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Allgemeine Zeitung. Nr. 104. Augsburg, 13. April 1840.

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ihres Aergers, daß das Staatsruder ihren Freunden entschlüpft und in andere Hände gelangt ist; nachdem ein großer Theil von ihnen von den frühern Ministern die größtmöglichen Gunstbezeugungen erhalten hat, wollen sie die Mitglieder des jetzigen Cabinets hindern, ihre Freunde sich näher zu verbinden, und sich so eine dauernde Mehrheit zu verschaffen. - Die Kammer erwartet im Laufe dieser Woche Gesetzesvorschläge zur Bestreitung der Ausgaben bei Gelegenheit der Feier des Festes von St. Philippe, der Vermählung des Herzogs von Nemours und der Taufe des Grafen von Paris; je nach der Bedeutenheit der geforderten Summen, in dieser Epoche wo die Theuerung der Lebensmittel stets zunimmt und an vielen Orten Unruhen verursacht, wird Timon (Hr. v. Cormenin) sich wiederum vernehmen lassen.

Das Ministerium fängt an zu handeln. Offenbar will es die große Frage der Kammerreform auf die nächste Session verweisen, um endlich einmal aus dem irren Kreis des elenden Parteikampfes herauszukommen, und der Nation fühlbar zu machen, daß Frankreich eine Regierung habe. Graf Jaubert, der Minister der öffentlichen Arbeiten, trat gestern mit großartigen Vorschlägen auf. Die königlichen Straßen sollen verbessert, verschiedene große Brücken hergestellt, 23 Millionen auf Canäle, und noch größere Summen auf Eisenbahnen verwendet werden. Die Paris-Orleans-Eisenbahncompagnie soll 16 Millionen (4/10 ihres Capitals) und die Straßburg-Baseler 12,600,000 Fr. (3/10 ihres Capitals) vom Staate vorgeschossen erhalten, und zwar vermittelst Actiensubscription. Der Staat wird aus diesem Zuschuß kein Interesse beziehen, bis die Actionnäre 4 Proc. von ihrem Capital erhalten. Hierauf wird der Staat eintreten, bis auch er 4 Proc. von seinem Capital erhält. Die weiteren Erträgnisse werden der Art vertheilt, daß der Staat nicht mehr als 1/4 und die Actionnäre 3/4 empfangen. Dieser Modus scheint sehr viele Vortheile zu gewähren, und dürfte auch den deutschen Regierungen zu empfehlen seyn. Ich werde mich später darüber weiter aussprechen. Indessen ist das System des Hrn. v. Jaubert keineswegs ein absolutes. Er will den Compagnien nach Umständen unter die Arme greifen und da, wo die Privatindustrie nicht vorangeht, soll der Staat selbst als Unternehmer auftreten. So schlägt er auch jetzt schon vor, auf Rechnung des Staats zwei Eisenbahnen, die von Lille und von Valenciennes nach der belgischen Gränze (10 Millionen), und die von Montpellier nach Nimes (14 Millionen) zu bauen. Diese Vorschläge haben allgemeinen Beifall, aber man wird nicht dabei stehen bleiben. Jedes der verschiedenen Blätter erlangt noch die Hinzufügung einer oder mehrerer Linien. Das eine will, daß die Eisenbahn von Basel nach Straßburg bis nach Gray an der Saone verlängert werde, welcher Ort bereits mit Marseille in Dampfbootverbindung stehe. Das andere verlangt, man solle unverweilt eine Linie von der Rhone nach Marseille beschließen. Es ist klar, daß das Ministerium durch die Gewalt der Umstände genöthigt werden wird, ein ganzes System in Vorschlag zu bringen, das ganz Frankreich unter sich verbindet. Indessen ist keinem Zweifel unterworfen, daß die erwähnten Gesetzesvorschläge durchgehen werden. Man schämt sich hier zu sehr, im Eisenbahnwesen noch so weit hinter Deutschland zurück zu seyn, als daß man noch an weitere Verzögerung denken könnte.

Belgien.

