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Allgemeine Zeitung. Nr. 104. Augsburg, 13. April 1840.

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des großen Aufschwungs, den Mehemed Ali genommen, weder seine regulären noch die irregulären Truppen in completen Stand gesetzt werden konnten. Seine Macht, die als so furchtbar geschildert wird, ist materiell nicht groß genug, um sich mit Erfolg irgend einer europäischen entgegenzusetzen, und der religiöse Fanatismus der Mohammedaner ist selbst in den Arabern erloschen, vermag nur vorübergehende Ergebnisse zu schaffen. Diesen Fanatismus sucht zwar Mehemed Ali durch alle vorhandenen Mittel aufzustacheln, aber jetzt sogar, im Moment der Krisis, nur mit unbedeutendem Erfolg. Denn was sich retten kann, sucht sich dem Dienst der Landesvertheidigung zu entziehen, und wenn es ihm gelang, die Gemüther einer beteutenden Anzahl der auf der osmanischen Flotte dienenden Officiere in ihrer Treue wankend zu machen, sie für sich, wie er behauptet, gegen die Christen zu gewinnen, so zeigt sich doch nirgends beim Volke der Grad von Enthusiasmus, den der Vicekönig erwartet haben mag. Trotz dem Lärm, den man mit der Macht des Vicekönigs zu machen sucht, ist gewiß, daß wenn Aegypten noch ein Vierteljahr lang in diesem Zustande banger Erwartung und künstlicher Aufregung gehalten wird, es sich selbst aufreiben oder eine allgemeine Abspannung seiner über Gebühr angestrengten Kräfte gewärtigen muß. Dieß sieht der Vicekönig ein und sucht auf jedem möglichen Wege zu einem schnellen Ziel zu gelangen. Seine Lage ist drückender als man wähnt, und nur zweierlei bleibt ihm noch, um sich zu retten, denn gutwillig nachgeben wird er nicht: entweder schnell zu einem Vergleich mit der Pforte zu gelangen oder die Entscheidung seiner Angelegenheiten der sieggewohnten Armee seines Sohnes zu übertragen. Das erste wird ihm nicht gelingen, weil die Pforte nicht freie Hand in ihrem Thun und Lassen hat, das letztere nur in dem Falle, daß er bald ohne alle Zögerung losschlägt, weil er es thun muß, wenn er nicht seinen Anstrengungen erliegen will. Noch hat er alle Chancen für sich, denn nicht über Einen Punkt sind die Mächte zur Einigkeit gelangt. Erscheint Ibrahim heute am jenseitigen Ufer des Bospors, so weiß noch keine Macht, welche Maaßregeln zu ergreifen seyen. Rußland will allein in den Bospor einlaufen - die andern Mächte haben bereits dagegen protestirt; diese machen den Grundsatz der Sperre geltend und wollen nur allgemeine Ausnahmen gestatten, so daß entweder keine oder alle europäischen Kriegsflaggen zugleich in der Meerenge erscheinen sollen - dagegen erklärt sich Rußland auf das bestimmteste. So ist dieser mögliche und gefährlichste Fall noch ohne Erledigung und bedroht aufs nächste den unter den Mächten noch nicht ernstlich gestörten Frieden. Allerdings konnte dieser Punkt in der Schwebe gelassen werden, so lange man gegründete Hoffnung hatte, hinsichtlich der übrigen einig zu werden, denn dann wäre das Vordringen der ägyptischen Armee eine Unmöglichkeit gewesen. Befremden muß es indessen, daß man auch nicht das geringste Vorgefühl hatte, man werde den Rüstungen und den drohenden Declamationen Frankreichs, den Bravaden und trotzigen Weigerungen eines Mehemed Ali nicht Stand halten können. Man hätte dann gewiß nicht gesäumt, das Dringende vorläufig zu entscheiden, um der Pforte wenigstens ihre Existenz zu sichern. Denn Mehemed Ali, der jetzt die Pforte, wie er sich unumwunden ausspricht, zum letztenmal auffordert, in directe Unterhandlungen mit ihm zu treten, hat zugleich Hand an die Agitation der mächtigen Partei gelegt, die ihm hier in der Hauptstadt blind ergeben ist. Ohne Zweifel verfährt er nach derselben Methode in allen Provinzen, und es bleibt den Mächten nichts übrig, als entweder mit umfangreichen Cöercitivmaaßregeln sogleich gegen Aegypten vorzugehen und den Eigensinn und den Stolz des Vicekönigs auf immer zu brechen, oder Konstantinopel zu sichern und wo möglich den Ausbruch eines neuen türkisch-ägyptischen Feldzugs zu verhindern, denn gelingt es, den status quo der Ungewißheit und der Bedrohung der ägyptischen Provinzen durch einige Zeit zu erhalten, so spielt man der Macht des Vicekönigs vielleicht den ärgsten Streich, der noch seither gegen sie geführt wurde.

