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Allgemeine Zeitung. Nr. 88. Augsburg, 28. März 1840.

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also theurere Arbeiter verlangt. Ein brasilischer Sklave pflückt in einem Tag etwa 16 Pfund Blätter, weil er alle irgend tauglichen zugleich nimmt, während der Chinese die zu jeder Qualität von Thee bestimmten besonders pflückt, und daher kaum die Hälfte der Masse liefert; was freilich zu einem bessern Resultat führt, aber keineswegs eine Verminderung der Kosten verspricht. Der große Vortheil der europäischen Industrie besteht in den Maschinen; aber hier sind sie nicht anwendbar, und in bloßer Handarbeit ist der Chinese uns nicht nur Mann gegen Mann überlegen, sondern die außerordentliche Wohlfeilheit des Lebens erlaubt ihm zu Preisen zu arbeiten, zu denen man in keinem Land in Europa Arbeiter finden könnte. Es ist daher nicht sehr wahrscheinlich, daß diese Cultur, außer etwa im Fall eines Seekriegs oder wenn China in Folge seiner Streitigkeiten mit England seine Häfen gänzlich schließen würde, die Theecultur in Frankreich gedeihen werde, um so mehr, als die Consumtion nicht viel über 3000 Centner jährlich beträgt, welche fast ausschließend von den reicheren Classen consumirt werden, die im Stande sind, die Qualitäten zu unterscheiden, und die besten zu bezahlen.

Ungarn.

Mit bangen Gefühlen hatte ich im vorigen Spätjahr das agonisirende Konstantinopel verlassen; mit neugierigen Blicken betrachtete ich den sich verjüngenden Phönix Serbien; mit erwartungsvollem Herzen stieg ich an die gastlichen Ufer des Ungarlandes zu Semlin, Pesth und Preßburg als den Hauptstationen der Donau-Dampfschifffahrt. - Der Preßburger Landtag dauerte eben ein halbes Jahr lang. Die Gegenstände und Debatten sind allerdings merkwürdig, ja in der Geschichte einzig, nämlich: die Hebung der magyarischen Nationalität und Sprache über alle übrigen im Lande. Dieß ist das Alpha und Omega aller ungarischen Landtage seit zwei oder drei Jahrzehnten. Alles Uebrige ist nur Nebensache oder Mittel zu dem bezeichneten Zweck. Unglaublich viel haben die Magyaren in dieser Hinsicht schon errungen, vielleicht mehr als sie selbst hofften. Erscheinungen dieser Art sind freilich nur in Ungarn möglich und begreiflich, wo der Landtag eigentlich nur ein Adeltag ist, wo Recht, Macht, Amt, Gut, Land, Sprache, Litteratur beinahe nur Einer Classe angehört. Die ungarische Constitution ist gut, ja vortrefflich, aber nur für die, welche sie umfaßt. Und dennoch will man Europa glauben machen, Ungarn besitze das schon lange, was andere Völker und Länder erst suchen! Das Land als Land wird auf dem Landtage nicht vertreten; der Bauernstand hat gar keinen Repräsentanten, gar keine Stimme; der Bürgerstand hat Eine, d. h. keine, indem die gesammten Städte Ungarns nur Einem Edelmann gleich sind. Die Protestanten beider Confessionen, über dritthalb Millionen stark, haben acht Superintendenten, von denen nicht ein einziger bei dem Landtag Sitz und Stimme hat. Der an sich löbliche Patriotismus und Nationalismus der Magyaren bekam eine einseitige Richtung. Er will die Ernte des tausendjährigen Zusammenlebens und Zusammenkämpfens der verschiedenen in Ungarn ansässigen Völker jetzt ganz allein an sich ziehen und die schöne Beute ohne Schwertstreich mitten im Frieden sich ausschließlich zueignen. In den schrecklichen, vernichtenden Kriegen gegen Mongolen, Tartaren, Türken u. s. w. floß nicht bloß magyarisches, sondern auch deutsches und slavisches Blut. - Die jetzigen Magyaren haben beinahe für nichts Anderes in der Welt Sinn und Geschmack, als für diese Magyarisirung der andern Mitvölker. In Gesellschaften und mit Einzelnen habe ich oft zwanzig Fragen und Gespräche über andere Sachen angefangen: mäanderartig kommt jedoch Alles wieder auf diese wahrhaft fixe Idee. Einige nicht unlesenswerthe Broschüren erschienen schon im In- und Auslande dagegen, aber im Besitz der Gewalt ignorirt man solche schwache Stimmen der Unschuld und der Gerechtigkeit. In einem gemischten, durch Jahrhunderte sanctionirten gesellschaftlichen Zustande müssen sich vernünftigerweise die heterogenen Elemente nicht verschlingen und vernichten, sondern nur toleriren, assimiliren und ausgleichen, sonst erscheint und wüthet die Hyder des Nationalhasses