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Allgemeine Zeitung. Nr. 136. Augsburg, 15. Mai 1840.

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schönes Beispiel von Mäßigung zu nennen. Im Departement du Cher war es der Gendarmerie nicht gelungen, die Ordnung herzustellen, die Menge stürzte sich wüthend auf die Linientruppe, die mit geladenem Gewehr da stund, und nach geschehener dreifacher Aufforderung jeden Augenblick Befehl zum Feuern erhalten konnte, als der Maire, um das Blutvergießen zu vermeiden, die Truppen vielmehr alle in ihre Caserne zurückschickte und allein unter dem Volke zurückblieb, das er auch nach und nach insoweit zur Ordnung zurückführte, daß die Verkäufer nicht gezwungen wurden, zu geringern als den von ihnen angesetzten Preisen zu verkaufen. Am Abend darauf war Alles in die Schranken der gewöhnlichen Friedlichkeit wieder eingelenkt. - Was in diesem Augenblick in einem Theil der Pariser Presse vorgeht, ist ein ergötzliches Schauspiel für die, welche an Widerspruch, Inconsequenz und der durch Egoismus erzeugten Ungeschicktheit ihre Luft haben. Die conservativen Journale sind nachgerade zu einem Maaße von Leidenschaftlichkeit gelangt, daß man sie gleich einer gewissen Partei in der ersten Revolution die furieux de moderation nennen kann. Nichts geht nach ihrem Wunsch, keine ihrer trüben Vorhersagungen will sich verwirklichen, und in ihrer Wuth wissen sie selbst nicht mehr ihre Angriffe zu berechnen, unterscheiden ihre eigenen Genossen nicht mehr vom Feinde. Man hatte den dem Hrn. Dupont de l'Eure gemachten Vorschlag, ihm die erledigte Rathsstelle am Cassationshofe zu geben, für abgeschmackt erklärt, und die linke Seite auf jede Weise herausgefordert, ihre tugendhafte Selbstverläugnung auf diesem praktischen Boden zur Probe zu tragen; und als Dupont de l'Eure, aus wirklichem, wiewohl vielleicht übertriebenem Scrupel, den Antrag ablehnte, erklärte man seine Weigerung für absurd! Journale, von denen es notorisch ist, daß sie seit ihrem Entstehen von Subventionen der Regierung gelebt haben, und die dermalen dieses günstigen Monopols beraubt sind, bemühen sich jeden Tag, die grundlosesten Mährchen zu erzählen, und aus der Casse des Ministerpräsidenten die geheimen Gelder auf geheimem Wege in die Casse dieses oder jenes liberalen und darum jetzt ministeriellen Journals zu leiten, ohne daß die frechste Behauptung von heute dem kräftigsten Lügestrafen von morgen etwas anders als ein unmächtiges Schweigen entgegenhalten kann - ein Schweigen, das in solchem Falle nicht bloß die logique des betes ist. Daß in diesem löblichen Turniere die Girardin'sche Presse den Reihen führt, mit keckem Finger an jeden Unrath rührt, der sonst ein ehrliches Gemüth zurückschrecken und empören würde, brauche ich wohl nicht erst anzuführen; von ihr kommt das erste Gerücht, Hr. Thiers habe das cabinet noir wieder hergestellt; von ihr die neueste Behauptung, der Temps mit mehreren andern Journalen seyen dem Ministerium verkauft, und der Director des Temps habe nur darum das Blatt an sich gebracht, um Thiers zu dienen, und für diesen Dienst dereinst reichlich belohnt zu werden. Wo der moralische Schmutz am dichtesten gehäuft ist, fühlt sich die "Presse" mit heimathlicher Allgewalt angezogen - kein Wunder daß sie ihn überall erblickt, oder unterstellt, wo immer sie sich hinwendet; man kann als ausgemachte Wahrheit annehmen, daß jeder unsaubere