Allgemeine Zeitung. Nr. 112. Augsburg, 21. April 1840. London, 13 April. Wer den beharrlichen Willen des Kaisers Nicolaus kennt, zweifelt nicht, daß die Unternehmungen gegen Chiwa bald wieder aufgenommen werden dürften. Auch weiß man bereits, daß der Plan der russischen Politik weit über Chiwa hinaus reichte. Die Nachrichten, die hier eingegangen sind, fanden daher das englische Ministerconseil nicht unvorbereitet. Es soll nämlich eine neue Expedition nach den Oxusländern in St. Petersburg beabsichtigt werden. Hierauf hatten die in letzter Zeit dem Baron Brunnow gemachten Erklärungen Beziehung. Sie bestehen im Wesentlichen darin, daß das ostindische Gouvernement, im Fall einer ferneren Beharrung Rußlands auf den gefaßten Planen, nicht säumen werde, eine imposante Truppenmacht nach dem Oxus zu senden und die wichtigsten Punkte daselbst militärisch zu besetzen. Unter diesen Punkten nenne ich Balch als den wichtigsten. Ueberhaupt würde Rußland, seinen wie immer gearteten Plan nie zur Ausführung zu bringen im Stande seyn, ohne auf die ostindischen Sipahis zu treffen. Hierin trifft die öffentliche mit der ministeriellen Meinung ohne Zweifel zusammen; nicht so ganz aber in Bezug auf die neapolitanischen Differenzen hinsichtlich des Schwefelmonopols oder vielmehr hinsichtlich der Coercitivmaaßregeln, die wahrscheinlich in diesem Augenblick an den Küsten der beiden Sicilien zur Ausführung gebracht werden. Die Instructionen, die dem Admiral Stopford in dieser Angelegenheit ertheilt worden, gehen dahin, daß sobald Hr. Temple die friedlichen Mittel der Unterhandlung erschöpft habe, der Admiral alle neapolitanischen Schiffe aufzubringen und ohne Verzug zu verkaufen habe. Das davon gelöste Geld ist zur Entschädigung jener englischen Unterthanen bestimmt, die durch das Monopol erwiesenermaßen Schaden gelitten haben. Die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der von England an den König von Neapel erhobenen Anforderungen dreht sich rein um die Frage: bezieht sich das Monopol auf die Ausbeutung der Schwefelminen oder auf den Export des Schwefels. Hier wird das letztere behauptet und dieß im Widerspruche mit früher von Neapel gegen Großbritannien eingegangenen Verbindlichkeiten gefunden. Es wird ferner geglaubt, daß die Verpachtung der Schwefelzölle an die französische Compagnie das persönliche Interesse des Königs mit betrifft, welches man auch auf ein Drittel des ganzen Gewinns anschlägt. Nichtsdestoweniger gibt es Viele, die das Benehmen Lord Palmerstons und die heftigen Maaßregeln, zu denen der Lord eine besondere Vorliebe zu hegen scheint, tadeln, weil man die Folgen befürchtet und Besorgnisse äußert, daß das Verfahren der Engländer an den sicilianischen Küsten leicht anderwärtige Bewegungen in Italien hervorbringe, was die andern Staaten Italiens unangenehm berühren müßte, und so zu Conflicten Veranlassung geben könnte, deren Ergebnisse der edle Lord nicht hinlänglich bedacht zu haben scheint. Frankreich. Paris, 16 April. Eine Bekanntmachung des Finanzministers über die Etats der Einnahmen von den indirecten Abgaben der drei ersten Monate von 1840in Vergleichung mit derselben Periode von 1838 und 1839 gibt gegen 1838 eine Zunahme von 16,414,000 Fr., gegen 1839 nur eine Zunahme von 11,608,000 Fr. (Schluß der Pairskammersitzung vom 15 Apr.) Nach dem Minister des öffentlichen Unterrichts nahm Hr. Viennet das Wort. Gleich dem Herzog von Noailles habe er gar kein Vertrauen in die Politik Englands; dieses habe übrigens Recht, daß es immer sein eigenes Interesse im Aug habe. Die Franzosen sollten es hierin nachahmen. Englands Beispiel sollte die Franzosen von der sentimentalen Politik heilen, welche schon so viel Blut, so viele Millionen gekostet. Indessen, fügte der Redner bei, hätten die