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Allgemeine Zeitung. Nr. 87. Augsburg, 27. März 1840.

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jeder Gefahr zu trotzen, falls er je der Sympathie beraubt werden sollte, die ihm seither in Frankreich geworden. Er habe zu diesem Ende das Nothwendige veranlaßt und werde sich in eine Verfassung setzen, daß die Herren in Europa erfahren, wie man die Haut nicht eher verkaufen dürfe, bis man den Löwen erlegt habe. Der Löwe werde sich tüchtig wehren, mörderisch beißen. Ihm seyen die Verheißungen und Drohungen von der Tribune herab sattsam bekannt, und der Koran lehre ihn, daß wenn der Prophet wirklich gesprochen, etwas werden und seyn müsse, da sonst nur Trug herrsche, ob dem er sich weder freuen noch fürchten soll. Er freue und fürchte sich auch nicht und vertraue auf sich und seinen Stern. Hr. Cochelet gibt diese Aeußerungen in einer sehr beachtenswerthen Depesche wieder und räth in dringendem Ton, Mehemed Ali bald zu befriedigen. Diese Depesche war eine der ersten, welche Hr. Thiers im auswärtigen Departement zu eröffnen hatte, und deren Inhalt ihn sehr nachdenkend gemacht haben soll. Thiers gehört zu den Wenigen, die zwischen den Zeilen lesen, und er las hier deutlich die Antwort auf seine denkwürdige Rede, die Mehemed Ali, wie er sah, nur zu gut verstanden, nur zu genau aufgefaßt hatte.

Hr. Thiers hat seit seinem letzten Austritt aus dem Ministerium unverrückt nach Einem Ziele manöuvrirt: "wie kann es mir gelingen den Posten eines Premierministers zu erschwingen, ohne den Unannehmlichkeiten ausgesetzt zu seyn, wie vorhin als Instrument aufgegriffen und als Instrument wieder auf die Seite gelegt und zerbrochen zu werden?" - Den Haß der Doctrinärs gegen den Grafen Mole benützend, hat er aus den Elementen dieses Hasses die sogenannte Coalition zusammengesponnen, aber erfahren, daß man seine Münze noch nicht ohne Mißtrauen anzunehmen gedenke. Das Ministerium Soult schien versichert zu seyn, sein Leben durch die dießjährige Sitzung durchzuschleppen, als das bekannte Dotationsgesetz Hrn. Thiers Wasser auf seine Mühle brachte. Aber er weiß wohl, daß in den Mühlrädern noch mancherlei Geister hausen, um ihm einen Schabernack zu spielen, und diese Geister ist er jetzt bemüht heraus zu beschwören. Als er berufen ward sein Ministerium zu bilden, und man ihn befragte, ob er eines schon entworfen habe, antwortete er, seine Collegen seyen bereit. Als man ihm deren Namen abfragte, gab er zum Bescheid, er habe nicht Lust diese Namen binnen zweimal vierundzwanzig Stunden compromittirt zu sehen; er werde sie nur dann ausspielen, wenn es Ernst sey, ihm die Bildung eines Cabinets anzuvertrauen. Man erbat sich zweimal vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit, worauf Hr. Thiers die Antwort gegeben haben soll: nach Verlauf dieser zweimal vierundzwanzig Stunden habe ich mich auch zu bedenken. Er hatte sich wegen der Ermächtigung zu eventueller Auflösung der Kammer Gewißheit zu verschaffen. Er erhielt sie. So ward er Minister. Seine rasche Keckheit setzte ihn gut mit der Linken, welche glaubte, in ihm den Anfang zu einer Realisation der englischen Parlamentsregierung zu gewahren, und den endlichen Sturz des mit den Bourbonen 1814 eingewanderten Systems, dessen eigentlicher Sinn war, die Monarchie mit einem Grand Conseil der Kammern zu umgeben, ohne denselben die wahre Regierungsmacht in die Hände zu geben. - Persönliche