Handel, den sie verläumderisch ihren Gegnern zur Last legt, entweder eine Erinnerung ihrer eigenen Vergangenheit oder ein geheimer Wunsch für eine günstigere Zukunft ist; ihre Beredsamkeit ist nicht die der gewissenhaften Entrüstung, es ist der mißtönende Schrei des Neides und der Schelsucht; dieß mag zum Maßstab ihrer Moral dienen. Es hinge nur vom Ministerium ab, von der nämlichen Presse morgen mit dem nämlichen Eifer gelobt zu werden, mit welchem diese ihn heute angreift. Daß es zu diesem einfachen Mittel nicht greift, das gerade scheint dem Hrn. Girardin so unerklärlich, gereicht aber dem Ministerium in den Augen der Nation zu desto größerer Ehre. Es ist in gewissen Zuständen des politischen wie Privatlebens nicht genug, achtungswerthe und allgemein geachtete Freunde zu haben, man muß auch, zu größerer Gewähr, gewisse Leute von nicht minder zweifelhaftem entgegengesetztem Charakter zu Feinden haben, das mehrt, stärkt und befestigt das allgemeine Vertrauen. In dieser Beziehung kann das Ministerium vom 1 März sich rühmen, alle günstigen Schicksalszeichen über seinem Haupte vereint zu sehen; der beste Dienst, den ihm die Presse erzeigen, das beste Mittel, wodurch sie den öffentlichen Glauben an seinen Bestand herbeiführen konnte, war, dasselbe von seinem unreinen Hauche unberührt zu lassen, es aller Gemeinschaft mit ihr enthoben zu erklären.

Deutschland.

(Berathung der zweiten Kammer über das Strafgesetz.) Der Abg. v. Rotteck wollte auf die §§. 536 und 537 über den mittelst Aufruhrs unternommenen Hochverrath zurückkommen, indem diese Artikel gestern erst am Schlusse der Sitzung noch zur Discussion ausgesetzt wurden, und keiner reifen Berathung unterlagen. Er führte zugleich aus, daß und warum zu strenge Strafen bei politischen Verbrechen, als unnöthig und Furcht verrathend, zu vermeiden seyen. Nach einer kurzen Erörterung entschied aber die Kammer, daß die Discussion über die gestern erledigten §§. 536 und 537 nicht wieder aufgenommen werden dürfe. Die §§. 539 und 540 geben besondere Bestimmungen über die hochverrätherischen Verschwörungen, wenn der Aufruhr nicht wirklich zum Ausbruch gekommen ist. Die Strafandrohungen sind größer oder geringer, je nachdem die Verschwornen die Mittel zur Erregung des Aufruhrs und die Art und Weise der Durchführung und Benützung desselben für den hochverrätherischen Zweck schon verabredet haben oder nicht. Da für diejenigen, welche da, wo der Aufruhr zum Ausbruch kam, bei diesem nicht mitwirken, wohl aber an der Verschwörung (ohne Anstifter zu seyn) Theil nahmen, keine besondere Strafandrohung vorhanden ist, so beantragte Sander für sie die nämliche Strafe, wie sie im §. 537 a. für diejenigen bestimmt ist, welche umgekehrt an der Verschwörung keinen Theil genommen haben, aber beim Aufruhr selbst mitwirkten. Vicekanzler Bekk: die gemeinen Theilnehmer an einer verbrecherischen Verbindung werden, wenn sie bei der Ausführung des Verbrechens nicht mitwirken, nach §. 