Erklärungen, welche der Ministerpräsident über die Politik gegeben, die er im Orient befolgen wolle, ihn vollkommen beruhigt. Auf die innere Politik übergehend beklagte Hr. Viennet die häufige Wiederholung aufregender Discussionen. Zwar habe die Repräsentativregierung so tiefe Wurzeln auf französischem Boden geschlagen, daß es unmöglich wäre, sie auszureißen, aber trotz der Vorliebe des Landes für das Repräsentativsystem sey doch jedesmal der Zusammentritt der Kammer für das Land eine Zeit der Unruhe, des Stockens der Geschäfte. Die Masse kümmere sich weniger um die Meinungen der Minister, als um die Dauer des Ministeriums. Der Redner entwarf von dem Zustand Frankreichs, von den parlamentarischen Wirren in den letzten Jahren ein klägliches Bild. Man mache nur noch Opposition, um an die Gewalt zu gelangen, oder um sich zu rächen, daß man nicht mehr an der Gewalt sey. Die öffentlichen Beamten würden überall verleumdet; beständig suche man das Mißtrauen des Volks gegen die Gewalt zu erwecken, gegen den redlichsten, uneigennützigsten Mann erhebe man Anklagen, sobald er ein Amt angenommen. Jeder, der irgend einen Verkehr mit der Krone habe, werde ein "Höfling" gescholten; morgen könne man sehen, wie seine heutigen Worte ausgelegt würden. (Allgemeines Gelächter.) Man möge sich aber nicht täuschen lassen, denn der ganze Durchmesser der Erde stehe zwischen ihm und einem Höfling. (Gelächter.) Hr. Viennet erklärte sich übrigens für die Bewilligung der geheimen Fonds. Nach ihm sprach Hr. v. Montalembert, welcher entschieden Partei für das Ministerium nahm. Wir kommen morgen auf seine Rede zurück. [irrelevantes Material] In der Pairskammersitzung vom 16 April, am dritten Tage der Discussion, fiel endlich die Entscheidung. Auch an diesem Tage noch waren die Galerien gefüllt. Hr. v. Tascher eröffnete die Debatte, zunächst um das Widerstreben darzulegen, mit welchem die Kammer das neue Wort parlamentarisch aufnehme. Ihm folgte Hr. D'Alton-Shee, der unter dem vorigen Ministerium heftige Opposition gemacht hatte, jetzt aber dem Freimuth des Hrn. Thiers seine Anerkennung zollt, und sein volles Vertrauen auf dessen innere und äußere Politik ausspricht. Hr. Villemain wundert sich über die Unterstützung, die der Conseilpräsident von dieser Seite finde, und warnt dann vor der "despotischen Präponderanz," die hier ein einzelner Mann, von seinem Geist getragen, durch die Parteien, ja über ihnen zu erlangen drohe. - Hr. Villemain, der ausgezeichnetste Redner des letzten Ministeriums, den seine Grundsätze eigentlich dem jetzigen Cabinet verbünden sollten, macht offenbar, gleich Lamartine, eine persönliche Opposition - es ist ein Kampf der Talente um Anerkennung und Uebergewicht. Daher die scharfe Lauge, die in die Worte gegossen wird. "Ihr fordert (rief Hr. Villemain) von denen, denen ihr den Sieg eskamotirt habt, sie sollen stützen, was ihr aufgerichtet. Stützt euch selbst, das ist das wahre Mittel, parlamentarisch zu seyn!" - Der Minister des Innern, Hr. v. Remusat, antwortete. Aber auch Hr. Thiers konnte sich nicht enthalten, gegen den letzten Ausfall Villemains ein Gegenwort zu schleudern. "Die Kammer (sagte er) wird entschuldigen, wenn ich in diesem entscheidenden Augenblick noch wenige, aber offene Worte an sie richte. Seit zwei Jahren hatte man die Gewalt in die Hände einer bestimmten Parteimeinung gelegt und zwei Kammerauflösungen erfolgten, um die Gewalt in jenen Händen fest zu halten. Hat man diesen Zweck erreicht? Ich habe Se. Maj. gebeten, sich an die Mitglieder der frühern Cabinette zu wenden und erklärt, daß ich das Ministerium nur dann annehmen würde, wenn sich nirgends anderswo Elemente des London, 13 April. Wer den beharrlichen Willen des Kaisers Nicolaus kennt, zweifelt nicht, daß die Unternehmungen