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Allgemeine Zeitung. Nr. 115. Augsburg, 24. April 1840.

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Auersperg in seiner höchsten poetischen Begeisterung sich je erlaubt, und die Whigs sind in frühern Zeiten noch weiter gegangen - hat sie das aus der Nähe des Monarchen verbannt? - Die deutschen Liberalen verwechseln so gern den Begriff der Opposition mit dem der Demagogie; und bei allem wirklichen oder affectirten Franzosenhaß incliniren sie doch weit mehr zu den Revolutionssprüngen unserer überrheinischen Nachbarn als zu dem ruhigen Reformschritt unserer angelsächsischen Stammesverwandten. Lassen wir den Grafen Auersperg immerhin sich um den Kammerherrnschlüssel bewerben - bis jetzt ist es noch nicht geschehen - und warten lieber die Herausgabe seiner neuesten Dichtung: "Der Mönch vom Kahlenberg" ab, welche leider bis jetzt noch nicht erfolgt ist.

"Der als lyrischer und epischer Dichter wohlbekannte Dr. Ludwig August Frankl hat sich ein schönes Verdienst durch die Herausgabe der hinterlassenen Dichtungen Hilschers erworben. Dieser Hilscher ist wohl eine der merkwürdigsten poetischen Abnormitäten unserer Zeit. Man denke sich einen gemeinen österreichischen Soldaten, der in kalten Winternächten, während er Wache steht, den Byron recitirt und Strophe für Strophe in die schönsten Verse übersetzt, die je die Gedanken eines fremdländischen Dichters in deutscher Zunge wiedergaben. "Auf meiner Rückreise von Rom nach Neapel, erzählt Frankl, im Frühling 1837 kam ich nach Mailand. Es war meine erste Beschäftigung, unter der dortigen Garnison den Fourier Hilscher aufzusuchen; denn aus einigen Gedichten war er mir als ein bedeutsames Talent bekannt worden, und die wenigen Mittheilungen über seine Persönlichkeit und seine Lage machten mir ihn immer interessanter. Ich lernte einen Menschen kennen, der, wäre bei seiner Geburt die Constellation günstig gewesen, mit seinem Talent weithin geglänzt hätte; allein das Soldatenkind steckte unter dem Militär, Niemand suchte in der Caserne einen Dichter, der gemeine Soldat konnte nicht aus der Fronte heraustreten, und der gleichgeformte Tschako verdeckte seinen blitzenden Genius wie andere gewöhnliche Köpfe; er verkümmerte. Nicht das Exerciren, nicht das Flintenputzen, nicht das Commißbrod war seinem Aufstreben ein unbesiegbares Hinderniß; aber die zwiespaltige Stellung zur Gesellschaft, zu seiner Umgebung entnervte ihm Kopf und Herz, machte seine Phantasie und sein Gefühl erbleichen. Der Corporal - ein Dichter! Man spottete, man lächelte, dann flüsterte man: nicht übel, recht hübsch, endlich klopfte man dem Soldaten auf die Schulter, hieß ihn Freund, aber natürlich unter vier Augen, während man ihn öffentlich nach seinem untergeordneten Rang behandelte; man protegirte ihn, aber mit jener Vornehmheit, mit jener Anmaßung, die das Herz vergiftet und den Geist demüthigt.