auf dem Boden des gemeinschaftlichen Vaterlandes, und ist des Geheuls zügelloser Leidenschaften nie ein Ende. Es entsteht ein Völkerfaustrecht. - Daß der Magyare seine Nation liebt und seine Sprache bildet, ist recht und billig; aber zu verlangen, daß darum Alles um ihn herum verstummen und sich magyarisiren soll, ist unrecht, unbillig, unedel. Sprech- und Redefreiheit, und zwar die geistige, verlangen die Magyaren eben bei diesem Landtag von der österreichischen Regierung, und sie selbst wollen ihren Landesbrüdern nicht einmal die physische gönnen. Die Stimme der Natur, die den Magyaren treibt, seine Muttersprache zu lieben, tönt ja auch in der Brust des Slowaken, Horwaten, Rosnaken, Wallachen, Deutschen. Das ewig wahre Princip der Moral und der Humanität: "Quod tibi fieri non vis, alteri ne feceris" mögen doch auch die guten Magyaren beherzigen. Aller Zwang, es sey ein Schlacht-Zwang oder Gesetz-Zwang, ist in Sachen des Glaubens und des Volksthums mit einem aufgeklärten Jahrhundert unverträglich. Noch widerlicher afficirten mich andere in diesem Lande übliche Mittel der Magyarisirung. Wer da jetzt lateinisch spricht oder schreibt, wird bespöttelt oder ausgelacht; wer deutsch, wird bemitleidet; wer slavisch, wird verdächtigt oder verfolgt. Die skandalösen Spracheinprügelungen zu Kalotsa und andern Orten sind schon aus Schwartners Statistik von Ungarn in Europa bekannt. Einem sonst sehr geschätzten und gelehrten Professor an der königlichen Akademie zu Preßburg wurde vor einigen Jahren ein anonymer schrecklich drohender Brief, worin ein Galgen gezeichnet stand, bloß darum zugeschickt, weil er ein etymologisches Wörterbuch herausgab, in welchem er zeigte, wie viele fremde Wörter die magyarische Sprache enthalte. Aehnliche barbarische, mit Dolch, Prügel etc. gezierte Briefe kamen auch an andere Männer und Schriftsteller, einer sogar an einen Superintendenten. Der hochgeschätzte deutsche Dichter der Tunisias, Patriarch und Erzbischof von Erlau, wurde in magyarischen öffentlichen Zeitschriften verpönt, warum er deutsch dichte! Als unlängst die königliche Resolution von Wien in Preßburg ankam, wo den Magyaren erlaubt wird in der magyarischen Sprache an Se. Majestät zu repräsentiren, soll eine Rotte junger Magyaren in der Reitschule einen Katafalk errichtet und ein komisch-höhnisches Todtenamt der lateinischen und andern nichtmagyarischen Sprachen in Ungarn gehalten und solche darauf bei einem Autodefe in imagine verbrannt haben. Man sagt freilich: das sind Jugendstreiche, nur Excesse Einzelner, die der ganzen Nation nicht zugeschrieben werden können; allerdings! aber in der gegenwärtigen Stimmung der Nation haben sie doch ihre Wurzeln, oder vielmehr sind die Früchte derselben. - Mit schelen Augen sahen die Magyaren den Brillantring, womit unlängst der gütige Kaiser die litterarischen Verdienste des chorwatisch-illyrischen Schriftstellers, Lud. Gay, zu belohnen geruhete. Die Städte, die Zips und sehr viele Ortschaften in ganz Ungarn sind deutsch, der diesseitige Donaukreis, die ganze Karpatenkette ringsum, der volkreichste Landstrich, ist

also theurere Arbeiter verlangt. Ein brasilischer Sklave pflückt in einem Tag etwa 16 Pfund Blätter, weil er alle irgend tauglichen zugleich nimmt, während der Chinese die zu jeder Qualität von Thee bestimmten besonders pflückt, und daher kaum die Hälfte der Masse liefert; was freilich zu einem bessern Resultat führt, aber keineswegs eine Verminderung der Kosten verspricht. Der große Vortheil der europäischen Industrie besteht in den Maschinen; aber hier sind sie nicht anwendbar, und in bloßer Handarbeit ist der Chinese uns nicht nur Mann gegen Mann überlegen, sondern die außerordentliche Wohlfeilheit des Lebens erlaubt ihm zu Preisen zu arbeiten, zu denen man in keinem Land in Europa Arbeiter finden könnte. Es ist daher nicht sehr wahrscheinlich, daß diese Cultur, außer etwa im Fall eines Seekriegs oder wenn China in Folge seiner Streitigkeiten mit England seine Häfen gänzlich schließen würde, die Theecultur in Frankreich gedeihen werde, um so mehr, als die Consumtion nicht viel über 3000 Centner jährlich beträgt, welche fast ausschließend von den reicheren Classen consumirt werden, die im Stande sind, die Qualitäten zu unterscheiden, und die besten zu bezahlen.