gegen Chiwa bald wieder aufgenommen werden dürften. Auch weiß man bereits, daß der Plan der russischen Politik weit über Chiwa hinaus reichte. Die Nachrichten, die hier eingegangen sind, fanden daher das englische Ministerconseil nicht unvorbereitet. Es soll nämlich eine neue Expedition nach den Oxusländern in St. Petersburg beabsichtigt werden. Hierauf hatten die in letzter Zeit dem Baron Brunnow gemachten Erklärungen Beziehung. Sie bestehen im Wesentlichen darin, daß das ostindische Gouvernement, im Fall einer ferneren Beharrung Rußlands auf den gefaßten Planen, nicht säumen werde, eine imposante Truppenmacht nach dem Oxus zu senden und die wichtigsten Punkte daselbst militärisch zu besetzen. Unter diesen Punkten nenne ich Balch als den wichtigsten. Ueberhaupt würde Rußland, seinen wie immer gearteten Plan nie zur Ausführung zu bringen im Stande seyn, ohne auf die ostindischen Sipahis zu treffen. Hierin trifft die öffentliche mit der ministeriellen Meinung ohne Zweifel zusammen; nicht so ganz aber in Bezug auf die neapolitanischen Differenzen hinsichtlich des Schwefelmonopols oder vielmehr hinsichtlich der Coërcitivmaaßregeln, die wahrscheinlich in diesem Augenblick an den Küsten der beiden Sicilien zur Ausführung gebracht werden. Die Instructionen, die dem Admiral Stopford in dieser Angelegenheit ertheilt worden, gehen dahin, daß sobald Hr. Temple die friedlichen Mittel der Unterhandlung erschöpft habe, der Admiral alle neapolitanischen Schiffe aufzubringen und ohne Verzug zu verkaufen habe. Das davon gelöste Geld ist zur Entschädigung jener englischen Unterthanen bestimmt, die durch das Monopol erwiesenermaßen Schaden gelitten haben. Die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der von England an den König von Neapel erhobenen Anforderungen dreht sich rein um die Frage: bezieht sich das Monopol auf die Ausbeutung der Schwefelminen oder auf den Export des Schwefels. Hier wird das letztere behauptet und dieß im Widerspruche mit früher von Neapel gegen Großbritannien eingegangenen Verbindlichkeiten gefunden. Es wird ferner geglaubt, daß die Verpachtung der Schwefelzölle an die französische Compagnie das persönliche Interesse des Königs mit betrifft, welches man auch auf ein Drittel des ganzen Gewinns anschlägt. Nichtsdestoweniger gibt es Viele, die das Benehmen Lord Palmerstons und die heftigen Maaßregeln, zu denen der Lord eine besondere Vorliebe zu hegen scheint, tadeln, weil man die Folgen befürchtet und Besorgnisse äußert, daß das Verfahren der Engländer an den sicilianischen Küsten leicht anderwärtige Bewegungen in Italien hervorbringe, was die andern Staaten Italiens unangenehm berühren müßte, und so zu Conflicten Veranlassung geben könnte, deren Ergebnisse der edle Lord nicht hinlänglich bedacht zu haben scheint. Frankreich. Paris, 16 April. Eine Bekanntmachung des Finanzministers über die Etats der Einnahmen von den indirecten Abgaben der drei ersten Monate von 1840in Vergleichung mit derselben Periode von 1838 und 1839 gibt gegen 1838 eine Zunahme von 16,414,000 Fr., gegen 1839 nur eine Zunahme von 11,608,000 Fr. (Schluß der Pairskammersitzung vom 15 Apr.) Nach dem Minister des öffentlichen Unterrichts nahm Hr. Viennet das Wort. Gleich dem Herzog von Noailles habe er gar kein Vertrauen in die Politik Englands; dieses habe übrigens Recht, daß es immer sein eigenes Interesse im Aug habe. Die Franzosen sollten es hierin nachahmen. Englands Beispiel sollte die Franzosen von der sentimentalen Politik heilen, welche schon so viel Blut, so viele Millionen gekostet. Indessen, fügte der Redner bei, hätten die Erklärungen, welche der Ministerpräsident über die Politik gegeben, die er im Orient befolgen wolle, ihn vollkommen beruhigt. Auf die innere Politik übergehend beklagte