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Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840.

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beiläufig bezeichnen. Frankreich könnte eine Zollherabsetzung auf seine Seidenwaaren, seine Merinos und Leinenzeuge erlangen. Ferner könnte es Reductionen auf seine Baumwollenzeuge und gedruckten Stoffe, endlich auf seine Tücher und Weine erhalten. Nach diesen sehr wichtigen Vortheilen, die Frankreich für seine vorzüglichsten Industriezweige auswirken könnte, ist es aber auch nothwendig, daß Frankreich bei andern Industriezweigen, welche Schonung verdienen, Opfer bringe. (Mehrere Stimmen: Ja, dieß ist billig.) Man müßte die Zölle auf Eisenwaaren, Baumwollenzeuge, Messer und Quincailleriewaaren, endlich auf Schlachtvieh einigen Veränderungen unterwerfen. (Murren auf einigen Bänken. Hr. v. Golbery: "Das heißt: Frankreich dem Ausland opfern.") Ich sage nicht, wie groß die Opfer seyn werden; ich darf dieß nicht sagen, denn ich würde sonst einen Vertrag auf der Tribune improvisiren, und dazu ist hier nicht der Ort. Ich habe nur die Hauptpunkte angedeutet. Uebrigens ist die Kammer zu aufgeklärt, um nicht einzusehen: es hieße der Welt ein lächerliches Schauspiel geben, wollte eine Versammlung von fremden Mächten Opfer hinsichtlich ihrer Zölle verlangen, ohne deren ebenfalls zu bringen. Ich benachrichtige also die Kammer, daß die Regierung unterhandelt. Sie wird die französischen Interessen so viel als möglich dabei zu fördern suchen; aber ich wiederhole: man erlangt nichts, ohne etwas dagegen zu geben. (Beifall."

In derselben Sitzung erklärte der Handelsminister Hr. Gouin, der Gesetzesentwurf über das Zollwesen sey beinahe vollendet und werde in wenigen Tagen der Kammer vorgelegt. Man habe damit nur etwas gezögert, um die Resultate der Unterhandlungen mit England in den Entwurf noch mit aufnehmen zu können.

(Temps.) Der Conseilpräsident hat nicht ohne Ursache an das Gesetz der Gerechtigkeit, das die Grundlage jedes möglichen Tractats ist, erinnert. Nichts ist in der That, selbst im Parlament, so leicht, als klagen und fordern, nichts ist aber so schwierig, als die Opfer, die man für das, was man gewinnen will, bringen muß. Bisher hat die Deputirtenkammer, durch zahlreiche Interessen gespalten, die sich in ihr den Einfluß streitig machen und sich gegenseitig durch Rivalität neutralisiren, kaum begriffen, daß das allgemeine Interesse des Landes bei Handels- und industriellen, wie bei allen andern Fragen zuerst zu berücksichtigen sey. Fast immer haben sich Privatinteressen im Conflict festgehalten, und sich selten zu Concessionen verstanden. Es ist zu wünschen, daß endlich die ministerielle Initiative die Kammer in eine großherzigere Bahn einführe, und die so lange durch Privategoismus gelähmte Thätigkeit der Regierung mehr Freiheit und Energie gewinne, und durch Erreichung positiver Resultate die ganze verlorne Zeit wieder gut macht.