Am 19 d. ist das englische Kriegsdampfboot Phönix in den Bospor eingelaufen. Dasselbe überbrachte Depeschen aus London, vom 4 März, und trat gestern die Rückfahrt nach Malta an. - Am 20 erhielt der bisherige königlich französische Gesandte und bevollmächtigte Minister, Graf Pontois, durch das Dampfboot Lavoisier die Nachricht von seiner durch eine Ordonnanz des Königs vom 18 Febr. erfolgten Ernennung zum Botschafter bei der hohen Pforte. - Schekib Effendi, ottomanischer Botschafter in London hat am 21 d. in Begleitung des Botschaftssecretärs Nedschib und des Botschafts-Dolmetschs Fuad Effendi die Reise nach seinem Bestimmungsorte angetreten. - Hr. Constantin Mussurus, Schwiegersohn des Fürsten von Samos und ehemaliger Gouverneur dieser Insel, ist zum ottomanischen Geschäftsträger in Griechenland ernannt worden. - Einer neuen großherrlichen Verordnung zufolge werden die Handelsprocesse zwischen türkischen und fremden Unterthanen künftig von einem eigenen Tribunale, welches seine Sitzungen alle Montage in der Wohnung des Handelsministers halten wird, geschlichtet werden. - Gestern ist eine russische Corvette, von Griechenland kommend, im Hafen dieser Hauptstadt angelangt.

des großen Aufschwungs, den Mehemed Ali genommen, weder seine regulären noch die irregulären Truppen in completen Stand gesetzt werden konnten. Seine Macht, die als so furchtbar geschildert wird, ist materiell nicht groß genug, um sich mit Erfolg irgend einer europäischen entgegenzusetzen, und der religiöse Fanatismus der Mohammedaner ist selbst in den Arabern erloschen, vermag nur vorübergehende Ergebnisse zu schaffen. Diesen Fanatismus sucht zwar Mehemed Ali durch alle vorhandenen Mittel aufzustacheln, aber jetzt sogar, im Moment der Krisis, nur mit unbedeutendem Erfolg. Denn was sich retten kann, sucht sich dem Dienst der Landesvertheidigung zu entziehen, und wenn es ihm gelang, die Gemüther einer beteutenden Anzahl der auf der osmanischen Flotte dienenden Officiere in ihrer Treue wankend zu machen, sie für sich, wie er behauptet, gegen die Christen zu gewinnen, so zeigt sich doch nirgends beim Volke der Grad von Enthusiasmus, den der Vicekönig erwartet haben mag. Trotz dem Lärm, den man mit der Macht des Vicekönigs zu machen sucht, ist gewiß, daß wenn Aegypten noch ein Vierteljahr lang in diesem Zustande banger Erwartung und künstlicher Aufregung gehalten wird, es sich selbst aufreiben oder eine allgemeine Abspannung seiner über Gebühr angestrengten Kräfte gewärtigen muß. Dieß sieht der Vicekönig ein und sucht auf jedem möglichen Wege zu einem schnellen Ziel zu gelangen. Seine Lage ist drückender als man wähnt, und nur zweierlei bleibt ihm noch, um sich zu retten, denn gutwillig nachgeben wird er nicht: entweder schnell zu einem Vergleich mit der Pforte zu gelangen oder die Entscheidung seiner Angelegenheiten der sieggewohnten Armee seines Sohnes zu übertragen. Das erste wird ihm nicht gelingen, weil die Pforte nicht freie Hand in ihrem Thun und Lassen hat, das letztere nur in dem Falle, daß er bald ohne alle Zögerung losschlägt, weil er es thun muß, wenn er nicht seinen Anstrengungen erliegen will. Noch hat er alle Chancen für sich, denn nicht über Einen Punkt sind die Mächte zur Einigkeit gelangt. Erscheint Ibrahim