Anhänger des Hrn. Thiers sind fast nur die Journalisten, welche in ihm die Apotheose des Journalismus gewahren; aber so wie es kein Gift gibt ohne Gegengift, und das Mittel zur Verwundung auch das Mittel zur Heilung ist, so hat die Natur auch dafür gesorgt, daß was die Journalistik emporhebt, sie auch wieder zu Fall bringt; denn wenn Hr. Thiers in der Presse des Tages seine hitzigsten Freunde hat, so hat er in derselben auch seine heftigsten Feinde. Höchst bitter sind gegen ihn alle Radicalen und Republicaner, deren Organ der National ist, weil sie ihn als einen gesinnungslosen Menschen betrachten, der alle Dinge leicht begreift, aber auch eben so leicht wieder aufgibt. Dann ist die dynastische Journalistik ihm höchst aufsäßig, weil diese stets neben dem ministeriellen ein rein dynastisches Interesse behauptet, und in diese Journalistik ist ein Theil der Belletristik verflochten, indem Balzac, Hugo, Dumas und alle diese Herren, wie ein Theil der Malerzunft, in den heutigen dynastischen Interessen mehr oder minder incorporirt sind. Aber Thiers hat die Hauptorgane der hiesigen Journalistik wenn auch nicht zur vollkommensten Disposition, doch zur Beförderung seiner politischen Plane. Was er eigentlich will, weiß keiner so recht, und er weiß es wahrscheinlich selbst nicht; daß er aber ein nothwendiger parlamentarer Gegensatz des abstracten Dynasticismus ist, daß er die sogenannte constitutionelle, im Grunde aber mehr oder minder rein monarchische Constitution in eine parlamentare, den Engländern nachgeahmte, näher besehen aber rein ministerielle Constitution umändern will, darin liegt eigentlich heute seine Kraft, welche freilich von vorn an gefährdet seyn möchte. Indessen zeigt er so ziemlich unumwunden allen Parteien, daß er das letzte Wort des Monarchismus sey, und nach ihm die Revolution anfange, und das ist eben seine große Geschicklichkeit, denn in petto glauben dieß viele Dynastische selbst, und möchten gerne gezwungen seyn für ihn zu votiren, obgleich sich viele mit einer falschen Courage brüsten. In dieser sogenannten dynastischen Opposition gegen Hrn. Thiers macht Hr. v. Lamartine eine große, ehrenvolle Ausnahme; er gehört eigentlich in keine Kategorie und classificirt sich nicht in der Kammer; er gehört zu den in letzter Quelle durch Lafayette getränkten Geistern, obwohl sie gar nicht an die Tauglichkeit und Erhabenheit der Gesinnungen unsrer Demokratie glauben und das nobiliäre Element, insofern es güterbesitzend ist, als Haltpunkt nicht verschmähen, weil sie überzeugt sind, es sey mehr Großsinn und ächte Liberalität in einem Corpus der Gutsbesitzer als in dem Stande der Notarien, der wahren Leiter und Lenker der Wahlcollegien auf dem Lande. Lamartine nun stellt sich Hrn. Thiers gegenüber, rein persönlich, dem Anscheine nach, weil es eben Hr. Thiers ist, das ist ein nicht aus dem ächten Kern der Nation hervorgewachsener Minister, der seine Macht keinem wahren Volksprincipe verdankt, sondern nur einem flottanten Princip der Journalistik. Weß Geistes Kind ist aber Hr. Thiers? Gewiß, daß er weit eminentere Geistesgaben besitzt als seine Mitwerber der Kammer; aber ist Kraft genug in ihm, um sich aus den Windeln seiner Geburt herauszuschlagen, kann er als denkender Kopf und thätiger Mann dastehen, nachdem er als geistreicher Kopf und beweglicher Geselle sich in Bureaux, Journalen und Ministerien herumgethan? Das ist für die Zukunft des Hrn. Thiers die ganze Frage.

Belgien.