114 allgemein von der Strafe des Versuchs oder der beendigten Unternehmung getroffen. Es bedürfe für sie also hier keiner besondern Bestimmung. Sander hielt die Strafe der beendigten Unternehmung für zu hoch. Mördes sieht den Verschwornen, der am Aufruhr selbst keinen Theil nimmt, für strafbarer an, als denjenigen, der, ohne an der Verschwörung Theil genommen zu haben, bei dem ausgebrochenen Aufruhr selbst mitwirkt. Staatsrath Jolly bestätigt dieß mit dem Bemerken, daß der letztere, da er doch noch sein Leben einsetze, und oft durch den Augenblick hingerissen werde, weniger schändlich sey, als derjenige, welcher durch Theilnahme an der Verschwörung für den hochverrätherischen Aufruhr wirksam sey, alsdann aber, wenn es zur That komme, sich hinter die Coulissen zurückziehe, um, wenn der Aufruhr unterdrückt werde, den Unschuldigen zu spielen, oder im andern Fall am Triumphe Theil zu nehmen. Rindeschwender: einverstanden. Sanders Antrag wurde abgelehnt. Nach §. 541 wird derjenige, welcher durch öffentliche Reden oder durch öffentlich verbreitete Schriften zu hochverrätherischen Unternehmungen bestimmt aufforderte, ohne

schönes Beispiel von Mäßigung zu nennen. Im Departement du Cher war es der Gendarmerie nicht gelungen, die Ordnung herzustellen, die Menge stürzte sich wüthend auf die Linientruppe, die mit geladenem Gewehr da stund, und nach geschehener dreifacher Aufforderung jeden Augenblick Befehl zum Feuern erhalten konnte, als der Maire, um das Blutvergießen zu vermeiden, die Truppen vielmehr alle in ihre Caserne zurückschickte und allein unter dem Volke zurückblieb, das er auch nach und nach insoweit zur Ordnung zurückführte, daß die Verkäufer nicht gezwungen wurden, zu geringern als den von ihnen angesetzten Preisen zu verkaufen. Am Abend darauf war Alles in die Schranken der gewöhnlichen Friedlichkeit wieder eingelenkt. – Was in diesem Augenblick in einem Theil der Pariser Presse vorgeht, ist ein ergötzliches Schauspiel für die, welche an Widerspruch, Inconsequenz und der durch Egoismus erzeugten Ungeschicktheit ihre Luft haben. Die conservativen Journale sind nachgerade zu einem Maaße von Leidenschaftlichkeit gelangt, daß man sie gleich einer gewissen Partei in der ersten Revolution die furieux de moderation nennen kann. Nichts geht nach ihrem Wunsch, keine ihrer trüben Vorhersagungen will sich verwirklichen, und in ihrer Wuth wissen sie selbst nicht mehr ihre Angriffe zu berechnen, unterscheiden ihre eigenen Genossen nicht mehr vom Feinde. Man hatte den dem Hrn. Dupont de l'Eure gemachten Vorschlag, ihm die erledigte Rathsstelle am Cassationshofe zu geben, für abgeschmackt erklärt, und die linke Seite auf jede Weise herausgefordert, ihre tugendhafte Selbstverläugnung auf diesem praktischen Boden zur Probe zu tragen; und als Dupont de l'Eure, aus wirklichem, wiewohl vielleicht übertriebenem Scrupel, den Antrag ablehnte, erklärte man seine Weigerung für absurd! Journale, von denen es notorisch ist, daß sie seit ihrem Entstehen von Subventionen der Regierung gelebt haben, und die dermalen dieses günstigen Monopols beraubt sind, bemühen sich jeden Tag, die grundlosesten Mährchen zu erzählen, und aus der Casse des Ministerpräsidenten die geheimen Gelder auf geheimem Wege in die Casse dieses oder jenes liberalen und darum jetzt ministeriellen Journals zu leiten, ohne daß die frechste Behauptung von heute dem kräftigsten Lügestrafen von morgen etwas anders als ein unmächtiges Schweigen entgegenhalten kann – ein Schweigen, das in solchem Falle nicht bloß die logique des bêtes ist. Daß in diesem löblichen Turniere die Girardin'sche Presse den Reihen führt, mit keckem Finger an jeden Unrath rührt, der sonst ein ehrliches Gemüth zurückschrecken und empören würde, brauche ich wohl nicht erst anzuführen; von ihr kommt das erste Gerücht, Hr. Thiers habe das cabinet noir wieder hergestellt; von ihr