heute am jenseitigen Ufer des Bospors, so weiß noch keine Macht, welche Maaßregeln zu ergreifen seyen. Rußland will allein in den Bospor einlaufen – die andern Mächte haben bereits dagegen protestirt; diese machen den Grundsatz der Sperre geltend und wollen nur allgemeine Ausnahmen gestatten, so daß entweder keine oder alle europäischen Kriegsflaggen zugleich in der Meerenge erscheinen sollen – dagegen erklärt sich Rußland auf das bestimmteste. So ist dieser mögliche und gefährlichste Fall noch ohne Erledigung und bedroht aufs nächste den unter den Mächten noch nicht ernstlich gestörten Frieden. Allerdings konnte dieser Punkt in der Schwebe gelassen werden, so lange man gegründete Hoffnung hatte, hinsichtlich der übrigen einig zu werden, denn dann wäre das Vordringen der ägyptischen Armee eine Unmöglichkeit gewesen. Befremden muß es indessen, daß man auch nicht das geringste Vorgefühl hatte, man werde den Rüstungen und den drohenden Declamationen Frankreichs, den Bravaden und trotzigen Weigerungen eines Mehemed Ali nicht Stand halten können. Man hätte dann gewiß nicht gesäumt, das Dringende vorläufig zu entscheiden, um der Pforte wenigstens ihre Existenz zu sichern. Denn Mehemed Ali, der jetzt die Pforte, wie er sich unumwunden ausspricht, zum letztenmal auffordert, in directe Unterhandlungen mit ihm zu treten, hat zugleich Hand an die Agitation der mächtigen Partei gelegt, die ihm hier in der Hauptstadt blind ergeben ist. Ohne Zweifel verfährt er nach derselben Methode in allen Provinzen, und es bleibt den Mächten nichts übrig, als entweder mit umfangreichen Cöërcitivmaaßregeln sogleich gegen Aegypten vorzugehen und den Eigensinn und den Stolz des Vicekönigs auf immer zu brechen, oder Konstantinopel zu sichern und wo möglich den Ausbruch eines neuen türkisch-ägyptischen Feldzugs zu verhindern, denn gelingt es, den status quo der Ungewißheit und der Bedrohung der ägyptischen Provinzen durch einige Zeit zu erhalten, so spielt man der Macht des Vicekönigs vielleicht den ärgsten Streich, der noch seither gegen sie geführt wurde.

Am 19 d. ist das englische Kriegsdampfboot Phönix in den Bospor eingelaufen. Dasselbe überbrachte Depeschen aus London, vom 4 März, und trat gestern die Rückfahrt nach Malta an. – Am 20 erhielt der bisherige königlich französische Gesandte und bevollmächtigte Minister, Graf Pontois, durch das Dampfboot Lavoisier die Nachricht von seiner durch eine Ordonnanz des Königs vom 18 Febr. erfolgten Ernennung zum Botschafter bei der hohen Pforte. – Schekib Effendi, ottomanischer Botschafter in London hat am 21 d. in Begleitung des Botschaftssecretärs Nedschib und des Botschafts-Dolmetschs Fuad Effendi die Reise nach seinem Bestimmungsorte angetreten. – Hr. Constantin Mussurus, Schwiegersohn des Fürsten von Samos und ehemaliger Gouverneur dieser Insel, ist zum ottomanischen Geschäftsträger in Griechenland ernannt worden. – Einer neuen großherrlichen Verordnung zufolge werden die Handelsprocesse zwischen türkischen und fremden Unterthanen künftig von einem eigenen Tribunale, welches seine Sitzungen alle Montage in der Wohnung des Handelsministers halten wird, geschlichtet werden. – Gestern ist eine russische Corvette, von Griechenland kommend, im Hafen dieser Hauptstadt angelangt.