Der Moniteur meldet: "Durch Beschluß vom 5 April hat der König den Hrn. Nothomb zu seinem außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister beim deutschen Bundestag ernannt."

Nachdem die Minister die Ueberzeugung gewonnen, daß sie entweder nur eine gar geringe Majorität für sich haben, vielleicht aber auch diese nicht einmal erringen würden, und sich die Opposition zu einem leidenschaftlichen Kampfe rüstete, während auf der ministeriellen Seite Schwanken und Unsicherheit herrschte, haben sie gestern Abend den König abermals gebeten, ihre Entlassung anzunehmen, was denn auch Se. Maj. gethan hat. Dieses wurde heute Morgen bei Eröffnung der Sitzung der Kammer von dem Präsidenten mitgetheilt und ein deßfallsiger Brief des Hrn. de Theux vorgelesen. Ueber ein neues Ministerium ist einstweilen noch gar nichts Gewisses zu sagen.

Italien.

Aus Neapel lauten die Nachrichten immer noch sehr ernsthaft. Der englische Repräsentant forderte auf das bestimmteste die Abschaffung des Schwefelmonopols, und hat unlängst eine Note an die neapolitanische Regierung gerichtet, worin er verlangt, daß man ihm ohne Umschweife sagen soll, ob man sich dazu verstehen wolle oder nicht. Zugleich fügte er hinzu, daß im letzteren Fall er sich gezwungen sähe, Neapel zu verlassen, und daß von diesem Augenblick an alle diplomatischen Verbindungen zwischen seiner Regierung und der sicilischen als abgebrochen anzusehen wären, worauf, falls jene Unterbrechung des Verkehrs unberücksichtigt bliebe, Maaßregeln folgen würden, die man in Neapel leicht beklagen könnte. Es scheint also, daß die Engländer im äußersten Falle zu Coercitivmaaßregeln zu schreiten gedenken. Worin diese bestehen werden, ist noch nicht deutlich zu ermessen. Man vermuthet jedoch, daß sie mit dem Aufbringen aller Schiffe beginnen würden, die mit Schwefel beladen aus den Häfen des vereinigten sicilischen Reichs auslaufen wollten. Die Regierung zu Neapel, die mit der französischen Compagnie Engagements eingegangen hat, die aufrecht zu halten sie sich verpflichtet sieht, um nicht zwischen zwei Feuer zu gerathen, ist in der bittersten Verlegenheit. Unter diesen Umständen hat sie sich nicht nur an die Höfe von Wien, Berlin und St. Petersburg gewendet, um deren Vermittlung in London zu verlangen, sondern sie hat auch zugleich Schritte in Paris thun lassen, damit die französische Regierung ihre Sache unterstütze, und wenigstens bei dem Londoner Cabinet ihren Einfluß geltend mache, damit dieses von der an sie gestellten Anforderung abstehe. Es ist abzuwarten, was man in Paris zu thun gedenkt.

Man hegt hier keinerlei Besorgniß wegen der zwischen England und Neapel entstandenen Spannung. Die vertragsmäßigen Rechte des französischen Hauses Taix und Comp. können allerdings nicht unberücksichtigt gelassen werden; es scheint indessen, daß die neapolitanische Regierung, der doch ihre eigenen Verbindungen am besten bekannt seyn mußten, dem Hrn. Mac Gregor sowohl als auch dem englischen Gesandten in Neapel ziemlich concludente Versprechungen hinsichtlich der Aufhebung des Schwefelmonopols gemacht habe - Versprechungen, durch deren Nichterfüllung der neapolitanische Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Fürst von Cassaro, sich so compromittirt fühlte, daß er seine Entlassung nehmen zu müssen glaubte. Diese wurde ihm vom König ertheilt, und die Unterhandlungen mit England nahmen die Ihnen bekannte, bedauerliche Wendung. Es ist nicht zu verwundern, daß bei den erneuerten Aussichten auf Erhaltung des Monopols die Preise für den Schwefel sich plötzlich hoben. Trotz allem dem hegt man, wie gesagt, gegründete Hoffnung, daß es zu keinen extremen Maaßregeln kommen werde.