Die gestrige Verhandlung in der Deputirtenkammer wird auch für Deutschland von Interesse seyn, weil sie beweist, erstens, daß der große Zollverein, der den bedeutendsten Theil von Deutschland umschlingt, auch von Frankreich nach seiner ganzen Wichtigkeit gewürdigt wird, zweitens, daß der Präsident des Ministeriums in den Verhältnissen, die das Ausland berühren, den Begriffen einer gesunden Politik und des Völkerrechts mit unumwundener Geradheit selbst da huldigt, wo seine Offenheit von den Beängstigungen des materiellen Interesses seiner eigenen Nation mißkannt werden könnte. Eine Bittschrift an die Kammer lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf den deutschen Zollverein, und gibt zu verstehen, daß die Regierung diese Verbindung wohl hätte verhindern sollen, weil sie dem französischen Handel und der französischen Industrie schädlich sey. Sie sehen, das war so recht ein Feld, auf welchem sich der alte, der kaiserliche Nationalsinn herumtummeln und die salbungsvollsten Redensarten anbringen konnte. Es scheint, und wahrlich das ist kein geringes Lob der neuen Verwaltung, daß wir von diesem abgenützten Rüstzeuge einer andern, einer überlebten Zeit endlich befreit seyn sollen. Der Ministerpräsident hat sehr bündig und klar in seiner Rede ausgesprochen, daß es ein unstatthafter Gedanke sey, Deutschland an der Wahrung seines wohlverstandenen Interesses aus dem Grunde abhalten zu wollen, weil dieses deutsche Interesse auf das französische vielleicht nachtheilig rückwirken konnte. Was jetzt zu thun bleibt, ist eine Verständigung, eine loyale, durch wechselseitiges Geben und Empfanben, das heißt also nöthigenfalls durch Bewilligungen und Zugeständnisse zu treffende Uebereinkunft mit dem deutschen Zollverein. In dieser Beziehung wird das Ministerium dem nationalen Interesse, wie den Erheischungen des Rechts getreu, die zweckmäßigsten Vorschläge machen und verfolgen. Solche Sprache ziemt allein in dem heutigen Zustande der europäischen Politik, sie ziemt besonders dem Minister eines mächtigen und geachteten Landes wie Frankreich, und wir möchten sagen, sie ehrt ihn gerade in dem Verhältnisse seines größern politischen Ansehens. - Ein anderes merkwürdiges Ergebniß der gestrigen Sitzung ist die Bildung der neun Bureaux behufs der Petitionen. Die Mitglieder der linken Seite sind in solcher Mehrheit zu Präsidenten und Secretären dieser Bureaux erwählt worden, daß die Sitzungen der Kammer seit 1830 keine ähnliche Thatsache aufweisen können. Auch etwas sehr Neckisches ist vorgekommen: in die große Deputation, die den König an seinem Namenstage, 1 Mai, becomplimentiren soll, wurden ernannt: Laffitte und Arago! beide, der Präsident und der Secretär des Comite's der Wahlreformgesellschaft. Seit 1832, dem Belagerungszustand von Paris, sind die beiden Namen ungewöhnte Gäste im königlichen Schlosse geworden. - Aus einem Artikel des Temps von heute können Sie entnehmen, daß die preußisch-belgische Eisenbahn den Franzosen einige Besorgniß einflößt; sie mögen nicht Unrecht haben.

Belgien.

Das neue Ministerium hat seine parlamentarische Amtsführung gestern mit einer Erklärung eröffnet, die als sein politisches Programm anzusehen ist. Es beschränkt sich durchgehends auf die gewöhnlichen constitutionellen Allgemeinheiten, denen hernach jede Partei ihre eigene Deutung zu geben weiß. Bemerkenswerth indessen ist die Sorgfalt, womit der Minister des Innern, Hr. Liedts, gleich anfangs die Katholiken wegen des Geistes, worin der Volksunterricht von Staatswegen organisirt werden soll, zu beruhigen sucht. "Den Familienvätern, heißt es, werde die vollständigste Bürgschaft einer moralischen und religiösen Erziehung gewährt werden." Das Wie dieser Gewährung wird der Stein des Anstoßes seyn, denn die Partei, die bis jetzt das neue Ministerium am lebhaftesten bewillkommt, möchte gerne nur eine scheinbare Garantie dieser Art gewähren, in der That aber die auf Staatskosten, d. h. auf Kosten sämmtlicher Steuerpflichtigen zu gründenden mittleren und Volksschulen zu Oppositionsinstituten gegen die auf allen Punkten des Landes von den Katholiken aus dem Ertrage freiwilliger Beiträge gegründeten Schulen organisiren. Diese Tendenz ist aus einer Reihe von Aufsätzen, welche sie seit Jahren in Blättern und Broschüren geliefert, zu deutlich hervorgegangen, als daß sie sich versprechen dürfte, jetzt über ihre eigentliche Absicht äuschen zu können. Will nun das