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des großen Aufschwungs, den Mehemed Ali genommen, weder seine regulären noch die irregulären Truppen in completen Stand gesetzt werden konnten. Seine Macht, die als so furchtbar geschildert wird, ist materiell nicht groß genug, um sich mit Erfolg irgend einer europäischen entgegenzusetzen, und der religiöse Fanatismus der Mohammedaner ist selbst in den Arabern erloschen, vermag nur vorübergehende Ergebnisse zu schaffen. Diesen Fanatismus sucht zwar Mehemed Ali durch alle vorhandenen Mittel aufzustacheln, aber jetzt sogar, im Moment der Krisis, nur mit unbedeutendem Erfolg. Denn was sich retten kann, sucht sich dem Dienst der Landesvertheidigung zu entziehen, und wenn es ihm gelang, die Gemüther einer beteutenden Anzahl der auf der osmanischen Flotte dienenden Officiere in ihrer Treue wankend zu machen, sie für sich, wie er behauptet, gegen die Christen zu gewinnen, so zeigt sich doch nirgends beim Volke der Grad von Enthusiasmus, den der Vicekönig erwartet haben mag. Trotz dem Lärm, den man mit der Macht des Vicekönigs zu machen sucht, ist gewiß, daß wenn Aegypten noch ein Vierteljahr lang in diesem Zustande banger Erwartung und künstlicher Aufregung gehalten wird, es sich selbst aufreiben oder eine allgemeine Abspannung seiner über Gebühr angestrengten Kräfte gewärtigen muß. Dieß sieht der Vicekönig ein und sucht auf jedem möglichen Wege zu einem schnellen Ziel zu gelangen. Seine Lage ist drückender als man wähnt, und nur zweierlei bleibt ihm noch, um sich zu retten, denn gutwillig nachgeben wird er nicht: entweder schnell zu einem Vergleich mit der Pforte zu gelangen oder die Entscheidung seiner Angelegenheiten der sieggewohnten Armee seines Sohnes zu übertragen. Das erste wird ihm nicht gelingen, weil die Pforte nicht freie Hand in ihrem Thun und Lassen hat, das letztere nur in dem Falle, daß er bald ohne alle Zögerung losschlägt, weil er es thun muß, wenn er nicht seinen Anstrengungen erliegen will. Noch hat er alle Chancen für sich, denn nicht über Einen Punkt sind die Mächte zur Einigkeit gelangt. Erscheint Ibrahim heute am jenseitigen Ufer des Bospors, so weiß noch keine Macht, welche Maaßregeln zu ergreifen seyen. Rußland will allein in den Bospor einlaufen &#x2013; die andern Mächte haben bereits dagegen protestirt; diese machen den Grundsatz der Sperre geltend und wollen nur allgemeine Ausnahmen gestatten, so daß entweder keine oder alle europäischen Kriegsflaggen zugleich in der Meerenge erscheinen sollen &#x2013; dagegen erklärt sich Rußland auf das bestimmteste. So ist dieser mögliche und gefährlichste Fall noch ohne Erledigung und bedroht aufs nächste den unter den Mächten noch nicht ernstlich gestörten Frieden. Allerdings konnte dieser Punkt in der Schwebe gelassen werden, so lange man gegründete Hoffnung hatte, hinsichtlich der übrigen einig zu werden, denn dann wäre das Vordringen der ägyptischen Armee eine Unmöglichkeit gewesen. Befremden muß es indessen, daß man auch nicht das geringste Vorgefühl hatte, man werde den Rüstungen und den drohenden Declamationen Frankreichs, den Bravaden und trotzigen Weigerungen eines Mehemed Ali nicht Stand halten können. Man hätte dann gewiß nicht gesäumt, das Dringende vorläufig zu entscheiden, um der