ihres Aergers, daß das Staatsruder ihren Freunden entschlüpft und in andere Hände gelangt ist; nachdem ein großer Theil von ihnen von den frühern Ministern die größtmöglichen Gunstbezeugungen erhalten hat, wollen sie die Mitglieder des jetzigen Cabinets hindern, ihre Freunde sich näher zu verbinden, und sich so eine dauernde Mehrheit zu verschaffen. – Die Kammer erwartet im Laufe dieser Woche Gesetzesvorschläge zur Bestreitung der Ausgaben bei Gelegenheit der Feier des Festes von St. Philippe, der Vermählung des Herzogs von Nemours und der Taufe des Grafen von Paris; je nach der Bedeutenheit der geforderten Summen, in dieser Epoche wo die Theuerung der Lebensmittel stets zunimmt und an vielen Orten Unruhen verursacht, wird Timon (Hr. v. Cormenin) sich wiederum vernehmen lassen.

Das Ministerium fängt an zu handeln. Offenbar will es die große Frage der Kammerreform auf die nächste Session verweisen, um endlich einmal aus dem irren Kreis des elenden Parteikampfes herauszukommen, und der Nation fühlbar zu machen, daß Frankreich eine Regierung habe. Graf Jaubert, der Minister der öffentlichen Arbeiten, trat gestern mit großartigen Vorschlägen auf. Die königlichen Straßen sollen verbessert, verschiedene große Brücken hergestellt, 23 Millionen auf Canäle, und noch größere Summen auf Eisenbahnen verwendet werden. Die Paris-Orleans-Eisenbahncompagnie soll 16 Millionen (4/10 ihres Capitals) und die Straßburg-Baseler 12,600,000 Fr. (3/10 ihres Capitals) vom Staate vorgeschossen erhalten, und zwar vermittelst Actiensubscription. Der Staat wird aus diesem Zuschuß kein Interesse beziehen, bis die Actionnäre 4 Proc. von ihrem Capital erhalten. Hierauf wird der Staat eintreten, bis auch er 4 Proc. von seinem Capital erhält. Die weiteren Erträgnisse werden der Art vertheilt, daß der Staat nicht mehr als 1/4 und die Actionnäre 3/4 empfangen. Dieser Modus scheint sehr viele Vortheile zu gewähren, und dürfte auch den deutschen Regierungen zu empfehlen seyn. Ich werde mich später darüber weiter aussprechen. Indessen ist das System des Hrn. v. Jaubert keineswegs ein absolutes. Er will den Compagnien nach Umständen unter die Arme greifen und da, wo die Privatindustrie nicht vorangeht, soll der Staat selbst als Unternehmer auftreten. So schlägt er auch jetzt schon vor, auf Rechnung des Staats zwei Eisenbahnen, die von Lille und von Valenciennes nach der belgischen Gränze (10 Millionen), und die von Montpellier nach Nimes (14 Millionen) zu bauen. Diese Vorschläge haben allgemeinen Beifall, aber man wird nicht dabei stehen bleiben. Jedes der verschiedenen Blätter erlangt noch die Hinzufügung einer oder mehrerer Linien. Das eine will, daß die Eisenbahn von Basel nach Straßburg bis nach Gray an der Saone verlängert werde, welcher Ort bereits mit Marseille in Dampfbootverbindung stehe. Das andere verlangt, man solle unverweilt eine Linie von der Rhone nach Marseille beschließen. Es ist klar, daß das Ministerium durch die Gewalt der Umstände genöthigt werden wird, ein ganzes System in Vorschlag zu bringen, das ganz Frankreich unter sich verbindet. Indessen ist keinem Zweifel unterworfen, daß die erwähnten Gesetzesvorschläge durchgehen werden. Man schämt sich hier zu sehr, im Eisenbahnwesen noch so weit hinter Deutschland zurück zu seyn, als daß man noch an weitere Verzögerung denken könnte.

Belgien.