"Hilscher wurde 1804 zu Leitmeriz in Böhmen geboren, woselbst sein Vater Regimentsprofoß war. In seinem achtzehnten Jahre kam er als Gemeiner zum Militär. Ein ungemeiner Hang, sich zu belehren, wurde durch einen seiner Cameraden Namens Dahl noch mehr genährt. Dieser Dahl war gleichfalls eine jener Abnormitäten, welche die österreichische Armee durch ihre weiße Uniform nivellirt. Bald nach Kotzebue's Tode nämlich kam nach Laibach ein Mann, der sich als Gemeiner anwerben ließ. Er nannte sich Friedrich Dahl, und gab vor, aus Frankfurt an der Oder gebürtig zu seyn. Seine großen Kenntnisse in den meisten militärischen Fächern, vorzüglich in der Mathematik, zeigten bald, daß man es hier mit keinem gewöhnlichen Menschen zu thun habe. Dahl war überdieß mit allen modernen Sprachen vertraut, hatte den größten Theil Europa's bereist; alles dieß ließ ahnen, daß ein ganz besonderes Geheimniß hier im Spiele seyn müsse. Die Achtung vor Dahls Kenntnissen ging auch so weit, daß man ihn bis zum Rang - eines Corporals erhob. Später wurde er wegen eines bedeutenden Subordinationsfehlers wieder zum Gemeinen degradirt; nach der Veröffentlichung dieses Urtheils ging Dahl in den Profoßenarrest zurück, verrammelte die Thüre, und tödtete sich durch einen Schuß seines Gewehrs. Obgleich Dahls wirklicher Name nie ermittelt werden konnte, so führten doch alle Umstände zur Ueberzeugung, daß er früher preußischer Officier gewesen sey; er selbst gestand ein, daß er ein Freund Sands und mit in das Attentat gegen Kotzebue verflochten gewesen. Dieser Dahl hatte auf Hilscher den meisten Einfluß; er unterrichtete ihn, und nährte den Trieb und das Talent zur Poesie in ihm, welche ihn für die Leerheit und Geistlosigkeit seiner Umgebung entschädigte. Aber eben dieser Conflict der äußern und innern Welt zehrte ihn auf. Eine unglückliche Liebe und das tragische Ende seines einzigen Freundes vermehrten noch die angeborne Melancholie Hilschers, und diese Lebensstimmung spricht sich in allen den Gedichten aus, die Frankl nun dem Publi um mittheilt. Diese Stimmung war es, welche an seinem innersten Mark nagte, und in Mitte der lachenden Fluren Italiens steht nun das Grab eines deutschen Poeten. Auf dem stillen Militärfriedhof San Giovanino in Mailand ist der österreichische Soldat und deutsche Dichter Joseph Emanuel Hilscher am 5 November 1837, von wenigen Personen geleitet, zur ewigen Garnison eingegangen. Das Publicum aber erhält nun eine Sammlung von Liedern und Nachdichtungen, wovon namentlich die letzteren schwerlich ihresgleichen haben möchten, und ich darf es auf die Autorität eines wohlbekannten deutschen Uebersetzers des Byron wagen, Hilschers Uebertragung des Manfred als unerreicht anzupreisen."

Die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer.

(Beschluß.)

Die Chinesen hatten niemals die Absicht, außerhalb der von der Natur gezogenen Gränzen ihres Reiches Eroberungen zu machen. Nur der Zufall und die Nothwendigkeit, sich selbst zu vertheidigen, machten sie im Laufe der Zeit zu Herren einiger der benachbarten Länder und Inseln. Dieß war auch mit Tai wan der Fall. In der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hatten chinesische Seeräuber einiger Bezirke von Tai wan sich bemächtigt, machten von hier aus das ganze südliche chinesische Meer unsicher, und nicht selten landeten sie an den Südküsten des Reichs und begingen hier die furchtbarsten Grausamkeiten. Diese Seeräuber hatten auch von der Gruppe Pong hu Besitz genommen, und es mußten nun die Ming, welche damals noch den Thron China's inne hatten, Alles aufbieten, um die südlichen Gewässer von den Piraten zu reinigen. Diese Unternehmung fiel glücklich aus. Pong hu ward (1564) wiederum erobert, und auch die Schlupfwinkel der Piraten auf Formosa wurden zerstört. Man dachte bereits zu dieser Zeit daran, sich der ganzen Insel zu bemächtigen, was aber bei dem damaligen zerrütteten Zustande des Reichs nicht möglich war. Man war genöthigt, nach andern Richtungen hin gegen die aufkeimende Macht der Mandschu, wie gegen die Japaner, welche sich der nördlichen Kreise des Landes bemächtigt hatten, alle Kräfte des Reiches aufzubieten. Unter solchen Umständen kamen die Japaner den Chinesen auch in der Besetzung Formosa's zuvor, wo sie gegen das Jahr 1620 landeten und alle Vorbereitungen trafen sich daselbst bleibend niederzulassen. Ungefähr zu derselben Zeit bemächtigten sich auch die Holländer, mit Erlaubniß der Japaner, einiger Küstenstriche,