Hr. Viennet die häufige Wiederholung aufregender Discussionen. Zwar habe die Repräsentativregierung so tiefe Wurzeln auf französischem Boden geschlagen, daß es unmöglich wäre, sie auszureißen, aber trotz der Vorliebe des Landes für das Repräsentativsystem sey doch jedesmal der Zusammentritt der Kammer für das Land eine Zeit der Unruhe, des Stockens der Geschäfte. Die Masse kümmere sich weniger um die Meinungen der Minister, als um die Dauer des Ministeriums. Der Redner entwarf von dem Zustand Frankreichs, von den parlamentarischen Wirren in den letzten Jahren ein klägliches Bild. Man mache nur noch Opposition, um an die Gewalt zu gelangen, oder um sich zu rächen, daß man nicht mehr an der Gewalt sey. Die öffentlichen Beamten würden überall verleumdet; beständig suche man das Mißtrauen des Volks gegen die Gewalt zu erwecken, gegen den redlichsten, uneigennützigsten Mann erhebe man Anklagen, sobald er ein Amt angenommen. Jeder, der irgend einen Verkehr mit der Krone habe, werde ein „Höfling“ gescholten; morgen könne man sehen, wie seine heutigen Worte ausgelegt würden. (Allgemeines Gelächter.) Man möge sich aber nicht täuschen lassen, denn der ganze Durchmesser der Erde stehe zwischen ihm und einem Höfling. (Gelächter.) Hr. Viennet erklärte sich übrigens für die Bewilligung der geheimen Fonds. Nach ihm sprach Hr. v. Montalembert, welcher entschieden Partei für das Ministerium nahm. Wir kommen morgen auf seine Rede zurück. [irrelevantes Material] In der Pairskammersitzung vom 16 April, am dritten Tage der Discussion, fiel endlich die Entscheidung. Auch an diesem Tage noch waren die Galerien gefüllt. Hr. v. Tascher eröffnete die Debatte, zunächst um das Widerstreben darzulegen, mit welchem die Kammer das neue Wort parlamentarisch aufnehme. Ihm folgte Hr. D'Alton-Shee, der unter dem vorigen Ministerium heftige Opposition gemacht hatte, jetzt aber dem Freimuth des Hrn. Thiers seine Anerkennung zollt, und sein volles Vertrauen auf dessen innere und äußere Politik ausspricht. Hr. Villemain wundert sich über die Unterstützung, die der Conseilpräsident von dieser Seite finde, und warnt dann vor der „despotischen Präponderanz,“ die hier ein einzelner Mann, von seinem Geist getragen, durch die Parteien, ja über ihnen zu erlangen drohe. – Hr. Villemain, der ausgezeichnetste Redner des letzten Ministeriums, den seine Grundsätze eigentlich dem jetzigen Cabinet verbünden sollten, macht offenbar, gleich Lamartine, eine persönliche Opposition – es ist ein Kampf der Talente um Anerkennung und Uebergewicht. Daher die scharfe Lauge, die in die Worte gegossen wird. „Ihr fordert (rief Hr. Villemain) von denen, denen ihr den Sieg eskamotirt habt, sie sollen stützen, was ihr aufgerichtet. Stützt euch selbst, das ist das wahre Mittel, parlamentarisch zu seyn!“ – Der Minister des Innern, Hr. v. Rémusat, antwortete. Aber auch Hr. Thiers konnte sich nicht enthalten, gegen den letzten Ausfall Villemains ein Gegenwort zu schleudern. „Die Kammer (sagte er) wird entschuldigen, wenn ich in diesem entscheidenden Augenblick noch wenige, aber offene Worte an sie richte. Seit zwei Jahren hatte man die Gewalt in die Hände einer bestimmten Parteimeinung gelegt und zwei Kammerauflösungen erfolgten, um die Gewalt in jenen Händen fest zu halten. 