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Allgemeine Zeitung. Nr. 92. Augsburg, 1. April 1840.

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um dessen Früchte in dauernder Weise zu sichern, bedarf es einer weitern Bedingung, die Niemand besser zu würdigen vermag, als Hr. Cousin selbst: das Studium fremder Sprachen, und namentlich die Kenntniß derjenigen Sprache, die von allen europäischen die meisten Schätze in diesem Gebiet aufzuweisen hat. Was Hr. v. Salvandy vielleicht nur in unbestimmtem Gefühl vorbereitet hat, ziemt dem jetzigen Minister des öffentlichen Unterrichts zu vollenden: er kennt Deutschland, seine Sprache, seine Philosophie, seine Litteratur; er kennt seine Schulen und Universitäten, und weiß, welchen Gewinn Frankreich aus diesem innigern Verständniß mit Deutschland ziehen kann. Möge für den allgemeinen Gesichtspunkt, statt aller weitern Ausführung, das Gewicht eines Koryphäen in die Wage fallen, dem Niemand die Stimmfähigkeit absprechen wird. Goethe sagte dem Fürsten Pückler eines Tags Folgendes: "Die andern Nationen werden schon deßhalb deutsch lernen, weil sie inne werden müssen, daß sie sich damit das Lernen fast aller andern Sprachen gewissermaßen ersparen können. Denn von welchen besitzen wir nicht die gediegensten Werke in vortrefflichen deutschen Uebersetzungen? Die alten Classiker, die Meisterwerke des neuern Europa's, indische und morgenländische Litteratur, hat sie nicht alle der Reichthum und die Vielseitigkeit der deutschen Sprache, wie der treue deutsche Fleiß und tief in sie eindringende Genius besser wiedergegeben, als es in andern Sprachen der Fall ist? Frankreich hat gar viel seines einstigen Uebergewichts in der Litteratur dem Umstande zu verdanken, daß es am frühesten aus dem Griechischen und Lateinischen leidliche Uebersetzungen lieferte, aber wie vollständig hat Deutschland es seitdem übertroffen!"

Die Zeit des Kaiserthums ist längst dahin; mit ihr jener hochmüthige Grundsatz, daß es überflüssig sey, eine andere als die herrschende, d. h. die französische Sprache zu kennen; die lebende Generation in Frankreich trägt sich mit dem unbehaglichen Bewußtseyn, daß ihr Diplom der civilisirtesten Nation der Welt einige leere Stellen enthalte, und wir sind jeden Tag Zeuge, daß man gern deutsch wissen möchte, aber eben so sehr, daß die bisherigen Bemühungen zu keinen befriedigenden Resultaten geführt haben; die Folge davon ist nothwendig, daß die Kenntniß der deutschen Litteratur, Geschichte, Philosophie, die Kenntniß der deutschen Nationalität und der deutschen Sitten sehr im Argen liegen. Sehen Sie in dieser Beziehung die Reihenführer! Marmier, trotz der unbestreitbaren Fortschritte und einer reifern Umsicht, die sich in seinen neuesten Arbeiten ausspricht, ist stets ein höchst unzuverlässiger Berichterstatter über Deutschland: er verkennt die Dinge und die Personen bei jedem Schritt, und ich bin in Betreff seiner Kenntniß unserer Sprache im mindesten nicht beruhigt. Sie selbst haben seinem neuerlichen Aufsatze in der Revue des deux Mondes, den Sie mit Recht theilweise gelobt haben, da er die deutschen Gebrechen manchmal richtig geißelt, einige Randglossen beigefügt, die das Maß seines Urtheils und seines deutschen Sprachwissens geben. Wäre es nöthig, so könnte ich zu den angeführten Belegen ein ganzes Repertorium der ergötzlichsten Art, namentlich aus seinen Etudes sur Goethe beifügen, und ihnen gegenüber, als würdige Parallele, Stellen aus Lerminier's Rhapsodien aufführen, die beweisen, daß Lerminier wohl inspirirt war, als er eines Tages sagte: Es erscheinen nächstens zwei Bücher, die großes Aufsehen erregen werden: mein Au dela du Rhin und Marmier's Etudes sur Goethe. Und wenn das an dem grünen Holze geschieht ....!