Auersperg in seiner höchsten poetischen Begeisterung sich je erlaubt, und die Whigs sind in frühern Zeiten noch weiter gegangen – hat sie das aus der Nähe des Monarchen verbannt? – Die deutschen Liberalen verwechseln so gern den Begriff der Opposition mit dem der Demagogie; und bei allem wirklichen oder affectirten Franzosenhaß incliniren sie doch weit mehr zu den Revolutionssprüngen unserer überrheinischen Nachbarn als zu dem ruhigen Reformschritt unserer angelsächsischen Stammesverwandten. Lassen wir den Grafen Auersperg immerhin sich um den Kammerherrnschlüssel bewerben – bis jetzt ist es noch nicht geschehen – und warten lieber die Herausgabe seiner neuesten Dichtung: „Der Mönch vom Kahlenberg“ ab, welche leider bis jetzt noch nicht erfolgt ist.

„Der als lyrischer und epischer Dichter wohlbekannte Dr. Ludwig August Frankl hat sich ein schönes Verdienst durch die Herausgabe der hinterlassenen Dichtungen Hilschers erworben. Dieser Hilscher ist wohl eine der merkwürdigsten poetischen Abnormitäten unserer Zeit. Man denke sich einen gemeinen österreichischen Soldaten, der in kalten Winternächten, während er Wache steht, den Byron recitirt und Strophe für Strophe in die schönsten Verse übersetzt, die je die Gedanken eines fremdländischen Dichters in deutscher Zunge wiedergaben. „Auf meiner Rückreise von Rom nach Neapel, erzählt Frankl, im Frühling 1837 kam ich nach Mailand. Es war meine erste Beschäftigung, unter der dortigen Garnison den Fourier Hilscher aufzusuchen; denn aus einigen Gedichten war er mir als ein bedeutsames Talent bekannt worden, und die wenigen Mittheilungen über seine Persönlichkeit und seine Lage machten mir ihn immer interessanter. Ich lernte einen Menschen kennen, der, wäre bei seiner Geburt die Constellation günstig gewesen, mit seinem Talent weithin geglänzt hätte; allein das Soldatenkind steckte unter dem Militär, Niemand suchte in der Caserne einen Dichter, der gemeine Soldat konnte nicht aus der Fronte heraustreten, und der gleichgeformte Tschako verdeckte seinen blitzenden Genius wie andere gewöhnliche Köpfe; er verkümmerte. Nicht das Exerciren, nicht das Flintenputzen, nicht das Commißbrod war seinem Aufstreben ein unbesiegbares Hinderniß; aber die zwiespaltige Stellung zur Gesellschaft, zu seiner Umgebung entnervte ihm Kopf und Herz, machte seine Phantasie und sein Gefühl erbleichen. Der Corporal – ein Dichter! Man spottete, man lächelte, dann flüsterte man: nicht übel, recht hübsch, endlich klopfte man dem Soldaten auf die Schulter, hieß ihn Freund, aber natürlich unter vier Augen, während man ihn öffentlich nach seinem untergeordneten Rang behandelte; man protegirte ihn, aber mit jener Vornehmheit, mit jener Anmaßung, die das Herz vergiftet und den Geist demüthigt.