Es war schwer, wenn nicht unmöglich, in der Aufregung, welche dem Votum vom 14 März folgte, die Consequenzen desselben und die Nothwendigkeiten der neuen Lage, in welche sich Kammer und Regierung zu einander versetzt sahen, in ihrem ganzen Umfange und mit Sicherheit vorauszubestimmen. Das Ministerium war dem Nationalgefühl zu entschieden und zu hartnäckig entgegengetreten, die Minister hatten während der Discussion selbst sich, viel zu hart absprechend, auf die Nothwendigkeit sich ihrer Ansicht unterwerfen zu müssen, trotzend gezeigt, sie hatten zu sehr Fehler auf Fehler gehäuft, sich zu sehr jeder Transaction - zu der

jeder Gefahr zu trotzen, falls er je der Sympathie beraubt werden sollte, die ihm seither in Frankreich geworden. Er habe zu diesem Ende das Nothwendige veranlaßt und werde sich in eine Verfassung setzen, daß die Herren in Europa erfahren, wie man die Haut nicht eher verkaufen dürfe, bis man den Löwen erlegt habe. Der Löwe werde sich tüchtig wehren, mörderisch beißen. Ihm seyen die Verheißungen und Drohungen von der Tribune herab sattsam bekannt, und der Koran lehre ihn, daß wenn der Prophet wirklich gesprochen, etwas werden und seyn müsse, da sonst nur Trug herrsche, ob dem er sich weder freuen noch fürchten soll. Er freue und fürchte sich auch nicht und vertraue auf sich und seinen Stern. Hr. Cochelet gibt diese Aeußerungen in einer sehr beachtenswerthen Depesche wieder und räth in dringendem Ton, Mehemed Ali bald zu befriedigen. Diese Depesche war eine der ersten, welche Hr. Thiers im auswärtigen Departement zu eröffnen hatte, und deren Inhalt ihn sehr nachdenkend gemacht haben soll. Thiers gehört zu den Wenigen, die zwischen den Zeilen lesen, und er las hier deutlich die Antwort auf seine denkwürdige Rede, die Mehemed Ali, wie er sah, nur zu gut verstanden, nur zu genau aufgefaßt hatte.

Hr. Thiers hat seit seinem letzten Austritt aus dem Ministerium unverrückt nach Einem Ziele manöuvrirt: „wie kann es mir gelingen den Posten eines Premierministers zu erschwingen, ohne den Unannehmlichkeiten ausgesetzt zu seyn, wie vorhin als Instrument aufgegriffen und als Instrument wieder auf die Seite gelegt und zerbrochen zu werden?“ – Den Haß der Doctrinärs gegen den Grafen Molé benützend, hat er aus den Elementen dieses Hasses die sogenannte Coalition zusammengesponnen, aber erfahren, daß man seine Münze noch nicht ohne Mißtrauen anzunehmen gedenke. Das Ministerium Soult schien versichert zu seyn, sein Leben durch die dießjährige Sitzung durchzuschleppen, als das bekannte Dotationsgesetz Hrn. Thiers Wasser auf seine Mühle brachte. Aber er weiß wohl, daß in den Mühlrädern noch mancherlei Geister hausen, um ihm einen Schabernack zu spielen, und diese Geister ist er jetzt bemüht heraus zu beschwören. Als er berufen ward sein Ministerium zu bilden, und man ihn befragte, ob er eines schon entworfen habe, antwortete er, seine Collegen seyen bereit. Als man ihm deren Namen abfragte, gab er zum Bescheid, er habe nicht Lust diese Namen binnen zweimal vierundzwanzig Stunden compromittirt zu sehen; er werde sie nur dann ausspielen, wenn es Ernst sey, ihm die Bildung eines Cabinets anzuvertrauen. Man erbat sich zweimal vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit, worauf Hr. Thiers die Antwort gegeben haben soll: nach Verlauf dieser zweimal vierundzwanzig Stunden habe ich mich auch zu bedenken. Er hatte sich wegen der Ermächtigung zu eventueller Auflösung der Kammer Gewißheit zu verschaffen. Er erhielt sie. So ward er Minister. Seine rasche Keckheit setzte ihn gut mit der Linken, welche glaubte, in ihm den Anfang zu einer Realisation der englischen Parlamentsregierung zu gewahren, und den