Doch sehen wir ab von der Vergangenheit; von jetzt an soll ja ja die deutsche Sprache, die deutsche Litteratur ein wesentlicher Lehrgegenstand in den französischen Gymnasien seyn! Wofern es nur hier nicht bei dem todten Buchstaben sein Bewenden hat, wofern nur in den Schulen nicht das Deutschlehren auf dem nämlichen Fuße getrieben wird, wie in den meisten Fällen des Privatunterrichts, wo sich zu Lehrern der deutschen Sprache gerade die Personen aufwerfen, die nichts Anderes zu thun im Stande wären, die aller Vorstudien entbehren, und die süße Erinnerung ihres Provincialdialekts für reinen Klang ihrer nationellen Schriftsprache ausgeben. Besser wäre, bei meiner Treu, die Salvandy'sche verdienstvolle Anregung unbenutzt zu lassen, als die Jugend solchem Unberufe, solcher Profanation preis zu geben, und ihnen gegen die Sprache selbst und ihre geistigen Reichthümer einen Widerwillen einzuflößen, der allein auf Rechnung der Lehrer kommt. Man hält es der Mühe werth, den geringsten Lehrer des Lateinischen oder Griechischen gewissen Vorstudien, Zeugnissen und Prüfungen zu unterwerfen, die seine Befähigung und seinen Lehrerberuf darthun; warum sollte man nicht ein Gleiches gegen die Lehrer der deutschen Sprache verhängen? Ja mit größerm Fuge noch, da schon die allgemeine Vermuthung für die humanistische Vorbildung eines jeden Deutschen spricht, und die entgegengesetzte Thatsache eine schwere Anklage gegen den betheiligten Einzelnen wäre. Würde der Unterricht der fremden Sprachen auf diese Weise angelegt und betrieben, und stets von dem Auge des Ministers und des Studienrathes überwacht, so würden die belohnendsten Resultate nicht lange ausbleiben, und die Franzosen hätten nicht mehr nöthig sich mit frivoler Geringschätzung dessen zu trösten, was sie nicht kennen.

Ich kehre zum speciellen Gegenstand meiner Philippika zurück. Hr. Cousin sagt in seinem erwähnten Bericht, es sey die höchste Noth, die Jugend zum ernsten Studium des römischen Rechtes zu leiten. Einverstanden! der Minister hatte bei seinem Vortrage die deutschen Studien im Auge, und mit Recht, wenn gleich das römische Recht in Frankreich keine gesetzliche Kraft hat wie in Deutschland. Wo aber wird der Minister die empfehlenswerthesten Handbücher über römisches Recht, Institutionen wie Pandekten, über römische Rechtsgeschichte, über römischen Gerichtsgebrauch u. s. w. finden als in Deutschland? Sollen unsere Rechtslehrer der französischen Jugend ewig unzugänglich bleiben, oder will man sich mit der Aushülfe französischer Uebersetzungen trösten? Welche eitle Hoffnung das sey, will ich hier zum Schluß durch ein abschreckendes und "abscheuliches" Exempel darthun. Wenn je ein Buch zeitgemäß angekündigt wurde, so ist es die so eben erscheinende Uebersetzung von Savigny's Recht des Besitzes, von einem gewissen Faivre d'Audelange, Doctor der Rechte, nichts Geringeres! In diesem Gedanken nehme ich das erste Heft der Uebertragung zur Hand und finde von Seite 1 bis 17 nicht weniger als etwa 20 sinnstörende Fehler und Verstöße aller Art. Welche Zahl werde ich haben, wenn ich dem Uebersetzer einige hundert Seiten lang gefolgt bin! Wörtliche Anführungen würden diesen Aufsatz zum Buche schwellen, aber ich will nicht für einen ungerechten Aristarchen gelten, und meinem harten Ausspruche mögen wenige Citate zur Rechtfertigung dienen. Schon die zweite Seite verdolmetscht in ganz falscher Weise den von Savigny aufgestellten Begriff des Besitzes.

Das Original sagt:
Alle denken sich unter dem Besitz einer Sache den Zustand, in welchem nicht nur die eigne Einwirkung auf die Sache physisch möglich ist, sondern auch jede fremde Einwirkung verhindert werden kann.