Der Moniteur meldet: „Durch Beschluß vom 5 April hat der König den Hrn. Nothomb zu seinem außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister beim deutschen Bundestag ernannt.“

Nachdem die Minister die Ueberzeugung gewonnen, daß sie entweder nur eine gar geringe Majorität für sich haben, vielleicht aber auch diese nicht einmal erringen würden, und sich die Opposition zu einem leidenschaftlichen Kampfe rüstete, während auf der ministeriellen Seite Schwanken und Unsicherheit herrschte, haben sie gestern Abend den König abermals gebeten, ihre Entlassung anzunehmen, was denn auch Se. Maj. gethan hat. Dieses wurde heute Morgen bei Eröffnung der Sitzung der Kammer von dem Präsidenten mitgetheilt und ein deßfallsiger Brief des Hrn. de Theux vorgelesen. Ueber ein neues Ministerium ist einstweilen noch gar nichts Gewisses zu sagen.

Italien.

Aus Neapel lauten die Nachrichten immer noch sehr ernsthaft. Der englische Repräsentant forderte auf das bestimmteste die Abschaffung des Schwefelmonopols, und hat unlängst eine Note an die neapolitanische Regierung gerichtet, worin er verlangt, daß man ihm ohne Umschweife sagen soll, ob man sich dazu verstehen wolle oder nicht. Zugleich fügte er hinzu, daß im letzteren Fall er sich gezwungen sähe, Neapel zu verlassen, und daß von diesem Augenblick an alle diplomatischen Verbindungen zwischen seiner Regierung und der sicilischen als abgebrochen anzusehen wären, worauf, falls jene Unterbrechung des Verkehrs unberücksichtigt bliebe, Maaßregeln folgen würden, die man in Neapel leicht beklagen könnte. Es scheint also, daß die Engländer im äußersten Falle zu Coërcitivmaaßregeln zu schreiten gedenken. Worin diese bestehen werden, ist noch nicht deutlich zu ermessen. Man vermuthet jedoch, daß sie mit dem Aufbringen aller Schiffe beginnen würden, die mit Schwefel beladen aus den Häfen des vereinigten sicilischen Reichs auslaufen wollten. Die Regierung zu Neapel, die mit der französischen Compagnie Engagements eingegangen hat, die aufrecht zu halten sie sich verpflichtet sieht, um nicht zwischen zwei Feuer zu gerathen, ist in der bittersten Verlegenheit. Unter diesen Umständen hat sie sich nicht nur an die Höfe von Wien, Berlin und St. Petersburg gewendet, um deren Vermittlung in London zu verlangen, sondern sie hat auch zugleich Schritte in Paris thun lassen, damit die französische Regierung ihre Sache unterstütze, und wenigstens bei dem Londoner Cabinet ihren Einfluß geltend mache, damit dieses von der an sie gestellten Anforderung abstehe. Es ist abzuwarten, was man in Paris zu thun gedenkt.

Man hegt hier keinerlei Besorgniß wegen der zwischen England und Neapel entstandenen Spannung. Die vertragsmäßigen Rechte des französischen Hauses Taix und Comp. können allerdings nicht unberücksichtigt gelassen werden; es scheint indessen, daß die neapolitanische Regierung, der doch ihre eigenen Verbindungen am besten bekannt seyn mußten, dem Hrn. Mac Gregor sowohl als auch dem englischen Gesandten in Neapel ziemlich concludente Versprechungen hinsichtlich der Aufhebung des Schwefelmonopols gemacht habe – Versprechungen, durch deren Nichterfüllung der neapolitanische Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Fürst von Cassaro, sich so compromittirt fühlte, daß er seine Entlassung nehmen zu müssen glaubte. Diese wurde ihm vom König ertheilt, und die Unterhandlungen mit England nahmen die Ihnen bekannte, bedauerliche Wendung. Es ist nicht zu verwundern, daß bei den erneuerten Aussichten auf Erhaltung des Monopols die Preise für den Schwefel sich plötzlich hoben. Trotz allem dem hegt man, wie gesagt, gegründete Hoffnung, daß es zu keinen extremen Maaßregeln kommen werde.