beiläufig bezeichnen. Frankreich könnte eine Zollherabsetzung auf seine Seidenwaaren, seine Merinos und Leinenzeuge erlangen. Ferner könnte es Reductionen auf seine Baumwollenzeuge und gedruckten Stoffe, endlich auf seine Tücher und Weine erhalten. Nach diesen sehr wichtigen Vortheilen, die Frankreich für seine vorzüglichsten Industriezweige auswirken könnte, ist es aber auch nothwendig, daß Frankreich bei andern Industriezweigen, welche Schonung verdienen, Opfer bringe. (Mehrere Stimmen: Ja, dieß ist billig.) Man müßte die Zölle auf Eisenwaaren, Baumwollenzeuge, Messer und Quincailleriewaaren, endlich auf Schlachtvieh einigen Veränderungen unterwerfen. (Murren auf einigen Bänken. Hr. v. Golbery: „Das heißt: Frankreich dem Ausland opfern.“) Ich sage nicht, wie groß die Opfer seyn werden; ich darf dieß nicht sagen, denn ich würde sonst einen Vertrag auf der Tribune improvisiren, und dazu ist hier nicht der Ort. Ich habe nur die Hauptpunkte angedeutet. Uebrigens ist die Kammer zu aufgeklärt, um nicht einzusehen: es hieße der Welt ein lächerliches Schauspiel geben, wollte eine Versammlung von fremden Mächten Opfer hinsichtlich ihrer Zölle verlangen, ohne deren ebenfalls zu bringen. Ich benachrichtige also die Kammer, daß die Regierung unterhandelt. Sie wird die französischen Interessen so viel als möglich dabei zu fördern suchen; aber ich wiederhole: man erlangt nichts, ohne etwas dagegen zu geben. (Beifall.“

In derselben Sitzung erklärte der Handelsminister Hr. Gouin, der Gesetzesentwurf über das Zollwesen sey beinahe vollendet und werde in wenigen Tagen der Kammer vorgelegt. Man habe damit nur etwas gezögert, um die Resultate der Unterhandlungen mit England in den Entwurf noch mit aufnehmen zu können.

(Temps.) Der Conseilpräsident hat nicht ohne Ursache an das Gesetz der Gerechtigkeit, das die Grundlage jedes möglichen Tractats ist, erinnert. Nichts ist in der That, selbst im Parlament, so leicht, als klagen und fordern, nichts ist aber so schwierig, als die Opfer, die man für das, was man gewinnen will, bringen muß. Bisher hat die Deputirtenkammer, durch zahlreiche Interessen gespalten, die sich in ihr den Einfluß streitig machen und sich gegenseitig durch Rivalität neutralisiren, kaum begriffen, daß das allgemeine Interesse des Landes bei Handels- und industriellen, wie bei allen andern Fragen zuerst zu berücksichtigen sey. Fast immer haben sich Privatinteressen im Conflict festgehalten, und sich selten zu Concessionen verstanden. Es ist zu wünschen, daß endlich die ministerielle Initiative die Kammer in eine großherzigere Bahn einführe, und die so lange durch Privategoismus gelähmte Thätigkeit der Regierung mehr Freiheit und Energie gewinne, und durch Erreichung positiver Resultate die ganze verlorne Zeit wieder gut macht.

Die gestrige Verhandlung in der Deputirtenkammer wird auch für Deutschland von Interesse seyn, weil sie beweist, erstens, daß der große Zollverein, der den bedeutendsten Theil von Deutschland umschlingt, auch von Frankreich nach seiner ganzen Wichtigkeit gewürdigt wird, zweitens, daß der Präsident des Ministeriums in den Verhältnissen, die das Ausland berühren, den Begriffen einer gesunden Politik und des Völkerrechts mit unumwundener Geradheit selbst da huldigt, wo seine Offenheit von den Beängstigungen des materiellen Interesses seiner eigenen Nation mißkannt werden könnte. Eine Bittschrift an die Kammer lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf den deutschen Zollverein, und gibt zu verstehen, daß die Regierung diese Verbindung wohl hätte verhindern sollen, weil sie dem französischen Handel und der französischen Industrie schädlich sey. Sie sehen, das war so recht ein Feld, auf welchem sich der alte, der kaiserliche Nationalsinn herumtummeln und die salbungsvollsten Redensarten anbringen konnte. Es scheint, und wahrlich das ist kein geringes Lob der neuen Verwaltung, daß wir von diesem abgenützten Rüstzeuge einer andern, einer überlebten Zeit endlich befreit seyn sollen. Der Ministerpräsident hat sehr bündig und klar in seiner Rede ausgesprochen, daß es ein unstatthafter Gedanke sey, Deutschland an der Wahrung seines wohlverstandenen Interesses aus dem Grunde abhalten zu wollen, weil dieses deutsche Interesse auf das französische vielleicht nachtheilig rückwirken konnte. Was jetzt zu thun bleibt, ist eine Verständigung, eine loyale, durch wechselseitiges Geben und Empfanben, das heißt also nöthigenfalls durch Bewilligungen und Zugeständnisse zu treffende Uebereinkunft mit dem deutschen Zollverein. In dieser Beziehung wird das Ministerium dem nationalen Interesse, wie den Erheischungen des Rechts getreu, die zweckmäßigsten Vorschläge machen und verfolgen. Solche Sprache ziemt allein in dem heutigen Zustande der europäischen Politik, sie ziemt besonders dem Minister eines mächtigen und geachteten Landes wie Frankreich, und wir möchten sagen, sie ehrt ihn gerade in dem Verhältnisse seines größern politischen Ansehens. – Ein anderes merkwürdiges Ergebniß der gestrigen Sitzung ist die Bildung der neun Bureaux behufs der Petitionen. Die Mitglieder der linken Seite sind in solcher Mehrheit zu Präsidenten und Secretären dieser Bureaux erwählt worden, daß die Sitzungen der Kammer seit 1830 keine ähnliche Thatsache aufweisen können. Auch etwas sehr Neckisches ist vorgekommen: in die große Deputation, die den König an seinem Namenstage, 1 Mai, becomplimentiren soll, wurden ernannt: Laffitte und Arago! beide, der Präsident und der Secretär des Comité's der Wahlreformgesellschaft. Seit 1832, dem Belagerungszustand von Paris, sind die beiden Namen ungewöhnte Gäste im königlichen Schlosse geworden. – Aus einem Artikel des Temps von heute können Sie entnehmen, daß die preußisch-belgische Eisenbahn den Franzosen einige Besorgniß einflößt; sie mögen nicht Unrecht haben.