endlichen Sturz des mit den Bourbonen 1814 eingewanderten Systems, dessen eigentlicher Sinn war, die Monarchie mit einem Grand Conseil der Kammern zu umgeben, ohne denselben die wahre Regierungsmacht in die Hände zu geben. – Persönliche Anhänger des Hrn. Thiers sind fast nur die Journalisten, welche in ihm die Apotheose des Journalismus gewahren; aber so wie es kein Gift gibt ohne Gegengift, und das Mittel zur Verwundung auch das Mittel zur Heilung ist, so hat die Natur auch dafür gesorgt, daß was die Journalistik emporhebt, sie auch wieder zu Fall bringt; denn wenn Hr. Thiers in der Presse des Tages seine hitzigsten Freunde hat, so hat er in derselben auch seine heftigsten Feinde. Höchst bitter sind gegen ihn alle Radicalen und Republicaner, deren Organ der National ist, weil sie ihn als einen gesinnungslosen Menschen betrachten, der alle Dinge leicht begreift, aber auch eben so leicht wieder aufgibt. Dann ist die dynastische Journalistik ihm höchst aufsäßig, weil diese stets neben dem ministeriellen ein rein dynastisches Interesse behauptet, und in diese Journalistik ist ein Theil der Belletristik verflochten, indem Balzac, Hugo, Dumas und alle diese Herren, wie ein Theil der Malerzunft, in den heutigen dynastischen Interessen mehr oder minder incorporirt sind. Aber Thiers hat die Hauptorgane der hiesigen Journalistik wenn auch nicht zur vollkommensten Disposition, doch zur Beförderung seiner politischen Plane. Was er eigentlich will, weiß keiner so recht, und er weiß es wahrscheinlich selbst nicht; daß er aber ein nothwendiger parlamentarer Gegensatz des abstracten Dynasticismus ist, daß er die sogenannte constitutionelle, im Grunde aber mehr oder minder rein monarchische Constitution in eine parlamentare, den Engländern nachgeahmte, näher besehen aber rein ministerielle Constitution umändern will, darin liegt eigentlich heute seine Kraft, welche freilich von vorn an gefährdet seyn möchte. Indessen zeigt er so ziemlich unumwunden allen Parteien, daß er das letzte Wort des Monarchismus sey, und nach ihm die Revolution anfange, und das ist eben seine große Geschicklichkeit, denn in petto glauben dieß viele Dynastische selbst, und möchten gerne gezwungen seyn für ihn zu votiren, obgleich sich viele mit einer falschen Courage brüsten. In dieser sogenannten dynastischen Opposition gegen Hrn. Thiers macht Hr. v. Lamartine eine große, ehrenvolle Ausnahme; er gehört eigentlich in keine Kategorie und classificirt sich nicht in der Kammer; er gehört zu den in letzter Quelle durch Lafayette getränkten Geistern, obwohl sie gar nicht an die Tauglichkeit und Erhabenheit der Gesinnungen unsrer Demokratie glauben und das nobiliäre Element, insofern es güterbesitzend ist, als Haltpunkt nicht verschmähen, weil sie überzeugt sind, es sey mehr Großsinn und ächte Liberalität in einem Corpus der Gutsbesitzer als in dem Stande der Notarien, der wahren Leiter und Lenker der Wahlcollegien auf dem Lande. Lamartine nun stellt sich Hrn. Thiers gegenüber, rein persönlich, dem Anscheine nach, weil es eben Hr. Thiers ist, das ist ein nicht aus dem ächten Kern der Nation hervorgewachsener Minister, der seine Macht keinem wahren Volksprincipe verdankt, sondern nur einem flottanten Princip der Journalistik. Weß Geistes Kind ist aber Hr. Thiers? Gewiß, daß er weit eminentere Geistesgaben besitzt als seine Mitwerber der Kammer; aber ist Kraft genug in ihm, um sich aus den Windeln seiner Geburt herauszuschlagen, kann er als denkender Kopf und thätiger Mann dastehen, nachdem er als geistreicher Kopf und beweglicher Geselle sich in Bureaux, Journalen und Ministerien herumgethan? Das ist für die Zukunft des Hrn. Thiers die ganze Frage.

Belgien.