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Sie bestehen im Wesentlichen darin, daß das ostindische Gouvernement, im Fall einer ferneren Beharrung Rußlands auf den gefaßten Planen, nicht säumen werde, eine imposante Truppenmacht nach dem Oxus zu senden und die wichtigsten Punkte daselbst militärisch zu besetzen. Unter diesen Punkten nenne ich Balch als den wichtigsten. Ueberhaupt würde Rußland, seinen wie immer gearteten Plan nie zur Ausführung zu bringen im Stande seyn, ohne auf die ostindischen Sipahis zu treffen. Hierin trifft die öffentliche mit der ministeriellen Meinung ohne Zweifel zusammen; nicht so ganz aber in Bezug auf die neapolitanischen Differenzen hinsichtlich des Schwefelmonopols oder vielmehr hinsichtlich der Coërcitivmaaßregeln, die wahrscheinlich in diesem Augenblick an den Küsten der beiden Sicilien zur Ausführung gebracht werden. Die Instructionen, die dem Admiral Stopford in dieser Angelegenheit ertheilt worden, gehen dahin, daß sobald Hr. Temple die friedlichen Mittel der Unterhandlung erschöpft habe, der Admiral alle neapolitanischen Schiffe aufzubringen und ohne Verzug zu verkaufen habe. Das davon gelöste Geld ist zur Entschädigung jener englischen Unterthanen bestimmt, die durch das Monopol erwiesenermaßen Schaden gelitten haben. Die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der von England an den König von Neapel erhobenen Anforderungen dreht sich rein um die Frage: bezieht sich das Monopol auf die <hi rendition="#g">Ausbeutung</hi> der Schwefelminen oder auf den Export des Schwefels. Hier wird das letztere behauptet und dieß im Widerspruche mit früher von Neapel gegen Großbritannien eingegangenen Verbindlichkeiten gefunden. Es wird ferner geglaubt, daß die Verpachtung der Schwefelzölle an die französische Compagnie das persönliche Interesse des Königs mit betrifft, welches man auch auf ein Drittel des ganzen Gewinns anschlägt. Nichtsdestoweniger gibt es Viele, die das Benehmen Lord Palmerstons und die heftigen Maaßregeln, zu denen der Lord eine besondere Vorliebe zu hegen scheint, tadeln, weil man die Folgen befürchtet und Besorgnisse äußert, daß das Verfahren der Engländer an den sicilianischen Küsten leicht anderwärtige Bewegungen in Italien hervorbringe, was die andern Staaten Italiens unangenehm berühren müßte, und so zu Conflicten Veranlassung geben könnte, deren Ergebnisse der edle Lord nicht hinlänglich bedacht zu haben scheint.</p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 16 April.</dateline><lb/> <p>Eine Bekanntmachung des Finanzministers über die Etats der Einnahmen von den indirecten Abgaben der drei ersten Monate von 1840in Vergleichung mit derselben Periode von 1838 und 1839 gibt gegen 1838 eine Zunahme von 16,414,000 Fr., gegen 1839 nur eine Zunahme von 11,608,000 Fr.</p><lb/> <p>(Schluß der <hi rendition="#g">Pairskammersitzung</hi> vom 15 Apr.) 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Zwar habe die Repräsentativregierung so tiefe Wurzeln auf französischem Boden geschlagen, daß es unmöglich wäre, sie auszureißen, aber trotz der Vorliebe des Landes für das Repräsentativsystem sey doch jedesmal der Zusammentritt der Kammer für das Land eine Zeit der Unruhe, des Stockens der Geschäfte. Die Masse kümmere sich weniger um die Meinungen der Minister, als um die Dauer des Ministeriums. Der Redner entwarf von dem Zustand Frankreichs, von den parlamentarischen Wirren in den letzten Jahren ein klägliches Bild. Man mache nur noch Opposition, um an die Gewalt zu gelangen, oder um sich zu rächen, daß man nicht mehr an der Gewalt sey. Die öffentlichen Beamten würden überall verleumdet; beständig suche man das Mißtrauen des Volks gegen die Gewalt zu erwecken, gegen den redlichsten, uneigennützigsten Mann erhebe man Anklagen, sobald er ein Amt angenommen. Jeder, der irgend einen Verkehr mit der Krone habe, werde ein „Höfling“ gescholten; morgen könne man sehen, wie seine heutigen Worte ausgelegt würden. (Allgemeines Gelächter.) Man möge sich aber nicht täuschen lassen, denn der ganze Durchmesser der Erde stehe zwischen ihm und einem Höfling. (Gelächter.) Hr. Viennet erklärte sich übrigens für die Bewilligung der geheimen Fonds. Nach ihm sprach Hr. v. <hi rendition="#g">Montalembert</hi>, welcher entschieden Partei für das Ministerium nahm. Wir kommen morgen auf seine Rede zurück.