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Allgemeine Zeitung. Nr. 98. Augsburg, 7. April 1840.

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allgemeine Urtheil ausspreche? Als aber die unheildrohende, die in das innerste Leben einschneidende kirchliche Frage sich gewitterschwanger über Deutschland ausbreitete, als die Nachbarn schon ihre Häupter erhoben, um wahrzunehmen, ob nicht die Zeit und die Gelegenheit gekommen sey, in das durch jenen Ausbruch gespaltete und geöffnete Deutschland hereinzubrechen und hier zuzugreifen nach dem, wornach man schon längst die Hand begierig ausgestreckt hat - wer hat da die Tiefe der geschlagenen Wunde ergründet, ihre Natur aufgehellt, Mittel der Lösung gefunden und die Heilung vorbereitet, die wir jetzt angefangen, die wir im Fortgang begriffen sehen, als eben die von Hrn. Marmier so sehr verspottete litterarische Thätigkeit, diese alle Fragen umfassende, die Geschichte wie die Gewissen durchspürende Emsigkeit, diese vielfache Beleuchtung aller hier obwaltenden Verhältnisse, Pflichten, Verschuldungen, Interessen und Bedürfnisse, welche seit dritthalb Jahren noch nicht nachgelassen hat, und was ist diese ihrerseits anders als eine nothwendige, eine weitgreifende Offenbarung eines tiefen politischen Geistes und einer ihm entsprechenden öffentlichen Thätigkeit, die sich in jenen Ausbrüchen Luft gemacht und die Gefahr des Erdbebens gehoben hat?

Davon wird nun freilich Hr. Marmier wieder nichts begreifen, der nach französischer Art die schwierigsten Probleme und die wichtigsten Dinge für erschöpft, gelöst und abgethan hält, wenn man sie in eine Formel oder Phrase gebracht hat, und der in vielen Büchern über einen das ganze Leben eines Volkes durchdringenden Gegenstand nichts findet, als ein Verschwendung von Papier und Dinte, die man an der Seine besser zu Rathe zu halten und zu gebrauchen wisse. Was aber folgt aus allem dem, als daß ihm und Seinesgleichen Deutschland, sein inneres Wesen, und hier namentlich die Tiefe und die Thätigkeit seines öffentlichen Geistes ein versiegeltes Buch geblieben ist, trotz der Versuche, die er veranstaltete, um wenigstens die Ränder desselben auseinander zu ziehen, und an ihnen einige Randglossen zu entziffern und zu deuten.

Deutschland ist allerdings, obwohl nicht in der Form und Weise des Nachbars, in einer großen, die Mehrung seines Wohlstandes, die Wahrung seiner Unabhängigkeit, die Sicherung und Ausbreitung seines öffentlichen Rechts, den Schirm der gemeinsamen und die Vereinbarung der noch streitenden Interessen vermittelnden öffentlichen Thätigkeit, und man darf auf die Macht der öffentlichen Einsicht und Gesinnung vertrauen, daß durch sie das noch Fehlende werde ersetzt, das Schadhafte verbessert, das Schwache gestärkt, damit aber der Mund geschlossen werde den Verkleinerern und Verleumdern, von welcher Seite sie auch kommen mögen, welche sich über die Gebrechen, die Rathlosigkeit und die Verkommniß ihres eigenen Zustandes leicht hinwegschwingen, und mit gleicher Leichtfertigkeit in den Wind schlagen, was auf dem Gebiete der öffentlichen Thätigkeit wir Eigenthümliches, unserer Lage Gemäßes, unsere Zukunft Sicherndes haben, und an dem zu haften, was bei uns zurückgehalten oder gehemmt ist, dieses zu vergrößern und als unser Bild und unser Wesen sich selbst zur Erbauung und den Angehörigen zum Trost entgegenzuhalten.

Niederlande.