Es war schwer, wenn nicht unmöglich, in der Aufregung, welche dem Votum vom 14 März folgte, die Consequenzen desselben und die Nothwendigkeiten der neuen Lage, in welche sich Kammer und Regierung zu einander versetzt sahen, in ihrem ganzen Umfange und mit Sicherheit vorauszubestimmen. Das Ministerium war dem Nationalgefühl zu entschieden und zu hartnäckig entgegengetreten, die Minister hatten während der Discussion selbst sich, viel zu hart absprechend, auf die Nothwendigkeit sich ihrer Ansicht unterwerfen zu müssen, trotzend gezeigt, sie hatten zu sehr Fehler auf Fehler gehäuft, sich zu sehr jeder Transaction – zu der

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Als er berufen ward sein Ministerium zu bilden, und man ihn befragte, ob er eines schon entworfen habe, antwortete er, seine Collegen seyen bereit. Als man ihm deren Namen abfragte, gab er zum Bescheid, er habe nicht Lust diese Namen binnen zweimal vierundzwanzig Stunden compromittirt zu sehen; er werde sie nur dann ausspielen, wenn es Ernst sey, ihm die Bildung eines Cabinets anzuvertrauen. Man erbat sich zweimal vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit, worauf Hr. Thiers die Antwort gegeben haben soll: nach Verlauf dieser zweimal vierundzwanzig Stunden habe ich mich auch zu bedenken. Er hatte sich wegen der Ermächtigung zu eventueller Auflösung der Kammer Gewißheit zu verschaffen. Er erhielt sie. So ward er Minister. Seine rasche Keckheit setzte ihn gut mit der Linken, welche glaubte, in ihm den Anfang zu einer Realisation der englischen Parlamentsregierung zu gewahren, und den endlichen Sturz des mit den Bourbonen 1814 eingewanderten Systems, dessen eigentlicher Sinn war, die Monarchie mit einem Grand Conseil der Kammern zu umgeben, ohne denselben die wahre Regierungsmacht in die Hände zu geben. &#x2013; <hi rendition="#g">Persönliche</hi> Anhänger des Hrn. Thiers sind fast nur die Journalisten, welche in ihm die Apotheose des Journalismus gewahren; aber so wie es kein Gift gibt ohne Gegengift, und das Mittel zur Verwundung auch das Mittel zur Heilung ist, so hat die Natur auch dafür gesorgt, daß was die Journalistik emporhebt, sie auch wieder zu Fall bringt; denn wenn Hr. Thiers in der Presse des Tages seine hitzigsten Freunde hat, so hat er in derselben auch seine heftigsten Feinde. Höchst bitter sind gegen ihn alle Radicalen und Republicaner, deren Organ der National ist, weil sie ihn als einen gesinnungslosen Menschen betrachten, der alle Dinge leicht begreift, aber auch eben so leicht wieder aufgibt. Dann ist die dynastische Journalistik ihm höchst aufsäßig, weil diese stets neben dem ministeriellen ein rein dynastisches Interesse behauptet, und in diese Journalistik ist ein Theil der Belletristik verflochten, indem Balzac, Hugo, Dumas und alle diese Herren, wie ein Theil der Malerzunft, in den heutigen dynastischen Interessen mehr oder minder incorporirt sind. Aber Thiers hat die Hauptorgane der hiesigen Journalistik wenn auch nicht zur vollkommensten Disposition, doch zur Beförderung seiner politischen Plane. Was er eigentlich will, weiß keiner so recht, und er weiß es wahrscheinlich selbst nicht; daß er aber ein nothwendiger parlamentarer Gegensatz des abstracten Dynasticismus ist, daß er die sogenannte constitutionelle, im Grunde aber mehr oder minder rein monarchische Constitution in eine parlamentare, den Engländern nachgeahmte, näher besehen aber rein ministerielle Constitution umändern will, darin liegt eigentlich heute seine Kraft, welche freilich von vorn an gefährdet seyn möchte. Indessen zeigt er so ziemlich unumwunden allen Parteien, daß er das <hi rendition="#g">letzte Wort des Monarchismus</hi> sey, und nach ihm die Revolution anfange, und das ist eben seine große Geschicklichkeit, denn in petto glauben dieß viele Dynastische selbst, und möchten gerne <hi rendition="#g">gezwungen</hi> seyn für ihn zu votiren, obgleich sich viele mit einer falschen Courage brüsten. In dieser sogenannten dynastischen Opposition gegen Hrn. Thiers macht Hr. v. Lamartine eine große, ehrenvolle Ausnahme; er gehört eigentlich in keine Kategorie und classificirt sich nicht in der Kammer; er gehört zu den in letzter Quelle durch