die neueste Behauptung, der Temps mit mehreren andern Journalen seyen dem Ministerium verkauft, und der Director des Temps habe nur darum das Blatt an sich gebracht, um Thiers zu dienen, und für diesen Dienst dereinst reichlich belohnt zu werden. Wo der moralische Schmutz am dichtesten gehäuft ist, fühlt sich die „Presse“ mit heimathlicher Allgewalt angezogen – kein Wunder daß sie ihn überall erblickt, oder unterstellt, wo immer sie sich hinwendet; man kann als ausgemachte Wahrheit annehmen, daß jeder unsaubere Handel, den sie verläumderisch ihren Gegnern zur Last legt, entweder eine Erinnerung ihrer eigenen Vergangenheit oder ein geheimer Wunsch für eine günstigere Zukunft ist; ihre Beredsamkeit ist nicht die der gewissenhaften Entrüstung, es ist der mißtönende Schrei des Neides und der Schelsucht; dieß mag zum Maßstab ihrer Moral dienen. Es hinge nur vom Ministerium ab, von der nämlichen Presse morgen mit dem nämlichen Eifer gelobt zu werden, mit welchem diese ihn heute angreift. Daß es zu diesem einfachen Mittel nicht greift, das gerade scheint dem Hrn. Girardin so unerklärlich, gereicht aber dem Ministerium in den Augen der Nation zu desto größerer Ehre. Es ist in gewissen Zuständen des politischen wie Privatlebens nicht genug, achtungswerthe und allgemein geachtete Freunde zu haben, man muß auch, zu größerer Gewähr, gewisse Leute von nicht minder zweifelhaftem entgegengesetztem Charakter zu Feinden haben, das mehrt, stärkt und befestigt das allgemeine Vertrauen. In dieser Beziehung kann das Ministerium vom 1 März sich rühmen, alle günstigen Schicksalszeichen über seinem Haupte vereint zu sehen; der beste Dienst, den ihm die Presse erzeigen, das beste Mittel, wodurch sie den öffentlichen Glauben an seinen Bestand herbeiführen konnte, war, dasselbe von seinem unreinen Hauche unberührt zu lassen, es aller Gemeinschaft mit ihr enthoben zu erklären.

Deutschland.

(Berathung der zweiten Kammer über das Strafgesetz.) Der Abg. v. Rotteck wollte auf die §§. 536 und 537 über den mittelst Aufruhrs unternommenen Hochverrath zurückkommen, indem diese Artikel gestern erst am Schlusse der Sitzung noch zur Discussion ausgesetzt wurden, und keiner reifen Berathung unterlagen. Er führte zugleich aus, daß und warum zu strenge Strafen bei politischen Verbrechen, als unnöthig und Furcht verrathend, zu vermeiden seyen. Nach einer kurzen Erörterung entschied aber die Kammer, daß die Discussion über die gestern erledigten §§. 536 und 537 nicht wieder aufgenommen werden dürfe. Die §§. 539 und 540 geben besondere Bestimmungen über die hochverrätherischen Verschwörungen, wenn der Aufruhr nicht wirklich zum Ausbruch gekommen ist. Die Strafandrohungen sind größer oder geringer, je nachdem die Verschwornen die Mittel zur Erregung des Aufruhrs und die Art und Weise der Durchführung und Benützung desselben für den hochverrätherischen Zweck schon verabredet haben oder nicht. Da für diejenigen, welche da, wo der Aufruhr zum Ausbruch kam, bei diesem nicht mitwirken, wohl aber an der Verschwörung (ohne Anstifter zu seyn) Theil nahmen, keine besondere Strafandrohung vorhanden ist, so beantragte Sander für sie die nämliche Strafe, wie sie im §. 537 a. für diejenigen bestimmt ist, welche umgekehrt an der Verschwörung keinen Theil genommen haben, aber beim Aufruhr selbst mitwirkten. Vicekanzler Bekk: die gemeinen Theilnehmer an einer verbrecherischen Verbindung werden, wenn sie bei der Ausführung des Verbrechens nicht mitwirken, nach §. 