Die Uebersetzung:
Chacun entend par possession l'etat d'une chose sur laquelle non seulement une action personnelle est physiquement possible, mais encore d'ou toute action etrangere peut etre repoussee.

um dessen Früchte in dauernder Weise zu sichern, bedarf es einer weitern Bedingung, die Niemand besser zu würdigen vermag, als Hr. Cousin selbst: das Studium fremder Sprachen, und namentlich die Kenntniß derjenigen Sprache, die von allen europäischen die meisten Schätze in diesem Gebiet aufzuweisen hat. Was Hr. v. Salvandy vielleicht nur in unbestimmtem Gefühl vorbereitet hat, ziemt dem jetzigen Minister des öffentlichen Unterrichts zu vollenden: er kennt Deutschland, seine Sprache, seine Philosophie, seine Litteratur; er kennt seine Schulen und Universitäten, und weiß, welchen Gewinn Frankreich aus diesem innigern Verständniß mit Deutschland ziehen kann. Möge für den allgemeinen Gesichtspunkt, statt aller weitern Ausführung, das Gewicht eines Koryphäen in die Wage fallen, dem Niemand die Stimmfähigkeit absprechen wird. Goethe sagte dem Fürsten Pückler eines Tags Folgendes: „Die andern Nationen werden schon deßhalb deutsch lernen, weil sie inne werden müssen, daß sie sich damit das Lernen fast aller andern Sprachen gewissermaßen ersparen können. Denn von welchen besitzen wir nicht die gediegensten Werke in vortrefflichen deutschen Uebersetzungen? Die alten Classiker, die Meisterwerke des neuern Europa's, indische und morgenländische Litteratur, hat sie nicht alle der Reichthum und die Vielseitigkeit der deutschen Sprache, wie der treue deutsche Fleiß und tief in sie eindringende Genius besser wiedergegeben, als es in andern Sprachen der Fall ist? Frankreich hat gar viel seines einstigen Uebergewichts in der Litteratur dem Umstande zu verdanken, daß es am frühesten aus dem Griechischen und Lateinischen leidliche Uebersetzungen lieferte, aber wie vollständig hat Deutschland es seitdem übertroffen!“

Die Zeit des Kaiserthums ist längst dahin; mit ihr jener hochmüthige Grundsatz, daß es überflüssig sey, eine andere als die herrschende, d. h. die französische Sprache zu kennen; die lebende Generation in Frankreich trägt sich mit dem unbehaglichen Bewußtseyn, daß ihr Diplom der civilisirtesten Nation der Welt einige leere Stellen enthalte, und wir sind jeden Tag Zeuge, daß man gern deutsch wissen möchte, aber eben so sehr, daß die bisherigen Bemühungen zu keinen befriedigenden Resultaten geführt haben; die Folge davon ist nothwendig, daß die Kenntniß der deutschen Litteratur, Geschichte, Philosophie, die Kenntniß der deutschen Nationalität und der deutschen Sitten sehr im Argen liegen. Sehen Sie in dieser Beziehung die Reihenführer! Marmier, trotz der unbestreitbaren Fortschritte und einer reifern Umsicht, die sich in seinen neuesten Arbeiten ausspricht, ist stets ein höchst unzuverlässiger Berichterstatter über Deutschland: er verkennt die Dinge und die Personen bei jedem Schritt, und ich bin in Betreff seiner Kenntniß unserer Sprache im mindesten nicht beruhigt. Sie selbst haben seinem neuerlichen Aufsatze in der Revue des deux Mondes, den Sie mit Recht theilweise gelobt haben, da er die deutschen Gebrechen manchmal richtig geißelt, einige Randglossen beigefügt, die das Maß seines Urtheils und seines deutschen Sprachwissens geben. Wäre es nöthig, so könnte ich zu den angeführten Belegen ein ganzes Repertorium der ergötzlichsten Art, namentlich aus seinen Etudes sur Goethe beifügen, und ihnen gegenüber, als würdige Parallele, Stellen aus Lerminier's Rhapsodien aufführen, die beweisen, daß Lerminier wohl inspirirt war, als er eines Tages sagte: Es erscheinen nächstens zwei Bücher, die großes Aufsehen erregen werden: mein Au delà du Rhin und Marmier's Etudes sur Goethe. Und wenn das an dem grünen Holze geschieht ....!