</p><lb/> <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> In der <hi rendition="#g">Pairskammersitzung</hi> vom 16 April, am dritten Tage der Discussion, fiel endlich die Entscheidung. Auch an diesem Tage noch waren die Galerien gefüllt. Hr. v. <hi rendition="#g">Tascher</hi> eröffnete die Debatte, zunächst um das Widerstreben darzulegen, mit welchem die Kammer das neue Wort parlamentarisch aufnehme. Ihm folgte Hr. 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_ London, 13 April. Wer den beharrlichen Willen des Kaisers Nicolaus kennt, zweifelt nicht, daß die Unternehmungen gegen Chiwa bald wieder aufgenommen werden dürften. Auch weiß man bereits, daß der Plan der russischen Politik weit über Chiwa hinaus reichte. Die Nachrichten, die hier eingegangen sind, fanden daher das englische Ministerconseil nicht unvorbereitet. Es soll nämlich eine neue Expedition nach den Oxusländern in St. Petersburg beabsichtigt werden. Hierauf hatten die in letzter Zeit dem Baron Brunnow gemachten Erklärungen Beziehung. Sie bestehen im Wesentlichen darin, daß das ostindische Gouvernement, im Fall einer ferneren Beharrung Rußlands auf den gefaßten Planen, nicht säumen werde, eine imposante Truppenmacht nach dem Oxus zu senden und die wichtigsten Punkte daselbst militärisch zu besetzen. Unter diesen Punkten nenne ich Balch als den wichtigsten. Ueberhaupt würde Rußland, seinen wie immer gearteten Plan nie zur Ausführung zu bringen im Stande seyn, ohne auf die ostindischen Sipahis zu treffen. Hierin trifft die öffentliche mit der ministeriellen Meinung ohne Zweifel zusammen; nicht so ganz aber in Bezug auf die neapolitanischen Differenzen hinsichtlich des Schwefelmonopols oder vielmehr hinsichtlich der Coërcitivmaaßregeln, die wahrscheinlich in diesem Augenblick an den Küsten der beiden Sicilien zur Ausführung gebracht werden. Die Instructionen, die dem Admiral Stopford in dieser Angelegenheit ertheilt worden, gehen dahin, daß sobald Hr. Temple die friedlichen Mittel der Unterhandlung erschöpft habe, der Admiral alle neapolitanischen Schiffe aufzubringen und ohne Verzug zu verkaufen habe. Das davon gelöste Geld ist zur Entschädigung jener englischen Unterthanen bestimmt, die durch das Monopol erwiesenermaßen Schaden gelitten haben. Die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der von England an den König von Neapel erhobenen Anforderungen dreht sich rein um die Frage: bezieht sich das Monopol auf die Ausbeutung der Schwefelminen oder auf den Export des Schwefels. Hier wird das letztere behauptet und dieß im Widerspruche mit früher von Neapel gegen Großbritannien eingegangenen Verbindlichkeiten gefunden. Es wird ferner geglaubt, daß die Verpachtung der Schwefelzölle an die französische Compagnie das persönliche Interesse des Königs mit betrifft, welches man auch auf ein Drittel des ganzen Gewinns anschlägt. Nichtsdestoweniger gibt es Viele, die das Benehmen Lord Palmerstons und die heftigen Maaßregeln, zu denen der Lord eine besondere Vorliebe zu hegen scheint, tadeln, weil man die Folgen befürchtet und Besorgnisse äußert, daß das Verfahren der Engländer an den sicilianischen Küsten leicht anderwärtige Bewegungen in Italien hervorbringe, was die andern Staaten Italiens unangenehm berühren müßte, und so zu Conflicten Veranlassung geben könnte, deren Ergebnisse der edle Lord nicht hinlänglich bedacht zu haben scheint.
Frankreich.
_ Paris, 16 April.
Eine Bekanntmachung des Finanzministers über die Etats der Einnahmen von den indirecten Abgaben der drei ersten Monate von 1840in Vergleichung mit derselben Periode von 1838 und 1839 gibt gegen 1838 eine Zunahme von 16,414,000 Fr., gegen 1839 nur eine Zunahme von 11,608,000 Fr.