Belgien.

Das neue Ministerium hat seine parlamentarische Amtsführung gestern mit einer Erklärung eröffnet, die als sein politisches Programm anzusehen ist. Es beschränkt sich durchgehends auf die gewöhnlichen constitutionellen Allgemeinheiten, denen hernach jede Partei ihre eigene Deutung zu geben weiß. Bemerkenswerth indessen ist die Sorgfalt, womit der Minister des Innern, Hr. Liedts, gleich anfangs die Katholiken wegen des Geistes, worin der Volksunterricht von Staatswegen organisirt werden soll, zu beruhigen sucht. „Den Familienvätern, heißt es, werde die vollständigste Bürgschaft einer moralischen und religiösen Erziehung gewährt werden.“ Das Wie dieser Gewährung wird der Stein des Anstoßes seyn, denn die Partei, die bis jetzt das neue Ministerium am lebhaftesten bewillkommt, möchte gerne nur eine scheinbare Garantie dieser Art gewähren, in der That aber die auf Staatskosten, d. h. auf Kosten sämmtlicher Steuerpflichtigen zu gründenden mittleren und Volksschulen zu Oppositionsinstituten gegen die auf allen Punkten des Landes von den Katholiken aus dem Ertrage freiwilliger Beiträge gegründeten Schulen organisiren. Diese Tendenz ist aus einer Reihe von Aufsätzen, welche sie seit Jahren in Blättern und Broschüren geliefert, zu deutlich hervorgegangen, als daß sie sich versprechen dürfte, jetzt über ihre eigentliche Absicht äuschen zu können. Will nun das