Doch sehen wir ab von der Vergangenheit; von jetzt an soll ja ja die deutsche Sprache, die deutsche Litteratur ein wesentlicher Lehrgegenstand in den französischen Gymnasien seyn! Wofern es nur hier nicht bei dem todten Buchstaben sein Bewenden hat, wofern nur in den Schulen nicht das Deutschlehren auf dem nämlichen Fuße getrieben wird, wie in den meisten Fällen des Privatunterrichts, wo sich zu Lehrern der deutschen Sprache gerade die Personen aufwerfen, die nichts Anderes zu thun im Stande wären, die aller Vorstudien entbehren, und die süße Erinnerung ihres Provincialdialekts für reinen Klang ihrer nationellen Schriftsprache ausgeben. Besser wäre, bei meiner Treu, die Salvandy'sche verdienstvolle Anregung unbenutzt zu lassen, als die Jugend solchem Unberufe, solcher Profanation preis zu geben, und ihnen gegen die Sprache selbst und ihre geistigen Reichthümer einen Widerwillen einzuflößen, der allein auf Rechnung der Lehrer kommt. Man hält es der Mühe werth, den geringsten Lehrer des Lateinischen oder Griechischen gewissen Vorstudien, Zeugnissen und Prüfungen zu unterwerfen, die seine Befähigung und seinen Lehrerberuf darthun; warum sollte man nicht ein Gleiches gegen die Lehrer der deutschen Sprache verhängen? Ja mit größerm Fuge noch, da schon die allgemeine Vermuthung für die humanistische Vorbildung eines jeden Deutschen spricht, und die entgegengesetzte Thatsache eine schwere Anklage gegen den betheiligten Einzelnen wäre. Würde der Unterricht der fremden Sprachen auf diese Weise angelegt und betrieben, und stets von dem Auge des Ministers und des Studienrathes überwacht, so würden die belohnendsten Resultate nicht lange ausbleiben, und die Franzosen hätten nicht mehr nöthig sich mit frivoler Geringschätzung dessen zu trösten, was sie nicht kennen.

Ich kehre zum speciellen Gegenstand meiner Philippika zurück. Hr. Cousin sagt in seinem erwähnten Bericht, es sey die höchste Noth, die Jugend zum ernsten Studium des römischen Rechtes zu leiten. Einverstanden! der Minister hatte bei seinem Vortrage die deutschen Studien im Auge, und mit Recht, wenn gleich das römische Recht in Frankreich keine gesetzliche Kraft hat wie in Deutschland. Wo aber wird der Minister die empfehlenswerthesten Handbücher über römisches Recht, Institutionen wie Pandekten, über römische Rechtsgeschichte, über römischen Gerichtsgebrauch u. s. w. finden als in Deutschland? Sollen unsere Rechtslehrer der französischen Jugend ewig unzugänglich bleiben, oder will man sich mit der Aushülfe französischer Uebersetzungen trösten? Welche eitle Hoffnung das sey, will ich hier zum Schluß durch ein abschreckendes und „abscheuliches“ Exempel darthun. Wenn je ein Buch zeitgemäß angekündigt wurde, so ist es die so eben erscheinende Uebersetzung von Savigny's Recht des Besitzes, von einem gewissen Faivre d'Audelange, Doctor der Rechte, nichts Geringeres! In diesem Gedanken nehme ich das erste Heft der Uebertragung zur Hand und finde von Seite 1 bis 17 nicht weniger als etwa 20 sinnstörende Fehler und Verstöße aller Art. Welche Zahl werde ich haben, wenn ich dem Uebersetzer einige hundert Seiten lang gefolgt bin! Wörtliche Anführungen würden diesen Aufsatz zum Buche schwellen, aber ich will nicht für einen ungerechten Aristarchen gelten, und meinem harten Ausspruche mögen wenige Citate zur Rechtfertigung dienen. Schon die zweite Seite verdolmetscht in ganz falscher Weise den von Savigny aufgestellten Begriff des Besitzes.

Das Original sagt:
Alle denken sich unter dem Besitz einer Sache den Zustand, in welchem nicht nur die eigne Einwirkung auf die Sache physisch möglich ist, sondern auch jede fremde Einwirkung verhindert werden kann.

Die Uebersetzung:
Chacun entend par possession l'état d'une chose sur laquelle non seulement une action personnelle est physiquement possible, mais encore d'ou toute action étrangère peut être repoussée.