114 allgemein von der Strafe des Versuchs oder der beendigten Unternehmung getroffen. Es bedürfe für sie also hier keiner besondern Bestimmung. Sander hielt die Strafe der beendigten Unternehmung für zu hoch. Mördes sieht den Verschwornen, der am Aufruhr selbst keinen Theil nimmt, für strafbarer an, als denjenigen, der, ohne an der Verschwörung Theil genommen zu haben, bei dem ausgebrochenen Aufruhr selbst mitwirkt. Staatsrath Jolly bestätigt dieß mit dem Bemerken, daß der letztere, da er doch noch sein Leben einsetze, und oft durch den Augenblick hingerissen werde, weniger schändlich sey, als derjenige, welcher durch Theilnahme an der Verschwörung für den hochverrätherischen Aufruhr wirksam sey, alsdann aber, wenn es zur That komme, sich hinter die Coulissen zurückziehe, um, wenn der Aufruhr unterdrückt werde, den Unschuldigen zu spielen, oder im andern Fall am Triumphe Theil zu nehmen. Rindeschwender: einverstanden. Sanders Antrag wurde abgelehnt. Nach §. 541 wird derjenige, welcher durch öffentliche Reden oder durch öffentlich verbreitete Schriften zu hochverrätherischen Unternehmungen bestimmt aufforderte, ohne

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schönes Beispiel von Mäßigung zu nennen. Im Departement du Cher war es der Gendarmerie nicht gelungen, die Ordnung herzustellen, die Menge stürzte sich wüthend auf die Linientruppe, die mit geladenem Gewehr da stund, und nach geschehener dreifacher Aufforderung jeden Augenblick Befehl zum Feuern erhalten konnte, als der Maire, um das Blutvergießen zu vermeiden, die Truppen vielmehr alle in ihre Caserne zurückschickte und allein unter dem Volke zurückblieb, das er auch nach und nach insoweit zur Ordnung zurückführte, daß die Verkäufer nicht gezwungen wurden, zu geringern als den von ihnen angesetzten Preisen zu verkaufen. Am Abend darauf war Alles in die Schranken der gewöhnlichen Friedlichkeit wieder eingelenkt. &#x2013; Was in diesem Augenblick in einem Theil der Pariser Presse vorgeht, ist ein ergötzliches Schauspiel für die, welche an Widerspruch, Inconsequenz und der durch Egoismus erzeugten Ungeschicktheit ihre Luft haben. Die conservativen Journale sind nachgerade zu einem Maaße von Leidenschaftlichkeit gelangt, daß man sie gleich einer gewissen Partei in der ersten Revolution die furieux de moderation nennen kann. Nichts geht nach ihrem Wunsch, keine ihrer trüben Vorhersagungen will sich verwirklichen, und in ihrer Wuth wissen sie selbst nicht mehr ihre Angriffe zu berechnen, unterscheiden ihre eigenen Genossen nicht mehr vom Feinde. Man hatte den dem Hrn. Dupont de l'Eure gemachten Vorschlag, ihm die erledigte Rathsstelle am Cassationshofe zu geben, für abgeschmackt erklärt, und die linke Seite auf jede Weise herausgefordert, ihre tugendhafte Selbstverläugnung auf diesem praktischen Boden zur Probe zu tragen; und als Dupont de l'Eure, aus wirklichem, wiewohl vielleicht übertriebenem Scrupel, den Antrag ablehnte, erklärte man seine Weigerung für absurd! Journale, von denen es notorisch ist, daß sie seit ihrem Entstehen von Subventionen der Regierung gelebt haben, und die dermalen dieses günstigen Monopols beraubt sind, bemühen sich jeden Tag, die grundlosesten Mährchen zu erzählen, und aus der Casse des Ministerpräsidenten die geheimen Gelder auf geheimem Wege in die Casse dieses oder jenes liberalen und darum