Ungarn.

Mit bangen Gefühlen hatte ich im vorigen Spätjahr das agonisirende Konstantinopel verlassen; mit neugierigen Blicken betrachtete ich den sich verjüngenden Phönix Serbien; mit erwartungsvollem Herzen stieg ich an die gastlichen Ufer des Ungarlandes zu Semlin, Pesth und Preßburg als den Hauptstationen der Donau-Dampfschifffahrt. – Der Preßburger Landtag dauerte eben ein halbes Jahr lang. Die Gegenstände und Debatten sind allerdings merkwürdig, ja in der Geschichte einzig, nämlich: die Hebung der magyarischen Nationalität und Sprache über alle übrigen im Lande. Dieß ist das Alpha und Omega aller ungarischen Landtage seit zwei oder drei Jahrzehnten. Alles Uebrige ist nur Nebensache oder Mittel zu dem bezeichneten Zweck. Unglaublich viel haben die Magyaren in dieser Hinsicht schon errungen, vielleicht mehr als sie selbst hofften. Erscheinungen dieser Art sind freilich nur in Ungarn möglich und begreiflich, wo der Landtag eigentlich nur ein Adeltag ist, wo Recht, Macht, Amt, Gut, Land, Sprache, Litteratur beinahe nur Einer Classe angehört. Die ungarische Constitution ist gut, ja vortrefflich, aber nur für die, welche sie umfaßt. Und dennoch will man Europa glauben machen, Ungarn besitze das schon lange, was andere Völker und Länder erst suchen! Das Land als Land wird auf dem Landtage nicht vertreten; der Bauernstand hat gar keinen Repräsentanten, gar keine Stimme; der Bürgerstand hat Eine, d. h. keine, indem die gesammten Städte Ungarns nur Einem Edelmann gleich sind. Die Protestanten beider Confessionen, über dritthalb Millionen stark, haben acht Superintendenten, von denen nicht ein einziger bei dem Landtag Sitz und Stimme hat. Der an sich löbliche Patriotismus und Nationalismus der Magyaren bekam eine einseitige Richtung. Er will die Ernte des tausendjährigen Zusammenlebens und Zusammenkämpfens der verschiedenen in Ungarn ansässigen Völker jetzt ganz allein an sich ziehen und die schöne Beute ohne Schwertstreich mitten im Frieden sich ausschließlich zueignen. In den schrecklichen, vernichtenden Kriegen gegen Mongolen, Tartaren, Türken u. s. w. floß nicht bloß magyarisches, sondern auch deutsches und slavisches Blut. – Die jetzigen Magyaren haben beinahe für nichts Anderes in der Welt Sinn und Geschmack, als für diese Magyarisirung der andern Mitvölker. In Gesellschaften und mit Einzelnen habe ich oft zwanzig Fragen und Gespräche über andere Sachen angefangen: mäanderartig kommt jedoch Alles wieder auf diese wahrhaft fixe Idee. Einige nicht unlesenswerthe Broschüren erschienen schon im In- und Auslande dagegen, aber im Besitz der Gewalt ignorirt man solche schwache Stimmen der Unschuld und der Gerechtigkeit. In einem gemischten, durch Jahrhunderte sanctionirten gesellschaftlichen Zustande müssen sich vernünftigerweise die heterogenen Elemente nicht verschlingen und vernichten, sondern nur toleriren, assimiliren und ausgleichen, sonst erscheint und wüthet die Hyder des Nationalhasses auf dem Boden des gemeinschaftlichen Vaterlandes, und ist des Geheuls zügelloser Leidenschaften nie ein Ende. Es entsteht ein Völkerfaustrecht. – Daß der Magyare seine Nation liebt und seine Sprache bildet, ist recht und billig; aber zu verlangen, daß darum Alles um ihn herum verstummen und sich magyarisiren soll, ist unrecht, unbillig, unedel. Sprech- und Redefreiheit, und zwar die geistige, verlangen die Magyaren eben bei diesem Landtag von der österreichischen Regierung, und sie selbst wollen ihren Landesbrüdern nicht einmal die physische gönnen. Die Stimme der Natur, die den Magyaren treibt, seine Muttersprache zu lieben, tönt ja auch in der Brust des