„Hilscher wurde 1804 zu Leitmeriz in Böhmen geboren, woselbst sein Vater Regimentsprofoß war. In seinem achtzehnten Jahre kam er als Gemeiner zum Militär. Ein ungemeiner Hang, sich zu belehren, wurde durch einen seiner Cameraden Namens Dahl noch mehr genährt. Dieser Dahl war gleichfalls eine jener Abnormitäten, welche die österreichische Armee durch ihre weiße Uniform nivellirt. Bald nach Kotzebue's Tode nämlich kam nach Laibach ein Mann, der sich als Gemeiner anwerben ließ. Er nannte sich Friedrich Dahl, und gab vor, aus Frankfurt an der Oder gebürtig zu seyn. Seine großen Kenntnisse in den meisten militärischen Fächern, vorzüglich in der Mathematik, zeigten bald, daß man es hier mit keinem gewöhnlichen Menschen zu thun habe. Dahl war überdieß mit allen modernen Sprachen vertraut, hatte den größten Theil Europa's bereist; alles dieß ließ ahnen, daß ein ganz besonderes Geheimniß hier im Spiele seyn müsse. Die Achtung vor Dahls Kenntnissen ging auch so weit, daß man ihn bis zum Rang – eines Corporals erhob. Später wurde er wegen eines bedeutenden Subordinationsfehlers wieder zum Gemeinen degradirt; nach der Veröffentlichung dieses Urtheils ging Dahl in den Profoßenarrest zurück, verrammelte die Thüre, und tödtete sich durch einen Schuß seines Gewehrs. Obgleich Dahls wirklicher Name nie ermittelt werden konnte, so führten doch alle Umstände zur Ueberzeugung, daß er früher preußischer Officier gewesen sey; er selbst gestand ein, daß er ein Freund Sands und mit in das Attentat gegen Kotzebue verflochten gewesen. Dieser Dahl hatte auf Hilscher den meisten Einfluß; er unterrichtete ihn, und nährte den Trieb und das Talent zur Poesie in ihm, welche ihn für die Leerheit und Geistlosigkeit seiner Umgebung entschädigte. Aber eben dieser Conflict der äußern und innern Welt zehrte ihn auf. Eine unglückliche Liebe und das tragische Ende seines einzigen Freundes vermehrten noch die angeborne Melancholie Hilschers, und diese Lebensstimmung spricht sich in allen den Gedichten aus, die Frankl nun dem Publi um mittheilt. Diese Stimmung war es, welche an seinem innersten Mark nagte, und in Mitte der lachenden Fluren Italiens steht nun das Grab eines deutschen Poeten. Auf dem stillen Militärfriedhof San Giovanino in Mailand ist der österreichische Soldat und deutsche Dichter Joseph Emanuel Hilscher am 5 November 1837, von wenigen Personen geleitet, zur ewigen Garnison eingegangen. Das Publicum aber erhält nun eine Sammlung von Liedern und Nachdichtungen, wovon namentlich die letzteren schwerlich ihresgleichen haben möchten, und ich darf es auf die Autorität eines wohlbekannten deutschen Uebersetzers des Byron wagen, Hilschers Uebertragung des Manfred als unerreicht anzupreisen.“

Die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer.

(Beschluß.)

Die Chinesen hatten niemals die Absicht, außerhalb der von der Natur gezogenen Gränzen ihres Reiches Eroberungen zu machen. Nur der Zufall und die Nothwendigkeit, sich selbst zu vertheidigen, machten sie im Laufe der Zeit zu Herren einiger der benachbarten Länder und Inseln. Dieß war auch mit Tai wan der Fall. In der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hatten chinesische Seeräuber einiger Bezirke von Tai wan sich bemächtigt, machten von hier aus das ganze südliche chinesische Meer unsicher, und nicht selten landeten sie an den Südküsten des Reichs und begingen hier die furchtbarsten Grausamkeiten. Diese Seeräuber hatten auch von der Gruppe Pong hu Besitz genommen, und es mußten nun die Ming, welche damals noch den Thron China's inne hatten, Alles aufbieten, um die südlichen Gewässer von den Piraten zu reinigen. Diese Unternehmung fiel glücklich aus. Pong hu ward (1564) wiederum erobert, und auch die Schlupfwinkel der Piraten auf Formosa wurden zerstört. Man dachte bereits zu dieser Zeit daran, sich der ganzen Insel zu bemächtigen, was aber bei dem damaligen zerrütteten Zustande des Reichs nicht möglich war. Man war genöthigt, nach andern Richtungen hin gegen die aufkeimende Macht der Mandschu, wie gegen die Japaner, welche sich der nördlichen Kreise des Landes bemächtigt hatten, alle Kräfte des Reiches aufzubieten. Unter solchen Umständen kamen die Japaner den Chinesen auch in der Besetzung Formosa's zuvor, wo sie gegen das Jahr 1620 landeten und alle Vorbereitungen trafen sich daselbst bleibend niederzulassen. Ungefähr zu derselben Zeit bemächtigten sich auch die Holländer, mit Erlaubniß der Japaner, einiger Küstenstriche,