jetzt ministeriellen Journals zu leiten, ohne daß die frechste Behauptung von heute dem kräftigsten Lügestrafen von morgen etwas anders als ein unmächtiges Schweigen entgegenhalten kann &#x2013; ein Schweigen, das in solchem Falle nicht bloß die logique des bêtes ist. Daß in diesem löblichen Turniere die Girardin'sche <hi rendition="#g">Presse</hi> den Reihen führt, mit keckem Finger an jeden Unrath rührt, der sonst ein ehrliches Gemüth zurückschrecken und empören würde, brauche ich wohl nicht erst anzuführen; von ihr kommt das erste Gerücht, Hr. Thiers habe das cabinet noir wieder hergestellt; von ihr die neueste Behauptung, der <hi rendition="#g">Temps</hi> mit mehreren andern Journalen seyen dem Ministerium verkauft, und der Director des <hi rendition="#g">Temps</hi> habe nur darum das Blatt an sich gebracht, um Thiers zu dienen, und für diesen Dienst dereinst reichlich belohnt zu werden. Wo der moralische Schmutz am dichtesten gehäuft ist, fühlt sich die &#x201E;Presse&#x201C; mit heimathlicher Allgewalt angezogen &#x2013; kein Wunder daß sie ihn überall erblickt, oder unterstellt, wo immer sie sich hinwendet; man kann als ausgemachte Wahrheit annehmen, daß jeder unsaubere Handel, den sie verläumderisch ihren Gegnern zur Last legt, entweder eine Erinnerung ihrer eigenen Vergangenheit oder ein geheimer Wunsch für eine günstigere Zukunft ist; ihre Beredsamkeit ist nicht die der gewissenhaften Entrüstung, es ist der mißtönende Schrei des Neides und der Schelsucht; dieß mag zum Maßstab ihrer Moral dienen. Es hinge nur vom Ministerium ab, von der nämlichen <hi rendition="#g">Presse</hi> morgen mit dem nämlichen Eifer gelobt zu werden, mit welchem diese ihn heute angreift. Daß es zu diesem einfachen Mittel nicht greift, das gerade scheint dem Hrn. Girardin so unerklärlich, gereicht aber dem Ministerium in den Augen der Nation zu desto größerer Ehre. Es ist in gewissen Zuständen des politischen wie Privatlebens nicht genug, achtungswerthe und allgemein geachtete Freunde zu haben, man muß auch, zu größerer Gewähr, gewisse Leute von nicht minder zweifelhaftem entgegengesetztem Charakter zu Feinden haben, das mehrt, stärkt und befestigt das allgemeine Vertrauen. In dieser Beziehung kann das Ministerium vom 1 März sich rühmen, alle günstigen Schicksalszeichen über seinem Haupte vereint zu sehen; der beste Dienst, den ihm die <hi rendition="#g">Presse</hi> erzeigen, das beste Mittel, wodurch sie den öffentlichen Glauben an seinen Bestand herbeiführen konnte, war, dasselbe von seinem unreinen Hauche unberührt zu lassen, es aller Gemeinschaft mit ihr enthoben zu erklären.</p><lb/>
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[1085/0005] schönes Beispiel von Mäßigung zu nennen. Im Departement du Cher war es der Gendarmerie nicht gelungen, die Ordnung herzustellen, die Menge stürzte sich wüthend auf die Linientruppe, die mit geladenem Gewehr da stund, und nach geschehener dreifacher Aufforderung jeden Augenblick Befehl zum Feuern erhalten konnte, als der Maire, um das Blutvergießen zu vermeiden, die Truppen vielmehr alle in ihre Caserne zurückschickte und allein unter dem Volke zurückblieb, das er auch nach und nach insoweit zur Ordnung zurückführte, daß die Verkäufer nicht gezwungen wurden, zu geringern als den von ihnen angesetzten Preisen zu verkaufen. Am Abend darauf war Alles in die Schranken der gewöhnlichen Friedlichkeit wieder eingelenkt. – Was