Lafayette getränkten Geistern, obwohl sie gar nicht an die Tauglichkeit und Erhabenheit der Gesinnungen unsrer Demokratie glauben und das nobiliäre Element, insofern es güterbesitzend ist, als Haltpunkt nicht verschmähen, weil sie überzeugt sind, es sey mehr Großsinn und ächte Liberalität in einem Corpus der Gutsbesitzer als in dem Stande der Notarien, der wahren Leiter und Lenker der Wahlcollegien auf dem Lande. Lamartine nun stellt sich Hrn. Thiers gegenüber, rein persönlich, dem Anscheine nach, weil es eben Hr. Thiers ist, das ist ein nicht aus dem ächten Kern der Nation hervorgewachsener Minister, der seine Macht keinem wahren Volksprincipe verdankt, sondern nur einem flottanten Princip der Journalistik. Weß Geistes Kind ist aber Hr. Thiers? 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[0693/0005] jeder Gefahr zu trotzen, falls er je der Sympathie beraubt werden sollte, die ihm seither in Frankreich geworden. Er habe zu diesem Ende das Nothwendige veranlaßt und werde sich in eine Verfassung setzen, daß die Herren in Europa erfahren, wie man die Haut nicht eher verkaufen dürfe, bis man den Löwen erlegt habe. Der Löwe werde sich tüchtig wehren, mörderisch beißen. Ihm seyen die Verheißungen und Drohungen von der Tribune herab sattsam bekannt, und der Koran lehre ihn, daß wenn der Prophet wirklich gesprochen, etwas werden und seyn müsse, da sonst nur Trug herrsche, ob dem er sich weder freuen noch fürchten soll. Er freue und fürchte sich auch nicht und vertraue auf sich und seinen Stern. Hr. Cochelet gibt diese Aeußerungen in einer sehr beachtenswerthen Depesche wieder und räth in dringendem Ton, Mehemed Ali bald zu befriedigen. Diese Depesche war eine der ersten, welche Hr. Thiers im auswärtigen Departement zu eröffnen hatte, und deren Inhalt ihn sehr nachdenkend gemacht haben soll. Thiers gehört zu den Wenigen, die zwischen den Zeilen lesen, und er las hier deutlich die Antwort auf seine denkwürdige Rede, die Mehemed Ali, wie er sah, nur zu gut verstanden, nur zu genau aufgefaßt hatte. _ Paris, 20 März. Hr. Thiers hat seit seinem letzten Austritt aus dem Ministerium unverrückt nach Einem Ziele manöuvrirt: „wie kann es mir gelingen den Posten eines Premierministers zu erschwingen, ohne den Unannehmlichkeiten ausgesetzt zu seyn, wie vorhin als Instrument aufgegriffen und als Instrument wieder auf die Seite gelegt und zerbrochen zu werden?“ – Den Haß der Doctrinärs gegen den Grafen Molé benützend, hat er aus den Elementen dieses Hasses die sogenannte Coalition zusammengesponnen, aber erfahren, daß man seine Münze noch nicht ohne Mißtrauen anzunehmen gedenke. Das Ministerium Soult schien versichert zu seyn, sein Leben durch die dießjährige Sitzung durchzuschleppen, als das bekannte Dotationsgesetz Hrn. Thiers Wasser auf seine Mühle brachte. Aber er weiß wohl, daß in den Mühlrädern noch mancherlei Geister hausen, um ihm einen Schabernack zu spielen, und diese Geister ist er jetzt bemüht heraus zu beschwören. Als er berufen ward sein Ministerium zu bilden, und man ihn befragte, ob er eines schon entworfen habe, antwortete er, seine Collegen seyen bereit. Als man ihm deren Namen abfragte, gab er zum Bescheid, er habe nicht Lust diese Namen binnen zweimal vierundzwanzig Stunden compromittirt zu sehen; er werde sie nur dann ausspielen, wenn es Ernst sey, ihm die Bildung eines Cabinets anzuvertrauen. Man erbat sich zweimal vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit, worauf Hr. Thiers die Antwort gegeben haben soll: nach Verlauf dieser zweimal vierundzwanzig Stunden habe ich mich auch zu bedenken. Er hatte sich wegen der Ermächtigung zu eventueller Auflösung der Kammer Gewißheit zu verschaffen. Er erhielt sie. So ward er Minister. Seine rasche Keckheit setzte ihn gut mit der Linken, welche glaubte, in ihm den Anfang zu einer Realisation der englischen Parlamentsregierung zu gewahren, und den endlichen Sturz des mit den Bourbonen 1814 eingewanderten Systems, dessen eigentlicher Sinn war, die Monarchie mit einem Grand Conseil der Kammern zu umgeben, ohne denselben die wahre Regierungsmacht in die Hände zu geben. – Persönliche Anhänger des Hrn. Thiers sind fast nur die Journalisten, welche in ihm die Apotheose