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beiläufig bezeichnen. Frankreich könnte eine Zollherabsetzung auf seine Seidenwaaren, seine Merinos und Leinenzeuge erlangen. Ferner könnte es Reductionen auf seine Baumwollenzeuge und gedruckten Stoffe, endlich auf seine Tücher und Weine erhalten. Nach diesen sehr wichtigen Vortheilen, die Frankreich für seine vorzüglichsten Industriezweige auswirken könnte, ist es aber auch nothwendig, daß Frankreich bei andern Industriezweigen, welche Schonung verdienen, Opfer bringe. (Mehrere Stimmen: Ja, dieß ist billig.) Man müßte die Zölle auf Eisenwaaren, Baumwollenzeuge, Messer und Quincailleriewaaren, endlich auf Schlachtvieh einigen Veränderungen unterwerfen. (Murren auf einigen Bänken. Hr. v. Golbery: &#x201E;Das heißt: Frankreich dem Ausland opfern.&#x201C;) Ich sage nicht, wie groß die Opfer seyn werden; ich darf dieß nicht sagen, denn ich würde sonst einen Vertrag auf der Tribune improvisiren, und dazu ist hier nicht der Ort. Ich habe nur die Hauptpunkte angedeutet. Uebrigens ist die Kammer zu aufgeklärt, um nicht einzusehen: es hieße der Welt ein lächerliches Schauspiel geben, wollte eine Versammlung von fremden Mächten Opfer hinsichtlich ihrer Zölle verlangen, ohne deren ebenfalls zu bringen. Ich benachrichtige also die Kammer, daß die Regierung unterhandelt. Sie wird die französischen Interessen so viel als möglich dabei zu fördern suchen; aber ich wiederhole: man erlangt nichts, ohne etwas dagegen zu geben. (Beifall.&#x201C;</p><lb/>
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[0971/0003] beiläufig bezeichnen. Frankreich könnte eine Zollherabsetzung auf seine Seidenwaaren, seine Merinos und Leinenzeuge erlangen. Ferner könnte es Reductionen auf seine Baumwollenzeuge und gedruckten Stoffe, endlich auf seine Tücher und Weine erhalten. Nach diesen sehr wichtigen Vortheilen, die Frankreich für seine vorzüglichsten Industriezweige auswirken könnte, ist es aber auch nothwendig, daß Frankreich bei andern Industriezweigen, welche Schonung verdienen, Opfer bringe. (Mehrere Stimmen: Ja, dieß ist billig.) Man müßte die Zölle auf Eisenwaaren, Baumwollenzeuge, Messer und Quincailleriewaaren, endlich auf Schlachtvieh einigen Veränderungen unterwerfen. (Murren auf einigen Bänken. Hr. v. Golbery: „Das heißt: Frankreich dem Ausland opfern.“) Ich sage nicht, wie groß die Opfer seyn werden; ich darf dieß nicht sagen, denn ich würde sonst einen Vertrag auf der Tribune improvisiren, und dazu ist hier nicht der Ort. Ich habe nur die Hauptpunkte angedeutet. Uebrigens ist die Kammer zu aufgeklärt, um nicht einzusehen: es hieße der Welt ein lächerliches Schauspiel geben, wollte eine Versammlung von fremden Mächten Opfer hinsichtlich ihrer Zölle verlangen, ohne deren ebenfalls zu bringen. Ich benachrichtige also die Kammer, daß die Regierung unterhandelt. Sie wird die französischen Interessen so viel als möglich dabei zu fördern suchen; aber ich wiederhole: man erlangt nichts, ohne etwas dagegen zu geben. (Beifall.“ In derselben Sitzung erklärte der Handelsminister Hr. Gouin, der Gesetzesentwurf über das Zollwesen sey beinahe vollendet und werde in wenigen Tagen der Kammer vorgelegt. Man habe damit nur etwas gezögert, um die Resultate der Unterhandlungen mit England in den Entwurf noch mit aufnehmen zu können. (Temps.) Der Conseilpräsident hat nicht ohne Ursache an das Gesetz der Gerechtigkeit, das die Grundlage jedes möglichen Tractats ist, erinnert. Nichts ist in der That, selbst im Parlament, so leicht, als klagen und fordern, nichts ist aber so schwierig, als die Opfer, die man für das, was man gewinnen will, bringen muß. Bisher hat die Deputirtenkammer, durch zahlreiche Interessen gespalten, die sich in ihr den Einfluß streitig machen und sich gegenseitig durch Rivalität neutralisiren, kaum begriffen, daß das allgemeine Interesse des Landes bei Handels- und industriellen, wie bei allen andern Fragen zuerst zu berücksichtigen sey. Fast immer haben sich Privatinteressen im Conflict festgehalten, und sich selten zu Concessionen verstanden. Es ist zu wünschen, daß endlich die ministerielle Initiative die Kammer in eine großherzigere Bahn einführe, und die so lange durch Privategoismus gelähmte Thätigkeit der Regierung mehr Freiheit und Energie gewinne, und durch Erreichung positiver Resultate die ganze verlorne Zeit wieder gut macht. _ Paris, 26 April. Die gestrige Verhandlung in der Deputirtenkammer wird auch für Deutschland von Interesse seyn, weil sie