Ueber die nähere Prüfung der die Modification des Grundgesetzes betreffenden ersten fünf Gesetzesentwürfe, welche in den Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten gestern statt hatte, vernimmt man, daß man die Antworten der Regierung im Allgemeinen wenig genügend gefunden hat. Vorzüglich war dieß der Fall hinsichtlich des in den Abtheilungen geäußerten Wunsches, Ab eordnete aus dem Herzogthum Limburg an den Berathungen über die Modification des Grundgesetzes, unter welchem die Bewohner dieser Provinz leben werden, Theil nehmen zu lassen. Die Regierung bemerkt hierauf, die Modification des Grundgesetzes werde dadurch verzögert werden; dieß wird zugegeben; man erwiedert aber, dieser Grund scheine nicht genügend dem ausgesprochenen Wunsche zu entsprechen, und es müsse dafür gesorgt werden, daß von Seite Limburgs nie der Einwurf gemacht werden könne, es sey da, wo es sich von den theuersten und wesentlichsten Interessen des Vaterlandes handelte, von aller Mitwirkung und Theilnahme ausgeschlossen worden. Ueberdieß wäre man, wie dringend nöthig man auch die Revision des Grundgesetzes erachte, und wie sehr man wünsche, dieselbe bald ins Werk gesetzt zu sehen, doch der Meinung, daß die Revision in regelmäßiger Weise statt haben müsse, und man zöge es da, wo es das Schaffen eines dauerhaften Werkes gelte, das nicht jährlich Wechselfällen ausgesetzt werden könne, doch vor, daß dasselbe auf einer guten Basis begründet und mit allgemeiner Berathung und zur allgemeinen Zufriedenheit zu Stande gebracht werde, als daß hier mit Uebereilung verfahren, und dadurch vielleicht übersehen würde, was später zu großen Klagen Anlaß gäbe. Deßhalb dringt man fortwährend darauf, daß es, bevor irgend eine Modification des Grundgesetzes festgestellt wird, dem Herzogthum Limburg möglich gemacht werde, durch Vertreter an den Berathungen Theil zu nehmen. (Köln. Z.)

Schweiz.

Als unser großer Rath ein neues Seminargesetz erließ, und gleichzeitig das bisherige Seminar aufhob und ein neues Seminar im Sinne des neuen Gesetzes und der darin ausgesprochenen Geistesrichtung gründete, konnte er wohl voraussehen, daß diese Handlungsweise nicht bloß bei den direct Betheiligten, sondern auch bei manchen Andern, welche die Verhältnisse entweder nicht kennen oder nicht beachten wollen, Widerspruch finden werde. Daß er aber sich nach einer langen und sorgfältigen Berathung einstimmig dazu entschloß, dürfte doch jedem Unbefangenen beweisen, wie überwiegend die Gründe dafür gewesen seyn müssen. An eine Zerstörung des Seminars dachte Niemand, so wenig als an eine Zerstörung oder Beeinträchtigung des Volksschulwesens. Im Gegentheil an die Stelle der bisherigen Pflanzschule für Lehrer sollte eine bessere neue treten. Ich mag auf eine gestürzte Größe keinen Stein mehr werfen, und will die Ruhmrednerei über die unsäglichen Verdienste des gewesenen Seminardirectors gern gewähren lassen. Aber es läßt sich nun einmal nicht bestreiten: die große Mehrheit der Bevölkerung und der Behörden des Kantons Zürich haben die Ueberzeugung, daß das frühere Seminar in einem der bestehenden reformirten Kirche feindseligen Sinne geleitet worden sey, so wie daß dasselbe be weitem mehr die kalten Verstandeskräfte entwickelt als das Gemüth erwärmt und religiösen Geist belebt habe. Mag auch immerhin einige Uebertreibung mitlaufen, und der Plan, die Kirche ganz aufzulösen und an ihre Stelle bloß die Schule treten, die Geistlichen durch Volksschullehrer ersetzen zu lassen, nur von wenigen Köpfen festgehalten worden seyn - der große Zwiespalt lag nun einmal klar vor, und die Kluft erweiterte sich und besteht noch. Auch waren es gar nicht etwa, wie ganz unwahr berichtet wurde, die schlechten, lässigen und die alten

allgemeine Urtheil ausspreche? Als aber die unheildrohende, die in das innerste Leben einschneidende kirchliche Frage sich gewitterschwanger über Deutschland ausbreitete, als die Nachbarn schon ihre Häupter erhoben, um wahrzunehmen, ob nicht die Zeit und die Gelegenheit gekommen sey, in das durch jenen Ausbruch gespaltete und geöffnete Deutschland hereinzubrechen und hier zuzugreifen nach dem, wornach man schon längst die Hand begierig ausgestreckt hat – wer hat da die Tiefe der geschlagenen Wunde ergründet, ihre Natur aufgehellt, Mittel der Lösung gefunden und die Heilung vorbereitet, die wir jetzt angefangen, die wir im Fortgang begriffen sehen, als eben die von Hrn. Marmier so sehr verspottete litterarische Thätigkeit, diese alle Fragen umfassende, die Geschichte wie die Gewissen durchspürende Emsigkeit, diese vielfache Beleuchtung aller hier obwaltenden Verhältnisse, Pflichten, Verschuldungen, Interessen und Bedürfnisse, welche seit dritthalb Jahren noch nicht nachgelassen hat, und was ist diese ihrerseits anders als eine nothwendige, eine weitgreifende Offenbarung eines tiefen politischen Geistes und einer ihm entsprechenden öffentlichen Thätigkeit, die sich in jenen Ausbrüchen Luft gemacht und die Gefahr des Erdbebens gehoben hat?