Slowaken, Horwaten, Rosnaken, Wallachen, Deutschen. Das ewig wahre Princip der Moral und der Humanität: „Quod tibi fieri non vis, alteri ne feceris“ mögen doch auch die guten Magyaren beherzigen. Aller Zwang, es sey ein Schlacht-Zwang oder Gesetz-Zwang, ist in Sachen des Glaubens und des Volksthums mit einem aufgeklärten Jahrhundert unverträglich. Noch widerlicher afficirten mich andere in diesem Lande übliche Mittel der Magyarisirung. Wer da jetzt lateinisch spricht oder schreibt, wird bespöttelt oder ausgelacht; wer deutsch, wird bemitleidet; wer slavisch, wird verdächtigt oder verfolgt. Die skandalösen Spracheinprügelungen zu Kalotsa und andern Orten sind schon aus Schwartners Statistik von Ungarn in Europa bekannt. Einem sonst sehr geschätzten und gelehrten Professor an der königlichen Akademie zu Preßburg wurde vor einigen Jahren ein anonymer schrecklich drohender Brief, worin ein Galgen gezeichnet stand, bloß darum zugeschickt, weil er ein etymologisches Wörterbuch herausgab, in welchem er zeigte, wie viele fremde Wörter die magyarische Sprache enthalte. Aehnliche barbarische, mit Dolch, Prügel etc. gezierte Briefe kamen auch an andere Männer und Schriftsteller, einer sogar an einen Superintendenten. Der hochgeschätzte deutsche Dichter der Tunisias, Patriarch und Erzbischof von Erlau, wurde in magyarischen öffentlichen Zeitschriften verpönt, warum er deutsch dichte! Als unlängst die königliche Resolution von Wien in Preßburg ankam, wo den Magyaren erlaubt wird in der magyarischen Sprache an Se. Majestät zu repräsentiren, soll eine Rotte junger Magyaren in der Reitschule einen Katafalk errichtet und ein komisch-höhnisches Todtenamt der lateinischen und andern nichtmagyarischen Sprachen in Ungarn gehalten und solche darauf bei einem Autodefé in imagine verbrannt haben. Man sagt freilich: das sind Jugendstreiche, nur Excesse Einzelner, die der ganzen Nation nicht zugeschrieben werden können; allerdings! aber in der gegenwärtigen Stimmung der Nation haben sie doch ihre Wurzeln, oder vielmehr sind die Früchte derselben. – Mit schelen Augen sahen die Magyaren den Brillantring, womit unlängst der gütige Kaiser die litterarischen Verdienste des chorwatisch-illyrischen Schriftstellers, Lud. Gay, zu belohnen geruhete. Die Städte, die Zips und sehr viele Ortschaften in ganz Ungarn sind deutsch, der diesseitige Donaukreis, die ganze Karpatenkette ringsum, der volkreichste Landstrich, ist

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Erscheinungen dieser Art sind freilich nur in Ungarn möglich und begreiflich, wo der Landtag eigentlich nur ein Adeltag ist, wo Recht, Macht, Amt, Gut, Land, Sprache, Litteratur beinahe nur Einer Classe angehört. Die ungarische Constitution ist gut, ja vortrefflich, aber nur für die, welche sie <hi rendition="#g">umfaßt</hi>. Und dennoch will man Europa glauben machen, Ungarn besitze das schon lange, was andere Völker und Länder erst suchen! Das Land als Land wird auf dem Landtage nicht vertreten; der Bauernstand hat gar keinen Repräsentanten, gar keine Stimme; der Bürgerstand hat Eine, d. h. keine, indem die gesammten Städte Ungarns nur Einem Edelmann gleich sind. Die Protestanten beider Confessionen, über dritthalb Millionen stark, haben acht Superintendenten, von denen nicht ein einziger bei dem Landtag Sitz und Stimme hat. Der an sich löbliche Patriotismus und Nationalismus der Magyaren bekam eine einseitige Richtung. Er will die Ernte des tausendjährigen Zusammenlebens und Zusammenkämpfens der verschiedenen in Ungarn ansässigen Völker jetzt ganz allein an sich ziehen und die schöne Beute ohne Schwertstreich mitten im Frieden