Pforte wenigstens ihre Existenz zu sichern. Denn Mehemed Ali, der jetzt die Pforte, wie er sich unumwunden ausspricht, <hi rendition="#g">zum letztenmal</hi> auffordert, in directe Unterhandlungen mit ihm zu treten, hat zugleich Hand an die Agitation der mächtigen Partei gelegt, die ihm hier in der Hauptstadt blind ergeben ist. Ohne Zweifel verfährt er nach derselben Methode in allen Provinzen, und es bleibt den Mächten nichts übrig, als entweder mit umfangreichen Cöërcitivmaaßregeln sogleich gegen Aegypten vorzugehen und den Eigensinn und den Stolz des Vicekönigs auf immer zu brechen, oder Konstantinopel zu sichern und wo möglich den Ausbruch eines neuen türkisch-ägyptischen Feldzugs zu verhindern, denn gelingt es, den status quo der Ungewißheit und der Bedrohung der ägyptischen Provinzen durch einige Zeit zu erhalten, so spielt man der Macht des Vicekönigs vielleicht den ärgsten Streich, der noch seither gegen sie geführt wurde.</p>
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[0832/0008] des großen Aufschwungs, den Mehemed Ali genommen, weder seine regulären noch die irregulären Truppen in completen Stand gesetzt werden konnten. Seine Macht, die als so furchtbar geschildert wird, ist materiell nicht groß genug, um sich mit Erfolg irgend einer europäischen entgegenzusetzen, und der religiöse Fanatismus der Mohammedaner ist selbst in den Arabern erloschen, vermag nur vorübergehende Ergebnisse zu schaffen. Diesen Fanatismus sucht zwar Mehemed Ali durch alle vorhandenen Mittel aufzustacheln, aber jetzt sogar, im Moment der Krisis, nur mit unbedeutendem Erfolg. Denn was sich retten kann, sucht sich dem Dienst der Landesvertheidigung zu entziehen, und wenn es ihm gelang, die Gemüther einer beteutenden Anzahl der auf der osmanischen Flotte dienenden Officiere in ihrer Treue wankend zu machen, sie für sich, wie er behauptet, gegen die Christen zu gewinnen, so zeigt sich doch nirgends beim Volke der Grad von Enthusiasmus, den der Vicekönig erwartet haben mag. Trotz dem Lärm, den man mit der Macht des Vicekönigs zu machen sucht, ist gewiß, daß wenn Aegypten noch ein Vierteljahr lang in diesem Zustande banger Erwartung und künstlicher Aufregung gehalten wird, es sich selbst aufreiben oder eine allgemeine Abspannung seiner über Gebühr angestrengten Kräfte gewärtigen muß. Dieß sieht der Vicekönig ein und sucht auf jedem möglichen Wege zu einem schnellen Ziel zu gelangen. Seine Lage ist drückender als man wähnt, und nur zweierlei bleibt ihm noch, um sich zu retten, denn gutwillig nachgeben wird er nicht: entweder schnell zu einem Vergleich mit der Pforte zu gelangen oder die Entscheidung seiner Angelegenheiten der sieggewohnten Armee seines Sohnes zu übertragen. Das erste wird ihm nicht gelingen, weil die Pforte nicht freie Hand in ihrem Thun und Lassen hat, das letztere nur in dem Falle, daß er bald ohne alle Zögerung losschlägt, weil er es thun muß, wenn er nicht seinen Anstrengungen erliegen will. Noch hat er alle Chancen für sich, denn nicht über Einen Punkt sind die Mächte zur Einigkeit gelangt. Erscheint Ibrahim heute am jenseitigen Ufer des Bospors, so weiß noch keine Macht, welche Maaßregeln zu ergreifen seyen. Rußland will allein in den Bospor einlaufen – die andern Mächte haben bereits dagegen