des Journalismus gewahren; aber so wie es kein Gift gibt ohne Gegengift, und das Mittel zur Verwundung auch das Mittel zur Heilung ist, so hat die Natur auch dafür gesorgt, daß was die Journalistik emporhebt, sie auch wieder zu Fall bringt; denn wenn Hr. Thiers in der Presse des Tages seine hitzigsten Freunde hat, so hat er in derselben auch seine heftigsten Feinde. Höchst bitter sind gegen ihn alle Radicalen und Republicaner, deren Organ der National ist, weil sie ihn als einen gesinnungslosen Menschen betrachten, der alle Dinge leicht begreift, aber auch eben so leicht wieder aufgibt. Dann ist die dynastische Journalistik ihm höchst aufsäßig, weil diese stets neben dem ministeriellen ein rein dynastisches Interesse behauptet, und in diese Journalistik ist ein Theil der Belletristik verflochten, indem Balzac, Hugo, Dumas und alle diese Herren, wie ein Theil der Malerzunft, in den heutigen dynastischen Interessen mehr oder minder incorporirt sind. Aber Thiers hat die Hauptorgane der hiesigen Journalistik wenn auch nicht zur vollkommensten Disposition, doch zur Beförderung seiner politischen Plane. Was er eigentlich will, weiß keiner so recht, und er weiß es wahrscheinlich selbst nicht; daß er aber ein nothwendiger parlamentarer Gegensatz des abstracten Dynasticismus ist, daß er die sogenannte constitutionelle, im Grunde aber mehr oder minder rein monarchische Constitution in eine parlamentare, den Engländern nachgeahmte, näher besehen aber rein ministerielle Constitution umändern will, darin liegt eigentlich heute seine Kraft, welche freilich von vorn an gefährdet seyn möchte. Indessen zeigt er so ziemlich unumwunden allen Parteien, daß er das letzte Wort des Monarchismus sey, und nach ihm die Revolution anfange, und das ist eben seine große Geschicklichkeit, denn in petto glauben dieß viele Dynastische selbst, und möchten gerne gezwungen seyn für ihn zu votiren, obgleich sich viele mit einer falschen Courage brüsten. In dieser sogenannten dynastischen Opposition gegen Hrn. Thiers macht Hr. v. Lamartine eine große, ehrenvolle Ausnahme; er gehört eigentlich in keine Kategorie und classificirt sich nicht in der Kammer; er gehört zu den in letzter Quelle durch Lafayette getränkten Geistern, obwohl sie gar nicht an die Tauglichkeit und Erhabenheit der Gesinnungen unsrer Demokratie glauben und das nobiliäre Element, insofern es güterbesitzend ist, als Haltpunkt nicht verschmähen, weil sie überzeugt sind, es sey mehr Großsinn und ächte Liberalität in einem Corpus der Gutsbesitzer als in dem Stande der Notarien, der wahren Leiter und Lenker der Wahlcollegien auf dem Lande. Lamartine nun stellt sich Hrn. Thiers gegenüber, rein persönlich, dem Anscheine nach, weil es eben Hr. Thiers ist, das ist ein nicht aus dem ächten Kern der Nation hervorgewachsener Minister, der seine Macht keinem wahren Volksprincipe verdankt, sondern nur einem flottanten Princip der Journalistik. Weß Geistes Kind ist aber Hr. Thiers? Gewiß, daß er weit eminentere Geistesgaben besitzt als seine Mitwerber der Kammer; aber ist Kraft genug in ihm, um sich aus den Windeln seiner Geburt herauszuschlagen, kann er als denkender Kopf und thätiger Mann dastehen, nachdem er als geistreicher Kopf und beweglicher Geselle sich in Bureaux, Journalen und Ministerien herumgethan? Das ist für die Zukunft des Hrn. Thiers die ganze Frage. Belgien. _ Brüssel, 20 März. Es war schwer, wenn nicht unmöglich, in der Aufregung, welche dem Votum vom 14 März folgte, die Consequenzen desselben und die Nothwendigkeiten der neuen Lage, in welche sich Kammer und Regierung zu einander versetzt sahen, in ihrem ganzen Umfange und mit Sicherheit vorauszubestimmen. Das Ministerium war dem Nationalgefühl zu entschieden und zu hartnäckig entgegengetreten, die Minister hatten während der Discussion selbst sich, viel zu hart absprechend, auf die Nothwendigkeit sich ihrer Ansicht unterwerfen zu müssen, trotzend gezeigt, sie hatten zu sehr Fehler auf Fehler gehäuft, sich zu sehr jeder Transaction – zu der

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 87. Augsburg, 27. März 1840, S. 0693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_087_18400327/5>, abgerufen am 23.11.2024.