sich ausschließlich zueignen. In den schrecklichen, vernichtenden Kriegen gegen Mongolen, Tartaren, Türken u. s. w. floß nicht bloß magyarisches, sondern auch deutsches und slavisches Blut. &#x2013; Die jetzigen Magyaren haben beinahe für nichts Anderes in der Welt Sinn und Geschmack, als für diese Magyarisirung der andern Mitvölker. In Gesellschaften und mit Einzelnen habe ich oft zwanzig Fragen und Gespräche über andere Sachen angefangen: mäanderartig kommt jedoch Alles wieder auf diese wahrhaft fixe Idee. Einige nicht unlesenswerthe Broschüren erschienen schon im In- und Auslande dagegen, aber im Besitz der Gewalt ignorirt man solche schwache Stimmen der Unschuld und der Gerechtigkeit. In einem gemischten, durch Jahrhunderte sanctionirten gesellschaftlichen Zustande müssen sich vernünftigerweise die heterogenen Elemente nicht verschlingen und vernichten, sondern nur toleriren, assimiliren und ausgleichen, sonst erscheint und wüthet die Hyder des Nationalhasses auf dem Boden des gemeinschaftlichen Vaterlandes, und ist des Geheuls zügelloser Leidenschaften nie ein Ende. Es entsteht ein Völkerfaustrecht. &#x2013; Daß der Magyare seine Nation liebt und seine Sprache bildet, ist recht und billig; aber zu verlangen, daß darum Alles um ihn herum verstummen und sich magyarisiren soll, ist unrecht, unbillig, unedel. Sprech- und Redefreiheit, und zwar die <hi rendition="#g">geistige</hi>, verlangen die Magyaren eben bei diesem Landtag von der österreichischen Regierung, und sie selbst wollen ihren Landesbrüdern nicht einmal die <hi rendition="#g">physische</hi> gönnen. 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Einem sonst sehr geschätzten und gelehrten Professor an der königlichen Akademie zu Preßburg wurde vor einigen Jahren ein anonymer schrecklich drohender Brief, worin ein Galgen gezeichnet stand, bloß darum zugeschickt, weil er ein etymologisches Wörterbuch herausgab, in welchem er zeigte, wie viele fremde Wörter die magyarische Sprache enthalte. Aehnliche barbarische, mit Dolch, Prügel etc. gezierte Briefe kamen auch an andere Männer und Schriftsteller, einer sogar an einen Superintendenten. Der hochgeschätzte deutsche Dichter der Tunisias, Patriarch und Erzbischof von Erlau, wurde in magyarischen öffentlichen Zeitschriften verpönt, warum er deutsch dichte! Als unlängst die königliche Resolution von Wien in Preßburg ankam, wo den Magyaren erlaubt wird in der magyarischen Sprache an Se. Majestät zu repräsentiren, soll eine Rotte junger Magyaren in der Reitschule einen Katafalk errichtet und ein komisch-höhnisches Todtenamt der lateinischen und andern nichtmagyarischen Sprachen in Ungarn gehalten und solche darauf bei einem Autodefé in imagine verbrannt haben. Man sagt freilich: das sind Jugendstreiche, nur Excesse Einzelner, die der ganzen Nation nicht zugeschrieben werden können; allerdings! aber in der gegenwärtigen Stimmung der Nation haben sie doch ihre Wurzeln, oder vielmehr sind die Früchte derselben. &#x2013; Mit schelen Augen sahen die Magyaren den Brillantring, womit unlängst der gütige Kaiser die litterarischen Verdienste des chorwatisch-illyrischen Schriftstellers, Lud. Gay, zu belohnen geruhete. Die Städte, die Zips und sehr viele Ortschaften in ganz Ungarn sind deutsch, der diesseitige Donaukreis, die ganze Karpatenkette ringsum, der volkreichste Landstrich, ist<lb/></p>
