nachbars seyn würden, und dabei zu vergessen, daß die Unabhängigkeit und Würde von Deutschland auf der Conförderation aller deutschen Mächte ruht, unter diesen aber sich zwei befinden, deren jede für sich allein die verfügbare Streitmacht von Frankreich balancirt, und welchen beiden sich die Staaten zweiten und dritten Ranges als eine dritte Macht mit einem Heer anschließen würden, das auf seine Reserve und Landwehr gestützt ebenfalls jedem Heer gewachsen wäre, das ihnen Frankreich am Oberrhein bei einem Conflict entgegenstellen könnte, der seine Gränzen zugleich im Norden über Belgien, am Rhein und von den Alpen her bedrohen würde. Es wäre unnöthig, diese Eventualitäten des weitern auszumalen; aber auch das Angeführte reicht hin, dem Gegner begreiflich zu machen, im Fall er der Belehrung noch zugänglich ist, daß, welches auch unsere Besorgniß vor dem unruhigen und übergreifenden Geiste unserer westlichen Nachbarn ist, wir vor der Hand, gestützt auf die Waffenmacht des deutschen Bundes, auf die Tapferkeit unserer Heere und auf die allgemeine Gesinnung, keinem Fremden, er mag von Osten oder Westen kommen, Einfluß in unsern Angelegenheiten zu gestatten, keine Ursache haben, vor ihm in Furcht zu seyn, oder diese Furcht durch thörichte Herabsetzung desselben zu beschwichtigen.
Noch einmal: soll das politische und sociale Verhältniß zwischen Frankreich und Deutschland ein haltbares seyn, so muß es sich auf die gegenseitige Anerkennung beider Völker, der Vorzüge ihres Charakters, ihrer Thätigkeit und ihres Verdienstes gründen, und durch die aus ihr fließende Achtung von der Ehre, den Interessen und der Unabhängigkeit des Nachbarn geschützt werden. Kann man sich endlich in Frankreich entschließen, aus dem Nebel herauszutreten und in dem Licht der europäischen Sonne zu wandeln, desto besser. Beide Nationen haben Grund genug, sich gegenseitig zu verstehen, und würden durch Einverständniß über die wichtigsten Interessen an Kraft wie an Wohlfahrt eben so viel gewinnen, als ihnen durch Isolirung und Befehdung an beidem verloren geht. Kann oder will man sich dazu jenseits des Rheins nicht entschließen, und fährt man fort, sich auf Kosten unserer Unabhängigkeit, seiner öffentlichen Tüchtigkeit
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
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