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[0730/0010] um dessen Früchte in dauernder Weise zu sichern, bedarf es einer weitern Bedingung, die Niemand besser zu würdigen vermag, als Hr. Cousin selbst: das Studium fremder Sprachen, und namentlich die Kenntniß derjenigen Sprache, die von allen europäischen die meisten Schätze in diesem Gebiet aufzuweisen hat. Was Hr. v. Salvandy vielleicht nur in unbestimmtem Gefühl vorbereitet hat, ziemt dem jetzigen Minister des öffentlichen Unterrichts zu vollenden: er kennt Deutschland, seine Sprache, seine Philosophie, seine Litteratur; er kennt seine Schulen und Universitäten, und weiß, welchen Gewinn Frankreich aus diesem innigern Verständniß mit Deutschland ziehen kann. Möge für den allgemeinen Gesichtspunkt, statt aller weitern Ausführung, das Gewicht eines Koryphäen in die Wage fallen, dem Niemand die Stimmfähigkeit absprechen wird. Goethe sagte dem Fürsten Pückler eines Tags Folgendes: „Die andern Nationen werden schon deßhalb deutsch lernen, weil sie inne werden müssen, daß sie sich damit das Lernen fast aller andern Sprachen gewissermaßen ersparen können. Denn von welchen besitzen wir nicht die gediegensten Werke in vortrefflichen deutschen Uebersetzungen? Die alten Classiker, die Meisterwerke des neuern Europa's, indische und morgenländische Litteratur, hat sie nicht alle der Reichthum und die Vielseitigkeit der deutschen Sprache, wie der treue deutsche Fleiß und tief in sie eindringende Genius besser wiedergegeben, als es in andern Sprachen der Fall ist? Frankreich hat gar viel seines einstigen Uebergewichts in der Litteratur dem Umstande zu verdanken, daß es am frühesten aus dem Griechischen und Lateinischen leidliche Uebersetzungen lieferte, aber wie vollständig hat Deutschland es seitdem übertroffen!“ Die Zeit des Kaiserthums ist längst dahin; mit ihr jener hochmüthige Grundsatz, daß es überflüssig sey, eine andere als die herrschende, d. h. die französische Sprache zu kennen; die lebende Generation in Frankreich trägt sich mit dem unbehaglichen Bewußtseyn, daß ihr Diplom der civilisirtesten Nation der Welt einige leere Stellen enthalte, und wir sind jeden Tag Zeuge, daß man gern deutsch wissen möchte, aber eben so sehr, daß die bisherigen Bemühungen zu keinen befriedigenden Resultaten geführt haben; die Folge davon ist nothwendig, daß die Kenntniß der deutschen Litteratur, Geschichte, Philosophie, die Kenntniß der deutschen Nationalität und der deutschen Sitten sehr im Argen liegen. Sehen Sie in dieser Beziehung die Reihenführer! Marmier, trotz der unbestreitbaren Fortschritte und einer reifern Umsicht, die sich in seinen neuesten Arbeiten ausspricht, ist stets ein höchst unzuverlässiger Berichterstatter über Deutschland: er verkennt die Dinge und die Personen bei jedem Schritt, und ich bin in Betreff seiner Kenntniß unserer Sprache im mindesten nicht beruhigt. Sie selbst haben seinem neuerlichen Aufsatze in der Revue des deux Mondes, den Sie mit Recht theilweise gelobt haben, da er die deutschen Gebrechen manchmal richtig geißelt, einige Randglossen beigefügt, die das Maß seines Urtheils und seines deutschen Sprachwissens geben. Wäre es nöthig, so könnte ich zu den angeführten Belegen ein ganzes Repertorium der ergötzlichsten Art, namentlich aus seinen Etudes sur Goethe beifügen, und ihnen gegenüber, als würdige Parallele, Stellen aus Lerminier's Rhapsodien aufführen, die beweisen, daß Lerminier wohl inspirirt war, als er eines Tages sagte: Es erscheinen nächstens zwei Bücher, die großes Aufsehen erregen werden: mein Au delà du Rhin und Marmier's Etudes sur Goethe. Und wenn das an dem grünen Holze geschieht ....! Doch sehen wir ab von der Vergangenheit; von jetzt an soll ja ja die deutsche Sprache, die deutsche Litteratur ein wesentlicher