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[0699/0011] also theurere Arbeiter verlangt. Ein brasilischer Sklave pflückt in einem Tag etwa 16 Pfund Blätter, weil er alle irgend tauglichen zugleich nimmt, während der Chinese die zu jeder Qualität von Thee bestimmten besonders pflückt, und daher kaum die Hälfte der Masse liefert; was freilich zu einem bessern Resultat führt, aber keineswegs eine Verminderung der Kosten verspricht. Der große Vortheil der europäischen Industrie besteht in den Maschinen; aber hier sind sie nicht anwendbar, und in bloßer Handarbeit ist der Chinese uns nicht nur Mann gegen Mann überlegen, sondern die außerordentliche Wohlfeilheit des Lebens erlaubt ihm zu Preisen zu arbeiten, zu denen man in keinem Land in Europa Arbeiter finden könnte. Es ist daher nicht sehr wahrscheinlich, daß diese Cultur, außer etwa im Fall eines Seekriegs oder wenn China in Folge seiner Streitigkeiten mit England seine Häfen gänzlich schließen würde, die Theecultur in Frankreich gedeihen werde, um so mehr, als die Consumtion nicht viel über 3000 Centner jährlich beträgt, welche fast ausschließend von den reicheren Classen consumirt werden, die im Stande sind, die Qualitäten zu unterscheiden, und die besten zu bezahlen. Ungarn. _ Preßburg, Frühjahr 1840 Mit bangen Gefühlen hatte ich im vorigen Spätjahr das agonisirende Konstantinopel verlassen; mit neugierigen Blicken betrachtete ich den sich verjüngenden Phönix Serbien; mit erwartungsvollem Herzen stieg ich an die gastlichen Ufer des Ungarlandes zu Semlin, Pesth und Preßburg als den Hauptstationen der Donau-Dampfschifffahrt. – Der Preßburger Landtag dauerte eben ein halbes Jahr lang. Die Gegenstände und Debatten sind allerdings merkwürdig, ja in der Geschichte einzig, nämlich: die Hebung der magyarischen Nationalität und Sprache über alle übrigen im Lande. Dieß ist das Alpha und Omega aller ungarischen Landtage seit zwei oder drei Jahrzehnten. Alles Uebrige ist nur Nebensache oder Mittel zu dem bezeichneten Zweck. Unglaublich viel haben die Magyaren in dieser Hinsicht schon errungen, vielleicht mehr als sie selbst hofften. Erscheinungen dieser Art sind freilich nur in Ungarn möglich und begreiflich, wo der Landtag eigentlich nur ein Adeltag ist, wo Recht, Macht, Amt, Gut, Land, Sprache, Litteratur beinahe nur Einer Classe angehört. Die ungarische Constitution ist gut, ja vortrefflich, aber nur für die, welche sie umfaßt. Und dennoch will man Europa glauben machen, Ungarn besitze das schon lange, was andere Völker und Länder erst suchen! Das Land als Land wird auf dem Landtage nicht vertreten; der Bauernstand hat gar keinen Repräsentanten, gar keine Stimme; der Bürgerstand hat Eine, d. h. keine, indem die gesammten Städte Ungarns nur Einem Edelmann gleich sind. Die Protestanten beider Confessionen, über dritthalb Millionen stark, haben acht Superintendenten, von denen nicht ein einziger bei dem Landtag Sitz und Stimme hat. Der an sich löbliche Patriotismus und Nationalismus der Magyaren bekam eine einseitige Richtung. Er will die Ernte des tausendjährigen Zusammenlebens und Zusammenkämpfens der verschiedenen in Ungarn ansässigen Völker jetzt ganz allein an sich ziehen und die schöne Beute ohne Schwertstreich mitten im Frieden sich ausschließlich zueignen. In den schrecklichen, vernichtenden Kriegen gegen Mongolen, Tartaren, Türken u. s. w. floß nicht bloß magyarisches, sondern auch deutsches und slavisches Blut. – Die jetzigen Magyaren haben beinahe für nichts Anderes in der Welt Sinn und Geschmack, als für diese Magyarisirung der andern Mitvölker. In Gesellschaften und mit Einzelnen habe ich oft zwanzig Fragen und Gespräche über andere Sachen angefangen: mäanderartig kommt jedoch Alles wieder auf diese wahrhaft fixe Idee. Einige nicht unlesenswerthe Broschüren erschienen schon im In- und Auslande dagegen, aber im Besitz der Gewalt ignorirt man