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[0916/0012] Auersperg in seiner höchsten poetischen Begeisterung sich je erlaubt, und die Whigs sind in frühern Zeiten noch weiter gegangen – hat sie das aus der Nähe des Monarchen verbannt? – Die deutschen Liberalen verwechseln so gern den Begriff der Opposition mit dem der Demagogie; und bei allem wirklichen oder affectirten Franzosenhaß incliniren sie doch weit mehr zu den Revolutionssprüngen unserer überrheinischen Nachbarn als zu dem ruhigen Reformschritt unserer angelsächsischen Stammesverwandten. Lassen wir den Grafen Auersperg immerhin sich um den Kammerherrnschlüssel bewerben – bis jetzt ist es noch nicht geschehen – und warten lieber die Herausgabe seiner neuesten Dichtung: „Der Mönch vom Kahlenberg“ ab, welche leider bis jetzt noch nicht erfolgt ist. „Der als lyrischer und epischer Dichter wohlbekannte Dr. Ludwig August Frankl hat sich ein schönes Verdienst durch die Herausgabe der hinterlassenen Dichtungen Hilschers erworben. Dieser Hilscher ist wohl eine der merkwürdigsten poetischen Abnormitäten unserer Zeit. Man denke sich einen gemeinen österreichischen Soldaten, der in kalten Winternächten, während er Wache steht, den Byron recitirt und Strophe für Strophe in die schönsten Verse übersetzt, die je die Gedanken eines fremdländischen Dichters in deutscher Zunge wiedergaben. „Auf meiner Rückreise von Rom nach Neapel, erzählt Frankl, im Frühling 1837 kam ich nach Mailand. Es war meine erste Beschäftigung, unter der dortigen Garnison den Fourier Hilscher aufzusuchen; denn aus einigen Gedichten war er mir als ein bedeutsames Talent bekannt worden, und die wenigen Mittheilungen über seine Persönlichkeit und seine Lage machten mir ihn immer interessanter. Ich lernte einen Menschen kennen, der, wäre bei seiner Geburt die Constellation günstig gewesen, mit seinem Talent weithin geglänzt hätte; allein das Soldatenkind steckte unter dem Militär, Niemand suchte in der Caserne einen Dichter, der gemeine Soldat konnte nicht aus der Fronte heraustreten, und der gleichgeformte Tschako verdeckte seinen blitzenden Genius wie andere gewöhnliche Köpfe; er verkümmerte. Nicht das Exerciren, nicht das Flintenputzen, nicht das Commißbrod war seinem Aufstreben ein unbesiegbares Hinderniß; aber die zwiespaltige Stellung zur Gesellschaft, zu seiner Umgebung entnervte ihm Kopf und Herz, machte seine Phantasie und sein Gefühl erbleichen. Der Corporal – ein Dichter! Man spottete, man lächelte, dann flüsterte man: nicht übel, recht hübsch, endlich klopfte man dem Soldaten auf die Schulter, hieß ihn Freund, aber natürlich unter vier Augen, während man ihn öffentlich nach seinem untergeordneten Rang behandelte; man protegirte ihn, aber mit jener Vornehmheit, mit jener Anmaßung, die das Herz vergiftet und den Geist demüthigt. „Hilscher wurde 1804 zu Leitmeriz in Böhmen geboren, woselbst sein Vater Regimentsprofoß war. In seinem achtzehnten Jahre kam er als Gemeiner zum Militär. Ein ungemeiner Hang, sich zu belehren, wurde durch einen seiner Cameraden Namens Dahl noch mehr genährt. Dieser Dahl war gleichfalls eine jener Abnormitäten, welche die österreichische Armee durch ihre weiße Uniform nivellirt. Bald nach Kotzebue's Tode nämlich kam nach Laibach ein Mann, der sich als Gemeiner anwerben ließ. Er nannte sich Friedrich Dahl, und gab vor, aus Frankfurt an der Oder gebürtig zu seyn. Seine großen Kenntnisse in den meisten militärischen Fächern, vorzüglich in der Mathematik, zeigten bald, daß man es hier mit keinem gewöhnlichen Menschen zu thun habe. Dahl war überdieß mit allen modernen Sprachen vertraut, hatte den größten Theil Europa's bereist; alles dieß ließ ahnen, daß ein ganz besonderes Geheimniß hier im Spiele seyn müsse. Die Achtung