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[0828/0004] ihres Aergers, daß das Staatsruder ihren Freunden entschlüpft und in andere Hände gelangt ist; nachdem ein großer Theil von ihnen von den frühern Ministern die größtmöglichen Gunstbezeugungen erhalten hat, wollen sie die Mitglieder des jetzigen Cabinets hindern, ihre Freunde sich näher zu verbinden, und sich so eine dauernde Mehrheit zu verschaffen. – Die Kammer erwartet im Laufe dieser Woche Gesetzesvorschläge zur Bestreitung der Ausgaben bei Gelegenheit der Feier des Festes von St. Philippe, der Vermählung des Herzogs von Nemours und der Taufe des Grafen von Paris; je nach der Bedeutenheit der geforderten Summen, in dieser Epoche wo die Theuerung der Lebensmittel stets zunimmt und an vielen Orten Unruhen verursacht, wird Timon (Hr. v. Cormenin) sich wiederum vernehmen lassen. _ Paris, 8 April. Das Ministerium fängt an zu handeln. Offenbar will es die große Frage der Kammerreform auf die nächste Session verweisen, um endlich einmal aus dem irren Kreis des elenden Parteikampfes herauszukommen, und der Nation fühlbar zu machen, daß Frankreich eine Regierung habe. Graf Jaubert, der Minister der öffentlichen Arbeiten, trat gestern mit großartigen Vorschlägen auf. Die königlichen Straßen sollen verbessert, verschiedene große Brücken hergestellt, 23 Millionen auf Canäle, und noch größere Summen auf Eisenbahnen verwendet werden. Die Paris-Orleans-Eisenbahncompagnie soll 16 Millionen (4/10 ihres Capitals) und die Straßburg-Baseler 12,600,000 Fr. (3/10 ihres Capitals) vom Staate vorgeschossen erhalten, und zwar vermittelst Actiensubscription. Der Staat wird aus diesem Zuschuß kein Interesse beziehen, bis die Actionnäre 4 Proc. von ihrem Capital erhalten. Hierauf wird der Staat eintreten, bis auch er 4 Proc. von seinem Capital erhält. Die weiteren Erträgnisse werden der Art vertheilt, daß der Staat nicht mehr als 1/4 und die Actionnäre 3/4 empfangen. Dieser Modus scheint sehr viele Vortheile zu gewähren, und dürfte auch den deutschen Regierungen zu empfehlen seyn. Ich werde mich später darüber weiter aussprechen. Indessen ist das System des Hrn. v. Jaubert keineswegs ein absolutes. Er will den Compagnien nach Umständen unter die Arme greifen und da, wo die Privatindustrie nicht vorangeht, soll der Staat selbst als Unternehmer auftreten. So schlägt er auch jetzt schon vor, auf Rechnung des Staats zwei Eisenbahnen, die von Lille und von Valenciennes nach der belgischen Gränze (10 Millionen), und die von Montpellier nach Nimes (14 Millionen) zu bauen. Diese Vorschläge haben allgemeinen Beifall, aber man wird nicht dabei stehen bleiben. Jedes der verschiedenen Blätter erlangt noch die Hinzufügung einer oder mehrerer Linien. Das eine will, daß die Eisenbahn von Basel nach Straßburg bis nach Gray an der Saone verlängert werde, welcher Ort bereits mit Marseille in Dampfbootverbindung stehe. Das andere verlangt, man solle unverweilt eine Linie von der Rhone nach Marseille beschließen. Es ist klar, daß das Ministerium durch die Gewalt der Umstände genöthigt werden wird, ein ganzes System in Vorschlag zu bringen, das ganz Frankreich unter sich verbindet. Indessen ist keinem Zweifel unterworfen, daß die erwähnten Gesetzesvorschläge durchgehen werden. Man schämt sich hier zu sehr, im Eisenbahnwesen noch so weit hinter Deutschland zurück zu seyn, als daß man noch an weitere Verzögerung denken könnte. Belgien. _ Brüssel, 7 April. Der Moniteur meldet: „Durch Beschluß vom 5 April hat der König den Hrn. Nothomb zu seinem außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister beim deutschen Bundestag ernannt.