solche schwache Stimmen der Unschuld und der Gerechtigkeit. In einem gemischten, durch Jahrhunderte sanctionirten gesellschaftlichen Zustande müssen sich vernünftigerweise die heterogenen Elemente nicht verschlingen und vernichten, sondern nur toleriren, assimiliren und ausgleichen, sonst erscheint und wüthet die Hyder des Nationalhasses auf dem Boden des gemeinschaftlichen Vaterlandes, und ist des Geheuls zügelloser Leidenschaften nie ein Ende. Es entsteht ein Völkerfaustrecht. – Daß der Magyare seine Nation liebt und seine Sprache bildet, ist recht und billig; aber zu verlangen, daß darum Alles um ihn herum verstummen und sich magyarisiren soll, ist unrecht, unbillig, unedel. Sprech- und Redefreiheit, und zwar die geistige, verlangen die Magyaren eben bei diesem Landtag von der österreichischen Regierung, und sie selbst wollen ihren Landesbrüdern nicht einmal die physische gönnen. Die Stimme der Natur, die den Magyaren treibt, seine Muttersprache zu lieben, tönt ja auch in der Brust des Slowaken, Horwaten, Rosnaken, Wallachen, Deutschen. Das ewig wahre Princip der Moral und der Humanität: „Quod tibi fieri non vis, alteri ne feceris“ mögen doch auch die guten Magyaren beherzigen. Aller Zwang, es sey ein Schlacht-Zwang oder Gesetz-Zwang, ist in Sachen des Glaubens und des Volksthums mit einem aufgeklärten Jahrhundert unverträglich. Noch widerlicher afficirten mich andere in diesem Lande übliche Mittel der Magyarisirung. Wer da jetzt lateinisch spricht oder schreibt, wird bespöttelt oder ausgelacht; wer deutsch, wird bemitleidet; wer slavisch, wird verdächtigt oder verfolgt. Die skandalösen Spracheinprügelungen zu Kalotsa und andern Orten sind schon aus Schwartners Statistik von Ungarn in Europa bekannt. Einem sonst sehr geschätzten und gelehrten Professor an der königlichen Akademie zu Preßburg wurde vor einigen Jahren ein anonymer schrecklich drohender Brief, worin ein Galgen gezeichnet stand, bloß darum zugeschickt, weil er ein etymologisches Wörterbuch herausgab, in welchem er zeigte, wie viele fremde Wörter die magyarische Sprache enthalte. Aehnliche barbarische, mit Dolch, Prügel etc. gezierte Briefe kamen auch an andere Männer und Schriftsteller, einer sogar an einen Superintendenten. Der hochgeschätzte deutsche Dichter der Tunisias, Patriarch und Erzbischof von Erlau, wurde in magyarischen öffentlichen Zeitschriften verpönt, warum er deutsch dichte! Als unlängst die königliche Resolution von Wien in Preßburg ankam, wo den Magyaren erlaubt wird in der magyarischen Sprache an Se. Majestät zu repräsentiren, soll eine Rotte junger Magyaren in der Reitschule einen Katafalk errichtet und ein komisch-höhnisches Todtenamt der lateinischen und andern nichtmagyarischen Sprachen in Ungarn gehalten und solche darauf bei einem Autodefé in imagine verbrannt haben. Man sagt freilich: das sind Jugendstreiche, nur Excesse Einzelner, die der ganzen Nation nicht zugeschrieben werden können; allerdings! aber in der gegenwärtigen Stimmung der Nation haben sie doch ihre Wurzeln, oder vielmehr sind die Früchte derselben. – Mit schelen Augen sahen die Magyaren den Brillantring, womit unlängst der gütige Kaiser die litterarischen Verdienste des chorwatisch-illyrischen Schriftstellers, Lud. Gay, zu belohnen geruhete. Die Städte, die Zips und sehr viele Ortschaften in ganz Ungarn sind deutsch, der diesseitige Donaukreis, die ganze Karpatenkette ringsum, der volkreichste Landstrich, ist

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 88. Augsburg, 28. März 1840, S. 0699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_088_18400328/11>, abgerufen am 23.11.2024.