Davon wird nun freilich Hr. Marmier wieder nichts begreifen, der nach französischer Art die schwierigsten Probleme und die wichtigsten Dinge für erschöpft, gelöst und abgethan hält, wenn man sie in eine Formel oder Phrase gebracht hat, und der in vielen Büchern über einen das ganze Leben eines Volkes durchdringenden Gegenstand nichts findet, als ein Verschwendung von Papier und Dinte, die man an der Seine besser zu Rathe zu halten und zu gebrauchen wisse. Was aber folgt aus allem dem, als daß ihm und Seinesgleichen Deutschland, sein inneres Wesen, und hier namentlich die Tiefe und die Thätigkeit seines öffentlichen Geistes ein versiegeltes Buch geblieben ist, trotz der Versuche, die er veranstaltete, um wenigstens die Ränder desselben auseinander zu ziehen, und an ihnen einige Randglossen zu entziffern und zu deuten.

Deutschland ist allerdings, obwohl nicht in der Form und Weise des Nachbars, in einer großen, die Mehrung seines Wohlstandes, die Wahrung seiner Unabhängigkeit, die Sicherung und Ausbreitung seines öffentlichen Rechts, den Schirm der gemeinsamen und die Vereinbarung der noch streitenden Interessen vermittelnden öffentlichen Thätigkeit, und man darf auf die Macht der öffentlichen Einsicht und Gesinnung vertrauen, daß durch sie das noch Fehlende werde ersetzt, das Schadhafte verbessert, das Schwache gestärkt, damit aber der Mund geschlossen werde den Verkleinerern und Verleumdern, von welcher Seite sie auch kommen mögen, welche sich über die Gebrechen, die Rathlosigkeit und die Verkommniß ihres eigenen Zustandes leicht hinwegschwingen, und mit gleicher Leichtfertigkeit in den Wind schlagen, was auf dem Gebiete der öffentlichen Thätigkeit wir Eigenthümliches, unserer Lage Gemäßes, unsere Zukunft Sicherndes haben, und an dem zu haften, was bei uns zurückgehalten oder gehemmt ist, dieses zu vergrößern und als unser Bild und unser Wesen sich selbst zur Erbauung und den Angehörigen zum Trost entgegenzuhalten.

Niederlande.

Ueber die nähere Prüfung der die Modification des Grundgesetzes betreffenden ersten fünf Gesetzesentwürfe, welche in den Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten gestern statt hatte, vernimmt man, daß man die Antworten der Regierung im Allgemeinen wenig genügend gefunden hat. Vorzüglich war dieß der Fall hinsichtlich des in den Abtheilungen geäußerten Wunsches, Ab eordnete aus dem Herzogthum Limburg an den Berathungen über die Modification des Grundgesetzes, unter welchem die Bewohner dieser Provinz leben werden, Theil nehmen zu lassen. Die Regierung bemerkt hierauf, die Modification des Grundgesetzes werde dadurch verzögert werden; dieß wird zugegeben; man erwiedert aber, dieser Grund scheine nicht genügend dem ausgesprochenen Wunsche zu entsprechen, und es müsse dafür gesorgt werden, daß von Seite Limburgs nie der Einwurf gemacht werden könne, es sey da, wo es sich von den theuersten und wesentlichsten Interessen des Vaterlandes handelte, von aller Mitwirkung und Theilnahme ausgeschlossen worden. Ueberdieß wäre man, wie dringend nöthig man auch die Revision des Grundgesetzes erachte, und wie sehr man wünsche, dieselbe bald ins Werk gesetzt zu sehen, doch der Meinung, daß die Revision in regelmäßiger Weise statt haben müsse, und man zöge es da, wo es das Schaffen eines dauerhaften Werkes gelte, das nicht jährlich Wechselfällen ausgesetzt werden könne, doch vor, daß dasselbe auf einer guten Basis begründet und mit allgemeiner Berathung und zur allgemeinen Zufriedenheit zu Stande gebracht werde, als daß hier mit Uebereilung verfahren, und dadurch vielleicht übersehen würde, was später zu großen Klagen Anlaß gäbe. Deßhalb dringt man fortwährend darauf, daß es, bevor irgend eine Modification des Grundgesetzes festgestellt wird, dem Herzogthum Limburg möglich gemacht werde, durch Vertreter an den Berathungen Theil zu nehmen. (Köln. Z.)