in diesem Augenblick in einem Theil der Pariser Presse vorgeht, ist ein ergötzliches Schauspiel für die, welche an Widerspruch, Inconsequenz und der durch Egoismus erzeugten Ungeschicktheit ihre Luft haben. Die conservativen Journale sind nachgerade zu einem Maaße von Leidenschaftlichkeit gelangt, daß man sie gleich einer gewissen Partei in der ersten Revolution die furieux de moderation nennen kann. Nichts geht nach ihrem Wunsch, keine ihrer trüben Vorhersagungen will sich verwirklichen, und in ihrer Wuth wissen sie selbst nicht mehr ihre Angriffe zu berechnen, unterscheiden ihre eigenen Genossen nicht mehr vom Feinde. Man hatte den dem Hrn. Dupont de l'Eure gemachten Vorschlag, ihm die erledigte Rathsstelle am Cassationshofe zu geben, für abgeschmackt erklärt, und die linke Seite auf jede Weise herausgefordert, ihre tugendhafte Selbstverläugnung auf diesem praktischen Boden zur Probe zu tragen; und als Dupont de l'Eure, aus wirklichem, wiewohl vielleicht übertriebenem Scrupel, den Antrag ablehnte, erklärte man seine Weigerung für absurd! Journale, von denen es notorisch ist, daß sie seit ihrem Entstehen von Subventionen der Regierung gelebt haben, und die dermalen dieses günstigen Monopols beraubt sind, bemühen sich jeden Tag, die grundlosesten Mährchen zu erzählen, und aus der Casse des Ministerpräsidenten die geheimen Gelder auf geheimem Wege in die Casse dieses oder jenes liberalen und darum jetzt ministeriellen Journals zu leiten, ohne daß die frechste Behauptung von heute dem kräftigsten Lügestrafen von morgen etwas anders als ein unmächtiges Schweigen entgegenhalten kann – ein Schweigen, das in solchem Falle nicht bloß die logique des bêtes ist. Daß in diesem löblichen Turniere die Girardin'sche Presse den Reihen führt, mit keckem Finger an jeden Unrath rührt, der sonst ein ehrliches Gemüth zurückschrecken und empören würde, brauche ich wohl nicht erst anzuführen; von ihr kommt das erste Gerücht, Hr. Thiers habe das cabinet noir wieder hergestellt; von ihr die neueste Behauptung, der Temps mit mehreren andern Journalen seyen dem Ministerium verkauft, und der Director des Temps habe nur darum das Blatt an sich gebracht, um Thiers zu dienen, und für diesen Dienst dereinst reichlich belohnt zu werden. Wo der moralische Schmutz am dichtesten gehäuft ist, fühlt sich die „Presse“ mit heimathlicher Allgewalt angezogen – kein Wunder daß sie ihn überall erblickt, oder unterstellt, wo immer sie sich hinwendet; man kann als ausgemachte Wahrheit annehmen, daß jeder unsaubere Handel, den sie verläumderisch ihren Gegnern zur Last legt, entweder eine Erinnerung ihrer eigenen Vergangenheit oder ein geheimer Wunsch für eine günstigere Zukunft ist; ihre Beredsamkeit ist nicht die der gewissenhaften Entrüstung, es ist der mißtönende Schrei des Neides und der Schelsucht; dieß mag zum Maßstab ihrer Moral dienen. Es hinge nur vom Ministerium ab, von der nämlichen Presse morgen mit dem nämlichen Eifer gelobt zu werden, mit welchem diese ihn heute angreift. Daß es zu diesem einfachen Mittel nicht greift, das gerade scheint dem Hrn. Girardin so unerklärlich, gereicht aber dem Ministerium in den Augen der Nation zu desto größerer Ehre. Es ist in gewissen Zuständen des politischen wie Privatlebens nicht genug, achtungswerthe und allgemein geachtete Freunde zu haben, man muß auch, zu größerer Gewähr, gewisse Leute von nicht minder zweifelhaftem entgegengesetztem