(Schluß der Pairskammersitzung vom 15 Apr.) Nach dem Minister des öffentlichen Unterrichts nahm Hr. Viennet das Wort. Gleich dem Herzog von Noailles habe er gar kein Vertrauen in die Politik Englands; dieses habe übrigens Recht, daß es immer sein eigenes Interesse im Aug habe. Die Franzosen sollten es hierin nachahmen. Englands Beispiel sollte die Franzosen von der sentimentalen Politik heilen, welche schon so viel Blut, so viele Millionen gekostet. Indessen, fügte der Redner bei, hätten die Erklärungen, welche der Ministerpräsident über die Politik gegeben, die er im Orient befolgen wolle, ihn vollkommen beruhigt. Auf die innere Politik übergehend beklagte Hr. Viennet die häufige Wiederholung aufregender Discussionen. Zwar habe die Repräsentativregierung so tiefe Wurzeln auf französischem Boden geschlagen, daß es unmöglich wäre, sie auszureißen, aber trotz der Vorliebe des Landes für das Repräsentativsystem sey doch jedesmal der Zusammentritt der Kammer für das Land eine Zeit der Unruhe, des Stockens der Geschäfte. Die Masse kümmere sich weniger um die Meinungen der Minister, als um die Dauer des Ministeriums. Der Redner entwarf von dem Zustand Frankreichs, von den parlamentarischen Wirren in den letzten Jahren ein klägliches Bild. Man mache nur noch Opposition, um an die Gewalt zu gelangen, oder um sich zu rächen, daß man nicht mehr an der Gewalt sey. Die öffentlichen Beamten würden überall verleumdet; beständig suche man das Mißtrauen des Volks gegen die Gewalt zu erwecken, gegen den redlichsten, uneigennützigsten Mann erhebe man Anklagen, sobald er ein Amt angenommen. Jeder, der irgend einen Verkehr mit der Krone habe, werde ein „Höfling“ gescholten; morgen könne man sehen, wie seine heutigen Worte ausgelegt würden. (Allgemeines Gelächter.) Man möge sich aber nicht täuschen lassen, denn der ganze Durchmesser der Erde stehe zwischen ihm und einem Höfling. (Gelächter.) Hr. Viennet erklärte sich übrigens für die Bewilligung der geheimen Fonds. Nach ihm sprach Hr. v. Montalembert, welcher entschieden Partei für das Ministerium nahm. Wir kommen morgen auf seine Rede zurück.
_ In der Pairskammersitzung vom 16 April, am dritten Tage der Discussion, fiel endlich die Entscheidung. Auch an diesem Tage noch waren die Galerien gefüllt. Hr. v. Tascher eröffnete die Debatte, zunächst um das Widerstreben darzulegen, mit welchem die Kammer das neue Wort parlamentarisch aufnehme. Ihm folgte Hr. D'Alton-Shee, der unter dem vorigen Ministerium heftige Opposition gemacht hatte, jetzt aber dem Freimuth des Hrn. Thiers seine Anerkennung zollt, und sein volles Vertrauen auf dessen innere und äußere Politik ausspricht. Hr. Villemain wundert sich über die Unterstützung, die der Conseilpräsident von dieser Seite finde, und warnt dann vor der „despotischen Präponderanz,“ die hier ein einzelner Mann, von seinem Geist getragen, durch die Parteien, ja über ihnen zu erlangen drohe. – Hr. Villemain, der ausgezeichnetste Redner des letzten Ministeriums, den seine Grundsätze eigentlich dem jetzigen Cabinet verbünden sollten, macht offenbar, gleich Lamartine, eine persönliche Opposition – es ist ein Kampf der Talente um Anerkennung und Uebergewicht. Daher die scharfe Lauge, die in die Worte gegossen wird. „Ihr fordert (rief Hr. Villemain) von denen, denen ihr den Sieg eskamotirt habt, sie sollen stützen, was ihr aufgerichtet. Stützt euch selbst, das ist das wahre Mittel, parlamentarisch zu seyn!“ – Der Minister des Innern, Hr. v. Rémusat, antwortete. Aber auch Hr. Thiers konnte sich nicht enthalten, gegen den letzten Ausfall Villemains ein Gegenwort zu schleudern. „Die Kammer (sagte er) wird entschuldigen, wenn ich in diesem entscheidenden Augenblick noch wenige, aber offene Worte an sie richte. Seit zwei Jahren hatte man die Gewalt in die Hände einer bestimmten Parteimeinung gelegt und zwei Kammerauflösungen erfolgten, um die Gewalt in jenen Händen fest zu halten. Hat man diesen Zweck erreicht? Ich habe Se. Maj. gebeten, sich an die Mitglieder der frühern Cabinette zu wenden und erklärt, daß ich das Ministerium nur dann annehmen würde, wenn sich nirgends anderswo Elemente des
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