Schweiz.

Als unser großer Rath ein neues Seminargesetz erließ, und gleichzeitig das bisherige Seminar aufhob und ein neues Seminar im Sinne des neuen Gesetzes und der darin ausgesprochenen Geistesrichtung gründete, konnte er wohl voraussehen, daß diese Handlungsweise nicht bloß bei den direct Betheiligten, sondern auch bei manchen Andern, welche die Verhältnisse entweder nicht kennen oder nicht beachten wollen, Widerspruch finden werde. Daß er aber sich nach einer langen und sorgfältigen Berathung einstimmig dazu entschloß, dürfte doch jedem Unbefangenen beweisen, wie überwiegend die Gründe dafür gewesen seyn müssen. An eine Zerstörung des Seminars dachte Niemand, so wenig als an eine Zerstörung oder Beeinträchtigung des Volksschulwesens. Im Gegentheil an die Stelle der bisherigen Pflanzschule für Lehrer sollte eine bessere neue treten. Ich mag auf eine gestürzte Größe keinen Stein mehr werfen, und will die Ruhmrednerei über die unsäglichen Verdienste des gewesenen Seminardirectors gern gewähren lassen. Aber es läßt sich nun einmal nicht bestreiten: die große Mehrheit der Bevölkerung und der Behörden des Kantons Zürich haben die Ueberzeugung, daß das frühere Seminar in einem der bestehenden reformirten Kirche feindseligen Sinne geleitet worden sey, so wie daß dasselbe be weitem mehr die kalten Verstandeskräfte entwickelt als das Gemüth erwärmt und religiösen Geist belebt habe. Mag auch immerhin einige Uebertreibung mitlaufen, und der Plan, die Kirche ganz aufzulösen und an ihre Stelle bloß die Schule treten, die Geistlichen durch Volksschullehrer ersetzen zu lassen, nur von wenigen Köpfen festgehalten worden seyn – der große Zwiespalt lag nun einmal klar vor, und die Kluft erweiterte sich und besteht noch. Auch waren es gar nicht etwa, wie ganz unwahr berichtet wurde, die schlechten, lässigen und die alten