vor Dahls Kenntnissen ging auch so weit, daß man ihn bis zum Rang – eines Corporals erhob. Später wurde er wegen eines bedeutenden Subordinationsfehlers wieder zum Gemeinen degradirt; nach der Veröffentlichung dieses Urtheils ging Dahl in den Profoßenarrest zurück, verrammelte die Thüre, und tödtete sich durch einen Schuß seines Gewehrs. Obgleich Dahls wirklicher Name nie ermittelt werden konnte, so führten doch alle Umstände zur Ueberzeugung, daß er früher preußischer Officier gewesen sey; er selbst gestand ein, daß er ein Freund Sands und mit in das Attentat gegen Kotzebue verflochten gewesen. Dieser Dahl hatte auf Hilscher den meisten Einfluß; er unterrichtete ihn, und nährte den Trieb und das Talent zur Poesie in ihm, welche ihn für die Leerheit und Geistlosigkeit seiner Umgebung entschädigte. Aber eben dieser Conflict der äußern und innern Welt zehrte ihn auf. Eine unglückliche Liebe und das tragische Ende seines einzigen Freundes vermehrten noch die angeborne Melancholie Hilschers, und diese Lebensstimmung spricht sich in allen den Gedichten aus, die Frankl nun dem Publi um mittheilt. Diese Stimmung war es, welche an seinem innersten Mark nagte, und in Mitte der lachenden Fluren Italiens steht nun das Grab eines deutschen Poeten. Auf dem stillen Militärfriedhof San Giovanino in Mailand ist der österreichische Soldat und deutsche Dichter Joseph Emanuel Hilscher am 5 November 1837, von wenigen Personen geleitet, zur ewigen Garnison eingegangen. Das Publicum aber erhält nun eine Sammlung von Liedern und Nachdichtungen, wovon namentlich die letzteren schwerlich ihresgleichen haben möchten, und ich darf es auf die Autorität eines wohlbekannten deutschen Uebersetzers des Byron wagen, Hilschers Uebertragung des Manfred als unerreicht anzupreisen.“ Die südöstlich von China gelegenen Inselgruppen und ihre Colonisirung durch die Engländer. (Beschluß.) Die Chinesen hatten niemals die Absicht, außerhalb der von der Natur gezogenen Gränzen ihres Reiches Eroberungen zu machen. Nur der Zufall und die Nothwendigkeit, sich selbst zu vertheidigen, machten sie im Laufe der Zeit zu Herren einiger der benachbarten Länder und Inseln. Dieß war auch mit Tai wan der Fall. In der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hatten chinesische Seeräuber einiger Bezirke von Tai wan sich bemächtigt, machten von hier aus das ganze südliche chinesische Meer unsicher, und nicht selten landeten sie an den Südküsten des Reichs und begingen hier die furchtbarsten Grausamkeiten. Diese Seeräuber hatten auch von der Gruppe Pong hu Besitz genommen, und es mußten nun die Ming, welche damals noch den Thron China's inne hatten, Alles aufbieten, um die südlichen Gewässer von den Piraten zu reinigen. Diese Unternehmung fiel glücklich aus. Pong hu ward (1564) wiederum erobert, und auch die Schlupfwinkel der Piraten auf Formosa wurden zerstört. Man dachte bereits zu dieser Zeit daran, sich der ganzen Insel zu bemächtigen, was aber bei dem damaligen zerrütteten Zustande des Reichs nicht möglich war. Man war genöthigt, nach andern Richtungen hin gegen die aufkeimende Macht der Mandschu, wie gegen die Japaner, welche sich der nördlichen Kreise des Landes bemächtigt hatten, alle Kräfte des Reiches aufzubieten. Unter solchen Umständen kamen die Japaner den Chinesen auch in der Besetzung Formosa's zuvor, wo sie gegen das Jahr 1620 landeten und alle Vorbereitungen trafen sich daselbst bleibend niederzulassen. Ungefähr zu derselben Zeit bemächtigten sich auch die Holländer, mit Erlaubniß der Japaner, einiger Küstenstriche,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 115. Augsburg, 24. April 1840, S. 0916. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_115_18400424/12>, abgerufen am 30.04.2024.