Lehrgegenstand in den französischen Gymnasien seyn! Wofern es nur hier nicht bei dem todten Buchstaben sein Bewenden hat, wofern nur in den Schulen nicht das Deutschlehren auf dem nämlichen Fuße getrieben wird, wie in den meisten Fällen des Privatunterrichts, wo sich zu Lehrern der deutschen Sprache gerade die Personen aufwerfen, die nichts Anderes zu thun im Stande wären, die aller Vorstudien entbehren, und die süße Erinnerung ihres Provincialdialekts für reinen Klang ihrer nationellen Schriftsprache ausgeben. Besser wäre, bei meiner Treu, die Salvandy'sche verdienstvolle Anregung unbenutzt zu lassen, als die Jugend solchem Unberufe, solcher Profanation preis zu geben, und ihnen gegen die Sprache selbst und ihre geistigen Reichthümer einen Widerwillen einzuflößen, der allein auf Rechnung der Lehrer kommt. Man hält es der Mühe werth, den geringsten Lehrer des Lateinischen oder Griechischen gewissen Vorstudien, Zeugnissen und Prüfungen zu unterwerfen, die seine Befähigung und seinen Lehrerberuf darthun; warum sollte man nicht ein Gleiches gegen die Lehrer der deutschen Sprache verhängen? Ja mit größerm Fuge noch, da schon die allgemeine Vermuthung für die humanistische Vorbildung eines jeden Deutschen spricht, und die entgegengesetzte Thatsache eine schwere Anklage gegen den betheiligten Einzelnen wäre. Würde der Unterricht der fremden Sprachen auf diese Weise angelegt und betrieben, und stets von dem Auge des Ministers und des Studienrathes überwacht, so würden die belohnendsten Resultate nicht lange ausbleiben, und die Franzosen hätten nicht mehr nöthig sich mit frivoler Geringschätzung dessen zu trösten, was sie nicht kennen. Ich kehre zum speciellen Gegenstand meiner Philippika zurück. Hr. Cousin sagt in seinem erwähnten Bericht, es sey die höchste Noth, die Jugend zum ernsten Studium des römischen Rechtes zu leiten. Einverstanden! der Minister hatte bei seinem Vortrage die deutschen Studien im Auge, und mit Recht, wenn gleich das römische Recht in Frankreich keine gesetzliche Kraft hat wie in Deutschland. Wo aber wird der Minister die empfehlenswerthesten Handbücher über römisches Recht, Institutionen wie Pandekten, über römische Rechtsgeschichte, über römischen Gerichtsgebrauch u. s. w. finden als in Deutschland? Sollen unsere Rechtslehrer der französischen Jugend ewig unzugänglich bleiben, oder will man sich mit der Aushülfe französischer Uebersetzungen trösten? Welche eitle Hoffnung das sey, will ich hier zum Schluß durch ein abschreckendes und „abscheuliches“ Exempel darthun. Wenn je ein Buch zeitgemäß angekündigt wurde, so ist es die so eben erscheinende Uebersetzung von Savigny's Recht des Besitzes, von einem gewissen Faivre d'Audelange, Doctor der Rechte, nichts Geringeres! In diesem Gedanken nehme ich das erste Heft der Uebertragung zur Hand und finde von Seite 1 bis 17 nicht weniger als etwa 20 sinnstörende Fehler und Verstöße aller Art. Welche Zahl werde ich haben, wenn ich dem Uebersetzer einige hundert Seiten lang gefolgt bin! Wörtliche Anführungen würden diesen Aufsatz zum Buche schwellen, aber ich will nicht für einen ungerechten Aristarchen gelten, und meinem harten Ausspruche mögen wenige Citate zur Rechtfertigung dienen. Schon die zweite Seite verdolmetscht in ganz falscher Weise den von Savigny aufgestellten Begriff des Besitzes. Das Original sagt: Alle denken sich unter dem Besitz einer Sache den Zustand, in welchem nicht nur die eigne Einwirkung auf die Sache physisch möglich ist, sondern auch jede fremde Einwirkung verhindert werden kann. 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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 92. Augsburg, 1. April 1840, S. 0730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_092_18400401/10>, abgerufen am 24.11.2024.