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allgemeine Urtheil ausspreche? Als aber die unheildrohende, die in das innerste Leben einschneidende kirchliche Frage sich gewitterschwanger über Deutschland ausbreitete, als die Nachbarn schon ihre Häupter erhoben, um wahrzunehmen, ob nicht die Zeit und die Gelegenheit gekommen sey, in das durch jenen Ausbruch gespaltete und geöffnete Deutschland hereinzubrechen und hier zuzugreifen nach dem, wornach man schon längst die Hand begierig ausgestreckt hat &#x2013; wer hat da die Tiefe der geschlagenen Wunde ergründet, ihre Natur aufgehellt, Mittel der Lösung gefunden und die Heilung vorbereitet, die wir jetzt angefangen, die wir im Fortgang begriffen sehen, als eben die von Hrn. Marmier so sehr verspottete litterarische Thätigkeit, diese alle Fragen umfassende, die Geschichte wie die Gewissen durchspürende Emsigkeit, diese vielfache Beleuchtung aller hier obwaltenden Verhältnisse, Pflichten, Verschuldungen, Interessen und Bedürfnisse, welche seit dritthalb Jahren noch nicht nachgelassen hat, und was ist diese ihrerseits anders als eine nothwendige, eine weitgreifende Offenbarung eines tiefen politischen Geistes und einer ihm entsprechenden öffentlichen Thätigkeit, die sich in jenen Ausbrüchen Luft gemacht und die Gefahr des Erdbebens gehoben hat?</p><lb/>
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[0778/0010] allgemeine Urtheil ausspreche? Als aber die unheildrohende, die in das innerste Leben einschneidende kirchliche Frage sich gewitterschwanger über Deutschland ausbreitete, als die Nachbarn schon ihre Häupter erhoben, um wahrzunehmen, ob nicht die Zeit und die Gelegenheit gekommen sey, in das durch jenen Ausbruch gespaltete und geöffnete Deutschland hereinzubrechen und hier zuzugreifen nach dem, wornach man schon längst die Hand begierig ausgestreckt hat – wer hat da die Tiefe der geschlagenen Wunde ergründet, ihre Natur aufgehellt, Mittel der Lösung gefunden und die Heilung vorbereitet, die wir jetzt angefangen, die wir im Fortgang begriffen sehen, als eben die von Hrn. Marmier so sehr verspottete litterarische Thätigkeit, diese alle Fragen umfassende, die Geschichte wie die Gewissen durchspürende Emsigkeit, diese vielfache Beleuchtung aller hier obwaltenden Verhältnisse, Pflichten, Verschuldungen, Interessen und Bedürfnisse, welche seit dritthalb Jahren noch nicht nachgelassen hat, und was ist diese ihrerseits anders als eine nothwendige, eine weitgreifende Offenbarung eines tiefen politischen Geistes und einer ihm entsprechenden öffentlichen Thätigkeit, die sich in jenen Ausbrüchen Luft gemacht und die Gefahr des Erdbebens gehoben hat? Davon wird nun freilich Hr. Marmier wieder nichts begreifen, der nach französischer Art die schwierigsten Probleme und die wichtigsten Dinge für erschöpft, gelöst und abgethan hält, wenn man sie in eine Formel oder Phrase gebracht hat, und der in vielen Büchern über einen das ganze Leben eines Volkes durchdringenden Gegenstand nichts findet, als ein Verschwendung von Papier und Dinte, die man an der Seine besser zu Rathe zu halten und zu gebrauchen wisse. Was aber folgt aus allem dem, als daß ihm und Seinesgleichen Deutschland, sein inneres Wesen, und hier namentlich die Tiefe und die Thätigkeit seines öffentlichen Geistes ein versiegeltes Buch geblieben ist, trotz der Versuche, die er veranstaltete, um wenigstens die Ränder desselben auseinander zu ziehen, und an ihnen einige Randglossen zu entziffern und zu deuten. 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Niederlande. _ Haag, 29 März. Ueber die nähere Prüfung der die Modification des Grundgesetzes betreffenden ersten fünf Gesetzesentwürfe, welche in den Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten gestern statt hatte, vernimmt man, daß man die Antworten der Regierung im Allgemeinen wenig genügend gefunden hat. Vorzüglich war dieß der Fall hinsichtlich des in den Abtheilungen geäußerten Wunsches, Ab eordnete aus dem Herzogthum Limburg an den Berathungen über die Modification des Grundgesetzes, unter welchem die Bewohner dieser Provinz leben werden, Theil nehmen zu lassen. 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Als unser großer Rath ein neues Seminargesetz erließ, und gleichzeitig das bisherige Seminar aufhob und ein neues Seminar im Sinne des neuen Gesetzes und der darin ausgesprochenen Geistesrichtung gründete, konnte er wohl voraussehen, daß diese Handlungsweise nicht bloß bei den direct Betheiligten, sondern auch bei manchen Andern, welche die Verhältnisse entweder nicht kennen oder nicht beachten wollen, Widerspruch finden werde. Daß er aber sich nach einer langen und sorgfältigen Berathung einstimmig dazu entschloß, dürfte doch jedem Unbefangenen beweisen, wie überwiegend die Gründe dafür gewesen seyn müssen. An eine Zerstörung des Seminars dachte Niemand, so wenig als an eine Zerstörung oder Beeinträchtigung des Volksschulwesens. Im Gegentheil an die Stelle der bisherigen Pflanzschule für Lehrer sollte eine bessere neue treten. Ich mag auf eine gestürzte Größe keinen Stein mehr werfen, und will die Ruhmrednerei über die unsäglichen Verdienste des gewesenen Seminardirectors gern gewähren lassen. Aber es läßt sich nun einmal nicht bestreiten: die große Mehrheit der Bevölkerung und der Behörden des Kantons Zürich haben die Ueberzeugung, daß das frühere Seminar in einem der bestehenden reformirten Kirche feindseligen Sinne geleitet worden sey, so wie daß dasselbe be weitem mehr die kalten Verstandeskräfte entwickelt als das Gemüth erwärmt und religiösen Geist belebt habe. Mag auch immerhin einige Uebertreibung mitlaufen, und der Plan, die Kirche ganz aufzulösen und an ihre Stelle bloß die Schule treten, die Geistlichen durch Volksschullehrer ersetzen zu lassen, nur von wenigen Köpfen festgehalten worden seyn – der große Zwiespalt lag nun einmal klar vor, und die Kluft erweiterte sich und besteht noch. Auch waren es gar nicht etwa, wie ganz unwahr berichtet wurde, die schlechten, lässigen und die alten

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 98. Augsburg, 7. April 1840, S. 0778. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_098_18400407/10>, abgerufen am 02.05.2024.