beweist, erstens, daß der große Zollverein, der den bedeutendsten Theil von Deutschland umschlingt, auch von Frankreich nach seiner ganzen Wichtigkeit gewürdigt wird, zweitens, daß der Präsident des Ministeriums in den Verhältnissen, die das Ausland berühren, den Begriffen einer gesunden Politik und des Völkerrechts mit unumwundener Geradheit selbst da huldigt, wo seine Offenheit von den Beängstigungen des materiellen Interesses seiner eigenen Nation mißkannt werden könnte. Eine Bittschrift an die Kammer lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf den deutschen Zollverein, und gibt zu verstehen, daß die Regierung diese Verbindung wohl hätte verhindern sollen, weil sie dem französischen Handel und der französischen Industrie schädlich sey. Sie sehen, das war so recht ein Feld, auf welchem sich der alte, der kaiserliche Nationalsinn herumtummeln und die salbungsvollsten Redensarten anbringen konnte. Es scheint, und wahrlich das ist kein geringes Lob der neuen Verwaltung, daß wir von diesem abgenützten Rüstzeuge einer andern, einer überlebten Zeit endlich befreit seyn sollen. Der Ministerpräsident hat sehr bündig und klar in seiner Rede ausgesprochen, daß es ein unstatthafter Gedanke sey, Deutschland an der Wahrung seines wohlverstandenen Interesses aus dem Grunde abhalten zu wollen, weil dieses deutsche Interesse auf das französische vielleicht nachtheilig rückwirken konnte. Was jetzt zu thun bleibt, ist eine Verständigung, eine loyale, durch wechselseitiges Geben und Empfanben, das heißt also nöthigenfalls durch Bewilligungen und Zugeständnisse zu treffende Uebereinkunft mit dem deutschen Zollverein. In dieser Beziehung wird das Ministerium dem nationalen Interesse, wie den Erheischungen des Rechts getreu, die zweckmäßigsten Vorschläge machen und verfolgen. Solche Sprache ziemt allein in dem heutigen Zustande der europäischen Politik, sie ziemt besonders dem Minister eines mächtigen und geachteten Landes wie Frankreich, und wir möchten sagen, sie ehrt ihn gerade in dem Verhältnisse seines größern politischen Ansehens. – Ein anderes merkwürdiges Ergebniß der gestrigen Sitzung ist die Bildung der neun Bureaux behufs der Petitionen. Die Mitglieder der linken Seite sind in solcher Mehrheit zu Präsidenten und Secretären dieser Bureaux erwählt worden, daß die Sitzungen der Kammer seit 1830 keine ähnliche Thatsache aufweisen können. Auch etwas sehr Neckisches ist vorgekommen: in die große Deputation, die den König an seinem Namenstage, 1 Mai, becomplimentiren soll, wurden ernannt: Laffitte und Arago! beide, der Präsident und der Secretär des Comité's der Wahlreformgesellschaft. Seit 1832, dem Belagerungszustand von Paris, sind die beiden Namen ungewöhnte Gäste im königlichen Schlosse geworden. – Aus einem Artikel des Temps von heute können Sie entnehmen, daß die preußisch-belgische Eisenbahn den Franzosen einige Besorgniß einflößt; sie mögen nicht Unrecht haben. Belgien. _ Brüssel, 23 April. Das neue Ministerium hat seine parlamentarische Amtsführung gestern mit einer Erklärung eröffnet, die als sein politisches Programm anzusehen ist. Es beschränkt sich durchgehends auf die gewöhnlichen constitutionellen Allgemeinheiten, denen hernach jede Partei ihre eigene Deutung zu geben weiß. Bemerkenswerth indessen ist die Sorgfalt, womit der Minister des Innern, Hr. Liedts, gleich anfangs die Katholiken wegen des Geistes, worin der Volksunterricht von Staatswegen organisirt werden soll, zu beruhigen sucht. „Den Familienvätern, heißt es, werde die vollständigste Bürgschaft einer moralischen und religiösen Erziehung gewährt werden.“ Das Wie dieser Gewährung wird der Stein des Anstoßes seyn, denn die Partei, die bis jetzt das neue Ministerium am lebhaftesten bewillkommt, möchte gerne nur eine scheinbare Garantie dieser Art gewähren, in der That aber die auf Staatskosten, d. h. auf Kosten sämmtlicher Steuerpflichtigen zu gründenden mittleren und Volksschulen zu Oppositionsinstituten gegen die auf allen Punkten des Landes von den Katholiken aus dem Ertrage freiwilliger Beiträge gegründeten Schulen organisiren. Diese Tendenz ist aus einer Reihe von Aufsätzen, welche sie seit Jahren in Blättern und Broschüren geliefert, zu deutlich hervorgegangen, als daß sie sich versprechen dürfte, jetzt über ihre eigentliche Absicht äuschen zu können. Will nun das

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840, S. 0971. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_122_18400501/3>, abgerufen am 24.11.2024.