Charakter zu Feinden haben, das mehrt, stärkt und befestigt das allgemeine Vertrauen. In dieser Beziehung kann das Ministerium vom 1 März sich rühmen, alle günstigen Schicksalszeichen über seinem Haupte vereint zu sehen; der beste Dienst, den ihm die Presse erzeigen, das beste Mittel, wodurch sie den öffentlichen Glauben an seinen Bestand herbeiführen konnte, war, dasselbe von seinem unreinen Hauche unberührt zu lassen, es aller Gemeinschaft mit ihr enthoben zu erklären. Deutschland. _ Karlsruhe, 6 Mai. (Berathung der zweiten Kammer über das Strafgesetz.) Der Abg. v. Rotteck wollte auf die §§. 536 und 537 über den mittelst Aufruhrs unternommenen Hochverrath zurückkommen, indem diese Artikel gestern erst am Schlusse der Sitzung noch zur Discussion ausgesetzt wurden, und keiner reifen Berathung unterlagen. Er führte zugleich aus, daß und warum zu strenge Strafen bei politischen Verbrechen, als unnöthig und Furcht verrathend, zu vermeiden seyen. Nach einer kurzen Erörterung entschied aber die Kammer, daß die Discussion über die gestern erledigten §§. 536 und 537 nicht wieder aufgenommen werden dürfe. Die §§. 539 und 540 geben besondere Bestimmungen über die hochverrätherischen Verschwörungen, wenn der Aufruhr nicht wirklich zum Ausbruch gekommen ist. Die Strafandrohungen sind größer oder geringer, je nachdem die Verschwornen die Mittel zur Erregung des Aufruhrs und die Art und Weise der Durchführung und Benützung desselben für den hochverrätherischen Zweck schon verabredet haben oder nicht. Da für diejenigen, welche da, wo der Aufruhr zum Ausbruch kam, bei diesem nicht mitwirken, wohl aber an der Verschwörung (ohne Anstifter zu seyn) Theil nahmen, keine besondere Strafandrohung vorhanden ist, so beantragte Sander für sie die nämliche Strafe, wie sie im §. 537 a. für diejenigen bestimmt ist, welche umgekehrt an der Verschwörung keinen Theil genommen haben, aber beim Aufruhr selbst mitwirkten. Vicekanzler Bekk: die gemeinen Theilnehmer an einer verbrecherischen Verbindung werden, wenn sie bei der Ausführung des Verbrechens nicht mitwirken, nach §. 114 allgemein von der Strafe des Versuchs oder der beendigten Unternehmung getroffen. Es bedürfe für sie also hier keiner besondern Bestimmung. Sander hielt die Strafe der beendigten Unternehmung für zu hoch. Mördes sieht den Verschwornen, der am Aufruhr selbst keinen Theil nimmt, für strafbarer an, als denjenigen, der, ohne an der Verschwörung Theil genommen zu haben, bei dem ausgebrochenen Aufruhr selbst mitwirkt. Staatsrath Jolly bestätigt dieß mit dem Bemerken, daß der letztere, da er doch noch sein Leben einsetze, und oft durch den Augenblick hingerissen werde, weniger schändlich sey, als derjenige, welcher durch Theilnahme an der Verschwörung für den hochverrätherischen Aufruhr wirksam sey, alsdann aber, wenn es zur That komme, sich hinter die Coulissen zurückziehe, um, wenn der Aufruhr unterdrückt werde, den Unschuldigen zu spielen, oder im andern Fall am Triumphe Theil zu nehmen. Rindeschwender: einverstanden. Sanders Antrag wurde abgelehnt. Nach §. 541 wird derjenige, welcher durch öffentliche Reden oder durch öffentlich verbreitete Schriften zu hochverrätherischen Unternehmungen bestimmt aufforderte, ohne

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 136. Augsburg, 15. Mai 1840, S. 1085. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_136_18400515/5>, abgerufen am 23.11.2024.