protestirt; diese machen den Grundsatz der Sperre geltend und wollen nur allgemeine Ausnahmen gestatten, so daß entweder keine oder alle europäischen Kriegsflaggen zugleich in der Meerenge erscheinen sollen – dagegen erklärt sich Rußland auf das bestimmteste. So ist dieser mögliche und gefährlichste Fall noch ohne Erledigung und bedroht aufs nächste den unter den Mächten noch nicht ernstlich gestörten Frieden. Allerdings konnte dieser Punkt in der Schwebe gelassen werden, so lange man gegründete Hoffnung hatte, hinsichtlich der übrigen einig zu werden, denn dann wäre das Vordringen der ägyptischen Armee eine Unmöglichkeit gewesen. Befremden muß es indessen, daß man auch nicht das geringste Vorgefühl hatte, man werde den Rüstungen und den drohenden Declamationen Frankreichs, den Bravaden und trotzigen Weigerungen eines Mehemed Ali nicht Stand halten können. Man hätte dann gewiß nicht gesäumt, das Dringende vorläufig zu entscheiden, um der Pforte wenigstens ihre Existenz zu sichern. Denn Mehemed Ali, der jetzt die Pforte, wie er sich unumwunden ausspricht, zum letztenmal auffordert, in directe Unterhandlungen mit ihm zu treten, hat zugleich Hand an die Agitation der mächtigen Partei gelegt, die ihm hier in der Hauptstadt blind ergeben ist. Ohne Zweifel verfährt er nach derselben Methode in allen Provinzen, und es bleibt den Mächten nichts übrig, als entweder mit umfangreichen Cöërcitivmaaßregeln sogleich gegen Aegypten vorzugehen und den Eigensinn und den Stolz des Vicekönigs auf immer zu brechen, oder Konstantinopel zu sichern und wo möglich den Ausbruch eines neuen türkisch-ägyptischen Feldzugs zu verhindern, denn gelingt es, den status quo der Ungewißheit und der Bedrohung der ägyptischen Provinzen durch einige Zeit zu erhalten, so spielt man der Macht des Vicekönigs vielleicht den ärgsten Streich, der noch seither gegen sie geführt wurde. _ Konstantinopel, 25 März. Am 19 d. ist das englische Kriegsdampfboot Phönix in den Bospor eingelaufen. Dasselbe überbrachte Depeschen aus London, vom 4 März, und trat gestern die Rückfahrt nach Malta an. – Am 20 erhielt der bisherige königlich französische Gesandte und bevollmächtigte Minister, Graf Pontois, durch das Dampfboot Lavoisier die Nachricht von seiner durch eine Ordonnanz des Königs vom 18 Febr. erfolgten Ernennung zum Botschafter bei der hohen Pforte. – Schekib Effendi, ottomanischer Botschafter in London hat am 21 d. in Begleitung des Botschaftssecretärs Nedschib und des Botschafts-Dolmetschs Fuad Effendi die Reise nach seinem Bestimmungsorte angetreten. – Hr. Constantin Mussurus, Schwiegersohn des Fürsten von Samos und ehemaliger Gouverneur dieser Insel, ist zum ottomanischen Geschäftsträger in Griechenland ernannt worden. – Einer neuen großherrlichen Verordnung zufolge werden die Handelsprocesse zwischen türkischen und fremden Unterthanen künftig von einem eigenen Tribunale, welches seine Sitzungen alle Montage in der Wohnung des Handelsministers halten wird, geschlichtet werden. – Gestern ist eine russische Corvette, von Griechenland kommend, im Hafen dieser Hauptstadt angelangt.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 104. Augsburg, 13. April 1840, S. 0832. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_104_18400413/8>, abgerufen am 25.04.2024.