“ _ Brüssel, 6 April. Nachdem die Minister die Ueberzeugung gewonnen, daß sie entweder nur eine gar geringe Majorität für sich haben, vielleicht aber auch diese nicht einmal erringen würden, und sich die Opposition zu einem leidenschaftlichen Kampfe rüstete, während auf der ministeriellen Seite Schwanken und Unsicherheit herrschte, haben sie gestern Abend den König abermals gebeten, ihre Entlassung anzunehmen, was denn auch Se. Maj. gethan hat. Dieses wurde heute Morgen bei Eröffnung der Sitzung der Kammer von dem Präsidenten mitgetheilt und ein deßfallsiger Brief des Hrn. de Theux vorgelesen. Ueber ein neues Ministerium ist einstweilen noch gar nichts Gewisses zu sagen. Italien. _ Von der italienischen Gränze, 6 April. Aus Neapel lauten die Nachrichten immer noch sehr ernsthaft. Der englische Repräsentant forderte auf das bestimmteste die Abschaffung des Schwefelmonopols, und hat unlängst eine Note an die neapolitanische Regierung gerichtet, worin er verlangt, daß man ihm ohne Umschweife sagen soll, ob man sich dazu verstehen wolle oder nicht. Zugleich fügte er hinzu, daß im letzteren Fall er sich gezwungen sähe, Neapel zu verlassen, und daß von diesem Augenblick an alle diplomatischen Verbindungen zwischen seiner Regierung und der sicilischen als abgebrochen anzusehen wären, worauf, falls jene Unterbrechung des Verkehrs unberücksichtigt bliebe, Maaßregeln folgen würden, die man in Neapel leicht beklagen könnte. Es scheint also, daß die Engländer im äußersten Falle zu Coërcitivmaaßregeln zu schreiten gedenken. Worin diese bestehen werden, ist noch nicht deutlich zu ermessen. Man vermuthet jedoch, daß sie mit dem Aufbringen aller Schiffe beginnen würden, die mit Schwefel beladen aus den Häfen des vereinigten sicilischen Reichs auslaufen wollten. Die Regierung zu Neapel, die mit der französischen Compagnie Engagements eingegangen hat, die aufrecht zu halten sie sich verpflichtet sieht, um nicht zwischen zwei Feuer zu gerathen, ist in der bittersten Verlegenheit. Unter diesen Umständen hat sie sich nicht nur an die Höfe von Wien, Berlin und St. Petersburg gewendet, um deren Vermittlung in London zu verlangen, sondern sie hat auch zugleich Schritte in Paris thun lassen, damit die französische Regierung ihre Sache unterstütze, und wenigstens bei dem Londoner Cabinet ihren Einfluß geltend mache, damit dieses von der an sie gestellten Anforderung abstehe. Es ist abzuwarten, was man in Paris zu thun gedenkt. _ Turin, 5 April. Man hegt hier keinerlei Besorgniß wegen der zwischen England und Neapel entstandenen Spannung. Die vertragsmäßigen Rechte des französischen Hauses Taix und Comp. können allerdings nicht unberücksichtigt gelassen werden; es scheint indessen, daß die neapolitanische Regierung, der doch ihre eigenen Verbindungen am besten bekannt seyn mußten, dem Hrn. Mac Gregor sowohl als auch dem englischen Gesandten in Neapel ziemlich concludente Versprechungen hinsichtlich der Aufhebung des Schwefelmonopols gemacht habe – Versprechungen, durch deren Nichterfüllung der neapolitanische Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Fürst von Cassaro, sich so compromittirt fühlte, daß er seine Entlassung nehmen zu müssen glaubte. Diese wurde ihm vom König ertheilt, und die Unterhandlungen mit England nahmen die Ihnen bekannte, bedauerliche Wendung. Es ist nicht zu verwundern, daß bei den erneuerten Aussichten auf Erhaltung des Monopols die Preise für den Schwefel sich plötzlich hoben. Trotz allem dem hegt man, wie gesagt, gegründete Hoffnung, daß es zu keinen extremen Maaßregeln kommen werde.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 104. Augsburg, 13. April 1840, S. 0828. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_104_18400413/4>, abgerufen am 24.11.2024.